23. August 2021

Es regnet. Es regnet schon die ganze Nacht. Irgendwo nördlich von uns zieht mal wieder eine tropische Störung durch. Deswegen ist es beinahe windstill und das Wasser fällt aus dem Himmel. Stundenlang.

Starkregen in Aruba

Es ist egal. Ich muss raus. Soraida hat mich gerade angerufen, ein Paket für mich wurde bei ihr abgegeben. Es ist das Paket, das schon seit sieben Wochen in Aruba ist. Mein Vater war bei meinem Lieblingsmetzger in Frankfurt und hat ein paar Wurstkonserven, etwas Beef Jerk und eine Dose Apfelwein in ein Paket gepackt. Das fanden die Zöllner in Aruba nicht witzig und so entwickelte sich ein reger Nachrichtenaustausch zwischen dem Paketshop und dem Zoll in Oranjestad. Einzig das Paket gelangte nicht zu mir. Letztendlich stellte sich die Frage, ob ich gewillt bin, knapp 50 Dollar für den Zoll und noch einmal 50 Dollar für eine veterinärmedizinische Untersuchung zu zahlen. Zuzüglich der üblichen Gebühren. Ich war es nicht. Drei Werktage später landete das Paket bei Soraida. Es wurde vom Zoll nicht einmal geöffnet. Die Gebühren belaufen sich auf 125 Florin, also etwa 70 Dollar. Ich freue mich trotzdem, auch wenn der Inhalt längst nicht so viel Wert ist. Der ideelle Wert macht das allemal wieder wett.

Nasse Kreuzfahrer

Ich will noch schnell in den Supermarkt fahren, stecke aber ziemlich schnell in einem dicken Verkehrsstau fest. Eines der seltenen Kreuzfahrtschiffe (Carnival Cruises) liegt am Terminal. Das bedeutet natürlich, dass auf der Uferstraße die Touristen ständig von einer auf die andere Straßenseite torkeln. Also ist Stau, wir fahren diese Leute nicht über den Haufen.

Vor dem Tierheim ausgesetzt am 23. August

Einen Tag später bekomme ich eine Nachricht aus dem Tierheim. Ob ich mal auf der Videoüberwachung schauen kann, wer uns die Hunde und die Kätzchen vor die Tür gelegt hat. Natürlich kann ich. Es ist mir eine Freude. Innerhalb eines Tages wurden zwei Hunde und drei Kätzchen ausgesetzt. Wenn wir gute Aufnahmen haben, geben wir sie zur Polizei. Genauer gesagt bekommt sie ein bestimmter Polizist von der Hundestaffel. Der sorgt dann dafür, dass der Tierfreund eine Geldbuße zahlen muss.

Leider habe ich am Vortag bei einer ähnlichen Aktion die wichtigste Kamera abgeschaltet. Deswegen haben wir das Kennzeichen von dem Mann nicht, der uns gegen 13 Uhr die Katzen vor die Tür gelegt hat. Die Katzen mussten ohne Nahrung und ohne Wasser den ganzen Nachmittag und die folgende Nacht in ihrem Karton ausharren. Die Kätzchen sind ein paar Tage älter als die vier, die bei mir an Bord gewohnt haben. Sie können schon selbständig fressen und ihre Bedürfnisse verrichten.

Die Kennzeichen der beiden nun ehemaligen Hundehalter haben wir jedoch. Insbesondere der zweite Kerl, der uns den Hund an den Baum gekettet hat, ist besonders frech. Bei seinem ersten Besuch (hier können wir das Kennzeichen erkennen) läuft er herum und informiert sich über die Öffnungszeiten. Dann pinkelt er gegen die Mauer zum Nachbargrundstück und fährt wieder davon. Eine Dreiviertelstunde später ist er wieder da und holt den Hund aus dem Kofferraum, der dann am Baum gelassen wird. Außerdem muss er noch ein zweites Mal gegen die Mauer pinkeln. Puh.

Captain Sparrow und seine Tischmanieren

Meinen vier Babys geht es ausgezeichnet. Inzwischen müssen sie nicht mehr abgewaschen werden, sie reinigen sich selbst, wie es ein kleiner Kater machen muss. Nur Captain Sparrow muss noch ein wenig an seinen Tischmanieren arbeiten.

Tiger

Heute ist einer dieser Tage. Anneke sendete mir gestern eine Nachricht, dass sie nicht am Nachmittag sondern am Vormittag im Donkey Sanctuary sein würde. Ich war schon lange nicht mehr am Morgen dort, also habe ich mich gefreut.

