April, April

Das Aprilwetter gibt es auch in der Karibik. Jedenfalls war es in den letzten Tagen so, wie man es dem April nachsagt. Ich komme mit den Holzarbeiten auf Sissi nicht voran, weil fünf Minuten, nachdem das Holz wieder abgetrocknet ist, der nächste Regenschauer herunterkommt.

Es fängt gerade wieder an zu regnen, die ersten Tropfen klatschen herunter und ich muss die Fenster schließen.

Nach zwei Jahren in der Karibik ist für mich der Reiz des Neuen völlig verflogen. Ich habe echt keine Ahnung, warum es die Leute immer wieder hierher zieht. Alles ist sauteuer, es ist heiß, schwül und auf die Arbeit der Leute kann man sich kaum verlassen. Außerdem regnet es jeden Tag. Vor zwei Jahren war es in Martinique wenigstens noch so, dass es nur einmal am Tag geregnet hat. Hier und heute ist Regen am Morgen keine Garantie dafür, dass es keinen Regen am Nachmittag geben wird.

Nach wenigen Sekunden kommt das Wasser dann in rauen Mengen vom Himmel geflossen.

Es ist Freitag und ich könnte eigentlich mit Schleifarbeiten anfangen. Das Boot ist gerade trocken. Heute früh habe ich aber Fred mal wieder in seinem Büro aufgesucht. Der hat bei Electro Diesel Service angerufen und siehe da, die Pumpe ist angeblich fertig. Ist das etwa ein Aprilscherz? Da ich sowieso in die Nähe des Bosch Dienstes muss, weil in der Nachbarschaft ein sehr gut sortierter Bootsausstatter ist, kann ich ja gleich mal die Pumpe besuchen gehen.

Hier geht es rein, diese Fotos habe ich bisher immer vergessen aufzunehmen.

Ich spaziere munter in den Laden, der Angestellte erkennt mich gleich. Ist ja nicht mein erster Besuch. Tatsächlich kommt sogar Mr. Michel, der Inhaber, mit der Pumpe im Arm auf mich zugelaufen und will sie mir gleich mitgeben. Ich habe aber keine Lust, sie durch die ganze Stadt zu schleppen, das ist der Job von Fred. Eine schnelle Innenaufnahme noch und dann muss ich auch schon zu meinem Bus zurück in die Marina. Die Pumpe ist ja nun zum dritten Mal repariert worden, vielleicht funktioniert sie jetzt.

Holgers Kommentar war, dass hier ordentlich aufgeräumt wurde. Hier hat meine Pumpe also für fast zwei Monate gewohnt.

Wenn es mit der Reparatur diesmal auch nicht geklappt hat, werde ich mir von Jens eine Pumpe aus Deutschland mitbringen lassen. Ich habe ein Foto der Plakette an einen Bosch Dienst in Frankfurt geschickt, dort haben sie sogar noch eine passende Pumpe im Lager gefunden. Nein, stimmt nicht ganz. Sie suchen noch, laut Computer muss sie aber auf Lager sein.

Plakette

In der Nachbarschaft tut sich etwas. Vor ein paar Tagen ist der Besitzer der Mahi Mahi zurückgekommen. Nach einer heftigen Grundberührung hatte er eindringendes Seewasser, der Kiel musste abgenommen werden und es ist ein Schaden von 25000€ entstanden. Bemerkenswert ist, dass es die Arbeiter sogar in der veranschlagten Zeit einigermaßen hinbekommen haben. Der Kiel wird lediglich eine Woche später angehängt, als vorher veranschlagt war.

Manche Firmen arbeiten zuverlässiger als andere… nur eine Woche nach dem Termin.

