Carpe diem! Sonst wird es wieder regnen.

Das Wetter ist weiterhin die meiste Zeit trübe und regnerisch. In Guadeloupe habe ich über eine Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent gestöhnt, hier sind wir inzwischen oftmals über 80 Prozent. Im Boot ist alles klamm, als würden wir Anfang Mai auf einem Zeltplatz im Gebirge zelten.

Es ist trübe, regnet aber für ein paar Minuten nicht.

Ich sage zu Jens, dass ich vor dem Besuch im Supermarkt unserem Lieferanten für das neue Achterstag einen Besuch abstatten möchte. Ich erwarte nicht, dass unser Achterstag tatsächlich schon auf der Insel ist. Jens hat am Morgen einen Flieger aus Lissabon im Internet beobachtet. Der ist nicht in Horta gelandet, sondern auf der Nachbarinsel Pico. Eine urplötzliche Entscheidung des Piloten, der innerhalb kürzester Zeit von Reiseflughöhe auf dem Flughafen von Pico gelandet ist. Pech. Wieder eine Chance vertan. Bei Mid Atlantic Yacht Services finde ich jedoch ein paar Pakete, die aussehen, als würden sich Drahtrollen darin befinden. Der Inhaber bestätigt mir, dass die Lieferung heute gekommen ist und verspricht mir, dass unser Achterstag am Nachmittag zu uns an Bord kommen wird. Toll! Ich schicke eine Nachricht an Jens, damit er an Bord bleibt. Dann gehe ich zum Supermarkt und besorge unsere heutige Mahlzeit.

Es ist geliefert!

Kaum zu glauben. Die drei Drahtrollen sind vor mir auf Sissi angekommen. Das fühlt sich echt gut an. Die Einkäufe kommen in den Kühlschrank, heute gibt es lecker marinierte Leiterchen, Jens ist mit dem Kochen dran. Leider kann er nicht auf den Mast klettern, denn er hat sich den Fuß ein wenig vertreten. Ich frage Samuel von der Samai, ob er vielleicht an unsere Mastspitze klettern möchte. Darum lässt er sich nicht zweimal bitten, wenige Minuten später steht er mit Klettergurt an Bord von Sissi und ich erkläre ihm, was er machen soll. Den Draht ziehe ich ihm mit einem zusätzlichen Fall nach oben, dann muss er nur noch den Bolzen oben einsetzen und mit einem Splint sichern. Gar nicht so schwer, wenn man keine Höhenangst hat. Ich könnte es nur, wenn davon mein Leben abhinge. Ich bekomme schon Zustände, wenn ich nur bis auf die Höhe unseres Baums klettere oder die Schrauben des Windgenerators ersetze.

Samuel hilft!

Wir haben ein Riesenglück, deswegen auch der Titel „Carpe diem!“ für diesen Beitrag. Irgendwie erwischen wir die beiden sonnigen und windstillen Stunden der Woche. Sissi bewegt sich nicht allzu sehr, innerhalb kurzer Zeit sitzt der Bolzen an der Mastspitze und ich kann die unteren Enden an ihre Plätze bringen. Nun muss ich nur noch das Achterstag spannen und fertig ist die Arbeit. Danke Samuel! Ich drücke ihm den Kanister mit dem Dinghisprit in die Hand. Er wollte zum Zwecke der Vogelbeobachtung und Fotografie eine Runde durch den Hafen drehen, der Tank unseres Dinghis ist jedoch leer und das Dinghi von der Samai ist tot. Mausetot. Kurze Zeit später hören wir unseren luftgekühlten Honda Motor durch den Hafen knattern.

Ist das hier public viewing oder kann das auf den Müll?

