Sissiphusarbeit

Ich möchte nicht klagen, ich bin es ja selbst schuld, dass ich auf einem Boot im Süden der Karibik sitze. Nach der Lektüre unzähliger von Weltumseglern verfassten Büchern wusste ich vorher, dass der Langfahrer einen nicht unerheblichen Teil seiner Zeit damit verbringt, sein schwimmendes Domizil und gelegentliches Transportmittel zu reparieren. Als unerfahrener Bootsbesitzer habe ich praktisch das ganze Jahr 2020 verschenkt. Ich hätte nicht gar so viele Tage bei den Eseln, sondern mehr Tage im Baumarkt verbringen sollen, dann wäre das Innere von Sissi auf dem Rückweg von Kuba nicht zu einer Tropfsteinhöhle geworden. Hätte, hätte, Fahrradkette. Wahrscheinlich hätte ich es gar nicht sehen können. Die echten Problemstellen habe ich erst gefunden, nachdem die Deckenverkleidung unten war.

Erste Aufgabe ist, die Deckenverkleidung zu entfernen und an den Pütting kommen. Ich will wissen, ob nach dem Abdichten noch Wasser eindringt. Außerdem liegen unter der Deckenverkleidung Stromkabel, die ich ersetzen möchte. Der regelmäßige Kontakt mit Salzwasser hat ihnen nicht gut getan.

Meine Vorbereitungen zum Abnehmen der Holzdecke. Die Schrauben werden in den kleinen Kasten einsortiert. Wie wichtig das inzwischen nach mehreren Monaten Wartezeit ist, finde ich heraus, als ich die Holzteile wieder anbringen will. Auf dem Kasten findet sich die Information über die Reihenfolge der Demontage. Das war nicht geplant, hilft jetzt aber bei der Montage.
Pütting mit undichter Decksdurchführung
Die Schrauben, nicht nur die aus der Vorschiffskoje.
Platz zum Arbeiten wird geschafft. Gemütlich ist anders. Mein Leben auf der Baustelle fängt an.

Es gibt Arbeiten, die ich zu Hause oder auf dem Boot gerne mache. Dazu gehört fast alles, was mit Holz zu tun hat oder die Elektrik. Da gehe ich dann sehr gerne dran, die Tätigkeiten gehen mir leicht von der Hand und ich muss kaum darüber nachdenken, was ich zu tun habe. Ich weiß es einfach.

Es gibt Arbeiten, die ich immer wieder vor mir herschiebe. Dazu gehören alle die Tätigkeiten, bei denen man sich so richtig schmutzig machen kann. Also Arbeiten am Motor oder mit Farbe. Vor Monaten schon hatte ich alle Teile für die Motorinspektion zusammengeklaubt. Das Motorenöl war über ein paar Wochen nicht verfügbar, so kenne ich es von Aruba. Irgendwann stand es wieder im Regal und ich hätte die Inspektion längst machen können. Das muss ich streng nach Werkstatthandbuch erledigen, denn mein Motorenwissen ist nicht sehr tiefgehend. Beim letzten Mal hat es nur eine größere Sauerei gegeben, Ölfilter zu tauschen ist eine helle Freude. Auch der Dieselfilter macht Laune, nach den Arbeiten stinkt es im Boot nach Diesel. Der Motor hat es dennoch prima weggesteckt. Noch ist die Inspektion nicht erledigt, doch die Zeit läuft. In weniger als drei Wochen kommt mein Neffe Eike, dann muss Sissi komplett fertig sein. Das ist für mich die bestmögliche Motivation.

Während der Monate ohne Deckenverkleidung regnet es hin und wieder heftig. Manchmal bin ich während der Starkregenereignisse sogar an Bord. Dann kann ich sehen, dass es an verschiedenen Stellen von der Decke tropft. Es gibt nicht nur Bedarf bei den Püttingen. Bei diesen ist es mir gelungen, sie abzudichten. Zum Glück ist das Wasser hier in der Marina kostenlos, ich habe ziemlich viel darüber laufen lassen. Doch es tropft ebenfalls an zwei Stellen aus der Badewanne. Das wäre mir wahrscheinlich nicht aufgefallen, wenn ich die Holzdecke nach dem Abdichten direkt wieder angebracht hätte.

Vor dem Mast befindet sich unsere Badewanne. Die Pfeile geben nicht ganz genau an, wo das Wasser durch das Deck kommt. Tatsächlich sind die Abflüsse undicht. Immer wenn Wasser in der Badewanne steht und langsam abläuft, tropft es in der Vorschiffskoje durch die Decke.

