Abendessen bei Sonnenuntergang

Ich bin kurz davor, die kitschig schönen Sonnenuntergänge komplett zu ignorieren. Fast jeden Abend gibt es eine Stunde der Farben in allen Gelb- und Rottönen, die die Natur jemals erfunden hat.

Die Stunde der Farben beginnt.

Jeden Abend frage ich mich, was ich den ganzen Tag so geleistet habe. Jeden Abend nehme ich mir eine möglichst unangenehme Arbeit für den folgenden Tag vor. Gestern war es schon wieder Arbeit an der Bilge bzw. der Bilgepumpe. Vorgestern hat die frisch wiederbelebte elektrische Bilgepumpe unter Versendung heftigster Rauchzeichen den Betrieb eingestellt. Mit ein paar Tropfen Sekundenkleber konnte ich wenigstens die Membran der Handpumpe wieder gängig machen. So war die tägliche Dusche gesichert.

Gestern konnte ich dann die kaputte elektrische Pumpe durch ein Ersatzgerät tauschen. Vier Stunden Arbeit mit viel zu kurzen Armen in der viel zu tiefen Bilge. Mir ist so viel Schweiß vom Kinn in die Bilge getropft, dass genug Flüssigkeit für einen Probelauf vorhanden war. Die anschließende Dusche war zwingend nötig und führte zu genug Wasser in der Bilge für einen zweiten Lauf. Merke: Wenn Du das Seeventil der elektrischen Pumpe nicht öffnest, quirlt sie das Wasser nur in der Bilge herum.

Müll am Straßenrand

Aruba hat das öffentliche Leben so weit heruntergefahren, dass nicht einmal mehr die Straßenreinigung betrieben wird. Das macht sich inzwischen deutlich bemerkbar. In der ganzen Stadt sind die Straßen von Müll gesäumt. Da die Restaurants nur noch zum Mitnehmen anbieten, liegen sehr viele Essensbehälter herum.

Müll

Jeden Tag kommt noch ein wenig Müll dazu. Bei jedem Gang zum Supermarkt oder zum Metzger finden sich neue Abfallberge oder Hügelchen. Es wird Zeit, dass das wieder funktioniert. Mein Eindruck ist, dass um so mehr Müll dazu kommt, je mehr schon herumliegt.

Coronamüll

Das Bloggen habe ich in den letzten Tagen heruntergefahren. Es fällt mir schwer, immer neue Facetten unserer Situation zu finden, ohne in der Melancholie zu versinken. Ich habe mir vorgenommen, nur noch positive Beiträge zu schreiben. Angesichts der immer schöner werdenden Umgebung ist das nicht leicht.

Fußgängerzone

Auch die Beschränkungen im Leben nerven mich. Wahrscheinlich gibt es keinen auf diesem Planeten, der nicht genervt ist. Nach 21 Uhr ist Ausgangssperre. Nach 21 Uhr ist die Temperatur aber auch so angenehm, dass man schön mit dem Fahrrad die Strände entlang fahren könnte. Nach 21 Uhr wären ausgedehnte Spaziergänge am Strand ein toller Genuss. Vor Sonnenuntergang sitze ich am liebsten im Salon und gehe der Hitze aus dem Weg. Das ist eine Art freiwillige Ausgangssperre. Nur wenige Leute sind so blöd, bei 32°C im Schatten Bewegung in der Mittagshitze zu suchen.

Wenn am Abend die Sonne untergeht, werden die Temperaturen angenehm und das Leben schöner. Dann finden viele positive Erlebnisse statt.

Sonnenuntergang am 14.3.2020

Abends setzen wir uns fast immer zum Abendessen zusammen. Abendessen ist Nahrungsaufnahme, Abendessen ist aber auch Genuss. Lieblingsgerichte sind erlaubt, ja fast schon Pflicht.

Kartoffelklöße, vor dem Kochen

Natürlich gibt es Hausmannskost, wenn ich koche. Ich hatte Lust auf Gulasch und Kartoffelklöße. Also kaufte ich Fleisch und Kartoffeln. Nach nur wenigen Stunden Arbeit war der Kloßteig aus rohen und gekochten Kartoffeln fertig. Ich war stolz. Dann habe ich Wasser angeheizt, um ein paar Probeklöße zu machen. Langer Rede kurzer Sinn – die hiesigen Kartoffeln sind absolut ungeeignet für Klöße, die Klöße haben sich im Wasser einfach völlig aufgelöst und wurden zu einer Art Kartoffelsuppe.