Die sonnigen beiden Stunden sind um, der Regen kommt bald wieder und das in ungeahnter Intensität. Auch die Wettervorhersage lässt nichts Gutes erwarten. Jens und ich nutzen die Zeit, unter Deck verschiedene Tätigkeiten durchzuführen. Zum Beispiel sammeln wir die toten Kakerlaken ein, die wir seit Guadeloupe spazieren fahren. Der Inhalt unseres Küchenschaben-Schapps wird entleert, dabei fällt uns unsere Kuchenbude in die Hände. Ja, genau die brauchen wir hier. Auch darauf ist etwas Kakerlakenkacke, zwischenzeitlich brüllt immer wieder unser Handstaubsauger, um eine tote Schabe aufzusaugen. Zur Sicherheit verteilen wir noch etwas Gift, wir sind jedoch zuversichtlich. Lebende Küchenschaben haben wir seit Wochen nicht mehr gesehen.

Sissi mit Kuchenbude und mit neuem Achterstag

Unter der Kuchenbude haben wir den Heizlüfter gefunden. Den schließen wir gleich an und schon bald verbreitet sich im Boot eine wohlige Wärme. Erst als Jens den Backofen für die Leiterchen anwirft, brauchen wir ihn nicht mehr. Es ist nun auch ohne die Zusatzheizung warm genug unter Deck.

Leckere Leiterchen, von Nichtfrankfurtern auch Rippchen genannt.

Das Abendessen ist lecker und Sissi ist wieder segelklar. Wir müssen nur noch das Großsegel wieder in seine Führung bringen. Das machen wir aber erst, wenn es das Wetter zulässt. Wir haben beide keine Lust, es im Regen und bei mehr oder minder starken Windböen zu machen. Außerdem ist es nicht dringend, in den nächsten Tagen ist der Wind nicht so, dass wir unser nächstes Ziel, die Insel Terceira, ansteuern können. Ich hoffe immer noch auf einen einigermaßen schönen Tag, einen Mietwagen und einen längeren Ausflug über Faial.

Fischrestaurant Genuino

Vor einigen Tagen waren wir im Fischrestaurant Genuino essen. Dort fällt neben der Eingangstür diese Karte auf, die zwei Weltumsegelungen beschreibt. In verschiedenen Bildern wird diese nacherzählt. Das Essen war sehr gut, doch für die örtlichen Verhältnisse war es maßlos überteuert. Eigentlich wollten wir in die Taverne gegenüber, die jedoch gerade an jenem Tag geschlossen hatte. Statt dessen hatten wir Plätze an einem Tisch mit zwei anderen Deutschen, die mich sofort auf den Eintracht Pulli angesprochen haben. Tolle Leistung, haben sie gesagt. Na ja, ich habe diese Leistung ja nicht erbracht. Die Wahrnehmung der Eintracht in der Öffentlichkeit hat sich jedenfalls seit jenem Sieg in Sevilla drastisch gewandelt. Als ich mit einem Eintracht-T-Shirt aus der Dusche komme, ist es schon zweimal passiert, dass mir Jugendliche das Wort „Eintraaaacht“ zugerufen haben. Das gab es früher nicht.

Genuino Madruga, der Weltumsegler von den Azoren. Auch er wurde mit einem Gemälde im Hafen verewigt. Das befindet sich direkt am Clube Naval.
Hemingway, das Weltumsegler-Boot.

Mit der Kuchenbude ist das Leben schöner geworden. Ich kann am Abend im Cockpit sitzen, unten im Salon brummt der Heizlüfter und oben habe ich keine kalten Füße. Dabei prasselt der Regen auf das Zeltdach. Es ist doch wie beim Camping im frühesten Frühsommer. Doch es ist etwas besser, denn beim Camping hatte ich nie eine Heizung.

Nachtstimmung in Horta. Es regnet.

Zwei Tage nach der Montag des Achterstags ist das Wetter wieder etwas schöner geworden und lädt zu einem Spaziergang durch den Ort ein. Unser Nachbar Robert hat mir einen anderen Supermarkt empfohlen, der nicht so überlaufen ist. Auf dem Weg dorthin wird mir klar, warum der Laden nicht so überlaufen ist, denn es geht einen Kilometer steil den Berg hinauf.

Es scheint die Sonne wieder, doch der Weg zum Supermarkt ist steil.