Ein weiterer Leidensgenosse hat heute die Werft verlassen. Mein Nachbar mit dem blauen Segelboot ist unter großem Getöse ausgelaufen. Auch ich habe mein Horn tröten lassen, das wenigstens funktioniert hervorragend. Vorgestern Nacht haben die Nachbarn bei absoluter Windstille ihre Segel gesetzt, sich mit einer Flasche Rotwein auf den Steg gesetzt und ihr Boot bewundert. Ich glaube, ich setze die Segel einfach auch einmal, weil ich es kann.

Generalprobe in der Dunkelheit. Dazu Rotwein.

Eine kleine Anmerkung habe ich noch zu karibischen Verhältnissen. Offenbar gedeihen Verkehrsampeln in der Karibik gar nicht gut. Während es in Aruba immerhin ein funktionierendes Exemplar gibt, habe ich auf Guadeloupe bislang ausschließlich abgeschaltete Ampeln gesehen. Selbst die Ampel vor der Universitätsklinik, die eigentlich ausfahrende Rettungswagen schützen sollte, zeigt lauter dunkle Lichter.

Eine von vielen ausgeschalteten Verkehrsampeln.
Ausgesprochen hübsch. Rathaus von Pointe-à-Pitre.

Gegen 13 Uhr kommt Fred mit der Pumpe. Ich hätte nicht gedacht, dass er so früh kommt. Normalerweise hat er erst kurz vor Feierabend für mich Zeit. Eigentlich habe ich gar nicht mit ihm gerechnet. Vielleicht ist es ja doch hilfreich, wenn ich den Leuten auf den Keks gehe und ständig beim Electro Diesel Service vor der Tür stehe. Inzwischen ist Fred ein Routinier am Mercedes Benz. Der Einbau findet in Rekordzeit statt und schon bald läuft der Motor wieder. Allerdings ist das Problem nicht endgültig gelöst, ab 1200 Umdrehungen fängt die Drehzahl wieder an, in den Himmel zu sausen. Fred möchte eine Probefahrt machen. Ich überlege, wie ich mir den Platz so lange sichern kann, wie ich ihn brauche. Vielleicht kann ich meinen Nachbarn, der an Sissi in der zweiten Reihe parkt, überreden, mir den Platz bei meiner Rückkehr wieder zu geben.

Der dritte Einbau der Pumpe.

April, April. Schon ist er da. Ich freue mich schon auf die Einsamkeit des Atlantik. Nur den Wind und die Schiffsgeräusche im Ohr, keine Schleifmaschinen, Hämmer und Motoren mehr hören müssen. Frische Seeluft anstelle von Feinstaub. Das einzig Gute an dem Aprilwetter hier ist, dass die feinen, ungesunden Farbpartikel regelmäßig aus der Luft und vom Boden abgewaschen werden. Ich sehe ein Licht am Ende des Tunnels.

Wanderpumpe

Ich habe vor einigen Wochen schon einmal den alten Mann erwähnt, der mit seinem Ruderdinghi jeden Tag neben Sissi festmacht. Er hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass mir Ungemach am Bugkorb droht. Der Atlantik hat dort nämlich ziemlich am Edelstahl geknabbert und die tragende Struktur beinahe aufgegessen.

Der rostige Riss geht fast ganz herum. Nur oben ist noch nichts zu sehen, dafür unten aber noch viel mehr. Dort, wo der alte Mann immer mit seinem Dinghi vorbeikommt.

Inzwischen habe ich gelernt, dass der alte Mann Joe heißt. Er macht nicht nur einfache Gelegenheitsjobs, sondern besitzt ein Schweißgerät. Außerdem hat seine Arbeit einen guten Ruf. Der Bosch-Dienst hat auch einen guten Ruf. Manchmal frage ich mich, welche Arbeitsqualität hier in Guadeloupe von Firmen oder Menschen abgeliefert wird, die keinen guten Ruf haben. Joe jedenfalls hat mir versprochen, dass er sich um Sissi kümmern wird, wenn er die Zeit dafür findet. Er ist übrigens 74 Jahre alt, taub und spricht Französisch und Deutsch. Diese beiden Sprachen kann er von den Lippen lesen, Englisch nicht.