Nach mehrwöchiger Suche finde ich endlich eine Dose weißes Gelcoat in einem der vier Fachgeschäfte. Über Wochen war lediglich die schwarze Alternative im Regal. Ich will Sissi aber weder schwarz streichen, noch will ich, dass sie mit schwarzen Sprenkeln aussieht wie ein schwimmender Dalmatiner. Also kann ich das Streichen unserer „Badewanne“ in Angriff nehmen. Ich habe genug Farbe für drei Anstriche. Damit sollte die Badewanne dicht sein. Nach dem Trocknen nehme ich den Schlauch und lasse eine halbe Stunde lang Wasser in die Wanne ein. Mit jeder Minute steigt meine Stimmung. Die Wanne ist dicht!

Die Wanne ist frisch gestrichen und wieder zu 100% wasserdicht. Außerdem ist sie nun so unverschämt weiß, dass der Rest des Bootes total vergammelt aussieht.

Mit eingesauten Malerklamotten und mit Farbspritzern im Gesicht und auf den Händen ist es mir dann auch egal, wenn ich mich mit noch mehr Farbe bekleckere. Also entscheide ich, dass es der richtige Zeitpunkt ist, die Wände im Salon weiß zu streichen. Die Farbe ist an Bord, seit ich vor ein paar Monaten die Stromverteilung gebaut habe. Ich mag diesen Job eben nicht.

Die dunklen Wände des Salons sehen zwar sehr schiffig aus, machen ihn aber auch zu einem sehr dunklen Ort.

Unter Deck ist die Arbeit nicht ganz so schlimm wie oben. Während ich beim Anstreichen der Badewanne von der Sonne gegrillt worden bin, brummt mir unten wenigstens der Ventilator warme Luft zu. Hier reicht die Farbe für zwei Anstriche. Danach sieht es wunderschön aus und der Salon ist heller.

Mir gefällt das Ergebnis meiner ungeliebten Arbeit.
Auch das Bild von Sissi sieht vor dem weißen Hintergrund noch einmal wesentlich besser aus.

In nur wenigen Tagen habe ich einen der von mir am wenigsten geliebten Jobs erfolgreich erledigt. Das macht mich innerlich zufrieden und glücklich. Jetzt kann ich endlich die Deckenverkleidung in der Vorschiffskoje wieder anbringen. Dann kann ich sie wieder normal einräumen. Dann kann ich alle Sachen, die sich normalerweise nicht über das ganze Boot verteilen, wieder an ihren Platz zurück bringen. Herrliche Gedanken, es dauert nicht mehr lange, bis es zum Probesegeln geht. Ich klemme mich in ergonomischer Arbeitshaltung in die vordere Koje und beginne, die Verkleidungsteile anzubringen. Für Teil Nummer 26 habe ich fünf Schrauben in meinem Kasten, das System bewährt sich. Ein dicker Regenschauer geht über Sissi nieder. Die nächsten Teile sind die großen Platten, die an die Decke gehören. Ich lege sie schon einmal in der richtigen Reihenfolge auf die obere Koje, anschließend hole ich einen passenden Schraubendreher. Das Geräusch eines Wassertropfens schreckt mich auf. Ist die Badewanne doch nicht dicht?

Der Auslass der Badewanne. Nicht ganz dicht.

Dieser Regenschauer rettet mich. Wenn er zehn Minuten später gekommen wäre, wäre die Holzverkleidung an Ort und Stelle, die kleine Undichtigkeit wäre unsichtbar. Und der Schauer frustriert mich. Ich fühle mich wie Sissiphos. Kaum habe ich das Boot an einer Stelle wasserdicht, finde ich die nächste Stelle. Ich darf wieder anstreichen. Toll. Am Bordcomputer suche ich nach Heavy Metal, um mir etwas auf die Ohren zu geben.

In der Navigationsecke. Es tropft in den USB-Verteiler.

Warum ist mir das noch nicht aufgefallen? Die Decksdurchführung einer der Relingstützen ist undicht. Ich liebe diese Dichtmasse, sie ist so wunderschön klebrig und lässt sich nur schwer von den Fingern schrubben. Auf in den Kampf, der olle Sissiphos soll stolz auf mich sein. Ich fahre schnell zu Budget Marine, um die Dichtmasse zu holen. Alles was man braucht, muss man in Aruba rechtzeitig kaufen. Sonst könnte der Platz im Regal leer sein.