Dort angekommen stelle ich fest, dass das Sortiment mehr oder minder identisch ist. An den Kassen herrscht kein Gedränge, statt dessen warten zwei Kassiererinnen auf Kundschaft. Ich werde dort dennoch nicht mehr einkaufen gehen, denn mein linkes Knie verbietet es mir. So schlendere ich gemütlich wieder zurück und betrachte die Blumen am Straßenrand.

Blumen am Straßenrand, kleine Eidechsen verstecken sich in der Steinmauer.
Diese Blumen wachsen wild durch eine Brettertür, die schon lange niemand mehr geöffnet hat.

Am Hafen angekommen probiere ich noch, bei einem der Autovermieter einen Wagen zu bestellen. Doch sämtliche Büros sind geschlossen. Der Samstag ist hier doch eigentlich ein normaler Arbeitstag. Vielleicht probiere ich es am morgigen Sonntag noch einmal, falls das Wetter immer noch schön ist. Ansonsten können wir am Montag mit dem Bus eine Inselrundfahrt machen. Das geht ohne Vorbestellung und niemand von uns muss sich auf die Straße konzentrieren. Ich stehe vor der Kirche, deren Glocken wir immer im Hafen läuten hören. Die Tür ist offen, ich trete ein. Schon lange habe ich keine Kirche mehr von innen fotografiert.

Einsame Andacht, die ich nicht lange stören möchte.

Wenn der Glöckner zum Gottesdienst ruft, klingt es immer, als würde er vorher Aufputschmittel einwerfen. Heute ist es ruhig, ein Mann sitzt in stiller Andacht vor dem Altar. Im Seitenschiff steht Maria.

Im Seitenschiff der obligatorische Marienaltar.

Ich spaziere zu Sissi zurück, heute bin ich für die Küche zuständig. Es gibt ein Brathähnchen, das wir uns teilen werden. Derweil kann sich das Wetter wieder nicht entscheiden, ob es schön oder hässlich werden möchte. Bei Sonnenschein spritzen die Regentropfen. Ein paar Tage bleiben wir noch hier, am Mittwoch soll der Wind günstig für die Weiterfahrt sein. Mal sehen, wie oft sich das jetzt noch ändern wird.

Brasserie Restaurant Sissi

Wieder einmal üben wir uns in der Disziplin, in der wir große Erfahrung haben. Warten. Wir warten auf unser neues Achterstag. Natürlich warten wir über die Pfingstfeiertage, dann ist der diesjährige Wäldchestag auf den Azoren auch noch ein Feiertag und der kommende Freitag wird wieder ein Feiertag sein. Drei Feiertage in einer Woche auf den Azoren erscheint sehr viel, doch das ist mehr eine Konzentration von Feiertagen. Außerdem wird von den meisten Menschen normal gearbeitet. Der Supermarkt hat auf, man kann im Bootsbedarfsladen einkaufen und auch die Leute der einzelnen Jachtservice-Firmen sind normal am Arbeiten. Lediglich die Kirchenglocke wird so schnell geläutet, als würde der Glöckner vorher eine große Nase voll Aufputschmittel schnupfen.

Pizzaproduktion

Wir brauchen jedenfalls nicht mehr mit dem Gas sparen, sondern können den Herd wieder einmal komplett zur Essensproduktion nutzen. Auch auf den Pizzateig warten wir über mehrere Stunden – Stunden, nicht Tage. Unsere Schwester hat die Angewohnheit, den Pizzateig so lange im Kühlschrank gehen zu lassen, bis dieser einen Namen bekommen hat. Unseren Teig hat Jens sofort getauft und damit darf er noch am gleichen Tag verarbeitet werden.

Pizza Horta mit Schinken, Pilzen und Broccolispargel

Irgendwo im Fernsehen haben wir neulich vom sogenannten Broccolispargel gehört, den dann im Supermarkt gesehen und gleich einmal gekauft. Er soll angeblich einen feinen Geschmack nach Spargel haben und durfte somit auf unsere Kreation Pizza Horta, doch in meinen Augen ist es Etikettenschwindel. Den Spargel im Namen könnte man sich sparen, das Gemüse schmeckt doch sehr nach Broccoli. Lecker ist die Pizza trotzdem.

