Der graue Alltag in der Werft

Es kommt nicht auf den Wochentag an. Hier wird jeden Tag gearbeitet. Manchmal müssen sogar wir arbeiten. Doch dazu später mehr, noch bin ich ja nicht einmal aufgestanden. Es ist kurz vor Sieben, gerade wurde draußen die erste Schleifmaschine in Betrieb genommen. In meiner Kabine riecht es noch nach den fauligen Algen, alles ist wie immer. Ich drehe mich um und will noch ein paar Minuten schlafen. Ein beißender Geruch nach frischer Farbe weckt mich wenige Minuten später. Ich habe die Wahl – das Fenster schließen oder mit dem Geruch leben. Beides macht mir keine gute Laune, Ich entscheide mich für den Geruch und drehe mich noch einmal um, möchte noch ein paar Minuten schlafen. Draußen brüllen inzwischen mehrere Hochdruckreiniger um die Wette.

Vorbildlich! Der Arbeiter trägt einen Gehörschutz, während der Hochdruckreiniger im Hintergrund neben ordentlich Wasserdruck auch einen enormen Schalldruck erzeugt.

Es klopft an der Bordwand. Ich winde mich aus dem Bett und eile nach oben. Ist das etwa schon der Mechaniker mit der Einspritzpumpe? Das wäre ja schnell gegangen. Nein, es ist lediglich ein Franzose, der mich fragt, ob er kurz längsseits kommen kann. Sie sortieren mehrere Boote in der richtigen Reihenfolge für das Kranen. Natürlich kann er längsseits kommen, der Franzose springt sofort an Deck, von Backbord sehe ich schon eine beeindruckende Aluminiumjacht im Landeanflug. Ich mache mir Kaffee. Nach einer guten halben Stunde ist das Boot am Kran, der Kaffee im Jörg und alles ist wie immer. Der Kaffee riecht nach frischer Farbe.

Die Quelle des beißenden Geruchs ist oft nur einen Katzensprung entfernt.

Auch Eike genießt die geruchliche Untermalung des Frühstücks. Inzwischen ist das Knattern der Hochdruckreiniger gedanklich bei mir in den Hintergrund geraten. Bewusst höre ich es nicht mehr. Ich höre aber auch Eike nicht, wenn er unten ist und mit mir spricht. Der Dieselmotor des Krans erwacht einmal mehr und schreit geradezu gegen alle anderen an.

Schleifmaschine. Ein ganz charakteristisches Geräusch.

Wir müssen diesen Platz verlassen, es macht hier keinen Spaß zu liegen. Hoffentlich kommt die Pumpe bald. Zwischenzeitlich steht noch die Erneuerung der drei Batterien an. Ich bekomme dann doch einen ganz anständigen Preis bei der Abnahme von drei Stück. Eine einzelne Batterie kostet jetzt 368€, gut 70€ Rabatt gegenüber dem ersten Preis, der mir genannt wurde.

Die Batterie verlässt das Schiff.

Eine Batterie wiegt ziemlich genau 50kg. Wir müssen sechs Batterien bewegen, damit sind wir also bei 300kg Blei. Zu zweit lassen sie sich unter Deck ganz gut tragen, für den Transport an Deck und an Land nutzen wir das Spifall als Kran. Ich stehe an der Mastwinsch und kurbele, Eike führt die Batterie ohne großen Kraftaufwand.

Sprichwörtlich bleischwer.

Die neuen Batterien kommen auf demselben Weg wieder unter Deck. Der Einbau gestaltet sich einfacher, als ich es gedacht habe. Nach erstem Maßnehmen hatte ich den Eindruck, dass die neuen Batterien ein paar Millimeter größer sind. dem ist aber nicht so, sie passen perfekt in die Halterungen.

Ein wenig Bodybuilding

Einbauen, festzurren, anklemmen. Den Batteriemonitor umprogrammieren auf den neuen Batterietyp. Sämtliche Ladegeräte an Bord umprogrammieren auf den neuen Batterietyp. Und dann noch das Laden der Batterien. Sie sind mit 12,5V Spannung aus dem Laden gekommen, also müssen sie dort schon eine Weile gelegen haben. Die Chefin hat mir zwar versichert, dass sie letzte Woche erst geliefert worden sind, das nehme ich ihr aber nicht ab. Wir liegen hier schon zwei Wochen und gleich am ersten Tag war ich in dem Laden und habe mir die Batterien angesehen.

Neu und alt gesellt sich zusammen.

Wir schließen unsere Tätigkeiten damit ab, dass wir die alten Batterien im Laden abgeben. Einer der Vorteile der EU. In Aruba hätten wir die alten Batterien vermutlich in den allgemeinen Müllcontainer geworfen, dann wären sie auf der ewig brennenden Müllkippe gelandet. Und wir laden die neuen Batterien. Dann sind wir beide des Lärms überdrüssig und machen einen Spaziergang in den nächstgelegenen, besseren Supermarkt, um das Abendessen zu jagen.

Nach dem Einbau müssen die Batterien noch geladen werden.
Der Kran ist einmal mehr bei der Arbeit.