An der Eingangstür treffe ich die beiden Deutschen Uli und seine Frau. Sie haben einen dicken Katamaran in Aruba erworben. Wir hatten nicht viel miteinander zu tun, sind einmal gemeinsam mit der Pamina zum Essen ausgegangen. Dass sie mich aber gar nicht wiedererkennen, kann allerhöchstens der Gesichtsmaske geschuldet sein. Meine Stimme hat sich sicher nicht verändert, auch die Verwendung der deutschen Sprache gibt deutliche Hinweise. Es gibt aber auch Menschen, die sich nicht für ihre Umgebung interessieren. Bei mir persönlich komplett unten durch ist Gerd von der Off Piste. Er lebt seit vielen Jahren in den USA und hat nun einen Katamaran erworben. Als er nach Aruba kam, fragte er mich nach einem günstigen Auto zur Miete. Ich habe ihn mit Edward bekannt gemacht und er hat Edwards Auto für einen Monat gemietet. Gestern Abend vor dem Music Bingo hat Gerd das Auto wieder zurückgegeben.

Schaden. Ohne Ersatz.

Der Wagen hat an hinten rechts einen ordentlichen Blechschaden, den Gerd verursacht hat. Edward meinte zu mir, dass Gerd sehr frech geworden sei, als er ihn um Schadensersatz gebeten hat. Meiner Meinung nach wäre eine Entschädigung von 50 bis 100 Florin angemessen. Beim Music Bingo waren außerdem noch die beiden Deutschen dabei, die mit ihrem Katamaran auf 200 Quadratmeter Wohnfläche ankern. Leider hat der Katamaran-Tisch die ganzen Preise abgeräumt. In einer Bingo-Pause unterhalten wir uns über die Pamina, die noch in Varadero am Steg liegt und auf einen neuen Dieselgenerator wartet. Die Crew befindet sich auf einer Rundreise durch Kolumbien. Schon das affektierte Gehabe dieser Menschen könnte ich auf die Palme bringen. „Ohne Generator kann man doch gar nicht segeln!“ Das ist die einhellige Meinung des Tisches. Ohne funktioniert die Klimaanlage in der Ankerbucht nicht.

Bilder niedlicher Hundewelpen helfen beim Abbauen von Zorn und Stress, der beim Autor gerade beim Schreiben über Katamarane und andere Boote mit Generator entstanden ist. Ich rege mich wirklich nur noch sehr selten auf, seit ich mit dem Segelboot unterwegs bin. Manchmal muss es eben so sein.

Die Dichtmasse konnte ich kaufen, bislang habe ich die Relingstütze allerdings noch nicht in Angriff genommen. Das kommt in den nächsten Tagen noch auf mich zu. In der kommenden Woche ist der Motor dran. Dann ist es bald soweit, die Segel wieder anzuschlagen. Ich freue mich auf diesen Tag. Ich brauche noch ein Katzenvideo, damit mein Zorn verraucht. Mein Nachbar Michael von der Samai kann auch einige Geschichten über die Katamaran-Menschen erzählen, das sind aber seine Storys. Wir sind uns einig, dass das Vorhandensein eines Generators an Bord einiges über die Crew erzählt. An dieser Stelle möchte ich explizit die Chapo als Ausnahme anführen.

Ich schreibe und schreibe und schreibe und schreibe. Dabei sollte ich jetzt eigentlich an Deck sitzen und die Stellen abschleifen, die ich noch anmalen muss. Ich will aber nicht wieder an dieser Farbe riechen. Ich mag mich nicht wieder damit bekleckern. Der olle Sissiphus wird mir jedenfalls nicht helfen. Die Autoren der Segelbücher hatten recht. Man repariert sein Boot an den schönsten Plätzen. Zumindest kann ich nun behaupten, dass der Reparaturstau aufgearbeitet ist. Sind Sissi und ich im nächsten Jahr wieder in Holland, kann ich sicher wieder viele Dinge reparieren.

Kreativität

Ich halte mich für einen einigermaßen kreativen Menschen und schätze auch die Kreativität anderer Menschen sehr. Das betrifft jedoch nicht alle Lebensbereiche gleichermaßen. Wenn es beispielsweise um die Elektroinstallation geht, dann endet die Kreativität ziemlich früh. Es ist herausfordernd und ein kreativer Prozess, einen Weg für das Stromkabel zu seinem Ziel zu finden, der keine Zerstörung des halben Bootes nach sich zieht. Wenn es später ans Anschließen geht, halte ich mich lieber an die gängigen Regeln und Vorschriften.

