Es regnet. Es regnet schon die ganze Nacht. Irgendwo nördlich von uns zieht mal wieder eine tropische Störung durch. Deswegen ist es beinahe windstill und das Wasser fällt aus dem Himmel. Stundenlang.
Es ist egal. Ich muss raus. Soraida hat mich gerade angerufen, ein Paket für mich wurde bei ihr abgegeben. Es ist das Paket, das schon seit sieben Wochen in Aruba ist. Mein Vater war bei meinem Lieblingsmetzger in Frankfurt und hat ein paar Wurstkonserven, etwas Beef Jerk und eine Dose Apfelwein in ein Paket gepackt. Das fanden die Zöllner in Aruba nicht witzig und so entwickelte sich ein reger Nachrichtenaustausch zwischen dem Paketshop und dem Zoll in Oranjestad. Einzig das Paket gelangte nicht zu mir. Letztendlich stellte sich die Frage, ob ich gewillt bin, knapp 50 Dollar für den Zoll und noch einmal 50 Dollar für eine veterinärmedizinische Untersuchung zu zahlen. Zuzüglich der üblichen Gebühren. Ich war es nicht. Drei Werktage später landete das Paket bei Soraida. Es wurde vom Zoll nicht einmal geöffnet. Die Gebühren belaufen sich auf 125 Florin, also etwa 70 Dollar. Ich freue mich trotzdem, auch wenn der Inhalt längst nicht so viel Wert ist. Der ideelle Wert macht das allemal wieder wett.
Ich will noch schnell in den Supermarkt fahren, stecke aber ziemlich schnell in einem dicken Verkehrsstau fest. Eines der seltenen Kreuzfahrtschiffe (Carnival Cruises) liegt am Terminal. Das bedeutet natürlich, dass auf der Uferstraße die Touristen ständig von einer auf die andere Straßenseite torkeln. Also ist Stau, wir fahren diese Leute nicht über den Haufen.
Einen Tag später bekomme ich eine Nachricht aus dem Tierheim. Ob ich mal auf der Videoüberwachung schauen kann, wer uns die Hunde und die Kätzchen vor die Tür gelegt hat. Natürlich kann ich. Es ist mir eine Freude. Innerhalb eines Tages wurden zwei Hunde und drei Kätzchen ausgesetzt. Wenn wir gute Aufnahmen haben, geben wir sie zur Polizei. Genauer gesagt bekommt sie ein bestimmter Polizist von der Hundestaffel. Der sorgt dann dafür, dass der Tierfreund eine Geldbuße zahlen muss.
Leider habe ich am Vortag bei einer ähnlichen Aktion die wichtigste Kamera abgeschaltet. Deswegen haben wir das Kennzeichen von dem Mann nicht, der uns gegen 13 Uhr die Katzen vor die Tür gelegt hat. Die Katzen mussten ohne Nahrung und ohne Wasser den ganzen Nachmittag und die folgende Nacht in ihrem Karton ausharren. Die Kätzchen sind ein paar Tage älter als die vier, die bei mir an Bord gewohnt haben. Sie können schon selbständig fressen und ihre Bedürfnisse verrichten.
Die Kennzeichen der beiden nun ehemaligen Hundehalter haben wir jedoch. Insbesondere der zweite Kerl, der uns den Hund an den Baum gekettet hat, ist besonders frech. Bei seinem ersten Besuch (hier können wir das Kennzeichen erkennen) läuft er herum und informiert sich über die Öffnungszeiten. Dann pinkelt er gegen die Mauer zum Nachbargrundstück und fährt wieder davon. Eine Dreiviertelstunde später ist er wieder da und holt den Hund aus dem Kofferraum, der dann am Baum gelassen wird. Außerdem muss er noch ein zweites Mal gegen die Mauer pinkeln. Puh.
Meinen vier Babys geht es ausgezeichnet. Inzwischen müssen sie nicht mehr abgewaschen werden, sie reinigen sich selbst, wie es ein kleiner Kater machen muss. Nur Captain Sparrow muss noch ein wenig an seinen Tischmanieren arbeiten.
Es ist kaum zu glauben. Die beiden letzten Wochen sind unglaublich schnell vergangen. Ich schwitze im Salon und schreibe diese Zeilen nieder. Dabei wird mir bewusst, dass ich heute vor zwei Wochen die vier Kätzchen mit aufs Boot genommen habe. Und dass ich sie vor drei Tagen wieder ins Tierheim gebraucht habe.