Stadtbus vor dem Kunsthaus

Manchmal möchte ich meiner Einspritzpumpe näher sein, außerdem möchte ich etwas Druck auf die Leute von Bosch machen. Dann setze ich mich in den Stadtbus und fahre dorthin. Seit ich die App des Anbieters installiert habe, kann ich auch unterwegs auf den Fahrplan zugreifen. Die Nutzung der Öffis macht viel mehr Spaß, wenn man nicht stundenlang auf den Bus warten muss bzw. wenn man die Wartezeit zum Beispiel in einem Baumarkt verbringen kann, anstatt an der Bushaltestelle.

Allerdings muss ich sagen, dass ich schon wieder viel zu lange an einem Ort bin. Die Busfahrerin wollte mir das tariflich vorgesehene einmalige Umsteigen nicht zugestehen, doch unter Verweis auf die Beförderungsbestimmungen, die im Bus aushängen, habe ich die Diskussion gewonnen. Macht mich einerseits stolz, andererseits traurig.

Antifouling streichen in Unterhosen

Um mich herum kommen und gehen die Boote. Bei deren Wartung, die in 99,9% der Fälle aus einem Anstrich des Unterwasserschiffs besteht, werde ich immer wieder Zeuge kurioser Vorfälle. Etwa dieser Nachbar, der sein Schiff in Unterhosen streicht.

Oder es sind nur die Namen der Boote um mich herum, die mich zum Schmunzeln bringen. Sissi ist ja schon grenzwertig, dazu muss man nur den Begriff „sissy“ mal aus dem Englischen übersetzen. Ich glaube, Eike hätte sich über die Transe gefreut.

Transe

Letztendlich ist es ja so – seit Eike nach Hause geflogen ist, habe ich an Bord wieder mehr Möglichkeiten. Das Cockpit braucht unbedingt Farbe, einen Pinsel und ganz viel Zuwendung. Die kann ich ihm jetzt zukommen lassen. Das ging nicht, als Eike noch hier war. Ich hätte ihn weder stundenlang im komplett verschlossenen Boot einsperren können, noch wäre ein stundenlanger Spaziergang die Lösung gewesen. Aber jetzt kann ich das machen, was hier jeder macht: Lärm und Dreck!

Beginn der Schleifarbeiten. Mal wieder.

Endlich fühle ich mich nicht mehr als Aussätziger, ich war der einzige in diesem Drecksloch, der keinen Dreck produziert. Allerdings muss ich sagen, dass es angenehmer ist, am Nachmittag mit Eike Schach zu spielen, als stundenlang mit Maske und Ohrenstöpseln die Farbe abzutragen. Es ist auch intellektuell fordernder. Allerdings sind solche Arbeiten auch sehr gut geeignet, die eigenen Gedanken zu ordnen. Und manchmal komme ich zu erstaunlichen Erkenntnissen.

Das Bild habe ich nur in die Reihe eingebaut, weil ich es habe. Wer in Frankreich für ungesundes Essen wirbt, muss wie bei uns bei der Zigarettenwerbung nicht allzu Kleingedrucktes darunter zu setzen. Für die Gesundheit wird hier dazu geraten, regelmäßig sportliche Aktivität zu machen. Einigen wir uns darauf, dass ich nicht zu diesem Laden gehe, dafür aber den Sport weglassen darf.

Die Menschen in Aruba (und vermutlich vielen anderen Ländern) werden schon ganz schön über den Tisch gezogen mit den Produkten, die bei ihnen in den Läden stehen. Manchmal ist es sicherlich gewollt, wie zum Beispiel bei den Autos. Die in Aruba verkauften Autos sind zumeist 3. Welt Autos, die sich auf dem Stand der Technik der 1980er Jahre befinden. Das hat auf jeden Fall für Menschen wie Edward große Vorteile, denn auf diese Weise kann man die Autos auch sehr leicht reparieren. Mein Toyota, der definitiv in diesem Jahrtausend gebaut wurde, hatte einen Vergaser, kein ABS, keine Airbags und kein ESP.

