Niedlich

Letzten Freitag war Tag des Kühlschranks. Ausmisten, abtauen, reinigen. Der Kühlschrank von Sissi hat unten leider keinen Ablauf, so dass sich im Laufe der Zeit immer mehr Wasser in der Bilge des Kühlschranks sammelt. Das will alle paar Wochen entsorgt werden, dabei darf gleichzeitig das Kühlaggregat abtauen. Es verwandelt sich innerhalb weniger Tage in einen Eisblock, der Kühlschrank funktioniert dann nicht mehr richtig. Nach nur drei Stunden ist die Arbeit getan. Zur Selbstbelohnung nehme ich einen Bus zu den Eseln, vorher lege ich noch ein paar Dosen Bier in die Kühlung.

Wir sind so niedlich.

Wenn ein Mensch mit Futter in der Hand auf die Esel zugeht, beginnt sofort der Tanz hinter dem Zaun. Die Esel drücken sich mit ihren Körpern hin und her, dabei versuchen sie aber im Gesicht so niedlich wie möglich auszusehen. Das haben sie im Laufe der Jahre gelernt. Ich finde es sehr lustig, wenn ich einen dicken, fetten Esel da stehen sehe, der mir schöne Augen macht und sagt „füttere mich, ich habe doch nichts zum Fressen“.

Niedlichkeitswettbewerb

Ich kann dazu nur sagen, dass es wirklich funktioniert. Die Besucher sehen, wie die Esel den Kopf verdrehen und dabei mit der Stellung ihrer Ohren spielen. Meist rufen sie dann „oh wie niedlich“ und belohnen die Langohren dann mit den geliebten Pellets.

Grinsen

Eine weitere Stufe im Niedlichkeitswettbewerb ist das Grinsen. Ja, die Esel grinsen tatsächlich. Sie haben sich das bei uns abgeschaut. Manch ein Esel grinst immer dann, wenn ihm eine Kamera vor das Gesicht gehalten wird. Das ist ein erfolgreicher Trick, um mehr Futter zu erbetteln.

Ursache und Wirkung

Am Abend will ich ein Bier aus dem Kühlschrank nehmen. Dabei klemmt die Dose an einer scharfen Kante des Kühlaggregats fest. Echt unglücklich. Die Dose platzt, das Bier ergießt sich in die Bilge des Kühlschranks, welcher am nächsten Tag wie eine Brauerei riecht. Ich säubere den Kühlschrank noch einmal. Toll.


Von Natur aus niedlich sind natürlich Tierbabys. Tiger macht da keine Ausnahme. Ich hoffe sehr, dass sich die Anwesenheit des Babys auch in bare Münze umwandeln lassen wird. Die Besucher bleiben jedenfalls lange vor dem Stall stehen.

Tiger ist die Attraktion. Für Mensch und Esel.

Auch ich kann mich dem Zauber nicht entziehen. Immer wieder muss ich in diesen Stall, mich mit der Mutter anfreunden und dann auch mit dem Baby. Die Wunde sieht inzwischen viel besser aus, außerdem hat die Mutter ein gewisses Vertrauen zu uns gefunden. Sie lässt uns an ihr Baby, ohne es vor uns zu schützen. Das ist toll. Die Karotten, die ich ihr immer wieder mitbringe, sind sicher nicht schädlich.

Wir füttern Woods, Woods füttert Tiger.

Was hat sich in dieser Seifenoper noch getan? Fire Ball wird seinen Besitzern nach der Kastration zurückgegeben und bekommt außerdem eine Begleiterin. Dann wird es ihm in seinem neuen alten Zuhause viel besser gehen als ganz alleine. Es ist einerseits ein schöner Zug von Desiree, andererseits spart sie damit 400 US$ im Jahr für die Futterkosten ein.

Magerer Esel

Nach der morgendlichen Fütterung fällt mir am Sonntag ein Esel auf, der sich gar nicht für das Futter zu interessieren scheint. Das ist immer ein schlechtes Zeichen. Nella und ich versuchen, den Chip des Esels zu lesen, der hat aber keine Lust dazu. Also versuchen wir, ihn einzufangen. Der Esel hat aber keine Lust. Statt dessen steht er die ganze Zeit vor dem Gehege, in dem die alten Esel leben. Optisch passt er prima in die Gruppe. Erst am Nachmittag gelingt es Anneke, den Chip zu lesen. Dabei wird klar, dass die Dame in dem Gehege fehlt. Kurz vor der zweiten Fütterung gelingt es Anneke, mit dem Esel in das Gehege zu laufen. Der Esel ist übrigens eine Dame, ihr Name ist Orchid.