Zuletzt ist es nur noch Admiral Nelson, der durch Schüchternheit am Futternapf auffällt. Dabei weiß ich, dass er fressen kann. Er frisst immer erst dann, wenn seine Brüder ihre Mahlzeit beendet haben. Das ist ungerecht, denn die anderen werden dicker und größer. Nelson hängt hinterher. Also schnappe ich ihn mir bei den nächsten beiden Raubtierfütterungen und lasse ihn im Cockpit alleine speisen. Die anderen veranstalten im Salon ein großes Getöse und versuchen, den Niedergang heraufzuklettern, hören sie ihren Bruder doch genüsslich schmatzen. Wenn Nelson satt ist, bekommen die anderen die „Reste“, immer noch den größten Teil von der Portion. Im Video sieht man es sehr gut. Ich habe Aufnahmen beim Fressen von verschiedenen Tagen hintereinander geschnitten. Dabei wird Nelson am Futternapf immer frecher. Ich entscheide, dass die Kerlchen am Montag wieder ins Tierheim zurück müssen. Nach nur eineinhalb Wochen.
Mit zögerlichen Schritten verlassen sie ihre Transportbox, als ich sie in ihrem neuen Zuhause auf den Boden stelle. Ich lasse sie erst einmal in Ruhe, sie sollen sich an ihre neuen Mitbewohner gewöhnen, die Box als gewohnten Rückzugsort können sie noch ein paar Stunden benutzen. Sehr schnell kommen sie heraus und beginnen, die neue Umgebung zu erkunden.
Nach dem Versorgen der Katzen verlasse ich das Tierheim sehr schnell. Ich bin ein wenig traurig und mein Boot ist leer und leise, als ich wieder in den Salon trete. Sofort mache ich mich an die Arbeit. Die Teppichfliesen müssen alle raus. Zwei Kätzchen konnten die Toilette schon benutzen, das heißt aber auch, dass zwei es noch nicht konnten. Dementsprechend sieht es aus und geruchlich ist auch nicht alles gut.
Dann bekomme ich Zuwachs an Bord, Michael bringt mir die Gefrierbox vorbei, die er mir vor ein paar Tagen verkauft hat. Jetzt kann ich mir auch Speiseeis kaufen. Bei 34°C schadet eine Dose Eis an Bord gar nicht. Die Außentemperatur bringt es allerdings auch mit sich, dass die Gefrierbox nicht weniger als -8°C erreicht. Aber ich möchte die Lebensmittel nicht für Monate aufbewahren. Um sie für ein paar Tage oder Wochen einzufrieren, sollte die Temperatur ausreichen. Wie ich das gefräßige Teil auf dem nächsten Segeltörn mit Strom versorgen will, bleibt mir bislang ein Rätsel. Ich hatte ja gehofft, dass der Kompressor gelegentlich Ruhe bekommt. Er läuft jedoch dauerhaft durch.
Die Tropenstürme, die hier einige hundert Kilometer nördlich durchziehen, bringen immer wieder schlechtes Wetter mit sich. Schlechtes Wetter ist für mich Windstille bei prallem Sonnenschein. Auf der Rückseite kommt es anschließend zu starken Regenfällen. Dann kann es passieren, dass die Bar in der ich sitze, innerhalb von wenigen Sekunden leer gespült ist. Die Gäste werden vielmehr vom Außenbereich in den Innenbereich gespült. Zum Glück dauert so ein Regenschauer immer nur wenige Minuten.
Mein nächster Besuch im Tierheim findet drei Tage später statt. Ich habe drei Tage nichts von den Katerchen gehört oder gesehen. Drei Tage haben sie mich nicht gesehen. Kaum betrete ich den Käfig und spreche zu den Tigern, kommen sie sofort angelaufen und wollen wieder meine Beine hochklettern.
Leider ist nicht alles so, wie es sein soll. Alle vier sind noch nicht besonders gründlich bei der Fellreinigung, das hat ihnen ihre Mutter nicht beibringen können. Deswegen haben sie alle am Hintern einen Haufen fest getrockneter Scheiße. Einmal am Tag müssen sie noch gereinigt werden. Den Job erledige ich unter großem Geschrei des jeweiligen Kandidaten.
Ich habe jedem von ihnen das Halsband mit Namen und Nummer selbst angelegt. Nicht, dass die Kater mit dem falschen Namen gerufen werden. Ihre Namen werden sie nur für kurze Zeit tragen, denn die meisten Adoptiveltern geben ihnen einen neuen. Ich werde so lange berichten, bis sie alle adoptiert sind. Sehr stolz bin ich, dass ich sie alle vier durchbekommen habe. Das hat am Anfang noch ganz anders ausgesehen.
Zur Belohnung hole ich mir gleich noch ein Eis. Der neue Luxus ist toll. Jetzt muss ich nur aufpassen, nicht zu viele süße Sachen zu essen.