Sissi umgeparkt für die Schweißarbeiten.

Als mir jedoch die Schleifscheiben aus Aruba ausgegangen sind, musste ich einen Besuch bei Mr. Bricolage machen. Ein ganz gewöhnlicher Baumarkt mit ganz gewöhnlichen Baumarktprodukten, den ich mit einem Arm voller Schleifschreiben wieder verlasse. Als ich diese Scheiben dann benutze, stelle ich fest, dass diese vollkommen gewöhnlichen Scheiben etwa fünf- bis achtmal so viel Fläche säubern, als die Scheiben aus Aruba. Das betrifft nicht nur verschiedene Produkte von DoitCenter, es betrifft auch die Produkte von Kooyman und den chinesischen Baumärkten. Schleifscheiben hatte ich noch viele. Und mehr bezahlt habe ich in Aruba auch, hier sind bei höherer Qualität die Preise besser. Nein, ich habe nicht die Luxusscheiben für 11€ pro fünf Stück gekauft, sondern nur die normalen Schreiben für 2,99€ für den Fünferpack. Ich habe noch 120er Körnung aus Aruba, die werde ich wahrscheinlich gar nicht mehr benutzen. Die kaufe ich mir lieber neu, dann fällt mir die Arbeit leichter.

Joe bereitet seine Arbeiten vor.

Zwischenzeitlich war die Einspritzpumpe mal wieder an Bord. Fred ist inzwischen richtig fix darin geworden, sie ein- und wieder auszubauen. Bei ihrem letzten Besuch funktionierte die Pumpe eigentlich ganz manierlich, abgesehen davon, dass der Motor bei 1500 Umdrehungen im Leerlauf plötzlich bis an den Begrenzer gedreht hat. Nach Rücksprache mit Bosch hat Fred die Pumpe wieder mitgenommen. Nur eine Woche später kam sie dann wieder, es wurde tatsächlich daran gearbeitet. Jetzt dreht der Motor nicht mehr bei 1500 Umdrehungen bis zum Begrenzer hoch, sondern schon bei 900 Umdrehungen. Das ist kritisch, denn 900 Umdrehungen brauchen wir schon, wenn wir unterwegs mal Strom machen müssen.

Joe beim Schweißen

Fred telefoniert mit Electro Diesel Service und der Inhaber Mr. Michel erklärt sich bereit, nach Geschäftsschluss zu mir an Bord zu kommen und das Verhalten mit eigenen Augen zu sehen, mit eigenen Ohren zu hören. Holger freut sich für mich, denn er sagt, dass Mr. Michel nur den Motor anhören muss, um zu wissen, was mit der Pumpe ist. Dann sitzt er eine halbe Stunde lang vor meinem laufenden Motor und sein Gesicht spricht Rätsel. Zuletzt sieht es fast aus wie im Comic, wenn dem Protagonisten eine Idee kommt. Mr. Michel springt auf, sagt dass er eine Idee hat und verlässt das Boot. Fred kommt kaum hinterher. Gestern hat Fred die Pumpe wieder ausgebaut, heute ist sie wieder bei Bosch.

Fertig geschweißt!

Samstagabend annoncierte mit Joe, dass er sich Sonntag um meinen Bugkorb kümmern wird. Ich möge das Schiff etwas zurück ziehen, damit er vom Steg aus schweißen kann. Er kommt dann auch am Sonntag mit seinem Dinghi angerudert, bereitet in aller Ruhe seine Arbeiten vor und schweißt mir den Stahl. Dabei sorgt er sich vorbildlich darum, dass keine Schäden am GFK entstehen. Schön. Das Ganze kostet mich 45€ für eineinhalb Stunden Arbeit.

