Sklavenmarkt

Heute machen wir einen Ausflug auf die große Insel. Hier sind die Berge nicht so hoch, das Grün der Pflanzen ist nicht so intensiv und wir merken, dass es hier nicht so viel regnet, wie auf der Nachbarinsel.

Kilometerlanger Strand ganz im Osten von Grande Terre

Zunächst führt uns der Weg schnurstracks nach Osten. Wir wollen zum östlichsten Punkt. Ich habe keine Ahnung, warum es in der Natur des Menschen liegt, solche Punkte zu besuchen, wir machen es aber den anderen nach, folgen am Ende einem kilometerlangen Strand und stehen dann auf dem Parkplatz an der Ostspitze.

Gipfelkreuz am östlichsten Punkt

Wir schauen nach Osten und ich bemerke Eike gegenüber, dass es von hier bis Afrika kein Land mehr gibt. Lediglich die vorgelagerte Insel „La Désirade“ ist schemenhaft erkennbar.

La Desirade, im Osten vorgelagerte Insel, die ebenfalls zu Guadeloupe gehört.

Wie überall auf den karibischen Inseln gibt es eine Wetterseite und die Seite mit den Badestränden. Hier jedenfalls wäre Baden lebensgefährlich, die Wellen brechen sich, wir genießen das Schauspiel.

Keine Einladung zum Baden

Alsbald wird es uns zu warm, wir genießen die Klimaanlage im Auto und fahren die Küstenstraße entlang nach Norden. Küstenstraße ist zu viel versprochen. Nur wenige Ausblicke auf das Wasser sind uns vergönnt. Diese Ecke von Guadeloupe zeichnet sich durch unzählige Zuckerrohrplantagen aus, touristisch ist nicht viel los. Aber die kleinen Hafenstädte haben ihren eigenen Charme. Wenn das Wetter etwas kühler wäre, könnte man sich auch in die Bretagne versetzt fühlen – mit mehr Palmen halt.

La porte de l’enfer. Das Tor zur Hölle. Sieht von hier aus harmlos aus.

Ohne Ziel und ohne Navigationssystem, dafür aber mit einer IGN-Papierkarte und offenen Augen stechen mir auf einem Schild die Worte „Porte de l’enfer“ in die Augen. Das Tor zur Hölle. Das müssen wir sehen. Ich erkläre es Eike und er ist sofort teuflisch begeistert. Am Parkplatz des Höllentors finden wir eine kleine Bar, die an einer Bucht steht. Die Bucht selbst ist unspektakulär und ruhig. Aber man könnte hier baden, einer der wenigen Orte an der Ostküste. Nach kurzem Aufenthalt fahren wir weiter, das Auto klettert auf einen Berg und wir sehen den Eingang zur Unterwelt noch einmal von oben. Spannend.

Aus der ruhigen Bucht kommend mutet der Atlantik durchaus wie die Hölle an.

Ebenfalls auf den Straßenschildern werden wir auf den Sklavenmarkt hingewiesen. Im Westen von Grande Terre befindet sich der kleine Ort Petit Canal. Dort ist der Hafen, in welchem damals die Sklaven eingeschifft worden sind. Heute liegen dort kleine Fischerboote.

Hafen von Petit Canal. Heute für Fischerboote.

In einem Zelt am Parkplatz sitzen zwei Fremdenführer und warten auf Kundschaft. Leider können sie die Führung nicht auf Englisch anbieten. Ich habe keine Lust, Französisch zu übersetzen, deswegen machen wir die Tour lieber auf eigene Faust, starten mit dem Denkmal für den unbekannten Sklaven und der ewigen Flamme.

Denkmal für den unbekannten Sklaven
Gedenktafel

Die Franzosen haben bei der Kolonisierung der Insel Guadeloupe die vorher Einheimischen auf die Nachbarinsel Dominica verschleppt. Für die Arbeit in den Plantagen wiederum dann Menschen aus Afrika in die Karibik, die die harte Arbeit im Durchschnitt nur sieben Jahre überlebten (Quelle: Wikipedia).

Hinter den Bäumen ist das ehemalige Sklavengefängnis.

Neben dem Sklavenmarkt am Hafen ist nur wenige hundert Meter entfernt das ehemalige Gefängnis. Ein überdimensionaler Baum hat die Ruine übernommen. Wenn ich mich nicht irre, handelt es sich um einen Bantambaum.