Knuspriger, dünner Teig und leckerer Belag in der Pizzeria Sissi

Neben dem, was wir oben in unsere Körper hinein füllen, gibt es noch das andere Ende. Auch dafür muss ich warten, genauer gesagt möchte unsere Bordtoilette eine Wartung. Der Pumphebel ist doch inzwischen arg schwergängig geworden. Das fällt einem über die Zeit gar nicht auf, es fällt erst dann auf, wenn nach der Wartung wieder gepumpt wird.

Wartung der Bordtoilette

Auch Sissi hat schon einige Wochen gewartet, nämlich auf eine gründliche Innenreinigung. Mitten auf dem Atlantik kommt niemand auf die Idee, den Putzlappen großartig zu schwingen. Deswegen ist es im Hafen um so wichtiger, damit wir uns wieder wohlfühlen können. Außerdem schmeckt das leckere Essen viel besser, wenn man es in einer sauberen und appetitlichen Umgebung zu sich nehmen kann.

Innenreinigung. Jens sei das Tragen der Jogginghose verziehen.

Klaus hat mir mit seinen Emails einen Floh ins Ohr gesetzt. Er schreibt immer wieder über Coq-au-vin, also einem Hühnchen in Rotwein gekocht. Ich frage ihn nach seinem Rezept. Das passe ich dann an die im hiesigen Supermarkt verfügbaren Zutaten an. Die wichtigste Zutat, das Hühnchen, bekommen wir sogar in exzellenter Qualität von den Azoren.

Produktion des Coq-au-vin

Ich wäre so gar nicht auf die Idee gekommen, das Huhn vorher zu braten, doch eigentlich ist die Idee total einfach. Zuerst das Huhn schön anbraten, dann im übriggebliebenen Fett das Gemüse braten und das alles anschließend in den Topf werfen, mit dem Wein übergießen und ewig lange schmoren. Dann müssen wir wieder warten. Warten auf das Essen.

Das Huhn schwimmt im Wein
Rotwein aus Portugal in ausreichender Menge. Das Huhn soll ja schließlich schwimmen können.
Pilze vor dem Braten
Geschrumpfte Pilze nach dem Braten.

Während das Huhn im Rotwein schwimmen lernt, brate ich die Pilze an. Das konzentriert den Pilzgeschmack. Außerdem soll ich die Pilze laut Rezept erst kurz vor Schluss, nach dem Abschmecken der Sauce hinzugeben. So hat es Klaus geschrieben. Das ergibt Sinn, sonst kann sich der feine Pilzgeschmack nicht gegen den Rotwein behaupten. Danke für das Rezept. Wenn genug Rotwein übrig ist, ist er zum Hühnchen der pure Genuss.

Coq-au-vin mit Rotwein

Überall um uns herum wird an den Booten gearbeitet. Der direkte Nachbar wartet auf sein Vorstag. Der Nachbar hinter unserem Heck hat auf dem Ozean ebenfalls Teile des Vorstags verloren. Der Nachbar auf der anderen Seite braucht für seinen Motor einen neuen Anlasser. Der Nachbar daneben dichtet gerade die Notausstiegsluken wieder ab.

Überall wird gearbeitet

Ich glaube inzwischen, dass Segelboote für alles geeignet sind, nur nicht zum Segeln. Schätzungsweise 95% der Boote, die in Horta ankommen, haben mehr oder minder große Schäden, die vor der Weiterfahrt behoben werden müssen. Es gibt den Bootsbauer, der sich immer wieder vor den Kunden verstecken muss, weil sie ihm mehr Aufträge nachwerfen, als er bearbeiten kann. Der Rigger ist beinahe rund um die Uhr im Einsatz, er und seine Angestellten haben Kunden ohne Ende. Meinem Nachbarn habe ich mit ein paar Elektronikproblemen geholfen, jetzt kommen plötzlich Segler von anderen Booten und fragen um Hilfe. Das müsste man doch monetarisieren können…

