Cash

Ich muss endlich Wäsche waschen. Ich habe kaum noch frische Sachen zum Anziehen. Die letzte Waschmaschinenladung habe ich in Cork gewaschen. Cork liegt in Irland und ist damit in der Eurozone. Ein paar Euromünzen hatte ich noch, also war das Waschen kein Problem. Auf der Isle of Man habe ich praktisch alles mit der Kreditkarte bezahlt. Dort habe ich kein Bargeld aus dem Automaten ziehen müssen. Ein paar Pfund Bargeld waren noch in den Bordbeständen, die habe ich mir für den schlimmsten Fall ins Portemonnaie gepackt.

Waschmaschinen und Trockner in der Seaport Marina

Auf Islay musste ich dann doch an den Geldautomaten, denn die Marina in Port Ellen kann man nicht mit der Karte bezahlen. Ansonsten habe ich auf Islay aber doch fast alles bargeldlos bezahlt. Es ist so einfach. Selbst die Busfahrer wollten kein Bargeld, man legt die Kreditkarte auf den Fahrkartendrucker und der Käse ist gegessen. Die Waschmaschine in Port Ellen läuft nur mit Münzen, doch ich hatte keine passenden Münzen. Außerdem war die Wäsche dort sehr teuer, deswegen habe ich das Thema in die Zukunft vertagt. Im Caledonian Canal gibt es an verschiedenen Stellen Waschmaschinen, doch auch die laufen nur mit Münzen. Münzen, die ich nicht hatte. Ich war hocherfreut, als ich in der Seaport Marina die Waschmaschinen gesehen habe, denn es gibt dort nur bargeldlose Bezahlung.

Kartenterminal für die Waschmaschinen

Während die Waschmaschine ihre Arbeit tut, suche ich an Bord die Pfundmünzen zusammen, die ich noch habe. Es kommen doch fast 10 Pfund zusammen. Die werde ich heute Abend in den Pub tragen, denn ich habe noch keinen Wirt gesehen, der Bargeld ablehnt.

Fast 10 Pfund Bargeld

Ich sortiere die saubere Wäsche in den Schrank, dann spielt mein Radio eine Live-Übertragung aus dem Frankfurter Waldstadion. Das ist nicht ausverkauft, denn der Verein aus Leipzig hat einfach nicht genug Fans mitgebracht. Das 4:0 stimmt mich euphorisch. Nach dem Abendessen gehe ich los und gerate in einen Darts-Wettbewerb.

Jährliche Clachnaharry Inn Darts Meisterschaft

Viele schöne Stunden habe ich mit den Pfeilen im Speak Easy in Sachsenhausen zugebracht. Dort zählt der elektronische Automat automatisch die Punkte herunter. Manchmal zählt er diese auch nicht. In Schottland habe ich schon viele Dartscheiben gesehen, doch in keinem Pub war ein elektronischer Automat. Die Punkte werden hier noch von Menschen gezählt. Die Stimmung ist ausgelassen und die ganze Veranstaltung ist für einen guten Zweck.

Punkte werden aufgeschrieben.

Wie hierzulande üblich muss ich mein Bier sofort bezahlen. Ich gebe dem Wirt ein paar Münzen und sage ihm, dass er den Rest behalten soll. Da sind wir doch schon beim ersten Problem mit der bargeldlosen Lebensweise. In den Wochen im United Kingdom habe ich kaum Trinkgeld gegeben. Es war einfach nicht möglich. Von der Kreditkarte wird nur das abgebucht, was die elektronische Kasse berechnet. Außerdem käme es mir komisch vor, ich weiß nicht, in welcher Tasche das Geld dann landen wird.

RNLI Spendenschiff

Jeder kennt bei uns die Spendenschiffchen der DGzRS. Die Gesellschaft heißt hier RNLI und ist ebenfalls auf Spenden aufgebaut. Auch hier finden sich diese Schiffchen überall. Ich stelle mir die Frage, ob die fast ausschließlich bargeldlose Lebensweise Auswirkungen auf das Spendenaufkommen hat. Man kann nicht eben mal das Wechselgeld in das Schiffchen stecken, wenn man mit der Karte bezahlt hat. Kartenzahlung ist hierzulande die Regel und nicht die Ausnahme. Selbst die 0,99 Pfund für die SIM-Karte habe ich bargeldlos bezahlt, ohne dass der Kassierer mit der Wimper gezuckt hätte. Kommt überhaupt noch Geld in diesen Schiffchen an? Spontan ein paar Pfund zu spenden ist eine Sache, doch wer setzt sich an den Computer und überweist seine Spende statt dessen? Meine übrigen Münzen wandern in das Schiffchen, das nächste Bier zahle ich mit Karte. Am folgenden Morgen stehe ich vor dem Coop und habe kein Pfund mehr für den Einkaufswagen.