Immobil

Immobil sind wir weiterhin. Nicht so sehr an Land, noch haben wir den Mietwagen. Sissi ist leider wieder eine Immobilie. Ich habe die Warterei satt und beginne mit der Arbeit. Nach Konsultation von Holger, einem Segler, den ich vor zwei Jahren in Aruba kennengelernt habe, bin ich bereit, selbst das Problem mit der Dieselversorgung in den Griff zu bekommen. Der Laden mit Bootszubehör hat alle notwendigen Teile für mich, ich muss sie nur einkaufen.

Neu: Eine kleine Pumpe, mit der man die Dieselleitung entlüften kann.

Die Erneuerung der Dieselleitung zwischen dem Tank und dem zweiten Filter verläuft einfacher, als ich es vorher dachte. Und es macht praktisch keine Sauerei, denn es ist kein Diesel mehr in den Schläuchen. Ich baue einen kleinen Ball in den Kreislauf ein. Damit lässt sich in Zukunft der Diesel aus dem Tank bis in die Einspritzpumpe befördern. Die beiden Dieselfilter habe ich zwar erst kürzlich erneuert, doch wenn ich schon einmal dabei bin, kann ich es auch noch einmal machen. Dann pumpe ich und pumpe und pumpe. Holger hat mir gesagt, welche Schrauben ich öffnen muss. Dann muss ich pumpen, bis dort Diesel austritt. Dann wieder verschließen, noch ein wenig pumpen und wieder öffnen. Oft soll dabei noch etwas Luft kommen. Nach und nach arbeite ich mich vor und bin bis zu den Einspritzdüsen gekommen. Auch dort kann ich Diesel sehen. Damit wird es Zeit, alles wieder gut zu verschließen und den Motor zu starten. Er startet nicht. Kurze Rücksprache mit Holger, dann mache ich noch ein paar Versuche, bevor ich entnervt das Werkzeug in die Ecke schmeiße und zu Fred gehe.

Fred Marine

Genauer gesagt gehe ich zu Axel, der bei Fred Marine arbeitet. Er wollte für mich nachfragen, ob ich kurzfristig außer der Reihe einen Mechaniker bekommen kann. Leider kann mir Axel nicht helfen, der Laden ist für mindestens die nächsten beiden Wochen ausgelastet. Also gehe ich zu Fred. Fred ist der Besitzer von ACT Marine, einer weiteren Firma, die hier in der Marina ansässig ist. Entgegen meiner Erwartungen kommt Fred nach wenigen Minuten zu Sissi und sieht nach dem Motor. Im Prinzip macht er erst einmal alles das, was ich auch schon getan habe. Er findet nirgendwo Luft im System, dafür aber überall Diesel. Nur kommt es nicht aus allen Einspritzdüsen heraus. Und der Druck scheint nicht zu reichen, um wenigstens einen oder zwei der Zylinder zur Zündung zu bewegen.

Es ist etwas Arbeit, bis zur Einspritzpumpe zu kommen.

Fred diagnostiziert eine defekte Einspritzpumpe. Holger ist der Meinung, dass die Einspritzpumpe nicht kaputt geht. Ich bin hin- und hergerissen. Eigentlich vertraue ich Holger, der meinen Motor während seiner Ausbildung bei Mercedes Benz kennengelernt hat. Andererseits ist Fred ein Profi mit gutem Leumund hier in der Marina und auch unkaputtbare Teile können kaputt gehen. Schweren Herzens erlaube ich Fred, die Einspritzpumpe zu demontieren. Ich habe praktisch keine Wahl.

Motor ist offen

Nach und nach demontiert Fred Motorenteile, bis er irgendwann die Einspritzpumpe in seinen Händen hält. Bevor wir eine neue Pumpe bestellen, wird er erst einmal prüfen, was kaputt ist und ob es reparierbar ist. Ansonsten weiß ich, dass diese Pumpe in Deutschland definitiv erhältlich ist. Eine Lieferung nach Guadeloupe würde auch keinerlei zollrechtliche Probleme verursachen. Insofern bin ich jetzt erst einmal vorsichtig optimistisch.

Sie ist draußen. Die Einspritzpumpe.

Mitte der kommenden Woche soll die Pumpe fertig sein. Ich bin gespannt. Ich gehe zur Hafenmeisterei und bezahle unseren Platz für eine weitere Woche. Dann schnappe ich mir Eike und unseren Mietwagen. Wir haben an Bord nichts mehr zu tun und wollen noch einmal den Dschungel sehen. Eine Kaskade wartet noch auf unseren Besuch.

Cascade aux Ecrevisses

Die Kaskade ist gut besucht und wenig spektakulär. Auch von Wanderung kann man auf dem 500 Meter langen, rollstuhlgerechten Weg nicht sprechen. Dennoch ist es schön anzusehen. Für den nächsten Besuch will Eike Badesachen mitnehmen.