Ich hatte aber noch so unglaublich viel Kloßteig, den ich nicht wegwerfen wollte. Für Kartoffelpuffer hat sich der Teig super geeignet. Die sind sehr lecker geworden und konnten auch zusammen mit dem Gulasch verzehrt werden. Jutta hat sich fast in den Teller hinein geworfen. Lieblingsgerichte halt.

Kartoffelpuffer

Damit wir nicht so dick werden, hat Jutta für den nächsten Tag ein einfaches, leichtes Gericht versprochen. Ich war gespannt und wurde nicht enttäuscht, wäre aber nie auf die Idee gekommen, das als Abendessen zuzubereiten. Es gab Toast Hawaii. Mit frischer Ananas, keine Ananas aus der Dose. An jener Stelle zeigte sich ein ungewohnter Geschmack, die Dosenananas sind viel süßer.

Toast Hawaii

Es ist schön, wenn man sich das Kochen teilt. Dann ist auch das Abspülen geteilt. Die Chapo hat sogar eine Spülmaschine, die im Augenblick leider kaputt ist. Und auf der Chapo wohnt Ute, die auf beiden Booten schön sauber spült.

Es ist auch schön, dass wir uns nicht den ganzen Tag gegenseitig auf den Geist gehen, sondern uns erst zum Abendessen treffen. Anschließend spielen wir ein paar Runden Karten, schwätzen, lachen und haben eine gute Zeit. Auf diese Weise werden wir mit einem gesundem Geist über die Zeit kommen. Für den gesunden Körper haben wir ja die gute Küche.

Pizzateig (Anfangsstadium)

Für den heutigen Tag hat mir Jutta verboten, ein Dessert anzufertigen. Also mache ich eine Vorspeise. Ich will kleine Pizzahäppchen backen, die dann kalt aus der Hand gegessen werden können. Dazu habe ich einen Pizzateig angesetzt. Das ist kein Dessert.

Wenn Jutta die Finger von der Pizza lässt und nichts davon isst, wird sie auch kein Problem mit ihren Diätbemühungen haben. Ich werde die Pizza aber so lecker würzen, dass Widerstand außerordentlich schwierig sein wird.

Pizzateig (fertig geknetet)

Ein Spaziergang führt mich zufällig an der Metzgerei vorbei. Dort finde ich meine Idee für den Pizzabelag – Chicken Curry. Ich sammele ein paar Hühnerfilets ein, die an Bord klein geschnitten und in eine feine Paprika-Curry-Marinade eingelegt werden. Dazu lege ich noch klein geschnittene grüne Paprika und fertig ist die Mini-Pizza.

Der Pizzateig wächst und gedeiht.

Während der Teig noch geht, mache ich mich an das Schnippeln und Reiben der übrigen Zutaten. Zwiebeln, Knoblauch, Käse. Pizza ist ein tolles Gericht, gerade an Bord dauert die Zubereitung stundenlang.

Zutaten

Anschließend forme ich die Häppchen. Ich habe schon richtig Appetit. Das geht mir immer so, wenn ich Pizza backe. Also werden die Häppchen etwas größer als zunächst geplant.

Minipizza in unterschiedlichen Stadien der Zubereitung

Aus dem Teig bekomme ich vier Bleche mit Minipizzas heraus. Das bedeutet eine Backzeit von insgesamt zwei Stunden. Der Bordbackofen ist leider kein guter Pizzaofen. Besser als bei Dominos werden sie allemal schmecken.

Fertige Minipizzas

Ich freue mich über die Backergebnisse und muss gleich einmal eine Qualitätskontrolle machen. Ich darf nicht zu viel Qualitätskontrolle machen, sonst habe ich nachher keinen Hunger mehr auf die Hauptspeise. Was wollte Jutta kochen? Ich habe es schon wieder vergessen, hatte nur Augen für die Pizza. Ich freue mich schon auf den Abend. Und auf den Sonnenuntergang.

Wird sich Jutta bei der Pizza zurückhalten können? Die Frage werde ich vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft beantworten.

Das Leben auf Aruba ist schön. Wir machen uns einen schönen Aufenthalt. Wir lassen nicht zu, dass wir von Depressionen aufgefressen werden.

Noch eine Minute, dann ist die Sonne weg.

Nachtrag: Jutta hat von der Pizza gegessen. Außerdem hat sie leckere gefüllte Paprika gemacht. Die waren zwar vegetarisch, dafür aber so gut, dass ich noch Nachschlag brauchte. Jetzt bin ich rund gefressen.