Clachnaharry

Clachnaharry ist ein Ortsteil von Inverness. Nach diesem Ortsteil ist die Seeschleuse benannt, eine Eisenbahnbrücke ebenfalls und eine weitere Schleuse, die „Arbeiterschleuse“.

Herr Clachnaharry vor seinem Häuschen

Genau wie über den Kanälen in Holland gibt es über den Caledonian Canal Eisenbahnbrücken. Genauer gesagt gibt es deren zwei Stück. Die eine am Neptune’s Staircase ganz im Westen, die andere in Clachnaharry ganz im Osten des Kanals. Und genau wie in Holland haben in Schottland die Züge Vorfahrt vor den Booten. Also richten sich die Betriebszeiten der Brücken nach dem Eisenbahnfahrplan. Da Scotrail lange nicht so einen dichten Fahrplan hat wie die Holländer, ist das jedoch sehr entspannt.

Eisenbahn-Drehbrücke in geschlossenem Zustand

Ich sehe ein Segelboot in Richtung Nordsee fahren. Da ich niemals die Chance haben werde, ein Foto von Sissi bei der Durchfahrt durch die Eisenbahnbrücke oder in der Seeschleuse zu bekommen, beiße ich in den sauren Apfel und mache einen Spaziergang zu den beiden Schleusen mit der Brücke dazwischen. In Holland werden alle Brücken ferngesteuert. In Schottland werden sie nah gesteuert.

Brückenöffnung

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wer in Holland für die Eisenbahnbrücken zuständig ist. Entweder ist es ein Bediensteter der Eisenbahn oder einer von Rijkswaterstaat. Aufgrund des holländischen Pragmatismus tippe ich auf Letzteres. In Schottland ist es definitiv nicht die Kanalverwaltung, die für die Eisenbahnbrücken zuständig ist. Es ist auch nicht Scotrail, denn die sind nur Betreiber der Züge. Die Brücken werden von einem Angestellten des Gleisnetz-Betreibers bedient.

Der Öffner

Die Öffnung der Brücke erfordert einiges an Arbeit. Zunächst muss der Öffner allerlei Verriegelungen lösen, dann geht er an das Steuerpult und schließlich dreht sich die Brücke. Von Anfang bis Ende dauert der Vorgang gut und gerne 10 Minuten. Das Drehen der Brücke selbst ist innerhalb einiger Sekunden erledigt. Auch das Schließen und Verriegeln dauert so lange. Damit ist klar, dass die Brücke nur bei einer größeren Lücke im Fahrplan geöffnet werden kann.

Ein dänisches Segelboot fährt aus

Ist die Brücke einmal offen, bleibt sie auch eine ganze Weile offen stehen. Das kann ich während meines Spaziergangs hautnah erleben. Die Schleusenwärterin, die eben noch das dänische Segelboot durch die Schleuse nach unten gebracht hat, macht sich zu Fuß auf den Weg zur Seeschleuse.

Lokführerperspektive

Ich will ihr folgen, mache aber vorher noch ein Bild aus der Lokführerperspektive. Der rote Punkt auf der Brücke ist nicht für die Segler, sondern für die Lokführer aufgemalt. Er ist ein letztes Warnsignal, bevor der Zug in den Kanal fällt. Eigentlich sollte ein Lokführer dieses Bild niemals sehen, denn das Haltesignal ist ein ordentliches Stück von der Brücke entfernt aufgestellt.

Offene Brücke, in der Mitte der Gleise sind die Stangen, mit denen die Brücke verriegelt wird.

Während die Schleusenwärterin zur Seeschleuse spaziert, überquere ich noch schnell den Kanal und mache das Bild von der offenen Brücke. Dann folge auch ich dem Segelboot, das zwischen den beiden Schleusen parken muss, bis die Seeschleuse bedient wird. Die Schleusenwärterin findet noch Zeit, ein paar Worte mit einen Hundefreund zu wechseln. Das Wort Eile kennt man hier nicht.

Offene Eisenbahnbrücke und geschlossenes Schleusentor dahinter

Ich frage mich, warum das Schleusentor wieder geschlossen wurde. Von See her kommend wird gleich ein Motorboot in den Kanal fahren. Dazu muss die Schleuse geöffnet sein. Da das aber nicht mein Problem ist, folge ich jetzt erst einmal dem Dänen.

Warten auf die Schleusenöffnung

Der wartet immer noch darauf, dass sich die Schleuse für ihn öffnet. Das geschieht dann auch bald. Das ältere Ehepaar an Bord arbeitet routiniert mit den Leinen. Ich frage mich, wo sie hinfahren werden. Der Wind ist derzeit nicht dazu gemacht, nach Deutschland oder Dänemark zu segeln. Vor diesem Problem werde ich auch in wenigen Tagen stehen.

