Eine Seefahrt, die ist lustig

Wir sind langsam unterwegs, doch immerhin segeln wir. Der Mercedes schweigt für eine Weile. Am Abend rechne ich wieder damit, dass der Motor angekurbelt werden muss. Immerhin haben wir etwas Wind und schleichen mit gut 4 kn auf unser Ziel zu. Wer aufmerksam die Stalking-Seite betrachtet, kann sich sicherlich schon ausrechnen, was unser Ziel ist. A Coruna ist längst raus aus dem Rennen, das wäre auch nur eine Notlösung gewesen für den Fall, dass der Wind komplett zusammen klappt. Brest ist inzwischen auch aus dem Rennen, das wären nun viel zu viele Meilen und da will ich auch nicht wirklich hin. Von der Liste der möglichen Ziele bleibt also Cork in Irland. Ich prognostiziere aber noch keine Ankunftszeit. Es sind noch zu viele Unbekannte mit im Spiel, insbesondere das Wetter…

Ich plane das Abendessen, ich möchte gerne mal wieder eine Spaghetti Carbonara essen. Nicht mit Sahnesauce, wie sie in 98% der Restaurants außerhalb von Italien serviert wird, sondern mit Ei. Eine leckere Carbonara eben. Meine Pläne teile ich mit Mário. Der fragt, ob ich ihm seine Carbonara nicht ohne Käse servieren kann. Außerdem fragt er, ob der gebratene Speck in der Carbonara wirklich sein muss.

Mário arbeitet beim staatlichen Gesundheitsdienst. Er hat einen Bürojob, den er nicht mag. Er würde viel lieber draußen arbeiten, zum Beispiel auf einem der Touristenboote. Dafür hat er den Bootsführerschein erworben. Außerdem hat er ein Training für Sicherheit auf See hinter sich gebracht, das Voraussetzung für die Arbeit in der Berufsschiffahrt ist. Ich würde ihm einen solchen Job auch mit ganzem Herzen gönnen, empfehlen kann ich es ihm aber nicht.

Wohl dem, dessen Crew einen Magen mit Wänden aus Edelstahl hat.

Ich gebe viel auf unsere Sissi-Bordküche. Sie hat Preise gewonnen für ihre schmackhaften Gerichte. Meine Gäste waren immer zufrieden und satt, wenn sie ihre Mahlzeiten beendet hatten. Vor Beginn der Reise fragte ich Mário, ob er bestimmte Vorlieben beim Essen hat und ob Allergien bestehen. Nein, er ist kein komplizierter Esser, er isst einfach alles. Nein, Allergien bestehen nicht. Das vereinfacht die Sache für mich. Ich muss also beim Kochen auf nichts achten, es muss nur gut schmecken.

Gleich die erste Mahlzeit, die eine Pilz-Rahmsauce enthält, führt zu einem verdauungstechnischen Desaster. Seine Laktoseunverträglichkeit hat Mário nicht als Allergie gewertet. Okay. Damit kann ich leben. Beim Einkauf für die lange Überfahrt achte ich darauf, möglichst alten Käse zu besorgen. Je älter der Käse ist, desto weniger Laktose enthält er. Das habe ich vor langer Zeit von meinem Arbeitskollegen Marco gelernt, der als laktoseintoleranter Mensch zum Beispiel keine Probleme mit Parmesan hat.

Inzwischen sind die Kartoffeln ausgegangen. Die letzten Kartoffeln haben sich in Bratkartoffeln verwandelt. Dazu grüne Bohnen und ein kleines Schweinekotelett, alles nur dezent gewürzt. Mário lobt die deutsche Küche und wünscht sich mehr davon. Würde ich gerne kochen, aber für die deutsche Küche fehlen mir definitiv die Kartoffeln. Reis ist ja ganz gut verträglich. Leider ist Reis aber auch eine verdammt langweilige Speise, die von den Gewürzen der übrigen Zutaten lebt. Das Risotto kommt nicht wirklich gut an, denn es enthält 12 Monate gereiften Azorenkäse. Und das Risotto führt zum Aufflackern der Seekrankheit, der Eimer steht wieder im Cockpit.