Tortuga sticht in See

Holger haben wir vor zwei Wochen kennengelernt. Damals lag er mit seiner Tortuga hinter der Landebahn des Flughafens vor Anker. Dort hatte er kein Internet und so sind der Corona-Ausbruch und die Folgen für alle Segler zunächst an ihm vorbeigegangen. Er bemerkte zwar, dass der Verkehr auf der Uferstraße in der Nacht komplett zum erliegen gekommen ist, wusste aber nicht warum. Holger wartete alleine an Bord auf seine Crew. Die vorherige Crew konnte noch regulär nach Hause fliegen, die neue Crew aber nicht mehr in Aruba einreisen. Ein echtes Problem.

Tortuga an der Tankstelle

Ein Freund von Holger sitzt auf Martinique und würde ihm bei der Überführung nach Deutschland helfen. Der darf aber auch nicht nach Aruba. Also will Holger nach Martinique. Er hat sich schlau gemacht, weiß von den 14 Tagen Quarantäne, die ihn nach der Einreise erwarten. Dennoch fährt er nach Martinique.

Die Leinen sind los, die Fender werden noch verstaut.

Wir wünschen Holger eine gute Reise, perfekten Wind und dass er die richtige Entscheidung getroffen hat. Entscheidungen treffen ist heutzutage nicht einfach, weil sich die Rahmenbedingungen so schnell ändern und Segelboote so langsam sind.

Tortuga verlässt Oranjestad

Wenn wir mit dem Segelboot unterwegs sind, müssen andauernd Entscheidungen getroffen werden. Meist sind Wetter und Wettervorhersage Grund dafür, dass diese Entscheidungen notwendig sind. Damit können wir umgehen.

Vernagelte Schaufenster

Auch wenn wir in Oranjestad im Augenblick alles haben, was wir brauchen, machen mir bestimmte Anzeichen Sorge. Im Hafen liegt eine große Motorjacht eines alten Holländers, der schon vor 15 Jahren nach Aruba gezogen ist. Gestern hat er sich vom Supermarkt große Mengen Nahrungsmittel auf sein Boot liefern lassen. Er meint, dass die Leute im Augenblick noch entspannt seien, weil sie noch Geld haben. Das wäre in ein bis zwei Monaten anders. In der Innenstadt gibt es praktisch kein Geschäft mehr, das nicht die Schaufenster mit Brettern vernagelt hätte.

Vielleicht verlegen wir Sissi in die zweite Marina auf Aruba. Dort ist die Liegegebühr günstiger und sie liegt ziemlich abseits von allem. Das Einkaufen wäre zwar beschwerlicher, dafür wären wir aber weit weg von jedem für Randalierer oder Plünderer interessanten Fleck. Vielleicht passiert aber auch gar nichts. Auf welcher Grundlage sollen wir eine solche Entscheidung treffen?

Sonnenuntergang, immer wieder schön.

Auf keinen Fall sollte man Entscheidungen mit leerem Magen treffen. Wir haben Leiterchen beim Metzger eingekauft und diese über Nacht in einer leckeren Jerk-Tomaten-Marinade eingelegt. Unser großer Topf ist voll, es ist eine Portion für fünf hungrige Personen. Diese Leiterchen habe ich dann dreieinhalb Stunden auf kleinster Flamme schmoren lassen. Jutta hat bergeweise Pommes frittiert und für Gemüse gesorgt. Jens hat einen Schoko-Nuss-Pudding gerührt. Gemeinsam gab es dann eine große Völlerei. Das Fleisch war perfekt mürbe und löste sich problemlos von den Knochen. Der Wachmann von der Marina ist uns fast in den Topf mit den Leiterchen gesprungen. Eidechsen mögen auch Schoko-Nuss-Pudding. Die Entscheidung wird vertagt, der Magen ist viel zu voll dafür. Außerdem kann sie noch ein paar Wochen warten. Dann wissen wir mehr.

Eins wissen wir jetzt allerdings mit Sicherheit: Corona macht dick und rund.


Nachtrag: Die Tortuga ist wieder auf Aruba. Holger musste aufgrund von Problemen umdrehen.

Apfelwein auf Aruba!

Heute ist ein Freudentag. Gestern kam die Chapo nach Oranjestad und es war ein Freudentag. Heute ist schon wieder ein Freudentag! Und heute geschah das Ende einer langen Geschichte.