Ruhiger Flusslauf unterhalb der Kaskade

Wir sehen uns auch noch die restliche Gegend an. Unterhalb der Kaskade gibt es einen schönen Grill- und Picknick-Platz, an dem ein Wanderweg flussabwärts beginnt. Den laufen wir ein paar Schritte, Eikes Füße finden doch noch den Weg ins Wasser. So kann man nicht nur die Füße, man kann auch den Kopf entspannen. Den ganzen Tag in der Werft sitzen, den Menschen bei ihren lärmenden Tätigkeiten zuhören und den Gestank der im Hafenbecken verwesenden Algen zu riechen ist unangenehm. Zuerst hielt ich den Gestank für unseren Fäkalientank und dachte an Verstopfung. Dann dachte ich daran, dass hier sehr viele Menschen den Hafen benutzen, der wenig Wasseraustausch hat. Doch dann hat sich mein Gehirn an diesen Geruch erinnert, ich kenne ihn aus Aruba. Er tritt dort jährlich auf, wenn bestimmte Algen blühen und dann verwesen. Wir sind froh über jede Tour, die uns aus dieser Umgebung heraus bringt.

Doch noch die Füße im Wasser

Reparaturen und Reparaturbedarf

Und immer noch stimmt der Spruch, dass Fahrtensegeln bedeutet, sein Boot an den schönen Flecken der Erde zu reparieren. Heute sind der Watermaker und die Kaffeemühle an der Reihe, natürlich schön in der Reihenfolge der Priorität. Zuerst die Kaffeemühle. Ich besorge eine Tube Sekundenkleber in Gelform, damit es nicht vom Schalter herunterläuft. Anschließend schneide ich mir zwei schmale Streifen aus der Plastikverpackung des Klebers heraus.

Oben und unten aufgeklebte Plastikstreifen bringen Stabilität. Das Loch musste ich unter hohem Aufwand wieder in den ausgehärteten Kleber bohren.

Die Bruchstelle wird ringsherum mit dem Kleber bestrichen und der Plastikstreifen mit festem Druck angebracht. Hält. Nach kurzer Trockenzeit erfolgt die Aktion noch einmal mit der Rückseite. Nun ist der Schalter stabiler, als er es vor der Reparatur war. Es dauert nur noch wenige Minuten, dann ist die Kaffeemühle wieder zusammengesetzt. Das geht viel einfacher, als sie aufzuschrauben.

Und jeden Morgen grüßt das Geräusch der Kaffeemühle und verheißt frisch gemahlenen und gebrühten Kaffee.

Ich koche probehalber gleich einmal eine Kanne Kaffee, den Eike und ich genießen. Bei der Ersatzmühle war es immer ein Problem, den Mahlgrad richtig hinzubekommen. Hier kann er einfach eingestellt werden. Anschließend nehme ich den Watermaker wieder in Betrieb und mache uns erst einmal 100 Liter Wasser. Unser Trinkwasser schmeckt gleich viel besser, denn das Zeug hier vom Steg in Bonaire hat irgendwie einen penetranten Schlauchgeschmack.

Solche Werbeaufsteller sprechen mich an.
In Frankfurt einen Preis gewonnen.

Im Supermarkt falle ich beim Bierkauf auf einen Werbeaufsteller herein. Dieses Kraft-Bier ist in den Niederlanden für die Karibik gebraut worden. Eine Sorte hat sogar in Frankfurt einen goldenen Preis gewonnen. Ich lege vier Flaschen in den Einkaufswagen, denn sie haben einen stolzen Preis. Probieren will ich das Zeug aber trotzdem. Die preisgekrönte Sorte ist natürlich ausverkauft, aber ein Etikett wirbt damit, ideal für einen faulen Tag zu sein.

Für den perfekten faulen Tag

Ich bin bei der Verkostung begeistert. Sie haben einen ganz feinen Aromahopfen verwendet. Eine tolle Zitrusnote kommt hier durch. Es ist keinesfalls zu herb für die herrschenden Temperaturen, sondern für ein IPA echt noch gemäßigt. Sehr gut. Eike schmeckt es nicht.

Katastrophe am Morgen

Ein paar Tage später fällt mein morgendlicher Blick auf den Batteriemonitor. Wie jeden Morgen möchte ich nachsehen, was noch über Nacht in den Batterien übrig geblieben ist. Zwei Batterien alarmieren, eine sieht auf den ersten Blick gut gefüllt aus. Natürlich ist es anders. In der Batterie muss es einen Kurzschluss gegeben haben und sie hat über Nacht die beiden anderen leer gesaugt. Bis auf 35% Ladestand. Ich schalte die tote Batterie sofort aus dem System heraus. Bei den Preisen hier in Bonaire werde ich sie woanders ersetzen. Außerdem wiegt sie ziemlich viel, ich würde sie nur ungern mit dem Dinghi an Land schaffen wollen. Für eine solche Aktion müssen wir längsseits an einen Steg. Wenn alles repariert ist, warum muss dann immer wieder etwas kaputt gehen?

Der Batteriemonitor hat die tote Batterie jetzt als solche erkannt. Hoffentlich hat sie die anderen beiden nicht auch beschädigt. Alle drei zusammen wiegen etwa eine Vierteltonne.