Voll in die Fresse

Vor eineinhalb Wochen ist Fire Ball als Neuzugang ins Donkey Sanctuary gekommen. Er sollte in seinem Stall bleiben, bis er sich an die anderen Esel gewöhnt hat. Als einzigem echten Mann unter den Eseln wollte ihm das nicht so leicht fallen. Die anderen männlichen Esel sind alle kastriert, die Eselinnen jedoch nicht. Irgendeine Dame ist immer heiß, das spornt einen echten Mann an. Nach drei Tagen im Donkey Sanctuary ist Fire Ball aus seinem Stall ausgebrochen und hat sich mit Sicherheit bei bzw. mit den Damen vergnügt. Also ist damit zu rechnen, dass in 2022 der eine oder andere Babyesel dazu kommt. Wenn die jungen Esel nicht eingeschläfert werden müssen, weil sie aufgrund des schlechten Genpools zu gravierende Krankheiten haben. Oder weil die Babys gar nicht lebend zur Welt kommen.

Fireball am 12. Oktober, dem Tag seiner Ankunft. Das Gesicht ist vollkommen unverletzt.

Dass der Genpool der Esel in Aruba nicht besonders gut ist, liegt an jahrzehntelanger Inzucht. Nachdem das Auto auf die Insel kam, ließen die Arubaner die Esel frei. Damals tummelten sich auf der kleinen Insel ca. 1400 Esel. Die meisten wurden erschossen oder durch Autounfälle getötet. So ergab es sich, dass in den 1980er Jahren nur noch 20 Esel übriggeblieben sind. Inzwischen leben wieder ca. 180 Esel auf der Insel, dementsprechend schlecht ist der Genpool. Neue Esel sollten aus Bonaire oder Curacao kommen, Covid-19 hat diesem Bestreben erst einmal ein Ende gesetzt, hat mir Desiree erzählt.

Fire Ball hat sich äußerlich seit dem ersten Tag sehr verändert. Mein Hauptverdächtiger ist Kamino. Schon nach einer Nacht konnte man die Spuren in Fire Balls Gesicht sehen, ein Hufabdruck zierte die Fläche zwischen seinen Augen. Das habe ich leider nicht dokumentiert, dafür aber sein Gesicht, wie es am 20. Oktober aussah.

Hufspuren nach gut einer Woche im Donkey Sanctuary

Peter hat mir erzählt, dass Fire Ball am nächsten Morgen vor dem Tor zu seinem Stall stand und hineingelassen werden wollte. Er hatte nämlich Hunger und die übrigen Esel haben ihn nicht zum Futter gelassen.

Esel sind ziemlich schlau. Deswegen kann Fire Ball Kamino nicht kicken. Kamino würde niemals seinen Hals durch das Gitter von Fire Balls Stall schieben. Fire Ball wiederum bekommt offenbar immer noch nicht genug von den Tritten. Er schiebt seinen Kopf fleißig zwischen den Stäben durch. Deswegen ist er ein Opfer für Kamino.

Am 22. Oktober sind noch mehr Schrammen dazu gekommen.

In nur zwei Tagen kamen weitere Schrammen dazu. Ich denke, wenn der Esel zu seinen „Besitzern“ zurückkehrt, werden sie ihn kaum wiedererkennen.

Tiger und Woods am Ankunftstag

Am Ankunftstag sind Tiger und Woods erschöpft. Nach dem Stress des Einfangens, des Transports zum Donkey Sanctuary und den ganzen neuen Eindrücken ist das gut nachzuvollziehen. Am ersten Tag hat sie ihr Baby immer vor uns beschützt. Das hat sich aber schnell geändert, Woods konnte Vertrauen aufbauen. Es ist gar kein Problem, zum Baby zu gelangen und die Wunde zu versorgen.

Tiger nach einer Woche. Mit versorgter Wunde.

Dass sich Mutter und Baby wirklich entspannen können, zeigt das nächste Foto. Es ist aus derselben Perspektive aufgenommen wie das erste Bild. Auf dem betrachten Mutter und Kind aufmerksam, was sich auf der anderen Seite ihrer Gitterstäbe tut. Nun kann ich an das Gitter treten und das Tiger bleibt sogar vollkommen entspannt auf dem Boden liegen. Das ist nicht selbstverständlich.

Tiger entspannt.

Am Dienstag macht sich Desiree Sorgen, dass Woods nicht fressen würde. Ich bekomme deswegen den dankbaren Auftrag, der Mama mit ein paar Karotten Freude zu machen. Außerdem soll ich ihr noch einige Äpfel geben.