Joe fährt nach getaner Arbeit wieder nach Hause

Über unsere Schicksalsgemeinschaft hier habe ich schon das eine oder andere Wort verloren. Jedes Boot liegt aus einem bestimmten Grund hier. Und manche Boote finden keinen Platz. Ich jedenfalls frage mich jedes Mal, wenn ich vom Einkaufen zurück komme, was ich neben Sissi finden werde. Teilweise gehen die Segler behutsam mit meinem Eigentum um, teilweise könnte ich ihnen einfach ins Gesicht schlagen. Da finde ich einen Mann, der ein Segelboot ohne funktionierenden Motor an Sissi heran zieht. Er führt das Seil aus den Händen, ohne es über die Klampe zu legen, die sich ihm vor seinen Füßen anbieten würde, stünde er denn auf denselben. Statt dessen sitzt er auf meinem Cockpitdach, die Füße gegen die Relingstützen gestemmt, die ich erst kürzlich unter großem Aufwand abgedichtet habe, und zerrt an dem Seil. Ich muss noch einmal Schimpfwörter und Flüche auf Französisch rekapitulieren, ich habe ihn in Englisch angeschissen.

Diesmal liegen zwei Nachbarn im Päckchen.

Doch es ist ja so, dass es sich manchmal sehr schön entwickelt. Am Abend des Tages, der mir die beiden Päckchenlieger gebracht hat, werde ich auf das mittlere Boot zu Rotwein und Abendessen eingeladen. Es wird ein sehr schöner Abend. Auch die Fremdsprache in meinem Gehirn ist mehr und mehr ausgetauscht. Jetzt fallen mir nicht mehr zuerst die englischen Vokabeln ein, sondern ich lande meist bei den richtigen Worten. Der Anteil an Kauderwelsch, den ich von mir gebe, ist definitiv gesunken. Es kann allerdings passieren, dass ich urplötzlich die Sprache wechsle, ohne es zu merken. Das ist aber nicht mehr so schlimm wie vor 20 Jahren, inzwischen verstehen die Franzosen Englisch.

Fortschritte. Jetzt kommt die 120er Körnung dran.

Ich hatte ja zuerst die Befürchtung, dass die Einspritzpumpe da ist, bevor ich mit den Drecksarbeiten fertig bin. Dann hätte ich nicht wegen der Pumpe, sondern wegen der Arbeiten hier liegen bleiben müssen. Doch die Schleifarbeiten sind fast erledigt, ich hätte mir nicht den rechten Ellenbogen mit einer 6-Stunden-Schicht ruinieren müssen. Mit den französischen Scheiben geht es zumal wesentlich schneller, sie sind nicht nur haltbarer sondern einfach nur besser. Es sieht aber nicht so aus, als seien die Schleifarbeiten der kritische Pfad. Ich will hier weg.

Ach ja, wie immer ist es so, dass ich wenig schreibe, wenn ich viel arbeite. Jetzt schließe ich, weil ich in den Baumarkt muss. Ich brauche noch neue Schleifscheiben und Ohrenstöpsel. Die Busfahrkarten hole ich mir nicht mehr beim Busfahrer, sondern mache es wie die Einheimischen per Handy. Das hat zwei große Vorteile: Erstens entscheidet der Bus über die Gültigkeit meines Tickets und nicht der Busfahrer, zweitens bekomme ich für 10€ Aufladen 12€ Guthaben, also kostet die Einzelfahrt dann nur noch 1€.

Unendliche Geschichte

Es ist herrlich, was man sich so in sein Boot tanken kann. Zuerst bezahle ich einen Laster voll Geld für den Diesel in Bonaire, nun wird es mich eine ganze Reihe von Lastern voller Geld kosten, die Folgen der Katastrophe zu beseitigen. Es ist Freitag und die Einspritzpumpe ist schon wieder bei Bosch. Immerhin ist der Tank sauber.

Wartungsklappe des Tanks. Nur echt mit 25 Bolzen und ihren Muttern.