Die Geschichte beginnt in Frankfurt. Vor fast einem halben Jahr fragte mich Stefan, ein ehemaliger Arbeitskollege, ob er uns nicht mit einer Lieferung aus der Heimat unterstützen kann. Ich habe mich darüber sehr gefreut und bat ihn um den Versand einer Palette Apfelwein. Zu diesem Zeitpunkt sind wir in Portugal gewesen und haben alle möglichen Getränke probiert, die aus Äpfeln hergestellt werden. Keines davon war nur ansatzweise vergleichbar mit einem echten, leckeren Apfelwein.

Charly übergibt den Apfelwein an mich

Als wir wieder eine gesicherte Versandadresse hatten, weil wir auf unser neues Segel gewartet haben, hat Stefan das Paket mit unserem Lieblings-Paketdienst auf den Weg geschickt. Derweil hat sich in Stade der Segelmacher an seine Nähmaschine gesetzt und eine frische Genua für uns genäht. Die Genua wurde verpackt und in unsere Marina gesendet. Irgendwann konnten wir sie in den Händen halten. In der Zwischenzeit musste DHL lediglich eine Palette Apfelwein nach Lanzarote bringen.

Wir waren dann soweit, dass wir Lanzarote verlassen haben. Leider war der Apfelwein noch nicht da, laut Tracking hat er es sich in dieser Zeit in verschiedenen schönen Lagerhallen in Spanien bequem gemacht. Jutta und Charly von der Chapo haben sich bedankenswerterweise bereit erklärt, den Apfelwein für uns abzuholen, falls er irgendwann in der Marina eintrifft, und über den Atlantik zu segeln.

Vierundzwanzig neue Freunde!

Charly konnte den Schoppen gleich am folgenden Tag im Marinabüro abholen. Wie es der Herr Murphy so wollte, kam der Äppler gleich am Tag nach unserer Abfahrt in der Marina Rubicon an. Der Äppler verschwand in den Tiefen des Ankerkastens der Chapo.

Während wir uns schon in der Karibik vergnügten, war die Chapo immer noch auf den Kanaren. Innerlich hatten wir den Äppler schon abgeschrieben, denn wir fuhren von Barbados nach St. Lucia, die Chapos von Las Palmas nach Mindelo. Sie waren tausende von Meilen hinter uns zurück. Den Karneval verbrachten Jens und ich auf Martinique. Unser Apfelwein überlebte den Karneval in Mindelo. Es ist vielleicht auch besser, transozeanische Apfelweintransporte mit Hilfe von Bayern oder Franken durchzuführen, der Apfelwein überlebt dann leichter die lange Überfahrt.

Die Chapo verließ Mindelo, wir irgendwann Martinique. Wir bummelten in Richtung Bonaire, der Insel mit den tollen Korallen unter Wasser. Unser Apfelwein war in guten Händen.

Jetzt ist wieder Apfelwein an Bord!

Dann kam die Seuche. Es wurde immer klarer, dass die Chapo nicht ihrem ursprünglichen Plan folgen könnte, ihre Anhalter auf Barbados rauszulassen und sich dann mit uns in Jamaica zu treffen. Das war nämlich Gegenstand unserer Verabredung. Wir hätten uns bei plangemäßer Fortsetzung unserer Reise auf Jamaica mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlt.

Grenzen wurden geschlossen und Segler hatten und haben damit große Probleme. Wo einreisen, wenn das Boot in einem Hafen außerhalb der Hurrikanzone liegen soll. Welches Land nimmt noch Segelboote an. Ich witterte die Gunst der Stunde (sagen böse Zungen) und wir konnten mit Hilfe von Frau Rodrigues (Honorarkonsulin) eine Einreiseerlaubnis für die Chapo über die ansonsten geschlossene Grenze bewirken. Im Vordergrund unserer Hilfe stand selbstverständlich nur der Apfelwein. Es lag überhaupt nicht daran, dass wir innerhalb des letzten Dreivierteljahres eine gemeinsame Freundschaft entwickelt haben.

Keine Quarantäne für den Äppler. Willkommen an Bord!

Danke Stefan, dass du den Apfelwein auf die lange Reise geschickt hast. Danke Jutta und Charly dafür, dass ihr ihn auf eurer Odyssee nicht ausgetrunken habt. Danke Frau Rodriguez, dass der Äppler einreisen durfte. Zwei Dosen stehen jetzt im Kühlschrank. Wir trinken nachher auf euch alle!