Was ich hier auf Aruba treibe, hat nicht mehr viel mit Langfahrtsegeln zu tun, nicht einmal mit Segeln. Es ist Leben auf einem Segelboot. Manchmal wundere ich mich, wie viele Menschen diese Webseite besuchen. Dabei schreibe ich nur über das Leben auf einer kleinen Karibikinsel. Das hätte ich mir am 19. Juni 2019 nicht vorgestellt, als Jens und ich gemeinsam die Leinen in Stavoren lösten und zu unserem langen Segeltörn starteten.
Unser Weg führte uns zunächst auf ausgetretene Pfade. Zunächst überquerten wir die Nordsee. Dabei lernten wir, mit unserer neuen Technik, insbesondere dem AIS umzugehen. Die folgende Zeit in Schottland war ein Traum, denn das schottische Wetter war gar nicht schottisch, es hat nämlich fast nicht geregnet.
Kulinarisch haben wir aus Schottland mitgenommen, wie man einen Hummer zubereitet und wie man ihn anschließend mit möglichst geringem Kollateralschaden isst. Dazu gab es unzählige Fotos und eine große Zahl von Kontakten mit den Einheimischen. Wir haben viele tolle Menschen kennengelernt.
Unsere Reise führte uns über Nordirland, Isle of Man, Irland und Wales nach Guernsey. Dort waren wir mit unserer Schwester Christine und ihrem Sohn Benedikt verabredet. Die beiden haben dort ihre Sommerferien verbracht und mussten für uns einen Fleischwolf aus Frankfurt auf die Sissi schleppen.
Anschließend kam der erste Besuch an Bord. Christoph wollte einmal in seinem Leben die Biskaya auf einem Segelboot überqueren. Diesen Wunsch konnten wir ihm erfüllen. Wir wussten, dass wir einen erfahrenen Segler mit an Bord nehmen, schließlich sind wir oft genug zusammen unterwegs gewesen.
Während der Überquerung der Biskaya nutzten wir erstmals unsere Windfahnensteuerung. Das haben wir auf den kurzen Trips immer vor uns hergeschoben, der elektrische Autopilot funktioniert hervorragend. Nach der Biskaya haben wir nur noch die Windfahne benutzt. Sissi segelt viel ruhiger, wenn der Windpilot steuert. In dieser Hinsicht waren wir ziemlich dämlich. Christoph hat uns dann in Vigo verlassen, vorher machten wir noch eine gemeinsame Pilgerfahrt mit der Eisenbahn nach Santiago de Compostela.
In Spanien bzw. Portugal war es uns so warm, dass wir uns von unseren langen Haaren getrennt haben. Für mich war es der erste Friseurbesuch in diesem Jahrtausend. Es war eine meiner besseren Entscheidungen. Meine Haare sahen schon ziemlich – ähm – aus.
Auf Lanzarote verbrachten wir eine ziemlich lange Zeit. Das hatte damit zu tun, dass wir auf einen Flug nach Frankfurt warteten, denn wir wollten unsere Eltern auf der Feier ihrer goldenen Hochzeit überraschen. Die Überraschung ist uns gelungen.
Wenn ich mir das obige Bild im heutigen Kontext anschaue denke ich, dass die Folgen von Covid-19 nicht unbedingt alle schlecht sein müssen. Der Genuss am Strand kann nur besser sein, wenn es dort nicht so eng ist. Da schiebe ich mal ein aktuelles Bild von hier dazwischen. Aufgenommen habe ich es bei der Wiedereröffnung der Hotelinsel, die wir als Marinagäste mitbenutzen können.
Zugegebenermaßen hat das Hotel noch nicht geöffnet. Es läuft noch alles etwas auf Sparflamme. Das erste Wochenende waren die Einheimischen auf die Insel eingeladen. Sie konnten für einen Sonderpreis von 60 US$ übersetzen. Das kann sich auf Aruba auch nicht jeder leisten.
Zurück auf die Kanaren, zurück nach Europa, zurück in der Zeit. Wir waren nicht die einzigen, die die europäische Küste entlang gesegelt sind und auf den Kanaren landeten. Viele Boote haben wir immer wieder getroffen, mit einigen Crews haben sich Freundschaften entwickelt. Manche von uns sitzen in der Karibik fest, wir versuchen den Kontakt zu halten. Für diese Freundschaften sind wir sehr dankbar.
Da wir inzwischen wussten, wie anstrengend eine mehrtägige Seereise für eine Crew aus zwei Personen sein kann, haben Jens und ich uns entschlossen, auf Teneriffa einen Anhalter mitzunehmen.
Jakob, ein junger Österreicher, ist von Teneriffa bis Barbados auf unserer Sissi mitgefahren und hat uns auf dem Atlantik in der erwarteten Weise entlastet. Von seinem Plan, die Erde ohne Flugzeug zu umrunden, hat er inzwischen absehen müssen. Er ist inzwischen nach Österreich zurück geflogen.
Kaum auf Barbados angekommen, hatten wir schon wieder Besuch. Schon vor Monaten hatten wir uns mit Burti und Jörg verabredet. Inzwischen war es Ende Januar und Covid-19 dominierte die Medien. In der Karibik war das alles sehr weit weg.