Blümchen auf dem Weg zum Supermarkt

Eigentlich bin ich ja ein IT-Fuzzi, Softwareentwicker und Datenbankspezialist. Doch hier in dieser Umgebung und mit den Möglichkeiten, die sich hier bieten, wächst mehr und mehr der Gedanke, dass ich auch anderweitig arbeiten könnte. Ich unterhalte mich mit dem Bootsbauer, einem Deutschen. Der sagt, dass die Saison hier ein halbes Jahr dauert und dass es für die ganze Elektronik, die man heutzutage auf den Booten verbaut, in Horta keine Reparaturfirma gibt. Azoren ist Portugal. Portugal ist EU. Das eröffnet im Gegensatz zu Aruba durchaus Möglichkeiten. Als ich in Aruba so manche Jacht elektronisch wieder flott bekommen habe, war das immer Schwarzarbeit – bar auf die Hand. Hier könnte ich das sogar legal… Jetzt gehe ich aber erst einmal zum Supermarkt und hole die Zutaten für eine Lasagne.

Lasagneproduktion in der Trattoria Sissi
Nur Aufnahmen des Endprodukts fehlen

Diese Lasagne soll eine ganz besondere werden, den in der kommenden Nacht erwarten wir die Samai. Die sind aus Französisch Guyana in nur drei Wochen zu den Azoren gefahren und damit fast eine Woche schneller auf 3000 Meilen als Sissi. Natürlich bekommt die Samai zunächst auch keinen Hafenplatz. Deswegen fällt die gemeinsame Lasagne vorerst aus, doch die für Jens und mich zubereitete Pasta, auf die wir auch sehr lange warten müssen, während sie im Ofen ist, schmeckt uns auch zu zweit.

Warten auf den Platz an der Hafenmauer

So ist die Samai endlich hier und doch noch nicht angekommen. Ihr Dinghi ist leider verstorben, ich habe ihnen mein Mini-Dinghi geliehen. Damit kann die vierköpfige Familie aber leider nicht an Land gehen. Wir hoffen alle, dass die Wartezeit bald ein Ende hat.

Es ist weg

Wir haben es geschafft. Endlich liegen wir an der Mauer, wenn auch nur indirekt. Hier werden die Boote auf Anweisung des Hafenmeisters in Dreierreihe geparkt. Wir haben Glück und sind das mittlere Boot in der Reihe. Außen liegt ein Regattaboot mit Schweizer Flagge, das jedoch von amerikanischen Schweizern bewohnt wird. Das Boot wiegt nur vier Tonnen. Eigentlich hätten wir da ganz draußen dran gehen sollen, doch die alte Dame Sissi mit ihren 12 Tonnen ist etwas schwer für den Schweizer. Innen an der Mauer liegt ein Franzose, der sich unterwegs auch so einige Schäden am Boot eingefangen hat.

Die Mastleiter ist oben, das Achterstag unten.

Noch am selben Tag schläft der Wind ein. Das ist für uns die ideale Gelegenheit, die Mastleiter nach oben zu ziehen. Dank genauer Planung der einzelnen Arbeitsschritte muss Jens auch nur einmal an die Mastspitze klettern. Er hat die nötigen Werkzeuge dabei, wir können nach nur zwei Stunden das Achterstag an Bord zusammenrollen. Dann gehe ich zum Yacht Service und der Rigger nimmt mich sogar im Auto mit zu Sissi, um die gebrauchten Drahtseile abzuholen. Ich drücke ihm außerdem noch unsere leere Gasflasche in die Hand, denn sein Geschäft bietet auch den Wiederbefüll-Service an. Ich soll am nächsten Tag für eine Anzahlung vorbei kommen, doch als ich die Flasche abhole, ist leider noch kein Preis aus Portugal auf den Azoren angekommen.

Wandmalereien im Hafen

Überall im Hafen stoßen wir auf bemalte Wände. Der Mensch scheint das Bedürfnis zu haben, sich zu verewigen. Das betrifft offenbar insbesondere die Segler, die es über den weiten Ozean nach Horta geschafft haben.