Morgens um kurz vor Neun im Donkey Sanctuary

Die Morgenstunde hat ihren ganz eigenen Zauber. Bevor die Besucher kommen, stehen die Esel alle in erwartungsfroher Haltung da und begrüßen die Menschen. Sie wissen, dass in Kürze die Fütterung beginnen wird. Es ist geradezu gespenstig ruhig. Die Morgensonne streichelt weich über die Landschaft. Pünktlich um 9 Uhr ist alles aufgebaut und wir sind bereit, Besucher zu empfangen. Anneke will das Spezialfutter für die Alten fertig machen, als sie plötzlich darauf aufmerksam wird, dass Tiger merkwürdigerweise auf dem Boden liegt.

Keine Lebenszeichen mehr feststellbar, der Körper ist noch warm.

Der Körper des Babyesels ist noch war, aber Anneke kann keine Lebenszeichen mehr feststellen. Tiger war in der letzten Zeit wegen Eisenmangels in Behandlung. Deswegen trägt sie auch noch das Halfter. Ohne kann man einem Esel schlecht eine Spritze geben. Wegen ihrer schlechten Blutwerte vermutet Anneke, dass Tiger einen Herzinfarkt hatte.

Tiger ist eingeschlafen

Rund um das Baby finden sich keine Spuren, dass sie im Todeskampf lange gezappelt hätte oder sich gequält hätte. Anneke lässt ihren Mann Dirk die Videoaufzeichnungen sichten, denn dieser Stall wird von einer Kamera überwacht. Als Todeszeitpunkt wurde 6:10 Uhr festgestellt, Tiger hat sich einfach hingelegt, ist eingeschlafen und nie wieder aufgewacht.

Die Esel nehmen Abschied

Es stellt sich die Frage, was wir mit der Leiche machen. Liegenbleiben kann sie nicht lange, denn in der Hitze wird der Kadaver schnell anfangen zu stinken. Allerdings hat niemand von uns dreien ein geeignetes Auto für den Transport eines toten Esels, sei der Esel noch so klein. Wir müssen auf einen der beiden Pickup-Trucks warten, die zum Donkey Sanctuary gehören.

Es ist merkwürdig. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als Tiger mit ihrer Mutter Woods auf dem Parkplatz des Golfplatzes in San Nicolas gefangen worden sind. Damals war ich zufällig im Donkey Sanctuary, es wäre gar nicht meine Schicht gewesen. Auch der Tag, an dem Tiger das erste Mal den kleinen Stall verlassen und mit anderen Eseln herumtoben durfte, ist mir noch sehr gut in Erinnerung geblieben. Das Video habe ich noch einmal ausgegraben.

Wir wissen alle, dass die kleinen Esel in Aruba keine großen Chancen haben. Da alle derzeit auf der Insel lebenden Esel von lediglich 20 Eseln abstammen, ist der Genpool schlecht. Wenn sie nicht gerade tot geboren werden, werden die kleinen Esel oft nicht alt. Daran kann auch die gute medizinische Betreuung im Donkey Sanctuary nicht viel helfen. Wir lassen die Esel Abschied nehmen.

Als ich das Donkey Sanctuary gegen Mittag verlasse, kann man schon etwas riechen. Es wird Zeit, dass Tiger abtransportiert wird. Traurig fahre ich zurück zu Sissi. Es ist heute einer dieser Tage.

Adieu Kätzchen

Es ist kaum zu glauben. Die beiden letzten Wochen sind unglaublich schnell vergangen. Ich schwitze im Salon und schreibe diese Zeilen nieder. Dabei wird mir bewusst, dass ich heute vor zwei Wochen die vier Kätzchen mit aufs Boot genommen habe. Und dass ich sie vor drei Tagen wieder ins Tierheim gebraucht habe.

Katzenklumpen vor dem Niedergang

Zuletzt ist es nur noch Admiral Nelson, der durch Schüchternheit am Futternapf auffällt. Dabei weiß ich, dass er fressen kann. Er frisst immer erst dann, wenn seine Brüder ihre Mahlzeit beendet haben. Das ist ungerecht, denn die anderen werden dicker und größer. Nelson hängt hinterher. Also schnappe ich ihn mir bei den nächsten beiden Raubtierfütterungen und lasse ihn im Cockpit alleine speisen. Die anderen veranstalten im Salon ein großes Getöse und versuchen, den Niedergang heraufzuklettern, hören sie ihren Bruder doch genüsslich schmatzen. Wenn Nelson satt ist, bekommen die anderen die „Reste“, immer noch den größten Teil von der Portion. Im Video sieht man es sehr gut. Ich habe Aufnahmen beim Fressen von verschiedenen Tagen hintereinander geschnitten. Dabei wird Nelson am Futternapf immer frecher. Ich entscheide, dass die Kerlchen am Montag wieder ins Tierheim zurück müssen. Nach nur eineinhalb Wochen.