Eingang zum Gefängnis
Das Gitter ist in etwa 2,50 Metern Höhe.
Der Baum ist mächtiger als die Steine

Es sind leider keine Informationstafeln vorhanden, die uns sagen würden, wie viele Menschen in den kleinen Zellen untergebracht waren oder warum die Sklaven eingesperrt wurden. Unruhige Zeiten gab es in der Geschichte jedenfalls genug. Vielleicht hätten wir doch die geführte Tour machen sollen.

Blick in umgekehrter Richtung, in Richtung Freiheit.

Am 27. April 1848 wurde die Sklaverei in den französischen Kolonien für immer abgeschafft. Die ehemaligen Sklaven mochten nicht mehr auf den Plantagen arbeiten, so dass bis 1889 etwa 42000 Inder für diese Arbeit angeworben werden mussten. Wir steigen in unseren Wagen und fahren wieder zurück zu Sissi, die Tour hat sich länger als erwartet hingezogen. Im Wagen diskutieren wir noch über die Geschichte des Sklavenhandels in die Karibik.

Schon in den letzten Tagen ist mir eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen aufgefallen, die am frühen Abend immer wieder mit ihren Fahrrädern durch das Werftgelände fahren und die Schiffe genau inspizieren. Ich spreche sie an und erzähle ihnen von dem gestohlenen Fahrrad. Sie wissen erst einmal gar nichts. Ich lobe eine Belohnung für die Wiederbeschaffung aus. Einer der Jugendlichen meint, er würde den Dieb kennen. Ich erkläre, dass sie sich die Belohnung verdienen können, wenn das Rad wieder zu mir zurück kommt. Bei einem Neupreis von 1500€ kann ich es ja einmal versuchen. Eine halbe Stunde später verstaut Eike das Rad unter Deck, ich zähle die Geldscheine vor. Zwar bin ich mir sicher, direkt beim Dieb gekauft zu haben, doch der Preis war gut. Dafür verstirbt in der folgenden Nacht eine weitere Batterie. Nun besteht akuter Handlungsbedarf. Zum Glück sind die Batterien hier günstiger als in Aruba. Eine Batterie, die ich dort für ca. 850 US$ erwerben könnte, kostet hier „nur“ 430€.

Nun ist nur noch eine Batterie übrig geblieben.

Dschungelbuch

Seit ein paar Tagen schon brausen wir mit unserem Mietwagen über die Insel. Ich habe das Geschoss für eine Woche gemietet, damit wir uns Guadeloupe in aller Ruhe von der Landseite anschauen können. Am Motor kommen wir im Moment nicht voran, wir warten darauf, dass endlich ein Mechaniker Zeit für uns hat. Die hier im Hafen ansässigen Betriebe sind teilweise für Wochen ausgebucht.

Es gibt viel zu sehen auf Guadeloupe!

Also nehmen wir das Leben wie es ist. Wir setzen uns ins Auto und fahren nach Basse-Terre. Guadeloupe ist eigentlich zwei Inseln. In der Mitte der beiden Inseln „fließt“ der „salzige Bach“, la rivière salée. Im Auto bemerken wir kaum, dass wir auf einer Art Autobahn von der einen auf die andere Insel wechseln, doch die Ampeln, Schranken und Scharniere der Klappbrücke sind mir aus Holland wohlbekannt. In jeder Nacht wird die Brücke geöffnet, so dass Segelboote von einer auf die andere Seite fahren können. Auch mit Sissi möchte ich da noch durch, doch dazu muss der Motor wieder laufen. Die eine Insel „Grande-Terre“ ist übersetzt die große Insel, „Basse-Terre“ ist die niedrige Insel. Auf dieser befindet sich mit 1467 Metern Höhe jedenfalls der höchste Berg. Einer der höchsten Berge in der Karibik, nicht nur auf Guadeloupe. Einige vorgelagerte Inseln gehören auch noch dazu, die besuchen wir aber mit dem Boot, wenn der Motor wieder läuft…

Ausblick

Auf Empfehlung von Martin (SY Fairytale), der vor ein paar Tagen nach Ende seines Chartertörns mal wieder im Cockpit von Sissi saß, suchen wir uns den dritten Wasserfall des Carbet aus. Auf engen und steilen Straßen kämpft sich unser Mietwagen tapfer voran. Immer wieder stößt mein rechter Fuß gegen den Fahrzeugboden. Bergab ist der Motor hingegen super.