Immer wenn ich bei meinem Wagen auf die Bremse trete, tritt ein erbärmliches Geräusch auf. Als wären die Bremsbeläge auf einer Seite komplett abgefahren. An das Problem muss ich irgendwie heran. Also besorge ich ich im nächsten Autoteile-Geschäft einen Satz neue Bremsbeläge und fahre zu Edward, der in seinem Hof eine Miniatur-Autowerkstatt installiert hat. Dort zeigt sich, dass auch die Bremsscheiben ziemlich herunter geritten sind und erneuert werden müssen. Das ist alles kein Ding, schließlich fahre ich ein weit verbreitetes Modell. Die Scheiben müsste es an jeder Ecke geben, doch zuerst muss ich zurück an Bord, denn die Kätzchen brauchen mal wieder eine Fütterung.
So etwas wie Kätzchen-Aufzuchtmilch ist hier nicht einmal im Tier-Fachgeschäft zu bekommen. Die Katzenmilch im Supermarkt kostet pro 200ml 3,50 Florin, das grenzt fast an Betrug. Denn wenn ich auf der Zutatenliste sehe, dass da laktosefreie Kuhmilch drin ist, kann ich auch gleich zum Regal für die Menschen gehen und einen Liter fettreduzierte laktosefreie Kuhmilch für 1,99 Florin kaufen. Einen Dreiviertelliter versaufen die kleinen Racker durchaus pro Tag. Ich hoffe, dass ich sie bald dazu bekomme, normales Katzenfutter zu fressen, denn um ihre Milchportion müssen sie sich immer heftig streiten. Ich kann immer nur einem der Katerchen seine Portion geben, die anderen 12 Pfoten kämpfen dann um die Pole-Position.
Anfangs hatte ich meine liebe Mühe, sie zum Pinkeln und Kacken zu animieren. Jetzt brauche ich das nicht mehr, sie können das nun von alleine. Ob ich zu Hause bin oder nicht. Manchmal gehen sie auf das Katzenklo. Meistens aber nicht. Gelegentlich sehe ich ein Katerchen in einer Ecke, das eine verdächtige Position einnimmt und plötzlich auch noch verdächtige Geräusche macht. Dann schnappe ich mir den Kerl und trage ihn am Nacken zum Katzenklo. Es funktioniert, dort fangen sie dann an zu Scharren und zu Graben. Wenn ich nicht an Bord bin, landen die Ausscheidungen irgendwo auf dem Teppich.
Genau auf dem Teppich, den Jens und ich vor Monaten von der Ölpest befreit haben. Auf dem Teppich, der von den Voreignern liebevoll in den Salon eingepasst wurde. Auf dem Teppich, der schon lange nicht mehr schön ist und nur die hässlichen Bodenbretter kaschieren soll. Die will ich im Laufe dieses Jahres noch schön machen und gänzlich auf den schwer zu reinigenden Bodenbelag verzichten. Wenn die Kätzchen zurück im Tierheim sind, wird die Reinigung daraus bestehen, die Teppichfliesen auf den Müll zu werfen.
Hinsichtlich der Namen für die Katerchen ist eine Entscheidung gefallen. Einen schönen Vorschlag bekam ich aus Deutschland, Mary Read. Hätte ich gerne genommen, wirklich. Ich hatte für das Mädchen den Namen Anne Bonny ausgesucht.
Ich fahre die Kätzchen am Dienstag zum Entwurmen und zur Untersuchung ins Tierheim und wir stellen fest, dass wir das Mädchen nicht finden können. Es sind vier Jungs. Damit ist auch der Gedanke vorbei, das Mädchen an den Hafenmeister Paul zu vermitteln, der Gesellschaft für seinen Mikey sucht. Mikey akzeptiert keine Männer um ihn herum.
Da der Name auch irgendwie zu seinem Träger passen muss, haben die beiden neugierigsten Kater die Namen Kolumbus und Magellan bekommen. Sie sind beide Entdecker und müssen ihr kleines Näschen überallhin schieben. Dann haben wir noch Admiral Nelson, der die Ruhe selbst ist. Er beteiligt sich nur wenig an der Schlacht um die Milch, sondern wartet einigermaßen geduldig auf seine Portion. Der Letzte im Bund ist eine Fantasiefigur – Captain Sparrow. Er ist ein kleiner Drecksack und besonders gemein zu seinen Brüderchen.
Schließlich kommt der Tag, an dem alle aus dem Futternapf fressen. Anfangs ist ihnen die Nahrungsquelle nicht geheuer. Es riecht ja eigentlich ganz lecker, hat aber nichts mit dem zu tun, was vorher auf der Speisekarte stand. Also wird es von allen Seiten betrachtet. Meiner Erwartung nach würden entweder Kolumbus oder Magellan den ersten Schritt machen. Ich werde nicht enttäuscht. Magellan stellt gleich einmal seine Pfötchen in die Schale. Die anderen schauen fasziniert zu, den Geräuschen nach klingt es aber nach Nahrungsaufnahme. Ein ziemlich rhythmisches Schmatzen erklingt im Salon, die spitzen Öhrchen wackeln im Takt. Der Kater gerät mehr und mehr in Fress-Extase und landet zuletzt bäuchlings im Futter. Kein Grip in der Schüssel.