Dänemark ist in der Seeschleuse angekommen

Die Flut steht hoch, es ist nicht viel Höhenunterschied zu überwinden. Die Seeschleuse kann bei Niedrigwasser (+/- 2 Stunden) nicht geöffnet werden. Das stellt wird mich am Montag auch noch vor ein Problem stellen. Hochwasser ist in den frühen Morgenstunden und Niedrigwasser am Mittag. Am Vormittag ist reger Zugverkehr, so dass die Brückenöffnung nicht zu meiner gewünschten Abfahrtszeit möglich sein wird. Und bei auflaufendem Wasser am Nachmittag möchte ich nicht herausfahren, dann würde ich ja gegen die Strömung fahren müssen.

Dänemark ist frei. Jetzt liegen zwischen ihnen und der Heimat nur noch der Gegenwind und die Strömung

Die Dänen fahren aus der Schleuse, gleich darauf fährt ein Motorboot hinein. Denen sehe ich nicht mehr beim Schleusen zu, ich habe genug. Die Seeschleusen bieten selten Gelegenheit für großes Kino. Dafür muss man im Landesinneren zu den Schleusen, an denen die Caley Cruisers unterwegs sind.

Ein Motorboot fährt in die Seeschleuse, die Schleusenwärterin steht zum Empfang bereit.

Auf meinem Weg zurück zur Eisenbahnbrücke begegne ich dem Hundefreund, mit dem vor einer Viertelstunde schon die Schleusenwärterin einen Schwatz hatte.

Hundefreund

Auch wir haben ein kurzes Gespräch. Seine drei großen Hunde liegen derweil müde im Gras. Er erklärt mir, dass die Hunde sehr alt sind. Die beiden Rüden seien 14 Jahre alt und die Dame wäre schon 16. Das ist für die riesigen Tiere ein wahrhaft biblisches Alter. Er wohnt in dem Haus gleich neben der Schleuse und die Hunde schaffen nicht mehr als noch ein paar hundert Meter am Tag.

Ein weiteres Segelboot fährt zur Seeschleuse

Jetzt wird mir klar, warum das Schleusentor wieder geschlossen wurde. Ein weiteres Segelboot kommt in Richtung Seeschleuse gefahren. Es muss ein anderer Schleusenwärter das „Works Lock“ besetzt haben. Den Namen hat es von den Arbeitern, die dort beim Kanalbau gewohnt haben. Der Kanal wurde nämlich zuerst von Inverness bis zum Loch Ness gebaut und dieses Teilstück auch zuerst eröffnet. Jetzt muss nur noch das Motorboot durch die Brücke und dann kann der Öffner zum Schließer werden. Ich gehe zurück zu Sissi. Die Brücke war über eine Stunde geöffnet. Undenkbar in Holland, wo es auf den meisten Bahnstrecken mindestens einen Stundentakt gibt, also zwei Züge in der Stunde fahren. Für die Schleusen in Holland werde ich ein anderes Arbeitstempo benötigen.

Ankunft in Inverness

Am nächsten Morgen erfolgt die Schleusung nach unten. Ich funke mit den Schleusenwärtern und mir wird eine Schleusenöffnung für 10:30 Uhr versprochen. Vorher wird noch eine Gruppe von Booten nach oben gebracht. Meinen Vater schicke ich schon um 10 Uhr in die Stadt. Wenn die Schleusenwärter ihn an Bord sehen, werden sie ihn zum Laufen mit den Leinen verdonnern wollen. Er wollte sich sowieso Inverness ansehen und dafür ist es nie zu früh am Tag. Die Schleusen machen pünktlich auf und Schleusenkammer für Schleusenkammer wandert Sissi als einziges Boot nach unten.

Ausfahrt aus der letzten Schleusenkammer, die Drehbrücke öffnet

Zeitgleich zu meiner Ausfahrt aus der letzten Schleusenkammer öffnet sich die Drehbrücke. Hier werden die Boote immer zu allergrößter Eile angehalten, weil der Straßenverkehr auf einer wichtigen Durchgangsstraße blockiert ist. Aus diesem Grund gibt es auch Einschränkungen für den Betrieb der Brücke. So darf diese nicht im Berufsverkehr geöffnet werden. Diese Restriktionen sind auch der Grund, dass wir gestern nicht mehr herunter fahren konnten, rein zeitlich wäre es möglich gewesen.

Die Straße ist gesperrt.Nur für Sissi.

Ich fahre durch die Brücke durch und zu Pontoon 4 der Marina. Dorthin hat mich der Schleusenwärter geschickt. Die Seaport Marina wird von der Kanalgesellschaft betrieben. Eine Übernachtung dort ist im Kanalpreis inbegriffen, weitere Übernachtungen kosten 10 Pfund pro Nacht. Deswegen werde ich hier entweder so lange bleiben, bis sich guter Wind für meine Rückreise einstellt oder meine Kanal-Lizenz abgelaufen ist. Für 10 Pfund bekomme ich keine Marina außerhalb des Kanals.

Kaum ist Sissi festgemacht, klettert mein Vater schon wieder an Bord. Zwei Stunden Stadtrundgang waren genug. Wir verbringen noch einen ruhigen Tag an Bord, morgen muss er wieder abreisen.