Blick herunter zu unserem Boliden.

Das Fahrzeug hat etwa 35,4 PS installiert. Die Straßen auf Guadeloupe folgen dem steilen Verlauf der Geländekontur. Ich schalte aus dem fünften in den vierten, den dritten Gang, dennoch kommen wir auf den Nationalstraßen kaum einmal schneller als 50 km/h voran. Von hinten „schieben“ uns große SUVs, die dann auch bei nächster Gelegenheit überholen.

Imposante Blätter

Das obligatorische Orientierungsschild am Parkplatz verheißt eine Wanderung von 40 Minuten bis zum Wasserfall. Ich bin überrascht, dass wir nach knapp 500 Metern auf einen weiteren Parkplatz kommen. Dann wird der Wanderweg schmaler und nach wenigen hundert Metern kann er auch nicht mehr mit dem Auto befahren werden. Zunächst geht es auf gut ausgetretenen Pfaden in die grüne Hölle.

Hervorragender Wanderweg – zu Beginn der Tour

Mit zunehmender Steilheit des Geländes können wir sehen, wie die Verwaltung des Nationalparks immer wieder gegen die Naturgewalten zu kämpfen hat. Teilweise besteht der Weg aus Holzstegen, die über die verschlammtesten Wegstücke gezimmert sind. Diese wiederum sind von Wasserfluten immer wieder weggespült worden. Wir klettern über Baumwurzeln. Wir machen uns dreckig.

Passage durch den Bach

Neben vielen Vögeln können wir auch andere Tiere hören. Sind es Affen? Werden wir sie sehen können? Nein, wir sehen keine Affen. Aber wir treffen Dutzende anderer Wanderer. Ich finde es faszinierend, wie der Franzose wirklich jedem anderen Wanderer ein freundliches Bonjour zukommen lässt. Natürlich bekommt von uns auch jeder sein Bonjour zurück. Eines der Bonjour endete mit dem Ruf „Jörg!?!“ Tatsächlich, eine Bekannte kommt gerade vom Wasserfall heruntergelaufen. Ricarda von der Lady Charlyette ist ebenfalls in Guadeloupe. Nach einer halben Stunde Fußmarsch können wir den Wasserfall deutlich hören.

Ende der Wanderung? Nein, wir halten uns nicht an die Regeln.

Der Weg ist weggerutscht. Wir können nicht weiter. Das jedenfalls sagt das Schild und unsere Augen sehen es ebenfalls. Wir hangeln uns an Baumwurzeln herunter und machen und noch ein wenig dreckiger. Dann haben wir es endlich geschafft und sind unterhalb des Wasserfalls.

Wir haben das Ziel erreicht

Ich muss erst einmal meine Wunden lecken. Der Abstieg ist an meinem kaputten Knie nicht komplett vorüber gegangen. Ich kann mein kaputtes Kreuzband geradezu flattern sehen. Also strecke ich mich im Schatten aus, während Eike sein wohlverdientes Bad nimmt.

Eike ist unter dem Wasserfall

Derweil kommt die nächste Reisegruppe an. Deutsche. Wir kommen nach kurzer Zeit ins Gespräch. Es handelt sich um neun Leute, die alle zusammen einen Katamaran gechartert haben und vor Beginn ihrer Charter noch ein paar Tage die Insel anschauen. Ist ja fast wie bei uns, nur dass wir auf den Mechaniker warten. Damit der Motor endlich wieder läuft.

Die nächste Gruppe kommt an.

Irgendwann lassen die Schmerzen im Knie so einigermaßen nach. Eike ist ein wenig durchgefroren, das Wasser ist nicht so warm wie im Atlantik. Die Klettertour gleich wird ihn wieder aufwärmen, da bin ich mir sicher. Langsam machen wir uns auf den Weg.

Hier ist die Baumwurzel der Weg. Es geht aufwärts.

Im Endeffekt entpuppt sich der Aufstieg als viel leichter als erwartet. Und auch viel leichter, als es der Abstieg gewesen ist. Meinem Knie jedenfalls fügt er keinen weiteren Schaden zu.