Zuschauer, während ich Woods mit Karotten füttere.

Woods nimmt die Karotten und Äpfel gerne. Nebenan im Altersheim kommt es derweil zu Tumulten. Wie kann dieser Mensch einem einzigen Esel so viele Karotten geben, ohne dass wir etwas davon abbekommen?

Mir fällt jedoch auf, dass Woods die Karotten sehr zögerlich kaut. Die dicken Karotten kann sie gar nicht durchbeißen, wenn ich sie in der Hand halte. Das können alle Esel, die mir bekannt sind. Jeder Esel versucht, mit den Lippen so viel von der Karotte wie möglich in sein Maul zu schieben, bevor die Karotte dann geknackt wird. Woods verhält sich anders. Sie versucht, nur ein kleines Stück von der Kante abzubeißen und kaut es dann sehr langsam.

Wir versuchen alles. Wir geben alles. Warum gibst du uns nichts?

Der Niedlichkeitswettbewerb nebenan nimmt immer mehr an Fahrt auf. Es ist laut. Es ist unruhig. Ich lasse die Nachbarn natürlich nicht vollkommen leer ausgehen, einige von ihnen dürfen jedoch keine Karotten essen, weil sie nicht kauen können. Ich bedaure es sehr, diesen Eseln gegenüber bleibe ich hart.

Der Tierarzt bekommt eine Nachricht, dass er sich das Gebiss von Woods ansehen soll. Auf jeden Fall hat der Auftrag sehr viel Spaß gemacht.

Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte gib‘ uns endlich auch eine Karotte

Immer wieder erreichen mich aus Deutschland Fragen, wie es um die hiesige Situation mit Covid-19 bestellt ist. Angesichts der Zahlen aus Deutschland, ist es hier geradezu paradiesisch. In den letzten sieben Tagen pendelt der Wert immer um ca. 20 Neuinfektionen am Tag. Der Höchstwert war bei 21, der niedrigste Wert bei 12. Seit dem Inkrafttreten der Ausgangssperre in der Nacht gingen die Zahlen immer weiter zurück. Gestern hat die Regierung bekanntgegeben, dass die Ausgangssperre aufgehoben ist. Statt dessen sind in der Nacht einige Zonen an den Stränden gesperrt.

Die zweite Welle hat Aruba ziemlich erwischt, zeitweise gab es täglich knapp 200 Neuinfektionen. Die Kontaktbeschränkungen durch die Ausgangssperre und deren konsequenter Durchsetzung haben meines Erachtens nach den Durchbruch gebracht.

Vorher gab es den Versuch der Sperrstunde, es gab Kontaktbeschränkungen im Alltag und die Größe von Feiern wurde begrenzt. Diese Maßnahmen alleine haben nach meiner Beobachtung keine Verbesserung gebracht. Damals sind die Zahlen immer noch gestiegen. Soweit ich es in verschiedenen Medien nachlesen konnte, steckten sich die meisten Menschen bei privaten Feiern an.

Ein Tisch voll entspannter Katzen

Ich versuche es zu machen wie die beiden Katzen, damit ich so entspannt wie möglich durch die Situation komme. Das gesunkene Infektionsrisiko trägt nicht wenig zu meiner Entspannung bei. Ich habe einen ordentlichen Vorrat an FFP2-Masken an Bord geschafft. Wer weiß, ob wir die auf den anderen Inseln bekommen können, wenn wir wieder unterwegs sind.

Bislang hat Jamaika allerdings die Insel noch nicht wieder für die Einreise kleiner Boote geöffnet. Bedauerlich.

Niedlich

Letzten Freitag war Tag des Kühlschranks. Ausmisten, abtauen, reinigen. Der Kühlschrank von Sissi hat unten leider keinen Ablauf, so dass sich im Laufe der Zeit immer mehr Wasser in der Bilge des Kühlschranks sammelt. Das will alle paar Wochen entsorgt werden, dabei darf gleichzeitig das Kühlaggregat abtauen. Es verwandelt sich innerhalb weniger Tage in einen Eisblock, der Kühlschrank funktioniert dann nicht mehr richtig. Nach nur drei Stunden ist die Arbeit getan. Zur Selbstbelohnung nehme ich einen Bus zu den Eseln, vorher lege ich noch ein paar Dosen Bier in die Kühlung.

Wir sind so niedlich.