Der Weg aus dem Salon zum Autopiloten

Der Autopilot befindet sich unter der Matratze, die im Bild zu erkennen ist. Es handelt sich um meine Matratze. Wäre das Gerät auf der Seite von Jens eingebaut, hätte ich noch mehr Arbeit gehabt. Die Koje enthält schließlich den kompletten Inhalt unserer Segellast. Der Wasserkocher und die Kaffeemühle stehen hier übrigens auf dem Kühlschrank. Im Schrank hinter dem Kühlschrank befindet sich der Kompressor und natürlich auch der elektrische Anschluss. Um dem Kühlschrank seine neue Stromversorgung zu geben, hatte ich die Deckenplatten abgenommen. Letztendlich ist das dann auch die einfachste Lösung, den Strom zum Autopiloten zu bringen.

Von der Stromverteilung nach oben an die Decke und einmal auf die andere Seite des Schiffs

Die Stromverteilung ist exakt gegenüber, deswegen muss die Leitung vorher an die Decke und auf die andere Seite des Schiffs verlegt werden. So weit, so gut. Auf diesem Teil der Strecke hat sich die Arbeit in Grenzen gehalten. Doch nun muss die Matratze raus und alles andere, was in der Koje ist ebenso. Unter anderem der Vorrat an erfrischenden Säften, der unter meiner Matratze lagert, macht mir einige Arbeit. Ich werfe gleich ein paar Dosen in den Kühlschrank. Jetzt ist es auch unmöglich, sich im Salon richtig zu bewegen. Meine Matratze steht im Weg. Zum Glück habe ich daran gedacht, den Werkzeugkoffer auf der richtigen Seite des Salons abzustellen.

Getränkelager, Autopilot und Ruderquadrant

Muss ich erwähnen, dass sich die Stromleitung unter den Dosen befindet? Es ist immer so organisiert, dass es mir am meisten Arbeit macht. Oder kommt mir das nur so vor? Nach gefühlten 100 Getränkedosen (es werden wohl nur 96 gewesen sein, denn die kommen immer auf 24er Paletten) ist es endlich geschafft. Ich kann an die Leitung heran. Ich kann die Kreativität geradezu schon riechen. An unterschiedlichen Stellen von Sissi habe ich diese Klumpen von Isolierband schon gefunden. Meist befindet sich darunter eine nette Überraschung. Das ist der letzte dieser kreativen Klumpen.

Unter meiner Matratze

Wer sich nicht mit Elektrik auskennt und sich bei der Lektüre langweilen könnte, der möge diesen Absatz überspringen. Die meisten von uns haben den Begriff „Stromkreis“ schon einmal gehört. Auch wenn es sich dabei fast nie um einen Kreis handelt, sondern eine Leitung die hin und zurück geht. Diesmal bin ich auf einen echten Stromkreis gestoßen. Das dicke graue Kabel enthält sieben einzelne Adern. Die sind aber nur 1,5 mm² dick. Das reicht locker für den Haushaltsstrom, nicht aber für Großverbraucher wie Autopilot oder Kühlschrank. Also hat der Vorbesitzer diese Kabel zusammengefasst. Zweimal 1,5 mm² ergibt 3 mm². Das reicht für den erwarteten Strombedarf.

Auf der linken Seite kommt das graue Kabel von der Stromverteilung und bringt den Strom, der geht dann über das schwarze Kabel zum Autopiloten. Anschließend wird der Kreis geschlossen, indem der Strom weiter in Richtung Kühlschrank geschickt wird. Vom Kühlschrank aus geht es dann in den Maschinenraum und zu den Batterien zurück. Diesen Kreis habe ich unterbrochen, als ich am Kühlschrank das alte Plus- und Minus-Kabel abgezwickt habe. Konnte ja keiner ahnen. Letzten Endes bin ich jedoch froh, dass diese Mist nicht mehr aktiv ist.

1.) Das graue Kabel kommt von der Stromverteilung. Für Plus sind zwei Leitungen zusammengelötet.
2.) Das graue Kabel geht weiter bis zum Kühlschrank. Es sind zwei Adern zusammengelötet.
3.) Abzweig für den Autopiloten. Die rote Leitung ist Plus und wird von der Stromverteilung aus gespeist. Die schwarze Leitung ist Minus und geht zum Kühlschrank. Dort war sie an ein Minus-Kabel angeschlossen, das wiederum an einer der drei Batterien direkt mit Minus verbunden war. In der Folge hat sich diese Batterie immer viel stärker entladen als die beiden anderen.

Jetzt muss ich nur noch die neuen Kabel an den Autopiloten anschließen und alles testen. Dass das sofort funktioniert, freut mich natürlich sehr. Also kann ich noch am selben Tag mein Bett wieder zusammen bauen. Ein Knips mit der Zange hat mir sechs schweißtreibende Stunden Arbeit beschert, doch Sissi ist wieder ein Stückchen besser geworden.