Währenddessen schleicht sich Captain Sparrow an die Schale heran. Zunächst probiert er recht zaghaft, dann merke ich, dass ihm die neue Nahrung ebenfalls mundet. Die anderen beiden halten sich eher entfernt und bei mir, statt sich im ihr Futter zu kümmern. Ich bin halt die Mama und die Mama muss doch Milch geben. Wie man mir im Tierheim erklärt hat, entscheidet die Katzenmama aber irgendwann, dass es keine Milch mehr gibt. Dann gibt es eben Mäuse. Captain Sparrow findet es so lecker, dass er nach nur wenigen Minuten bäuchlings neben Magellan schmatzt.
Die beiden anderen haben zunächst Probleme mit der Größe der Brocken. Sie saugen die Nahrung eher auf, als dass sie sie kauen. Das müssen sie noch lernen. In die Fußzehen beißen können sie prima, in die Nahrung beißen noch nicht. Das Futter macht eine Riesensauerei im Fell der Tigerchen, deswegen gibt es nach der Mahlzeit von mir nun auch noch eine Katzenwäsche dazu. Mit dem zerkleinerten Futter kann ich die beiden anderen nun auch noch motivieren, ihren Magen in der Schüssel zu füllen.
Das ist die erste Mahlzeit, in der die Kätzchen entscheiden, wie viel sie zu sich nehmen. Kolumbus liegt mit einem Kugelbauch in der Ecke. Auch Captain Sparrow scheint sich etwas zu viel zugemutet zu haben. Die beiden anderen sehen normal aus. Ich bin mal gespannt, wie lange diese Mahlzeit im Vergleich zur üblichen Milchmahlzeit vorhält.
Die Zeit kann ich nutzen, um beim Autoteile-Händler die Bremsscheiben zu besorgen. In den ersten vier Läden lande ich keine Treffer, im fünften und hochpreisigsten Laden finde ich die Scheiben endlich. Da hätte ich auch gleich zu Toyota fahren können. Ich vereinbare mit Edward, dass wir die Bremsscheiben am Folgetag tauschen.
Gesagt, getan. Mein Wagen steht in der improvisierten Werkstatt und Edward nimmt gerade den Steuerbord-Bugreifen ab. Ich habe die neue Scheibe schon griffbereit. Eine Minute später ist die alte Scheibe demontiert. Sie schreit geradezu danach, ersetzt zu werden.
Edward nimmt die neue Scheibe und will sie auf die Achse stecken. Er flucht. Ich sehe das Desaster und fluche mit. Die neue Scheibe hat zwei Zentimeter mehr Durchmesser. Wie bitte? Ich habe doch beim Einkauf darauf geachtet, dass ich die Scheiben zum richtigen Baujahr kaufe. Die Quittung für den Kauf ist auch schon irgendwo im Müll gelandet. Ich fahre zurück zum Teilehändler und reklamiere. Nach einem Gespräch mit dem Manager ist es möglich, die Scheiben zurück zu geben und mir wird eine Ersatzquittung ausgedruckt. Natürlich kann ich die passenden Scheiben nicht mitnehmen, denn sie sind nicht auf Lager. Sie werden bestellt und haben eine Woche Lieferzeit. Okay, damit kann ich leben.
Wie konnte es zu diesem Problem kommen? Ganz einfach, ich würde die Ursache „Aruba“ nennen. Auf die Frage nach dem Baujahr habe ich mit 2002 geantwortet, wie es auch in den Fahrzeugpapieren steht. Das Problem ist, dass die Fahrzeugpapiere in Aruba gemacht worden sind. Nach Eingabe der Fahrzeugnummer im Computer des Autoteile-Händlers erscheint als Baujahr plötzlich 1999. Warum das drei Jahre jünger wurde, kann mir niemand so recht erklären. Wahrscheinlich hat das Fahrzeug drei Jahre gebraucht, um aus Japan nach Aruba zu kommen und erstmals zugelassen zu werden. Für das Baujahr 1999 gibt es übrigens unterschiedliche Scheibengrößen – mit und ohne ABS.
Und wieder einmal habe ich trotz tigerbedingter Störungen einen Beitrag fertig geschrieben. Ich bin stolz. Jetzt darf ich die Tiger mal wieder waschen. Mit dem Waschlappen. Das Baden im Futter ist nicht gut für das Fell.
Und jetzt dürfen alle mitsingen. Katzeklo, katzeklo…