Wir schreiben den 3. Oktober 2022. So viel Mühe ich mir auch gebe, es gelingt mir nicht, diesen Augenblick noch länger hinauszuzögern. Die Dinge, die ich in den kommenden Wochen zu benötigen glaube, sind alle im Auto. Der Kofferraum ist gerade einmal zur Hälfte gefüllt. Ich schalte die letzten elektrischen Geräte auf Sissi aus. Der Gefrierschrank ist geleert und der Inhalt in meiner Aruba-Kühlbox. Es ist fast Mittag, als ich das Steckschott einstecke und zum ersten Mal seit Guadeloupe Sissi wieder abschließe. Dann schließe ich noch die Kuchenbude und nach einem letzten Abschiedsfoto gehen Jens und ich zum Auto.
In ein paar Wochen werde ich wiederkommen. Ein Krantermin muss vereinbart werden, Sissi kommt über die Wintermonate an Land. Bis dahin wartet ein Nomadenleben in Frankfurt auf mich. Schweigend verbringen wir die erste halbe Stunde unserer Autofahrt. Ich versinke in Gedanken.
Am Straßenrand finden sich immer wieder falsch herum aufgehängte Flaggen. Die niederländischen Bauern protestieren dagegen, dass sie CO2 einsparen müssen. Ich muss innerlich schmunzeln. Jens hat mich an seinem Anreisetag gefragt, ob ein Feiertag in Holland sei. An der Straße sah er überall die Landesflagge wehen. Mit den aufklappenden Brücken haben wir Glück, sie halten uns nicht übermäßig auf. Aufhalten tut uns der heftige Verkehr. Die Deutschen hatten ein langes Wochenende und die Holländer haben einen ganz normalen Montag. Rückreiseverkehr gepaart mit Berufsverkehr ergibt Stau.
Bis fast zur Grenze versucht Holland, mich noch festzuhalten. Im Schritttempo arbeiten wir uns nach vorne. Hinter der Grenze löst sich glücklicherweise der Stau auf und es geht einigermaßen zügig weiter.
Ich bin es nicht mehr gewohnt, so lange still sitzen zu müssen. Auf dem Boot konnte ich mich immer bewegen. Eine so lange Zeit habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr in einem Auto verbracht. Mir tut der Rücken weh. Ich würde gerne öfter eine Pause machen. Andererseits sind wir durch die ganzen Verzögerungen schon ganz schön spät dran. Viele Pausen können wir nicht machen. Die Fahrt zieht sich.
Wenigstens haben wir keinen Stau mehr. Irgendwann nach Sonnenuntergang kommen wir an und ich klingle bei meinen Eltern. Deren Freude ist groß, auch wenn es ihnen nicht gut geht. Bei ihnen ist die Seuche im Haus, in meiner Familie tobt sich Covid aus. Deswegen bleibt es auch nur bei einer Begrüßung aus der Ferne, einem kurzen Schwatz auf der Straße. Anschließend fährt Jens mich zu meiner Unterkunft, die ich in letzter Minute noch aus Stavoren gebucht habe. Eigentlich hätte ich ja für ein paar Tage bei meinen Eltern schlafen wollen.
Zwei Nächte in einer Airbnb-Unterkunft, die wenigstens bezahlbar war. Danach ziehe ich um in ein einfaches Hotel. Für die ersten beiden Nächte waren wegen einer Messe keine Hotelzimmer mehr unter 200€ zu bekommen.
Ich sehe mir Frankfurt quasi wie ein Tourist an. Soll ich in meiner Unterkunft herumsitzen und fernsehen? Ich sehe mir an, wie sich die Stadt in den letzten dreieinhalb Jahren verändert hat. Den Fahrradständer auf dem obigen Bild gab es damals schon. Damals fand ich ihn recht ordentlich dimensioniert. Inzwischen muss ich sagen, dass er viel zu klein ist. Die Konstablerwache ist einer der zentralen Plätze in Frankfurt. Außerdem einer der hässlichsten Plätze. Vielleicht sollte man einfach den Platz verschönern, indem man noch ein Dutzend dieser Fahrradständer daneben stellt. Ich möchte nur noch einmal an den Fahrradständer am Bahnhof von Sneek erinnern.
Ich verbringe zwei Stunden lesend am Main, die Sonne ist richtig warm. Es fühlt sich nicht falsch an, in Frankfurt zu sein. Aber es fühlt sich auch nicht so an, als wäre ich schon irgendwo angekommen. Ich kann die Menschen treffen, mit denen ich seit Jahren nur noch per Mail und Messenger Kontakt hatte, doch ich kann nicht zu meinen Eltern gehen. Dieser Teil des Heimkommens fühlt sich unwirklich an. Dieses blöde Virus hat mir in den letzten Jahren oft genug in die Suppe gespuckt und hört jetzt nicht damit auf.