Es ist Donnerstag. Heute kommt mein Vater zu Besuch aus Frankfurt. Er möchte mich durch die Highlands begleiten. Ich putze das Boot und räume auf. Es ist schon faszinierend, was sich alles so ansammelt, wenn man alleine auf dem Boot ist. Dann muss ich noch die Frage von Wom aus Frankfurt beantworten, nämlich warum ich die Brauerei in Banavie nicht besucht habe. Ich spaziere zur Brauerei neben dem Kanal und möchte mir ein Belohnungsbier gönnen. Die Antwort liegt auf der Hand bzw. ist an die Eingangstür genagelt.
Über diese Öffnungszeiten bin ich schon vor ein paar Jahren gestolpert. Ich war einfach nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das wiederholt sich. Also mache ich einen kleinen Spaziergang, rauf und runter entlang der Schleusentreppe. Ich habe jetzt viel Zeit, denn der Zug mit meinem Vater kommt erst um 22:30 Uhr an. Später will ich nach Fort William fahren und ihn am dortigen Bahnhof erwarten, doch auch dafür habe ich noch ein paar Stunden Zeit.
Die Schleusen sind gerade in Betrieb. Eine Gruppe von Schiffen wird herunter geschleust. Also lasse ich es mir nicht nehmen, die Steuerung der Schleuse zu fotografieren. Die Kästen mit der Steuerung sind an jeder der neun Schleusen vorhanden. Man kann beide Schleusentore von einem Kasten aus steuern. Das wird aber nicht gemacht. Der Hebel auf der rechten Seite steht überall auf „near“, es wird also nur das nähere Schleusentor bedient.
Auf dem Caledonian Canal sind mehrere Hotelschiffe unterwegs. Auf diesen kann man mehr oder minder aktive Kreuzfahrten über den Kanal machen. VIC32 ist eines der kleineren Schiffe, ein ehemaliges Frachtschiff. An Deck stehen Kanus und Fahrräder, es handelt sich ganz eindeutig um eine aktivere Kreuzfahrt. Später steige ich in den Zug nach Fort William, gehe im großen Supermarkt eine Menge Lebensmittel einkaufen und bin dann rechtzeitig am Bahnhof. Dort steige ich in den Zug ein, in dem sich mein Vater schon befindet. Er freut sich riesig. Ein kleiner Ausflug in Tarifsystem von Scotrail: Die Einzelfahrkarte für eine Station von Banavie nach Fort William kostet 2,70 Pfund. Die Rückfahrkarte 3,20 Pfund. Das gilt auch für längere Strecken, etwa für meinen Ausflug nach Mallaig. Bei Scotrail lohnt sich der Kauf einer Rückfahrkarte auf jeden Fall.
Am Freitag ist Arbeit angesagt. Wir wollen die neun Schleusen nach oben fahren. Außer uns sind noch vier weitere Boote in der Warteschlange unterhalb der Schleusen. Zwei Einhandsegler haben ihre Boote miteinander vertäut und helfen sich gegenseitig. Das bringt mich auf die Idee, das ebenfalls zu versuchen.
Vor uns am Pontoon liegt eine kleine Jacht von vielleicht sieben Metern Länge. Darauf ist ein junges Paar mit Hund. Ich spreche sie an und wenige Minuten später haben auch wir ein Segeldinghi. Jetzt bin ich sehr zuversichtlich für die kommenden zwei Stunden. So kommt es auch, gemeinsam schaffen wir die beiden Boote sicher nach oben. Am oberen Ende der Schleusentreppe ist dann die heutige Kanalfahrt schon vorbei. Für den Samstag habe ich nämlich eine Distillery-Tour bei Ben Nevis gebucht.
Am Abend machen wir dann noch einen Spaziergang zur Seeschleuse nach Corpach. Dort sehen wir die Lord of the Glens, ein weiteres Kreuzfahrtschiff. Vor ein paar Jahren steckte dieser Dampfer in Fort Augustus in der Schleusentreppe fest. Das bedeutete für mich, dass sich meine Abfahrt um mehrere Stunden verzögerte. Und für meine Schwester bedeutete es ein wenig Stress, denn es war damals fraglich, ob sie pünktlich zu ihrem Flug nach Inverness kommen würde. Nach fünf Stunden war das fette Problem gelöst, wir kamen damals aber erst einen Tag verspätet die Schleusen in Fort Augustus herunter.
Der Samstagmorgen begrüßt uns mit Sonnenschein und bestem Wetter. Beim Kaffee sehen wir einigen Kanuten zu, wie sie ihre Gefährte wässern. Der Caledonian Canal ist für solche Ausflüge sehr beliebt. Genau wie wir Segler bekommen auch die Kanuten einen Schlüssel für die Sanitärgebäude und haben damit regelmäßig Zugang zu Duschen und Toiletten. Nur die Schleusen benutzen sie nicht, sie müssen ihre Kanus um die Schleusen herum tragen.
Ich habe keine Bilder von Sissi im Staircase. Dafür habe ich aber genug andere Boote fotografiert. Auf dem Weg zur Bushaltestelle ist gerade eines davon am oberen Ende angekommen. Und das fette Problemschiff sehen wir ebenfalls in der Schleusenkammer.
Dieses Schiff ist so konstruiert, dass es die Schleusen des Kanals komplett ausfüllt. Größer geht nicht. Es war bei seiner Konstruktion so groß, dass es in der Mitte auseinander geschnitten werden musste, um an die Kanalschleusen angepasst zu werden. Dann wurde es wieder zusammen geschweißt.
Der Bus bringt uns pünktlich zu unserer Führung. Ich kann gar nicht mehr sagen, wie viele Destillerien ich schon von innen gesehen habe, es waren über die Jahre eine ganze Menge. Die Tour ist im Prinzip immer die gleiche, etwas Geschichte der Destillerie, dann der Prozess der Whiskyproduktion und anschließend eine Verkostung. Für meinen Vater war es das erste Mal, insofern bin ich sehr froh, dass ich die Buchung gemacht habe. Ben Nevis ist die einzige Destillerie entlang des Kanals. Leider konnte die hervorragende Tour nicht wett machen, dass man bei Ben Nevis am Wochenende nicht produziert. Eine arbeitende Destillerie ist immer schöner als eine ruhende. Doch die Verkostung von vier der hier hergestellten Whiskys ist auf jeden Fall ein schöner Höhepunkt.
Wir spazieren zurück zu Sissi und machen noch einen Stopp beim örtlichen Supermarkt. Ein paar Kleinigkeiten brauchen wir noch für unsere Kanalfahrt. An der Eisenbahn-Drehbrücke habe ich anschließend noch die Gelegenheit, diese im offenen Zustand abzulichten. Hier geht es für den Lokführer nicht mehr weiter. Für uns wird es morgen im Kanal weiter gehen, mehrere Schleusen und Drehbrücken stehen auf dem Programm. Wenn es Wind gibt, können wir über Loch Lochy segeln, doch ich rechne nicht damit.