Positiv

Was soll ich schreiben. Wir hängen immer noch in Aruba fest. Gestern haben wir die PCR-Tests für Bonaire gemacht. Ich bin positiv getestet, also können wir nicht fahren. Eike ist negativ getestet, das hilft uns aber nicht weiter. Wenn er den Test wiederholen würde, wäre er wahrscheinlich genauso positiv wie ich, wir leben beide in einem Boot. Also isolieren wir uns die nächsten Tage auf eben diesem Boot.

Schach vertreibt einem die Zeit in der Isolation

Ich mache mir Sorgen um meinen Freund Edward. Er war gestern Abend bei uns zu Besuch. Gemeinsames Abendessen an Bord. Ein gemeinsamer Umtrunk zum Abschied. Umarmungen, Nähe. Edward ist leider nicht geimpft. Das Testergebnis kam leider erst, als er schon auf dem Heimweg war. Er weiß Bescheid.

Boostern. Endgültig.

Schon wieder klingelt der Wecker um 6 Uhr morgens. Diesmal kann ich mich nicht motivieren, sofort aufzustehen. Ich erlaube mir noch, bis um 8 Uhr zu schlafen. Um diese Zeit öffnet das Impfzentrum. Meinen Kaffee genieße ich diesmal, ohne mich beim Trinken zu verbrühen. Die Windschutzscheibe ist zwar noch nicht geputzt, doch die Sonne steht schon höher. Ich kann etwas sehen.

Der Parkplatz ist ganz gut gefüllt.

Es fühlt sich heute besser an, auf den Parkplatz zu fahren. Mindestens einhundert Autos stehen dort in der Sonne herum. Die Warteschlange windet sich einmal um das Gebäude bis zur Rückseite. Doch es geht zügig voran. Nach nicht einmal einer halben Stunde Wartezeit bin ich schon fast auf der Vorderseite angekommen.

Diesmal ist die Warteschlange echt. Hier gibt es wirklich den guten Impfstoff.

Es werden immer wieder kleine Gruppen von Wartenden eingelassen. Im Gebäudeinneren geht es dann erst einmal zur Registrierung. Ich habe mir die Aruba-Health-App auf dem Telefon installiert, konnte aber in meinem Account keine Einträge für die Impfung anlegen. Schließlich bin ich kein Bewohner von Aruba und habe keine hiesige Krankenversicherungskarte. Ich habe das Recht auf die Impfung, weil ich illegal im Land bin. An der Registrierung dauert es dann auch ziemlich lange, bis meine Daten auf den aktuellen Stand gebracht sind. Leute, die in der Warteschlange weit hinter standen, ziehen mit ihrer korrekt installierten App und ihrer Krankenversicherungskarte einer nach dem anderen an mir vorbei. Nach Abschluss der Arbeit kann ich in meiner App das Zertifikat für die bisher bekommenden Impfungen finden und einen international gültigen QR-Code. Sehr schön.

Registrierung. Die meisten können diesen Flaschenhals schnell passieren.

Heute ist wenig los. Vielleicht ein Drittel der Stühle in der Halle sind mit Wartenden besetzt. Dementsprechend schnell kommt die Nadel bis zu meinem Arm. Ich schaue auf die Uhr. Es ist exakt die gleiche Uhrzeit wie vor zwei Wochen, als ich nach drei Stunden Warten wieder nach Hause geschickt wurde. Das ging fix. Beim Checkout wird die neue Impfung ebenfalls in der App registriert. Wegen einer fehlenden Impfung wird mir auf der weiteren Reise jedenfalls nichts mehr passieren.

Frisch geboostert.

Den Rest des Tages ruhe ich mich aus. Ich hoffe, dass mich der Booster nicht umhaut. In meinem Bekanntenkreis waren einige Leute betroffen. Die Symptome haben aber immer weniger als 24 Stunden gedauert. So können wir morgen oder übermorgen los. Ich arbeite mich durch die Einreisebestimmungen von Bonaire. Ohne gültigen Covid-Test kann ich noch gar nichts machen. Die letzten Jahre haben mir aber gezeigt, dass ich inzwischen ganz gut in Sachen Formulare bin.

Wir wissen, dass Edward das Auto jederzeit verkaufen kann. Also gönne ich Eike noch eine letzte (?) Fahrstunde. Wir fahren zur Natural Bridge, einer der wenigen Sehenswürdigkeiten, die Eike noch nicht gesehen hat. Das Wasser ist sehr ruhig, gar nicht so spektakulär, wie es bei unserem Besuch am Natural Pool war. Das ist gut, ein gutes Zeichen für unsere Passage nach Bonaire. Inzwischen macht sich Eike am Steuer richtig gut. Der deutsche Straßenverkehr wird ihn mit Sicherheit überraschen, dort läuft alles etwas anders. Hier in Aruba sind die Menschen am Steuer zumeist nett zueinander.

Wo ist Eike?

Boostern, zweiter Versuch

Wir schreiben den 3. Januar. Mein Wecker ist auf sechs Uhr gestellt. Ich will möglichst früh am Impfzentrum sein. Diesmal ist meine geplante Ankunftszeit schon um sieben Uhr. Das sollte mich frühzeitig in die Halle bringen. Ich verbrühe mir den Mund am viel zu heißen Kaffee, den ich viel zu schnell zu trinken versuche. Es herrscht Windstille, eigentlich ideale Bedingungen, das Großsegel hochzuziehen. Soll ich Eike so früh aus dem Bett holen, dass wir vor dem Impfen noch schnell das Segel anschlagen? Da nichts an Bord „mal eben schnell“ gemacht werden kann, folge ich dem ursprünglichen Plan.