Nein sagen kam für mich überhaupt nicht in Frage, als Hafenmeister Paul mich vor ein paar Tagen angesprochen hat. Vorgestern Abend hatte ich noch eine Einladung zu einem echt französischen Abendessen. Gleichzeitig haben Gail und Paul mir erklärt, wo sich Katzenstreu und Katzenfutter befinden. Bis zum Ende des Monats habe ich nun ihre vier Katzen in Privatpflege. Mickey braucht eine Sonderbehandlung. Er wird von mir zweimal am Tag an der Leine Gassi geführt.

Mickey an seiner Leine

Früher durfte er immer unbeaufsichtigt durch die Marina spazieren. Es passt ihm gar nicht, dass er nun an der Leine geht. Ändern kann ich es nicht und es ist schade, dass er mich nicht mehr besuchen kommt. Doch seit Paul und Gail eine Katze ins Wasser gefallen ist und nicht mehr wieder gefunden wurde, gelten auch für Mickey neue Regeln.

Mami wird immer besser.

Die Zahl der kleinen Kätzchen nimmt im Tierheim immer weiter zu. Es ist Herbst, Kätzchenzeit. Schade, dass die Leute sich so wenig Gedanken darüber machen, ihre Katzen zu sterilisieren. Die eigenen Kätzchen unserer Mutterkatze sind schon recht groß geworden und essen auch das normale Katzenfutter. Doch wir haben zwei Minis mit unter 300 Gramm Gewicht, die die Milch noch dringend brauchen. Deswegen werden die beiden mit ihrer Amme über Nacht separiert, so dass die Milch da ankommt, wo sie am nötigsten gebraucht wird. Wir haben eine Mami mit Milch, potentiell aber ein Dutzend Kätzchen die dort gerne trinken würden. Damit sie nicht noch dünner wird, bekommt sie noch Extrafutter für die Nacht hingestellt. Lange wird es hoffentlich nicht mehr gehen, beim Frühstück schmatzen sie alle munter vor sich hin.

Hätte, hätte. Was nicht alles hätte passieren können. Vor ein paar Jahren bei unserem ersten großen Segeltörn mit Sissi nach Schottland ist uns unterwegs der Kühlschrank immer wegen Unterspannung ausgegangen. Ich hatte nämlich an der Stromverteilung nur eine der beiden Adern für das Kühlschrank-Plus mit Strom versorgt. Als ich die zweite dazugenommen habe, war das Problem nachhaltig behoben und der Vorfall geriet in Vergessenheit. Für kurze Zeit habe ich erwogen, den Kühlschrank neu zu verkabeln. Die Kabel waren an Bord und die Aufgabe wäre sowieso fällig gewesen. Warum nicht gleich auf See…? Wenn es dumm gelaufen wäre, hätte ich uns damit unterwegs den Autopiloten geraubt. Damals – noch ohne Windfahne – wäre es recht unangenehm geworden.

Immer und immer wieder

lebe ich meine Routine und mache dabei dieselben Fehler. Ich bin zu nett. Der Katamaran ist Anfang August in die Marina gekommen. Das hatte zunächst für mich keine besonderen Auswirkungen. Bis dann gegen Ende August der Eigner auf mich zukam und mich fragte, ob ich meinen Landstrom von einer anderen Steckdose beziehen könnte. Meine Antwort war damals dieselbe, die ich heute geben würde – selbstverständlich. Er möge ins Marina-Büro gehen, nach einer anderen Steckdose für mich fragen, den Zähler fotografieren und dann könne er mich umstecken. Auf seine Frage, ob ich das nicht für ihn machen könnte, habe ich mit Nein geantwortet. Ich hatte ja Landstrom und es gab für mich keinerlei Handlungsbedarf. Am 25. August steckt er mich schlussendlich um.

Einen Tag später erreicht mich morgens im Tierheim die Nachricht aus dem Marina-Büro, dass ich eine Steckdose benutze, die jemand anderem gehört. Ich kann gerade nicht weg, doch Judith meldet sich Minuten später mit den Worten „I was just kidding“. Okay, dann wollte sie mich etwas verarschen. Das ist schon in Ordnung, sie ist eine Frau mit viel Humor und kann auch selbst einen Scherz vertragen.