Wenn ein Mensch mit Futter in der Hand auf die Esel zugeht, beginnt sofort der Tanz hinter dem Zaun. Die Esel drücken sich mit ihren Körpern hin und her, dabei versuchen sie aber im Gesicht so niedlich wie möglich auszusehen. Das haben sie im Laufe der Jahre gelernt. Ich finde es sehr lustig, wenn ich einen dicken, fetten Esel da stehen sehe, der mir schöne Augen macht und sagt „füttere mich, ich habe doch nichts zum Fressen“.

Niedlichkeitswettbewerb

Ich kann dazu nur sagen, dass es wirklich funktioniert. Die Besucher sehen, wie die Esel den Kopf verdrehen und dabei mit der Stellung ihrer Ohren spielen. Meist rufen sie dann „oh wie niedlich“ und belohnen die Langohren dann mit den geliebten Pellets.

Grinsen

Eine weitere Stufe im Niedlichkeitswettbewerb ist das Grinsen. Ja, die Esel grinsen tatsächlich. Sie haben sich das bei uns abgeschaut. Manch ein Esel grinst immer dann, wenn ihm eine Kamera vor das Gesicht gehalten wird. Das ist ein erfolgreicher Trick, um mehr Futter zu erbetteln.

Ursache und Wirkung

Am Abend will ich ein Bier aus dem Kühlschrank nehmen. Dabei klemmt die Dose an einer scharfen Kante des Kühlaggregats fest. Echt unglücklich. Die Dose platzt, das Bier ergießt sich in die Bilge des Kühlschranks, welcher am nächsten Tag wie eine Brauerei riecht. Ich säubere den Kühlschrank noch einmal. Toll.


Von Natur aus niedlich sind natürlich Tierbabys. Tiger macht da keine Ausnahme. Ich hoffe sehr, dass sich die Anwesenheit des Babys auch in bare Münze umwandeln lassen wird. Die Besucher bleiben jedenfalls lange vor dem Stall stehen.

Tiger ist die Attraktion. Für Mensch und Esel.

Auch ich kann mich dem Zauber nicht entziehen. Immer wieder muss ich in diesen Stall, mich mit der Mutter anfreunden und dann auch mit dem Baby. Die Wunde sieht inzwischen viel besser aus, außerdem hat die Mutter ein gewisses Vertrauen zu uns gefunden. Sie lässt uns an ihr Baby, ohne es vor uns zu schützen. Das ist toll. Die Karotten, die ich ihr immer wieder mitbringe, sind sicher nicht schädlich.

Wir füttern Woods, Woods füttert Tiger.

Was hat sich in dieser Seifenoper noch getan? Fire Ball wird seinen Besitzern nach der Kastration zurückgegeben und bekommt außerdem eine Begleiterin. Dann wird es ihm in seinem neuen alten Zuhause viel besser gehen als ganz alleine. Es ist einerseits ein schöner Zug von Desiree, andererseits spart sie damit 400 US$ im Jahr für die Futterkosten ein.

Magerer Esel

Nach der morgendlichen Fütterung fällt mir am Sonntag ein Esel auf, der sich gar nicht für das Futter zu interessieren scheint. Das ist immer ein schlechtes Zeichen. Nella und ich versuchen, den Chip des Esels zu lesen, der hat aber keine Lust dazu. Also versuchen wir, ihn einzufangen. Der Esel hat aber keine Lust. Statt dessen steht er die ganze Zeit vor dem Gehege, in dem die alten Esel leben. Optisch passt er prima in die Gruppe. Erst am Nachmittag gelingt es Anneke, den Chip zu lesen. Dabei wird klar, dass die Dame in dem Gehege fehlt. Kurz vor der zweiten Fütterung gelingt es Anneke, mit dem Esel in das Gehege zu laufen. Der Esel ist übrigens eine Dame, ihr Name ist Orchid.

Morgen ist wieder Eseltag. Heute ist wieder Putztag. Die Insel ist mal wieder sehr staubig, der Staub setzt sich überall im Boot ab.

Ein Babyesel!!!

Einen Tag nach der Ankunft von Fire Ball komme ich zu meiner üblichen Schicht am Dienstagnachmittag. Ich bin früh dran, denn ich will noch ein paar Videos von Fire Ball aufnehmen. Dabei erfahre ich, dass Desiree schon wieder unterwegs ist, um einen verletzten Esel einzusammeln. Derweil kümmere ich mich um Fire Ball, der mit Kamino wohl noch die eine oder andere offene Rechnung hat. Einerseits sind die beiden so ähnlich, als seien sie Brüder. Diva ist heiß, Kamino kann sie nicht befriedigen und Fire Ball kann sie nicht erreichen. Spannend.