Man kann Speisen kochen, braten, grillen, dünsten oder auch kalt servieren. Insbesondere die Zubereitungsformen, die Geschmack in die Speisen bringen, triggern wieder die Seekrankheit. Wenn Fett im Spiel ist, triggert es die Seekrankheit. Ich weiß gar nicht mehr, was ich in meiner Küche eigentlich noch produzieren darf. Abspülen nach dem Essen triggert auch die Seekrankheit. Ich kann es an Mários sonnenverbrannter Nasenspitze sehen, dass es sich dabei nicht um Faulheit handelt. Er würde gerne seinen Pflichten nachkommen, doch seine Nase ist nach fünf Minuten an der Spüle kreidebleich.

Ich koche Reis, die restlichen grünen Bohnen und für Mário ein Ei. Für mich ein Schweinekotelett. Mários Mahlzeit wird nur dezent mit ein ganz klein wenig Salz gewürzt. Mario bekommt den Reis trocken ohne Sauce, auch die Bohnen bringen keine Sauce mit. Meinen Reis mache ich mit dem Saft des Koteletts genießbar. Während ich das Kotelett brate, verlässt Mário den Salon und setzt sich ins Cockpit. Dort nimmt er auch seine Mahlzeit ein.

Solange ich Mahlzeiten zubereite, die ohne Gewürze und ohne Gerüche auskommen, kann Mário seine Seekrankheit im Griff behalten. Das halte ich aber nicht aus. Ich möchte Geschmack in meinem Essen. Ich habe kein Problem damit, ihm eine separate Mahlzeit zuzubereiten. Die möchte ich aber nicht essen.

Wohl dem, dessen Crew einen Magen mit Wänden aus Edelstahl hat.

Ich halte es nicht mehr aus. Ich brauche definitiv mal wieder eine gute Pasta. Da muss Mário durch. Wenn alles hart auf hart kommt, spüle ich auch gerne selbst ab. Heute mache ich die Carbonara. Mário bekommt seine Carbonara ohne Speck, ohne Ei und ohne Parmesan. Guten Appetit!

8. Etmal: 103 nm
Position: 45°43‘N 16°34‘W

Gruta do Figueiral

Heute ist unser erster voller Tag auf Santa Maria. Wir haben eine größere Tour mit dem Auto geplant und wollen zu verschiedenen Orten wandern gehen. Da die Ausbeute an Fotos so groß ist, splitte ich diesen Tag in mehrere Blogs, dann kann ich mehr Bilder zeigen. Als erstes fahren wir zur Gruta do Figueiral.

Weg zur Grotte

Diese „Grotte“ ist komplett von Menschen gemacht, eigentlich ist es eine ehemalige Mine. Es wurden Kalksteine abgebaut. Doch auf den Tafeln am Wanderweg läuft sie als Grotte, auch die Touristenkarte hat sie als Grotte verzeichnet. Vielleicht möchte man auf Santa Maria auch eine Grotte haben.

Außenansicht der Grotte

Von innen jedenfalls ist die Grotte nicht besonders spektakulär. Deutlich sieht man, dass zwischen den Gesteinsschichten lediglich der Kalkstein abgebaut worden ist.

Innenansicht
Ein wenig im Dunklen herumlaufen macht trotzdem Spaß
Spiel von Licht und Schatten

Was Mário an der Grotte fasziniert, ist nicht die Höhle, sondern die Außenseite der Höhle. Hier finden sich tausende fossile Muscheln im Gestein. Mario ist nicht nur begeistert von den Gesteinsformationen, die man in dieser Form auf seiner Insel Sao Miguel nicht findet, sondern insbesondere von den Fossilien. Die sind zu einer Zeit entstanden, als sich die Insel aus dem Atlantik gehoben hat.