Freude im Tierheim über die Presseberichterstattung

Wir freuen uns im Tierheim über die Resonanz in der Presse. Unsere Videos von den Überwachungskameras haben auf Facebook viel Zuspruch erhalten und auch das örtliche Printmedium bringt einen Bericht über eine halbe Seite. Das ist toll. Seit dem wurden keine Tiere mehr außerhalb der Öffnungszeiten ausgesetzt. Ich bekomme immer noch die Alarme der Kameras auf mein Telefon geschickt, doch es geschieht nur noch sehr, sehr selten. Meist sind dann ein Auto und eine Person auf dem Bild zu sehen. Die Person liest sich die Öffnungszeiten durch, dann steigt sie wieder ins Auto und fährt davon. Wenn das an unserer Kampagne liegt, bin ich stolz darauf, meinen Teil dazu beigetragen zu haben.

Mutter und gleichzeitig Amme

Die Katzenmutter mit drei Kätzchen wurde vor dem Tierheim ausgesetzt. Eines der letzten Tiere, bevor der Bericht in der Zeitung erschien. Das mittlere Kätzchen ist eines der ihren. Die beiden anderen sind ebenfalls vor dem Tierheim ausgesetzt worden und brauchen die Muttermilch. Es ist ein Glücksfall für sie, dass sie von der Mutterkatze angenommen werden und mittrinken dürfen. Sie haben es besser, als die vier Katerchen, die ich vor einigen Wochen an Bord hatte. Menschen können Katzenmütter eben nur in Grenzen ersetzen.

Nach der Raubtierfütterung und der Reinigung der Katzenkäfige fahre ich noch zum Einkaufen. Dabei kommt mir eine Kolonne von Polizeimotorrädern entgegen, die die Seitenstraßen absperren und die einzige Ampelkreuzung Arubas blockieren. Der Gouverneur ist auf dem Weg zum Parlamentsgebäude. Es ist deutlich an der Flagge erkennbar.

Der Gouverneur auf dem Weg zum Parlamentsgebäude

Zurück an Bord will ich mein Elektroprojekt noch über die letzten Meter schieben. Natürlich fehlen mir noch Kabel, es fehlt immer an irgendwas. Also muss ich zu Budget Marine, im Baumarkt gibt es die guten, verzinnten Kabel nicht zu kaufen. Ich muss aber auch in den Baumarkt, weil mir Terminals fehlen, die es bei Budget nicht zu kaufen gibt. Wenn ich morgens etwas schneller im Kopf wäre, hätte ich das Zeug vor dem Gang zum Supermarkt geholt. Mein Portemonnaie zeigt mir die große Leere, also kommt der Besuch beim Geldautomat ebenfalls auf meine innere Todo-Liste. Meine Sachen sind schnell gepackt, als es an meinem Boot klopft. Jemand rumpelt an meinem Anker, es ist der Eigner des Katamarans. Die Sonne brennt vom Himmel, er verwickelt mich in eine Konversation und möchte sich verabschieden. Er müsse am kommenden Tag die Marina verlassen, weil der einzige Katamaran-Platz reserviert sei. Ich habe keine Lust auf Smalltalk und mir wird es in der Sonne zu warm. Ich gebe eine gewisse Eile vor und es rutscht mir die Bemerkung raus, dass ich zum Baumarkt muss. Wie dumm von mir.

Waschbecken, ein weiteres Corona-Produkt aus dem Alltag

Eine Stunde später stehe ich im Baumarkt vor eine Reihe Waschbecken, die ich mir an aller Ruhe ansehen kann. Ebenfalls die Toiletten und die Spülkästen und Badezimmerfliesen. Meine überschaubaren Einkäufe sind im Einkaufswagen. Außerdem haben wir schon die große Runde durch den Baumarkt hinter uns. Farbe für die Gasflaschen des Katamarans, die die Rostbildung verhindert. Toilettenreiniger. Sonstiges. Nun fehlt nur noch ein WC-Sitz für den Kat. Mein Mitfahrer steht vor einer Überschaubaren Aufgabe. Von den Maßen her sind ca. fünf der 36 Toilettensitze geeignet. Ich werde nach meiner Meinung gefragt. Warum? Mir muss er doch nicht gefallen. Ich zeige auf den erstbesten Sitz. Dann entdeckt der Mann über den drei Reihen zu je 12 Toilettensitzen noch zwei weitere Reihen, die sich in über zwei Meter Höhe der direkten Begutachtung entziehen. Die Suche nach einem Mitarbeiter des Baumarkts zieht sich ein wenig in die Länge, das ist hier in Aruba nicht anders als bei uns. Der erklärt dann, dass oben in der Höhe nur Dekoration ist, es seien die gleichen Sitze, die auch unten hängen. Der Mitarbeiter darf dann ebenfalls noch seine Meinung zu den Produkten äußern. Er zeigt auf den teuersten Sitz. So einfach geht das. Gekauft wird dann ein anderes Produkt. Ist mir doch egal, Hauptsache ist, dass wir endlich wieder aus dem Laden heraus kommen. Ich will schließlich mein Elektroprojekt weiter treiben. Wir fahren noch schnell zu Budget Marine, den Laden kennt mein Begleiter in- und auswendig. Dieser Einkauf ist schnell erledigt. Ohne Begleitung wäre ich eine Stunde früher wieder an Bord gewesen. Warum kann ich nicht Nein sagen?