Telefonisch erfahren wir, dass nicht der verletzte Esel, sondern eine Eselmama mit ihrem Baby an Bord sind. Da die Esel im Donkey Sanctuary alle kastriert sind, gibt es dort nur Babys, wenn sie aus San Nicolas von der dortigen „frei“ lebenden Eselpopulation kommen. Wir warten gespannt.

Stimmen am Eingangstor machen dem Warten ein Ende. Anneke, Jutta und ich öffnen das Tor zum inneren Stall, Desiree lenkt das Gespann ans Ziel. Es wird spannend. Was erwartet uns im Inneren?

Die Esel sind nun am Ziel.

Während Anneke, Jutta und Desiree den Anhänger öffnen, filme ich das Geschehen mit der Kamera. Vicky und Finn sind gemeinsam mit den beiden Eseln mitgefahren.

Der erste Blick auf die beiden Neuen

Es ist ja nicht so, dass das Gaffen den Menschen vorbehalten ist. Ob es sich um einen Unfall auf der Autobahn oder einen Brand im Haus des Nachbarn handelt, immer werden sich neugierige Augen finden. Wenn ein neuer Esel mit dem roten Anhänger kommt, findet sich auch eine neugierige, gaffende Meute. Der einzige Unterschied ist, dass Esel keine Smartphones besitzen. Sonst würden sie filmen.

Gaffende Meute vor dem Tor

Mit viel Gefühl motiviert Vicky die Mutter, den Anhänger zu verlassen. Dabei schubst die Mutter wiederum ihre kleine Tochter vor sich her. Alles geschieht ohne Hast. Die Mutter will ihr Baby beschützen und hat gleichzeitig eine gehörige Portion Angst.

Vicky mit den Damen

Während die erwachsenen Esel bei der Fütterung versuchen, den Besuchern ein möglichst süßes Gesicht zu zeigen, hat das ca. zwei Monate alte Eselbaby das noch nicht gelernt. Sie ist von Natur aus süß, wie kleine Kätzchen oder niedliche Hundewelpen.

Mein Name ist Tiger

Ich muss noch mehr über die Umstände herausfinden, unter denen die beiden eingefangen wurden. Ich tippe auf einen Bezug zu einem Golfplatz. Der Esel von der Feuerwache heißt schließlich Fire Ball. Kamino wurde auf der Straße gefunden, Kamino bedeutet Straße auf Spanisch. Die Namen werden nach den Umständen des Funds ausgewählt. Mit den Namen Tiger und Woods für die beiden Esel kann ich mir nichts anderes vorstellen.

Tiger und Woods und die gaffende Meute

Wir haben einen auch für kleine Esel ausbruchssicheren Stall frei gemacht und nach kurzer Motivation mit einer Mohrrübe laufen Tiger und Woods in ihr vorläufiges Heim.

Tiger und Woods an ihrem Ziel

Zwei Wochen wird es wohl dauern, bis das Kennenlernen mit den anderen Eseln abgeschlossen ist. So wurde es mir für Fire Ball erklärt, das wird wohl mit Woods nicht anders sein. Die kleine Tiger hat eine Verletzung, die eigentlich behandelt werden müsste. Wir können aber nicht an sie heran kommen, die Mutter vertraut uns verständlicherweise noch nicht. Da können wir noch so viele Karotten haben.

Verletzung von Tiger, die gereinigt werden müsste

Am späten Nachmittag konnte ich noch ein kleines Video aufnehmen, wie Tiger von ihrer Mutter gesäugt wird. Schreibt man das eigentlich so? Zusammen mit den anderen Videoschnipseln der Ankunft habe ich das auch in bewegten Bildern zusammengeschnitten.

Nach der Aufregung um die Ankunft kommt noch eine weitere Aufregung. Ein paar Arubaner sind gekommen, um sich aufzuregen. Der gestern eingesammelte Fire Ball und Kontrahent von Kamino ist ein Esel aus Privatbesitz. Die Eigentümer wollen ihn wieder haben. Damit hat Desiree überhaupt kein Problem. Sie werden ihn in etwa vier Wochen zurück bekommen. In zwei Wochen wird er kastriert, danach besteht keine Gefahr mehr, dass er von seinen Eigentümern zu Zuchtzwecken benutzt wird.