Dienstagmorgen. Ich öffne den Tank. Vier Worte, die ich in in weniger als vier Sekunden schreiben kann. Vier Worte, die nicht einmal ansatzweise beschreiben, was das an Arbeit bedeutet. Die Wartungsklappe ist oberhalb des Tanks und mit 25 Bolzen fest am Tank verschraubt. Der Tank befindet sich im hintersten Winkel des Maschinenraums. Ich biege mich mit dem Oberkörper in die enge Kammer, in der einen Hand habe ich eine Ratsche, in der anderen einen Schlüssel zum Gegenhalten. Mit dem Ellenbogen kann ich mich ein wenig auf der Starterbatterie abstützen, mit einem Bein auf dem Motorblock. Bequem ist anders. Das Schwierigste ist zu verhindern, dass die gelösten Muttern hinter den Tank und damit in die Bilge fallen. Das gelingt mir glücklicherweise. Nach nur eineinhalb Stunden und mit Rückenschmerzen ist der Tank endlich geöffnet.

Zu-, Vor- und Rücklauf des Diesels. Durch die große Öffnung wird getankt, an den beiden kleinen Absperrhähnen werden die Vorlauf- und die Rücklaufleitung des Dieselkreislaufs angeschlossen.
Es stehen noch ca. 40 Liter Diesel im Tank. Sieht echt schwarz aus. Kein Wunder, dass das der Einspritzanlage nicht gefallen hat.

Der Diesel selbst wird mit einer kleinen elektrischen Pumpe in Kanister befördert. Sie müssen entsorgt werden, die wird mir niemand mehr abkaufen. Je niedriger das Niveau im Tank ist, desto dunkler sieht die Brühe aus, die noch abgepumpt werden muss. Es ist kaum vorstellbar, dass das alles von einer einzigen Tankfüllung herrührt. Doch sowohl Fred als auch Holger sind der Meinung, dass es vollkommen genügt, einmal an der falschen Stelle zu tanken.

Die ersten 80 Liter Diesel von insgesamt 140 Litern, die aus dem Tank geholt werden.

Nach etwa einer Stunde ist der Tank leer, die Kanister sind voll und ich habe einen guten Blick auf den Umfang der Katastrophe. Ein wenig Schrubben ist notwendig. Definitiv. Das kann man nicht wegdiskutieren.

Ein geringfügiger Reinigungsbedarf wird festgestellt.

Es dauert etwa eine weitere Stunde, dann ist der Tank wieder in einem Zustand, in dem man Diesel einfüllen möchte. Das sieht gut aus. Und ja, inzwischen kann ich mir vorstellen, dass ich den Dreck alleine in Bonaire getankt habe. Die dortige Bootstankstelle kann ich jedenfalls nicht weiterempfehlen, auch wenn der Service gut, schnell und freundlich ist. Wahrscheinlich wird bei der Reinigung des Tanks regelmäßig geschlampt. Das jedenfalls erzählt Holger über so manche Straßentankstelle in Guadeloupe. Und Fred erzählt es über die Bootstankstelle in der Marina, die deswegen in der Zukunft für mich ausfällt.

Der Dieseltank ist jetzt blitzeblank

Erst zwei Tage später erlaubt mir mein Rücken wieder, in den Maschinenraum zu klettern und die 25 Bolzen wieder an ihrem Platz zu bringen. Ich fluche noch etwas über den dicken Schlauch für die Zuleitung, der eigentlich einen Zentimeter zu kurz ist, aber in der richtigen Länge nicht an seinen Platz passen würde.

Donnerstagmittag an der Bushaltestelle

Die Zeit rast. Eike und ich spielen jeden Tag einige Partien Schach, die inzwischen spannend geworden sind. Nach drei Monaten intensiven Trainings für Eike kann ich ihn inzwischen nicht mehr zwischen zwei Bissen Baguette schachmatt setzen. Zu Anfang spielten wir vielleicht zehn Partien in einer Stunde, von denen ich alle gewonnen habe. Inzwischen sitzen wir an einer Partie meist über eine Stunde – es sei denn, einer von uns übersieht eine eigentlich offensichtliche Bedrohung. Auch am Donnerstag spielen wir noch ein paar Partien, bis es Zeit ist, zum Bus zu gehen.