Küchenbeleuchtung. Die Deckenbeleuchtung kann man auf Rotlicht umschalten.

Die Restarbeiten an Bord sind überschaubar. Der Kühlschrank bekommt eine komplett neue Stromversorgung auf anderem Weg als vorher, da das alte Kabel tief im Inneren vergraben ist und sich meinem Zugriff erfolgreich entzieht. Ich müsste die Achterkoje komplett auseinander nehmen, insbesondere die beiden Matratzen entfernen. Da schneide ich die beiden zugänglichen Enden des Kabels lieber ab und werde den Rest der Leitung so lange an Ort und Stelle belassen, bis sich eine Gelegenheit ergibt. Auch die Küchenbeleuchtung hat eine neue Stromversorgung und bessere Lampen. Die Arbeitsfläche ist jetzt angenehm hell, bei nächtlichen Fahrten lassen sich die Deckenleuchten auf Rotlicht umschalten. Nun sind nur noch die Navigationsbeleuchtung und einzelne Geräte zu verkabeln. Dann bin ich fertig. Die Lampen für den Salon liegen in der Firma von Sönke, dem Eigner der Pamina. Die Familie fliegt bald für eine Woche nach Deutschland und sie werden mir die Lampen mitbringen. Dann kann ich auch die Salondecke schließen. Ich schalte das Landstrom-Batterieladegerät aus und teste die Batterien. Erwartungsgemäß reicht im Hafen die Stromproduktion nicht für den Verbrauch, doch es ist schön anzusehen, wie gleichmäßig sich die Batterien nun entladen. Das Minus-Kabel des Kühlschranks muss sehr weit weg von der zentralen Masse angeschlossen gewesen sein. Ich ersetze das Antennenkabel durch ein neues. Das alte Kabel hatte einen Gleichstrom-Widerstand von 100000 Ohm. Mit dem neuen Kabel sind es noch 3 Ohm. Außerdem schließe ich den Außenlautsprecher an das Funkgerät an.

Neues Antennenkabel und der Außenlautsprecher werden angeschlossen

Wie teste ich das nun? Ganz einfach: Ich lege ein Telefon neben das Funkgerät, das auf einen unverdächtigen Kanal eingestellt ist, und drehe die Lautstärke auf. Dann nehme ich das zweite Telefon und rufe das erste Telefon an. Ich habe eine Verbindung an Bord. Neben dem Telefon kommt noch das Handfunkgerät mit ins Auto. Dann fahre ich langsam vom Boot weg und rufe immer wieder über Funk durch. Der Lautsprecher des Telefons quäkt und ich höre mit der üblichen WhatsApp-Telefonieverzögerung meinen Ruf aus dem Telefon. Das geht über 500 Meter, einen Kilometer und zwei Kilometer noch gut, die Sprache ist verständlich. Dann verliert sie sich in einem Rauschen. Eine Handfunke aus einer Seemeile Entfernung zu empfangen ist ziemlich im Bereich des Optimums. Es gefällt mir. Ein Radiocheck mit Arubaport wird mit „loud and clear“ beantwortet. Das gefällt mir auch. Auf dem AIS-Bildschirm werden sogar Schiffe in mehr als 30 Meilen Entfernung angezeigt. Ich bin stolz, denn ich hatte mit den Steckern des Antennenkabels das erste Mal seit meinem Praktikum im Studium wieder einen Lötkolben in der Hand.

Die Stromverteilung ist fertig verkabelt und beschriftet. Drei Stromkreise sind frei.