Die Scheiben des Autos müssen gewaschen werden. Den ganzen Weg entlang fahre ich in die tief stehende Morgensonne. Doch mein Plan geht auf. Pünktlich um Sieben bin ich in Santa Cruz. Der Wachmann grüßt mich, als ich auf den Parkplatz fahre. Sehr gut, der Parkplatz ist noch ganz leer. Es scheint, als würde mein Plan wirklich aufgehen. Ich reihe mich in die kurze Warteschlange ein. In einer Stunde werde ich in der Halle sein und unter den ersten, die gepiekst werden.

Mein Plan geht auf. Nur wenige Menschen warten vor mir in der Schlange.

Es ist erstaunlich, dass ich noch Datenvolumen übrig habe. Die Wartezeit vertreibe ich mir mit Spiegel-Online, chatte mit der Familie in Deutschland und sehe den anderen zu, die sich nach und nach in der Schlange einreihen. Eigentlich hätte mein Datenvolumen vor Weihnachten schon ablaufen müssen, doch es funktioniert noch einwandfrei. Anneke meinte gestern zu mir, dass es bei ihr genauso sei. Sie vermutet, dass es ein Geschenk von Setar zu den Feiertagen ist. Setar ist einer der beiden örtlichen Telefonanbieter. Etwas kommt mir aber in der ganzen Zeit komisch vor. Bei meinem letzten Besuch sind auch schon vor 8:00 Uhr Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes die Schlange entlang gelaufen und haben gefragt, wer Erstimpfung, Zweitimpfung oder Booster möchte. Aber am 3. Januar ist der Andrang so gering, das ist wahrscheinlich eingeplant und sollte mir keine Sorgen machen.

Der einzige Wagen auf dem Parkplatz ist meiner.

Wenige Minuten nach 8:00 Uhr kommt ein Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes und erklärt, dass heute keine Impfungen stattfinden. Er vertröstet uns auf den morgigen Tag. Ich gehe etwas frustriert zum Parkplatz und finde mein einsames Auto.

Zurück an Bord wecke ich Eike viel früher als von ihm erwartet. Plötzlich läuft eine Gestalt über das Deck und damit über seine Koje. Er vermutet einen Fremden an Bord, findet aber nur mich. Mich mit meinem Frust. Doch der Wind ist immer noch ziemlich gering. Eike bekommt eine Tasse Kaffee, dann ziehen wir das Großsegel hoch. Es ist viel weniger Arbeit, als wir mit der Genua hatten. Böiger Wind und fast kein Wind ergeben einen großen Unterschied. Sissi ist wieder ein vollwertiges Segelboot.

Sissi trägt wieder ihre Segel

Was bleibt sonst noch zu tun an einem Tag wie diesem, wenn man unerwartet früh mit dem Tagewerk fertig ist? Bevorraten. Einkaufen. Wir brauchen Getränke. Getränke sind schwer und in Bonaire ist der gute Supermarkt 20 bis 30 Gehminuten vom Dinghi entfernt, je nachdem in welches Dinghidock man fährt. Das wollen wir nicht unbedingt schleppen. Eike darf die Einkaufstouren fahren. Doch schon drei oder vier Minuten nach Verlassen der Marina fällt uns ein bislang unbekanntes Geräusch am Auto auf. Ein Kratzen oder Schaben. Eike lenkt den Wagen an den Straßenrand und wir finden einen platten Vorderreifen. Unangenehm. Es ist kurz vor Mittag, die Sonne brennt. Edward wird noch mindestens drei Stunden auf der Arbeit sein. Er kann uns nicht helfen. Drei oder vier Minuten Autofahrt können als Spaziergang zurück in die Marina sehr, sehr lang werden. Ich zermartere mir das Gehirn. Dann fällt mir ein, dass von unserem Standort aus ein Reifenreparatur-Laden lediglich 500 Meter entfernt ist. Zuerst wollen wir loslaufen, doch natürlich müssen wir das Auto mitnehmen. Sonst können die den Reifen nicht machen. Jetzt fahre ich. Den platten Reifen zu fahren ist Eike zu heikel. Wir schleichen mit 30 km/h zum nächsten Kreisverkehr, überqueren den vierspurigen Highway fast im Schritttempo und landen im Hof der Werkstatt.

Eike bespaßt den Werkstatthund, während wir auf den neuen Gebrauchtreifen warten.

Der Reifenhändler ist freundlich und kann auch sofort mit der Arbeit beginnen. Mir war schon vorher klar, das der alte Schlappen auf der Felge nicht mehr repariert werden kann. Was von ihm noch übrig war, habe ich mit der Fahrt auf der Felge endgültig zerstört. Ich bestelle den günstigsten Gebrauchtreifen und bekomme für 40 Florin einen neuen gebrauchten Reifen mit einigermaßen Restprofil sowie ein neues Ventil. Das alte war nämlich undicht. So können wir die Einkäufe endlich starten. In Bonaire wird es eine Weile dauern, bis wir das erste Mal in den Supermarkt laufen müssen.

Unser Schachspiel. Magnetisch. Fast schon seetauglich.

Den Tag beschließen wir mit ein paar Partien Schach. Ich bin sehr glücklich, dass ich endlich einmal einen Schachspieler an Bord habe. Auf den geplanten mehrtägigen Überfahrten wird Eike hoffentlich nicht seekrank, so dass wir uns die Zeit mit dem königlichen Spiel verkürzen können.