Dennoch machen wir an der nächsten Schutzhütte erst einmal für ein paar Minuten Pause. Wir nutzen die Gelegenheit zum Betrachten der Vegetation. Tiere sehen wir leider nicht, nur die deutsche Reisegruppe, die den Wasserfall wenige Minuten nach uns verlassen hat. Warum reiben sie ihre Hände an diesem Baum und riechen daran? Sieh‘ an, es handelt sich um einen Gummibaum.

Gummibäume. Die weißen Flecken an der Rinde sind Kautschuksaft.

In jede Richtung schaffen wir es nicht, die „vorgeschriebene“ Wanderzeit zu erreichen. Wir sind langsamer. Nach einer Stunde Abstieg stehen wir wieder vor unserem Wagen. Ich hoffe, dass wir nicht in einen Stau geraten. Stop-and-go mit einem Schaltwagen und Knieschmerzen links ist unangenehm. Auf dem Weg zur Küste dokumentiere ich noch einmal die schöne Aussicht aus dem Gebirge auf das Meer.

Aussicht auf das Meer

Natürlich gibt es in Pointe-a-Pitre einen Stau. Wir besuchen noch ein Einkaufszentrum und wie immer bin ich von der Auswahl in Frankreich begeistert. Neben frischem Thunfisch kaufe ich noch zwei Pferdesteaks. Eike hat noch nie Pferd gegessen. Am Abend sitzen wir im Cockpit und schauen in den Fernseher. Eike fragt mich, ob ich das Fahrrad nach unten geräumt habe. Ich habe das Fahrrad nicht angefasst. Doch an Deck, wo das Fahrrad nachmittags nach gestanden hat, ist keine Spur mehr zu sehen. Man hat uns das Fahrrad tatsächlich vom Boot getragen, als wir im Dschungel unterwegs waren.

Der Adler ist gelandet

Wir haben die Segel komplett gesetzt und versuchen, den letzten Reisetag mit Anstand hinter uns zu bringen. Noch besteht die Hoffnung, dass wir vor 20 Uhr in Pointe-a-Pitre ankommen und damit zu den Öffnungszeiten der Marina. Zeitweise gleiten wir mit mehr als sechs Knoten durch das blaue Wasser, es fühlt sich toll an.

Wir segeln so schnell wie möglich, auf der Backbordseite sieht man immer noch die drei Heiligen. Dabei handelt es sich in Wirklichkeit um vier Inseln.

Wenn wir Kurs auf Pointe-a-Pitre setzen, läuft es auch anfangs immer sehr gut, dann drücken uns Wind und Gegenstrom wieder aus dem Kurs und Sissi möchte näher und näher an die drei Heiligen, die Inseln, die uns den direkten Weg versperren. Also kreuzen wir und kreuzen und es wird immer klarer, dass wir es nicht mehr zu den Öffnungszeiten schaffen werden.

Die Internetverbindung ist mal da und mal nicht. Das ist nicht besonders hilfreich, denn ich versuche, mit einem Abschleppunternehmen in Kontakt zu treten. Es gelingt mir, das Problem an Jens zu delegieren. Der hat in Bad Homburg eine wesentlich bessere Chance, telefonisch durchzukommen. Immer wieder schickt er mir ein Update, dass der Abschlepper, passenderweise ist sein Name Monsieur le Mer, mit anderen Notfällen viel zu tun hat. Wir sind ja kein Notfall. Im Funk kommt ein Pan Pan durch, ein Trimaran hat seinen Mast verloren, die Segel liegen im Wasser. Das liegt sogar auf unserem direkten Weg nach Pointe-a-Pitre, doch ohne Motor schaffen wir natürlich keinen direkten Kurs. Langsam mache ich mir Gedanken über einen Plan B.

Wir geben alles, segeln unter Vollzeug und bekommen natürlich entsprechend auch eine feine Schräglage. Man sieht Eike die Strapazen der letzten neun Tage deutlich an. Aber ich sehe auch nicht fitter aus.