Die beiden begleiteten uns von Barbados über St. Lucia bis nach Martinique. Rückblickend betrachtet war der Zeitraum viel zu lang. Für mich hat sich eine der größten persönlichen Enttäuschungen meines Lebens daraus entwickelt.
Auf dem Weg von Martinique nach Bonaire eröffnete mir Jens, dass wir nicht durch den Panamakanal fahren, sondern unseren Kurs in Richtung Deutschland ändern müssen. Das traf mich für einige Tage sehr hart. Wir machten uns daran, ein tragfähiges Restprogramm zu erarbeiten. Dazu gehörten die Inseln Bonaire (wegen des tollen Riffs und der geringen Besiedelung) und Aruba (wegen der Straßenbahn). Anschließend wollten wir uns auf Jamaika mit der Chapo treffen.
Wenige Tage nach unserer Ankunft hat Aruba die Grenzen geschlossen. Die ersten Fälle von Covid-19 wurden auf der Insel gemeldet. Auch auf vielen anderen karibischen Inseln klappten die Schlagbäume herunter, ebenso in Mittelamerika. Wir saßen fest. Eine Weile planten wir, nonstop nach Deutschland zurück zu segeln.
Außerdem hatten wir noch ein Problem. Die Chapo war mitten auf dem Atlantik. Jutta und Charly wussten, dass sie sich für einige Monate nicht mehr bewegen würden können. Sie haben sich dazu entschieden, ebenfalls nach Aruba zu kommen. Das hat uns sehr gefreut, denn sie hatten noch 24 Dosen Apfelwein für uns an Bord. Aufgrund der langen Quarantänezeit von den Kapverden bis nach Aruba wurde ihnen die Einreise trotz der geschlossenen Grenze gestattet.
Es folgten mehrere weitgehend ereignisarme Wochen. Aruba hat komplett die öffentliche Verwaltung heruntergefahren. Nur Apotheken, Supermärkte und wenige andere Geschäfte der Grundversorgung hatten noch geöffnet. In der Nacht galt eine strenge Ausgangssperre. Jens ist zurück nach Deutschland geflogen. So können wir uns nicht monatelang auf den Geist gehen, während wir auf Aruba festhängen. Spätestens jetzt war mir klar, dass sich die Situation nicht innerhalb von ein paar Tagen entspannen würde.
Inzwischen ist die Insel ohne Fälle von Covid-19 und bereitet die Öffnung vor. Die ersten frischen Touristen dürfen bald wieder kommen. Das öffentliche Leben unterliegt inzwischen fast keinen Einschränkungen mehr. Die Bars müssen noch um 23 Uhr schließen, Spielcasinos und Massagesalons sind noch komplett geschlossen. Die Einschränkungen halten sich also in Grenzen.
In Zukunft müssen einreisende Touristen einen maximal 72 Stunden alten Corona-Test mitbringen bzw. sie dürfen bei der Einreise einen Test für schlappe 75 US$ kaufen und sind während der eintägigen Wartezeit auf das Ergebnis in Quarantäne. Außerdem brauchen Touristen eine Krankenversicherung, die Covid-19 mit einschließt. Selbstverständlich kann diese Krankenversicherung auch vor Ort abgeschlossen werden, das kostet lediglich 15 US$ pro Tag.
Jutta und ich fahren jetzt regelmäßig zu den hiesigen Eseln und helfen bei deren Fütterung und der Reinigung des Geländes. Das ist eine angenehme Abwechslung zum Hafenalltag. Man kann nicht jeden Tag einen neuen touristischen Höhepunkt finden. Die Insel ist schließlich relativ klein.
Auch meine Kontakte zu den Arubanern werden besser. Seit man sich wieder im öffentlichen Leben begegnen kann, komme ich immer häufiger ins Gespräch. Das Gespräch ist allerdings bislang einigermaßen holprig, weil mein Papiamento stark verbesserungsfähig ist. Daran werde ich in den kommenden Wochen arbeiten.
Und ich werde mich jedes Mal freuen, wenn ich im Regen spazieren gehen darf. Dieser Tage hat es für zwei Minuten geregnet und ich war zu Fuß unterwegs. Toll.
Was mir neben Familie und Freunden am meisten fehlt, ist der Wechsel der Jahreszeiten. Seit wir losgefahren sind, sind wir im Sommer unterwegs. Sommer in den Niederlanden und in Schottland, Irland und Frankreich. Überall war es Sommer. Je später der Monat desto südlicher waren wir unterwegs. Ich wünsche mir mal wieder so einen richtig schön verschneiten Wintertag oder den Duft von Herbstlaub nach einem Regenschauer. Ja, den Regen vermisse ich auch. Seit März hat es hier zusammen genommen keine Viertelstunde geregnet.
Nächsten Monat will ich versuchen, mit Sissi mal wieder eine Runde zu segeln. Edward und Shelley möchten testen, ob sie seekrank werden. Wenn sie nicht seekrank werden, können wir vielleicht mal einen kleinen Ausflug nach Curacao oder Bonaire machen. Seit dem 15. Juni gilt innerhalb der ABC-Inseln Reisefreiheit. Ich bin optimistisch für das zweite Jahr der Reise.
Noch nie zuvor konnte ich so viel in so kurzer Zeit erleben.