Abfahrbereit

Mit zögerlichen Schritten verlassen sie ihre Transportbox, als ich sie in ihrem neuen Zuhause auf den Boden stelle. Ich lasse sie erst einmal in Ruhe, sie sollen sich an ihre neuen Mitbewohner gewöhnen, die Box als gewohnten Rückzugsort können sie noch ein paar Stunden benutzen. Sehr schnell kommen sie heraus und beginnen, die neue Umgebung zu erkunden.

Das Spielzeug ist schnell gefunden

Nach dem Versorgen der Katzen verlasse ich das Tierheim sehr schnell. Ich bin ein wenig traurig und mein Boot ist leer und leise, als ich wieder in den Salon trete. Sofort mache ich mich an die Arbeit. Die Teppichfliesen müssen alle raus. Zwei Kätzchen konnten die Toilette schon benutzen, das heißt aber auch, dass zwei es noch nicht konnten. Dementsprechend sieht es aus und geruchlich ist auch nicht alles gut.

Teppich oder Toilette?

Dann bekomme ich Zuwachs an Bord, Michael bringt mir die Gefrierbox vorbei, die er mir vor ein paar Tagen verkauft hat. Jetzt kann ich mir auch Speiseeis kaufen. Bei 34°C schadet eine Dose Eis an Bord gar nicht. Die Außentemperatur bringt es allerdings auch mit sich, dass die Gefrierbox nicht weniger als -8°C erreicht. Aber ich möchte die Lebensmittel nicht für Monate aufbewahren. Um sie für ein paar Tage oder Wochen einzufrieren, sollte die Temperatur ausreichen. Wie ich das gefräßige Teil auf dem nächsten Segeltörn mit Strom versorgen will, bleibt mir bislang ein Rätsel. Ich hatte ja gehofft, dass der Kompressor gelegentlich Ruhe bekommt. Er läuft jedoch dauerhaft durch.

Gefrierbox

Die Tropenstürme, die hier einige hundert Kilometer nördlich durchziehen, bringen immer wieder schlechtes Wetter mit sich. Schlechtes Wetter ist für mich Windstille bei prallem Sonnenschein. Auf der Rückseite kommt es anschließend zu starken Regenfällen. Dann kann es passieren, dass die Bar in der ich sitze, innerhalb von wenigen Sekunden leer gespült ist. Die Gäste werden vielmehr vom Außenbereich in den Innenbereich gespült. Zum Glück dauert so ein Regenschauer immer nur wenige Minuten.

Starkregen fällt über das Jazz Cafe

Mein nächster Besuch im Tierheim findet drei Tage später statt. Ich habe drei Tage nichts von den Katerchen gehört oder gesehen. Drei Tage haben sie mich nicht gesehen. Kaum betrete ich den Käfig und spreche zu den Tigern, kommen sie sofort angelaufen und wollen wieder meine Beine hochklettern.

Sie kommen alle gelaufen, auch wenn man nur drei auf dem Bild sieht.

Leider ist nicht alles so, wie es sein soll. Alle vier sind noch nicht besonders gründlich bei der Fellreinigung, das hat ihnen ihre Mutter nicht beibringen können. Deswegen haben sie alle am Hintern einen Haufen fest getrockneter Scheiße. Einmal am Tag müssen sie noch gereinigt werden. Den Job erledige ich unter großem Geschrei des jeweiligen Kandidaten.

Magellan

Ich habe jedem von ihnen das Halsband mit Namen und Nummer selbst angelegt. Nicht, dass die Kater mit dem falschen Namen gerufen werden. Ihre Namen werden sie nur für kurze Zeit tragen, denn die meisten Adoptiveltern geben ihnen einen neuen. Ich werde so lange berichten, bis sie alle adoptiert sind. Sehr stolz bin ich, dass ich sie alle vier durchbekommen habe. Das hat am Anfang noch ganz anders ausgesehen.

Zur Belohnung hole ich mir gleich noch ein Eis. Der neue Luxus ist toll. Jetzt muss ich nur aufpassen, nicht zu viele süße Sachen zu essen.