Morgen ist wieder Eseltag. Heute ist wieder Putztag. Die Insel ist mal wieder sehr staubig, der Staub setzt sich überall im Boot ab.

Ein Babyesel!!!

Einen Tag nach der Ankunft von Fire Ball komme ich zu meiner üblichen Schicht am Dienstagnachmittag. Ich bin früh dran, denn ich will noch ein paar Videos von Fire Ball aufnehmen. Dabei erfahre ich, dass Desiree schon wieder unterwegs ist, um einen verletzten Esel einzusammeln. Derweil kümmere ich mich um Fire Ball, der mit Kamino wohl noch die eine oder andere offene Rechnung hat. Einerseits sind die beiden so ähnlich, als seien sie Brüder. Diva ist heiß, Kamino kann sie nicht befriedigen und Fire Ball kann sie nicht erreichen. Spannend.

Telefonisch erfahren wir, dass nicht der verletzte Esel, sondern eine Eselmama mit ihrem Baby an Bord sind. Da die Esel im Donkey Sanctuary alle kastriert sind, gibt es dort nur Babys, wenn sie aus San Nicolas von der dortigen „frei“ lebenden Eselpopulation kommen. Wir warten gespannt.

Stimmen am Eingangstor machen dem Warten ein Ende. Anneke, Jutta und ich öffnen das Tor zum inneren Stall, Desiree lenkt das Gespann ans Ziel. Es wird spannend. Was erwartet uns im Inneren?

Die Esel sind nun am Ziel.

Während Anneke, Jutta und Desiree den Anhänger öffnen, filme ich das Geschehen mit der Kamera. Vicky und Finn sind gemeinsam mit den beiden Eseln mitgefahren.

Der erste Blick auf die beiden Neuen

Es ist ja nicht so, dass das Gaffen den Menschen vorbehalten ist. Ob es sich um einen Unfall auf der Autobahn oder einen Brand im Haus des Nachbarn handelt, immer werden sich neugierige Augen finden. Wenn ein neuer Esel mit dem roten Anhänger kommt, findet sich auch eine neugierige, gaffende Meute. Der einzige Unterschied ist, dass Esel keine Smartphones besitzen. Sonst würden sie filmen.

Gaffende Meute vor dem Tor

Mit viel Gefühl motiviert Vicky die Mutter, den Anhänger zu verlassen. Dabei schubst die Mutter wiederum ihre kleine Tochter vor sich her. Alles geschieht ohne Hast. Die Mutter will ihr Baby beschützen und hat gleichzeitig eine gehörige Portion Angst.

Vicky mit den Damen

Während die erwachsenen Esel bei der Fütterung versuchen, den Besuchern ein möglichst süßes Gesicht zu zeigen, hat das ca. zwei Monate alte Eselbaby das noch nicht gelernt. Sie ist von Natur aus süß, wie kleine Kätzchen oder niedliche Hundewelpen.

Mein Name ist Tiger

Ich muss noch mehr über die Umstände herausfinden, unter denen die beiden eingefangen wurden. Ich tippe auf einen Bezug zu einem Golfplatz. Der Esel von der Feuerwache heißt schließlich Fire Ball. Kamino wurde auf der Straße gefunden, Kamino bedeutet Straße auf Spanisch. Die Namen werden nach den Umständen des Funds ausgewählt. Mit den Namen Tiger und Woods für die beiden Esel kann ich mir nichts anderes vorstellen.

Tiger und Woods und die gaffende Meute

Wir haben einen auch für kleine Esel ausbruchssicheren Stall frei gemacht und nach kurzer Motivation mit einer Mohrrübe laufen Tiger und Woods in ihr vorläufiges Heim.