Bodenmalereien auf dem Steg

Mehrere hundert wenn nicht gar tausend Bilder schmücken jede freie Stelle Beton. Mit einer Ausnahme. Es hat sich noch niemand getraut, die weißen Wände des Hafenmeistergebäudes anzumalen. Dabei ist dort der Untergrund schon vorbereitet. Ansonsten findet man die Bilder überall.

Hier wird gemalt.

Eigentlich hatte Jens vor, uns auch irgendwo ein Denkmal zu malen. Ich fand den Gedanken auch lustig. Wir machen aber nicht das, was alle machen, deswegen lassen wir es einfach sein. Wir werden Horta spurlos verlassen, die Erinnerung in unseren Köpfen wird bleiben.

Deutsches Boot mit Motorschaden wird hineingeschleppt

Wir haben auch kein Monopol auf Schäden am Boot. Dieser deutsche Segler wird vom Hafenmeister an die Kaimauer geschleppt, er hat offensichtlich einen Motorschaden. Ich wünsche ihm von Herzen, dass es für ihn nicht so lange dauert wie für mich in Guadeloupe.

C’est la vie mit frisch erneuertem Ruder

In der Trockenmarina finde ich die „C’est la vie“. Noch am Tag, an dem wir an die Mauer durften, sind mir ein paar Französinnen begegnet, die ich aus Guadeloupe kenne. Sie reisen mit der „C’est la vie“ und lagen in Pointe-à-Pitre für ein paar Tage längsseits an Sissi. Ins Auge sticht das frisch erneuerte Ruder. Das ist sowas wie der Supergau auf einem Boot, wenn das Ruder einen Schaden hat. Wenn ich die Französinnen noch einmal sehe, werde ich sie fragen, was ihnen zugestoßen ist.

An der Supermarktkasse

An der Supermarktkasse wird meine Geduld auf die Probe gestellt. Mit voller Absicht habe ich mich hinter der Segelcrew angestellt. Die kaufen zwar viel ein, müssen aber nur einmal bezahlen. Das ist besser, als in der Schlange hinter fünf Portugiesen zu warten, die zwar jeder nur wenig einkaufen, dafür aber jeder einzeln zahlen müssen. Das Zahlen dauert oft sehr lange. Gestern ist der Kunde, der vor mir kassiert wurde, erst einmal zum Geldautomaten gelaufen, hat dort Bargeld gezogen und dann an der Kasse gezahlt. Warum er den Einkauf nicht mit der Karte zahlen wollte, erschließt sich mir nicht. Vielleicht zahlt er aus Prinzip immer nur mit Bargeld. Die Kassiererin hat es gefreut, sie bekam eine bezahlte Pause. Die vier Franzosen vor mir treiben den Bezahlvorgang allerdings auf die Spitze. Sie erklären der Kassiererin, dass jeder von ihnen jeweils ein Viertel des Einkaufs zahlen möchte. Nun muss erst einmal die Chefin kommen, die Kasse entsprechend programmieren und dann tritt jedes Crewmitglied einzeln an, schiebt die Karte ins Lesegerät und zahlt sein Viertel. Toll.

Salamander

Dann ist da noch die Salamander. Der Besitzer ist wohl ein ARC-Teilnehmer aus vollster Überzeugung. Er hat es offenbar nötig, betreutes Segeln über den Atlantik zu machen. ARC-Flaggen aus den vergangenen fünf Jahren schmücken sein Boot. Dass er zu viel Geld hat und dass er jedes Jahr zweimal über den Atlantik fährt, kann er auf diese Weise an jedermann kommunizieren.

Ich weiß, dass es auch viele nette Menschen gibt, die an der ARC teilnehmen oder teilgenommen haben. Zum Beispiel meine Freunde von der Milena Bonatti, mit denen ich zusammen vor drei Jahren meinen 49. Geburtstag in Spanien gefeiert habe. Die sind eher aus Unsicherheit mitgefahren, nicht weil sie unbedingt das Geld ausgeben wollten. Nach zwei Atlantiküberquerungen sollte man als Segler aber so weit sein, dass man das auch alleine schafft. Das ist meine Meinung, dazu stehe ich, auch wenn ich die zweite Querung noch nicht abgeschlossen habe.