Im Bus zum Flughafen

Eikes Flieger nach Paris startet am Nachmittag, seine Zeit in der Karibik ist beendet. Im kommenden Monat wird er wieder in der Backstube und nicht in der Sonne schwitzen. Eine schöne Zeit geht zu Ende, wir haben aus der Situation immer das Beste gemacht. Leider konnte ich ihm nur einen Bruchteil dessen bieten, was ich ihm eigentlich bieten wollte. (Siehe oben, Diesel aus Bonaire. Immerhin ist Sissi nun schon seit dem 8. Februar in Guadeloupe.) Am Flughafen will ich ihn eigentlich noch bis zur Sicherheitskontrolle begleiten, doch gleich am Eingang werde ich abgewiesen. Der Zugang ist nur für Passagiere erlaubt.

Eingang zum Flughafen in Pointe-à-Pitre

Ich telefoniere noch kurz mit Christine und sage ihr Bescheid, dass ich Eike zum Flughafen gebracht habe. Mit Problemen beim Check-in rechne ich nicht, denn den haben wir am Vorabend schon durchgeführt. Dann setze ich mich in den Bus und fahre zurück zu Sissi. Ein weiterer Abschnitt der Reise ist zu Ende gegangen.

Der Bus steht im Stau, zufällig vor einem Kindergarten. Es ist gerade Feierabend, die Kinder werden von ihren Eltern abgeholt. Ich werde Zeuge einer Szene, die mir sehr nahe geht. Zuerst weiß ich gar nicht warum. Ein kleines Mädchen kommt heraus und springt zu ihrer Mutter, die mit einem Kinderwagen in der Hand wartet. Das Mädchen hat offenbar etwas gebastelt oder gemalt und ist offenkundig sehr stolz darauf. Ihre Mutter nimmt den Rucksack des Mädchens auf den Rücken, bewundert das Kunstwerk und die beiden gehen ihres Weg. Während das Mädchen unbeschwert fröhlich neben dem Kinderwagen her springt, unterhält sie sich immer noch mit ihrer Mutter. Schnell sind die drei außer Sicht. Der Bus fährt weiter.

Für die Beschreibung dieser wenige Sekunden andauernden Szene habe ich mehrere Minuten Zeit gebraucht. Erst später fällt es mir auf. Die Mutter braucht kein Auto, um ihre Tochter abzuholen. Sie hat kein Telefon in der Hand, das viel wichtiger ist als das Kunstwerk des Kindes. Alles ist so natürlich und harmonisch. Es kommt mir vor, als hätte ich eine solche Szene seit Jahren nicht gesehen.

Regen. Jeden Tag und jede Nacht regnet es hier.

Und es heißt wieder warten. Heute Morgen bin ich bei Holger in die Werkstatt gefahren. Er hat ein Spezialwerkzeug von Mercedes aufgetrieben, mit dem die Pumpe perfekt eingestellt werden kann. Das muss ich allerdings zuerst reparieren. Es sind zwei Kabel dran zu löten, die leider abgerissen sind. Jemand hat dieses Werkzeug ziemlich schlecht behandelt. Der Besitzer stellt es mietfrei zur Verfügung, die Reparatur ist quasi die Miete. Damit kann ich leben. Ich habe den guten Diesel aus Aruba in den Tank gefüllt und den Dieselfilter mit drei Litern Diesel gespült. Das sollte jetzt gut sein. Ein winziger Schritt ist getan, viele weitere müssen noch folgen.

Positionsgeber für die Einspritzpumpe

Gerade erhalte ich die Nachricht, dass Eike wohlbehalten in Frankfurt angekommen ist.