Auch der Test des Radars verläuft erfolgreich. Der Licht-Check für die Navigationsleuchten ebenso, genau wie für die Lampen im Mast. Ich fühle mich richtig gut, während ich den Controller des Autopiloten anschließe. Ich drücke die Power-Taste und nichts passiert. Habe ich eine Sicherung für diesen Stromkreis eingesetzt? Leider ja. Jetzt muss ich doch unter meiner Matratze nachsehen, denn dort ist der Autopilot montiert. Der Schweiß tropft mir überall vom Körper. An einer verborgenen Stelle hat der Vorbesitzer von Sissi oder gar dessen Vorgänger die Isolierung der Zuleitung des Kühlschranks entfernt und das Minus-Kabel des Autopiloten an das Minus-Kabel des Kühlschranks gefummelt. Ich bin frustriert. Ich habe mir wieder für zwei Tage Arbeit aufgehalst. Andererseits war die alte Konstruktion ein amateurhaftes Gefrickel, ich müsste froh sein, dass ich es los bin. Ich bin aber nicht froh, denn ich wollte gar keine neue Baustelle mehr haben. Meinen Frust teile ich kurze Zeit später mit dem Eigner des Katamarans, der mir zufällig auf dem Steg entgegen kommt.

Kabel, die ich aus Sissi entfernt habe

Das Teilen meines Frusts erbrachte mir der Toilettensitz-Tour zum Baumarkt auch eine gewisse Öffnung dieses einigermaßen zwanghaft agierenden Menschen zu mir hin. Er beginnt, seinen Frust vor mir auszubreiten. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man an einem Ort plant festzuhängen oder ob es ein ungeplanter Aufenthalt unbekannter Dauer ist. Die Familie mit zwei Kindern (5 und 12 Jahre) reibt sich gerade an dem Aufenthalt in Aruba auf. Seit Anfang August hängen sie fest, es sind noch Arbeiten am Boot zu erledigen und insbesondere der Kartenplotter tut es nicht. Die zu erwartenden größeren Ausgaben scheinen dem Mann geradezu körperliche Schmerzen zu bereiten. Dabei langweilen sich die Kinder, auch wenn die Kleine mit Lea von der Pamina spielen kann und die Große den Hund Charly von der Pamina ausführen darf. Es kommt Heimweh auf. Der Bordfrieden steht auf der Kippe. Als guter Fremdenverkehrs-Onkel empfehle ich, ein gewisses Kulturprogramm mit den Kindern durchzuziehen. Es gibt in Aruba unzählige Möglichkeiten, Kinder zu bespaßen. Die einzige Voraussetzung ist ein Mietwagen oder der Wille, ein Taxi zu der jeweiligen Attraktion zu bezahlen. Dafür ist mein Stegnachbar jedoch noch nicht bereit, dafür müsste er ja das Portemonnaie öffnen. Ich bin gespannt, auch wenn sie in Kürze die Marina verlassen, werde ich sicher noch von ihnen hören.

Olga wurde adoptiert

Ich bin im Tierheim und mache die kleine Olga fertig. Sie wurde adoptiert und wird in Kürze von ihren neuen Dosenöffnern abgeholt. Plötzlich erreicht mich eine Nachricht von Judith aus dem Marina-Büro. Der Eigner der Watashee hat sich darüber beschwert, dass ich ihm den Strom klauen würde. Als ich zurück im Hafen bin, ist Sissi vom Strom getrennt. Ich frage, woher ich meinen Strom denn nun beziehen soll, mir werden zwei Steckdosen an derselben Säule genannt. Leider sind beide mausetot. Ein Blick auf den Batteriemonitor zeigt mir, dass ich Landstrom nie nötiger hatte als heute. Die Batterien sind inzwischen zu etwas mehr als 50 Prozent entladen. Bei unter 40 Prozent Füllstand könnten sie ernsthaften Schaden nehmen. So weit wären wir dann nach der nächsten Nacht. Leider hat Judith keine Ahnung, woher ich sonst den Strom nehmen könnte.

Warum habe ich damals eigentlich nicht Nein gesagt? Als ich damals umgesteckt wurde dachte ich, dass der Eigner des Katamarans Judith gefragt hat, in welche Steckdose mein Stecker gesteckt werden muss. Hat er aber offensichtlich nicht. Hafenmeister Paul verspricht mir die Installation einer zusätzlichen 220V Steckdose, was mir in der aktuellen Situation aber nicht hilft. Ich gehe zum Katamaran und bedanke mich dafür, dass ich nun meinen Motor mal für ein paar Stunden laufen lassen darf. Der Mann meint zwar, er hätte mich genau in die Steckdose gesteckt, die Judith ihm genannt hat. Das kann meiner Meinung nach nicht sein, denn Judith weiß genau, welche frei sind und welche nicht. Aber ich darf wieder den Strom aus meiner alten Steckdose zapfen, er muss ja sowieso am folgenden Tag losfahren.