Tiger und Woods an ihrem Ziel

Zwei Wochen wird es wohl dauern, bis das Kennenlernen mit den anderen Eseln abgeschlossen ist. So wurde es mir für Fire Ball erklärt, das wird wohl mit Woods nicht anders sein. Die kleine Tiger hat eine Verletzung, die eigentlich behandelt werden müsste. Wir können aber nicht an sie heran kommen, die Mutter vertraut uns verständlicherweise noch nicht. Da können wir noch so viele Karotten haben.

Verletzung von Tiger, die gereinigt werden müsste

Am späten Nachmittag konnte ich noch ein kleines Video aufnehmen, wie Tiger von ihrer Mutter gesäugt wird. Schreibt man das eigentlich so? Zusammen mit den anderen Videoschnipseln der Ankunft habe ich das auch in bewegten Bildern zusammengeschnitten.

Nach der Aufregung um die Ankunft kommt noch eine weitere Aufregung. Ein paar Arubaner sind gekommen, um sich aufzuregen. Der gestern eingesammelte Fire Ball und Kontrahent von Kamino ist ein Esel aus Privatbesitz. Die Eigentümer wollen ihn wieder haben. Damit hat Desiree überhaupt kein Problem. Sie werden ihn in etwa vier Wochen zurück bekommen. In zwei Wochen wird er kastriert, danach besteht keine Gefahr mehr, dass er von seinen Eigentümern zu Zuchtzwecken benutzt wird.

Wehmut

Heute ist vermutlich der vorerst letzte Tag, an dem ich meine Eselskarre zur Verfügung habe. Deswegen fahre ich zum Geschäft für Bootszubehör und informiere mich über das vorhandene Antifouling. Das ist die Farbe, mit der Boote von unten gestrichen wird, damit kein Bewuchs auftritt. Diese Aufgabe steht Jens und mir nächsten Monat noch bevor, denn der letzte Anstrich war vor zwei Jahren. Es sieht von unten nicht mehr schön aus. Ich muss die Farbe nicht sofort kaufen, die ist immer vorrätig. Ich kann abwarten, ob einfaches Überstreichen oder eine komplette Erneuerung mitsamt Grundierung notwendig sein wird.

Meine Zeit auf Aruba geht absehbar dem Ende zu. Damit auch die Zeit im Donkey Sanctuary. Am vergangenen Wochenende war ich zum letzten Mal als Urlaubsvertretung im Einsatz.

Morgenstunde

Die Morgenstunde hat ihren ganz eigenen Zauber. Vor der morgendlichen Fütterung ist es ganz still. Nur die Pfaue machen ihre eigenartigen Geräusche. Ich bin etwas zu früh dran und warte mit dem Start der Fütterung auf Paul. Paul will mich am Morgen unterstützen, weil er bislang immer nur am Nachmittag im Einsatz war. Die Fütterung am Morgen unterscheidet sich in Nuancen von der am Nachmittag. Zusätzlich zum Heu gibt es noch die bei den Eseln so beliebten Pellets.

Die Uhr tickt. Je näher die magische Zeit 9 Uhr kommt, desto unruhiger werden die Esel. Warum fängt dieser Mensch nicht endlich mit der Fütterung an?

Wasserhäuschen

Mir fällt auf, dass einige Esel unmotiviert um das Wasserhäuschen herumstehen. Der Frankfurt assoziiert wahrscheinlich jedes Getränk außer Wasser mit dem Begriff, hier ist er aber wörtlich zu nehmen. Der Trinkbrunnen ist komplett trocken, als hätten die Esel ihn ausgeleckt. Haben sie wahrscheinlich auch. Ich öffne den Wasserhahn und obwohl die Esel das spritzende Wasser überhaupt nicht mögen, fangen die ersten an zu trinken.

Prost!

Paul ist pünktlich und wir starten die Vorbereitungen. Wie immer wird der Vorgang von den drei- bis vierbeinigen Protagonisten mit Lauten untermalt. Zum normalen Blöken kommt ein Knurren, wie man es sich bei hungrigen Hunden vorstellen könnte. Wir füllen Proteinwürfel in Eimer und weichen diese in Wasser ein. Das ist das Futter für die zahnlosen, alten oder mageren Esel, die zusammen das Altersheim bewohnen. Dazu kommen am Morgen noch die Pellets. In dem Augenblick, in dem ich die Tonne mit den Pellets öffne, ist die Unruhe unter den Eseln am größten, ihr Lärm am lautesten. Ich liebe es, die Pellets vor ihren Augen in die Eimer rieseln zu lassen. Anschließend bekommen die inzwischen randalierenden Zuschauer ihre eigenen Pellets. In Sekundenschnelle kehrt Ruhe ein, immer nur kurz unterbrochen von knurrenden Geräuschen und dem dumpfen Einschlag von Hufen in den Bauch des fressenden Nachbarn. Anschließend holen wir das Heu.