Fossile Muscheln im Dutzend

Hand aufs Herz. Ich hätte diese Fossilien gar nicht bemerkt, wenn sie mir nicht gezeigt worden wären. Ein Dröhnen tönt durch die Grotte. Zunächst denke ich an Motorräder, doch es gibt hier weit und breit keine Straße. Auf dem Wanderweg wird man auch mit einem kleinen Zweitakter keine Freude haben.

Zwei Arbeiter kümmern sich um die Pflege des Wanderwegs

Mit großen Rasentrimmern halten zwei Arbeiter das Gras auf dem Wanderweg niedrig. Mário erklärt mir, dass das nötig ist, sonst würde sich die Natur innerhalb kürzester Zeit die Wege zurück holen. Gerade im Winter, wenn es viel regnet, wächst das Gras wie Unkraut. So viele Wanderer gibt es hier nicht, dass sie den Weg alleine frei trampeln würden. Spannend.

Küstenlinie vor der Grotte

Wir haben noch einiges vor, deswegen spazieren wir wieder gemütlich zurück zum Auto. Mário pflückt bei jeder Gelegenheit wieder Brombeeren. Ich nutze die Gelegenheit, verschiedene Pflanzen mit ihrer Blütenpracht aufzunehmen.

Zurück am Auto machen wir erst einmal ein zweites Frühstück. Anschließend geht es weiter in die Wüste. Das jedoch ist Thema des nächsten Blogs.

Der wird jedoch erst in ein paar Tagen erscheinen können, denn wir sind gerade mitten auf dem Atlantik. Wir sind auf dem Weg nach Europa und wissen noch nicht so recht, wo wir ankommen werden. Die Windvorhersage ist einigermaßen instabil. Mögliche Ziele sind Cork in Irland, Brest in Frankreich oder notfalls A Coruna in Spanien…

Langeweile

Ich glaube, ich habe es schon einmal erwähnt. Wenn man mit Segeln unterwegs ist, bedeutet auch langsames Vorankommen Entspannung. Selbst bei nur geringer Fahrt ist das Boot stabil im Wasser und die Zahl der Tritte in den Hintern hält sich schwer in Grenzen. Bei Motorfahrt stellt sich schnell Langeweile ein, das Dröhnen der Maschine legt sich aufs Gemüt. Gleichtig macht das Boot immer wieder Bewegungen in den Wellen, auf die man sich nicht einstellen kann und die einen wie ein Tritt in den Hintern treffen. Das führt gerne zu blauen Flecken.

Irgendwann am frühen Morgen soll wieder etwas Wind aufkommen, der sich dann hoffentlich stabilisiert und segelbar wird. Dann hat die Langeweile ein Ende. So lange machen wir gar nichts. Wir hören keine Musik, schauen keinen Film. Lediglich das Abendessen findet wie immer statt. Ein gebrauchter Tag. Mários Seekrankeit meldet sich wieder leicht, kein Wunder bei den Geschaukel.

Als ich Mário für seine Wache wecke, spüren wir schon eine leichte Brise von achtern. Die ist jedoch noch weit von segelbarem Wind entfernt. Gegen 8 Uhr wache ich auf. Ich besuche Mário im Cockpit und stelle erfreut fest, dass der Wind segelbar scheint. Ein paar Minuten später läuft Sissi unter der Genua dem Wind davon. Ich schalte den Motor aus, die Stille klingelt in meinen Ohren. Die Vorhersage verspricht zwar noch einmal eine Motornacht, doch den heutigen Tag werden wir segeln können. Ich falle wieder ins Bett und schlafe noch ein paar Stunden. Es ist so schön ruhig.

Heute gibt es kein Beitragsbild. Vor lauter Langeweile habe ich vergessen, ein Bild aufzunehmen.

7. Etmal: 84 nm
Position: 44°34‘N 18°19‘W