Von Jens kommt wieder ein Update rein, eigentlich sagt das Update nur, dass der Abschlepper immer noch nicht erreichbar ist. Dafür hat die Marina aber angeboten, dass wenn wir es bis 19:30 Uhr schaffen, der Hafenmeister herauskommen wird und uns herein holt. Der Wind hat wieder ein wenig aufgefrischt, Sissi konnte anluven und so sagt mir der Bordcomputer, dass es 50:50 steht. Vielleicht klappt es ja mit dem Hafenmeister. Der Wind lässt eine Stunde später wieder stark nach, unser Kurs ändert sich so, dass wir Backbord in Richtung der Untiefen fahren. Wir müssen noch einen Schlag machen. Das wirft uns wieder eine Dreiviertelstunde zurück auf dem direkten Kurs. Langsam wird es dunkel.

Blick auf den Bordcomputer gegen 18 Uhr. Steuerbord voraus ist der Seenotrettungskreuzer mit dem Trimaran beschäftigt. Backbord von uns ist die Swing.

Auf dem AIS ist der Rettungskreuzer bei seiner Arbeit gut zu sehen. Die Seenotrettung hier in der Gegend wird wiederum von Fort-de-France in Martinique aus koordiniert. Außerdem fällt mir ein Segelboot auf, die Swing. Sie ist auf dem gleichen Kurs wie wir unterwegs, dabei sehr nahe an den Untiefen und so halte ich sie für ein Boot von hier oder zumindest jemanden, der sich hier richtig gut auskennt. Außerdem gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten, zu denen man von unserer Position aus sinnvoll segeln kann. Ich gehe davon aus, dass die Swing ebenfalls nach Pointe-a-Pitre möchte und greife zum Funkgerät. Nach drei Versuchen habe ich eine sehr freundliche Frauenstimme im Lautsprecher.

Ich wünsche guten Abend und frage, ob sie nach Pointe-a-Pitre unterwegs sind. Danke Hafenmeister Paul aus Aruba, dass Du mir geholfen hast, mein Französisch zu reaktivieren. Sie sind nach Pointe-a-Pitre unterwegs. Ich erkläre unser Problem und frage, ob sie uns in den Hafen ziehen können. Nach einer kurzen Pause kommt die Frage nach dem Gewicht unserer Sissi. Dann kann ich es förmlich im Funk knistern hören, wie an Bord der Swing diskutiert wird. Dann kommt die Antwort, ja es ist möglich. Ich bedanke mich und ab diesem Moment beobachten wir uns gegenseitig auf dem AIS. Als wir einmal den Wind verlieren und einen 360° Törn fahren müssen, kommt sofort die Frage, ob etwas passiert sei. Toll!

Die Swing hat Sissi an die Tankstelle geschleppt. Wir liegen fest. Ich kann nicht sagen, wie dankbar ich bin.

Kurz vor der Einfahrt ist der Wind komplett weg. Während uns ein Frachtschiff entgegen kommt, treiben wir antriebslos im Wasser. Die Swing ist uns inzwischen weit davon gefahren und hat noch ein wenig Wind. Sissi läuft bei leichtem Wind überhaupt nicht, dazu ist sie zu schwer. Während die Swing umdreht, nehme ich die Segel weg. Das Großsegel kommt herunter und herunter und herunter und dann liegt es zu meinen Füßen. Der Stopper, der das normalerweise verhindern soll, hat sich verabschiedet. Hauptsache ist, dass das Segel unten ist. Die Swing übernimmt unsere Ankerleine, an deren Ende ich einen Fender angebunden habe, dann beginnt ein vollkommen unspektakulärer Abschleppvorgang. Derweil schwätzen wir über Funk, die Swing ist im Dezember aus Europa in die Karibik gesegelt, war schon in Guadeloupe, Saint Martin, Antigua und Barbuda. Ich erzähle von Aruba und Kuba. Bei vollkommener Windstille machen wir an der Tankstelle fest. Ich übergebe zwei Flaschen Rum (Diplomatico aus Venezuela und Ritual aus Kuba), Zigarren wollten sie nicht haben. Vollkommen entkräftet gehen wir zu Bett. Wir sind angekommen.

Ein früher Vogel singt auf unserem Windgenerator ein schönes, aber sehr sehr lautes Lied.