Mittagsruhe

Es kommen über den Vormittag nur wenige Besucher. Die Insel ist ganz und gar nicht ausgelastet. Das merkt das Donkey Sanctuary natürlich auch. Paul und ich unterhalten uns. Die Besucher können sich der ungeteilten Aufmerksamkeit der immer hungrigen Langohren sicher sein. Ich bin immer etwas traurig, wenn die Besucher wieder gehen, ohne vorher die Esel gefüttert zu haben. Damit haben sie das Beste verpasst.

Ninja und der Hufschmied

Ninja bekommt Besuch vom Hufschmied. Dafür habe ich ihn am Vorabend schon von seiner Gruppe getrennt. Der Schmied muss alle vier Hufe bearbeiten. Das mag Ninja überhaupt nicht. Er kickt sogar in meine Richtung, als ich ihm das Halfter anlege, streift mich jedoch nur. Ich bin nicht so blöd, direkt hinter dem Esel zu stehen. Dann gebe ich ihm noch ein Stück Karotte, was die Esel draußen unglaublich eifersüchtig macht. Esel sind in etwa so neugierig wie die Nachbarn in einer Reihenhaussiedlung. Mit Ninja tauschen würden sie sicher nicht wollen, die Karotte würden sie aber niemals ablehnen.

Pediküre

Das alles wird mir fehlen, wenn Jens und ich Sissi in Richtung unseres nächsten Ziels steuern bzw. die Windfahne bei dieser Tätigkeit überwachen. Die Esel, die Katzen, die Menschen und dieser unglaublich entspannende Ort. Ohne das alles hätte ich die vergangenen Monate wahrscheinlich nur mit einem Dachschaden überlebt. Mit Hilfe der Esel konnte ich mir meine geistige Gesundheit erhalten. Im Souvenirshop gibt es übrigens Kacheln zu kaufen, auf denen die Worte „My therapist eats hay“ zu lesen sind. Mein Therapeut isst Heu.

Die Geschichte der Esel auf Aruba kenne ich inzwischen in- und auswendig. Nicht alle Besucher wollen sie hören. Wenn ich sie komplett erzählen darf, kann ich anschließend meist auch höherpreisige Souvenirs verkaufen, etwa die Delfter Kacheln.

Wahrscheinlich kann ich diese Geschichte in 20 Jahren noch erzählen. Faszinierend ist die Aufmerksamkeitsspanne, die sich bei US-Amerikanern und Europäern stark unterscheidet. Für die Amerikaner breche ich die Geschichte in kleinere, leichter verdauliche Häppchen auf. Die brauchen immer ein paar Minuten, bis ich dann weitermachen kann. Neulich war ein Franzose zu Besuch, ich war entsetzt wie eingerostet mein Französisch inzwischen ist. Es hat aber funktioniert, mit Französisch und Deutsch für den Besucher aus Straßburg.

Spezialisten in Sachen Entspannung und immer streichelbar

Es wird wohl eine Weile dauern, bis der Geruch von Esel aus dem Boot verschwunden sein wird. Ein Besucher meinte neulich zu mir, dass es bei mir nach Esel riecht. Das finde ich gar nicht schlimm. Ich kann Esel nicht mehr riechen. Für mich riechen sie neutral. Mal abwarten, was Jens dazu sagen wird.

Wenn ich die Zahl der Beiträge betrachte, die ich in den letzten Tagen geschrieben habe, merke ich, dass ich nicht mehr ausgelastet bin. Mit etwas Glück glaubt Desiree noch ein paar Wochen lang, dass der Chinese ihr helfen möchte. Dann kann ich das Auto vielleicht behalten. Dann muss ich nämlich täglich ins Donkey Sanctuary und Software, Firmware oder irgendwelche Stellungen von winzigen Potentiometern verstellen. Herrlich aussichtslos.