Um sieben Uhr stehe ich am folgenden Morgen schon auf, denn die Tankstelle öffnet um Acht. Eike macht sich zu Fuß auf den Weg zum Bäcker und schlägt das Angebot der Swing aus, mit dem Dinghi mitzufahren. Er will sich die Füße vertreten, weiß aber noch nicht, dass er kilometerweit um das Hafenbecken herum laufen muss. Die Swing verabschiedet sich, nach dieser Nacht gehen sie Ankern. Der Hafenmeister kommt und schleppt mich für 80 Euro in die Werft. Bei der Ankunft am Anleger treffe ich Eike wieder, der so wenigstens einen kürzeren Rückweg hatte. Die ersten Pain-au-Chocolat und das erste Baguette sind so unsagbar lecker.

Das Großsegel muss wieder klariert werden.

Wir beginnen die Aufräumarbeiten und machen Sissi hafenfertig. Als wir uns um das Großsegel kümmern, lächele ich innerlich über Sissi. Den kleinen Stopper, der das Herausrauschen des Großsegels verhindert, haben wir schon öfter verloren. Ich habe auch einen Ersatz dafür an Bord. Den brauche ich aber nicht, denn Sissi wirft diesen Stopper anscheinend niemals ab.

Hier ist der Stopper liegengeblieben

Immer ordentlicher und ordentlicher wird es. Dann kann ich mich um das Telefonproblem von Eike kümmern. Wir machen ihm mein Zweitgerät klar, damit er endlich wieder mit seinen Freunden kommunizieren kann. Er nimmt das Fahrrad und fährt in einen Telefon-Reparaturladen. Dort kann er seine SIM-Karte befreien lassen, das Telefon hat aber das Zeitliche gesegnet. Es ist unreparierbar kaputt.

Sissi liegt hafenfertig im Arbeitsbereich der Marina Bas-le-Fort

Ich sehe mich in der Gegend um, spreche mit Werftarbeitern und mir wird auch schon ein Motorenspezialist empfohlen. Der ist gerade nicht da und ich habe nicht den Antrieb, nach ihm zu suchen. Noch bin ich sehr, sehr müde. Im örtlichen Ausrüstungsladen sehe ich Batterien, doch die passen nicht zu den von uns verbauten. Ich sollte alle drei tauschen, dann sind aber 1500 Euro weg. Erst einmal teste ich weitere die beiden verbliebenen, bisher halten sie sich gut.

Windstille. Absolute Windstille in unserer zweiten Nacht. Man merkt, dass Guadeloupe eine große Insel ist und eigenes Wetter macht. Eine Stunde nach Sonnenuntergang fällt die Temperatur merklich und es wird feucht.

Am ersten richtigen Abend gehen wir zum Abendessen in ein Restaurant. Herrlich, die Auswahl an Speisen ist jenseits von Steak und Burgern. Natürlich gibt es das, aber es gibt auch noch viel mehr. Ich bestelle mir Entenbrust, auf den Punkt zartrosa gebraten. Genau so kommt sie auch auf den Tisch. Eike ist begeistert von seinem Entrecote, ich sehe ihn zum ersten Mal sein Essen fotografieren. Gemessen an dem, was ich vom Kontinent gewöhnt bin, ist das Essen sehr einfach. Gemessen an dem, was ich aus Aruba gewöhnt bin, ist es Gourmet-Essen vom Allerfeinsten.

Blick auf Sissi von der Werft aus

Morgens um Acht beginnen die Arbeiter zu arbeiten. Mit Schleifmaschinen, Hochdruckreinigern und allen anderen Geräten, die Lärm verursachen können. Das geht dann bis 18 Uhr. Und hier wird richtig gearbeitet, kein Vergleich mit dem, was ich in Aruba beobachten konnte.

Unser neuer Ausblick von Sissi

Der neue Ausblick ist nicht schön, aber er verheißt Reparatur. Deswegen schließe ich nun diesen Beitrag. In den kommenden Tagen muss ich mich um Sissi kümmern und werde eher nicht viel veröffentlichen. Wir planen, einen Mietwagen zu nehmen und die Insel zu erkunden. Wenn der Motor wieder läuft, suchen wir ein paar schöne Ankerplätze auf. Und vielleicht kommen wir noch einmal auf eine andere Insel, in ein anderes Land. Das hängt von so vielem ab, darüber möchte ich noch nicht nachdenken.

Muss definitiv gereinigt werden.

Festgemacht haben wir in Pointe-a-Pitre gegen 23 Uhr, also noch am Dienstag. Zu den Meilen des neunten Reisetages kamen noch 41 nm hinzu.