Diät

Dieser Tage fällt es einem nicht leicht, einen klaren Kopf zu behalten. Wir sitzen die meiste Zeit auf unserem Boot herum, hängen am Strand ab oder spazieren durch die praktisch menschenleere Innenstadt. Welche Internetseiten wir auch aufmachen, sie kennen alle nur das eine Thema. Das Thema, das ich in diesem Beitrag mit genau keinem Wort streifen möchte. Ich bin nämlich auf Diät – Nachrichtendiät.

Die Idee dazu hatte ich gestern Nachmittag, als ich eine Email von meinem ehemaligen Arbeitskollegen Uli bekam. Eine Diät ist genau richtig. Zu einer Diät braucht man natürlich das richtige Essen. Ich mache einen Spaziergang zum Metzger und kaufe uns ein Stück von einer Kuh.

Dann kommt der Fleischwolf zum Einsatz, dieses wunderbare Stück mechanischer Technik. Bei 32°C im Schatten möchte ich Hackfleisch nicht einmal die 750 Meter von der Metzgerei bis zum Sissikühlschrank tragen, deswegen lasse ich es lieber im Laden. Wir haben einen Fleischwolf, also wolfen wir selbst. Ich verwandle das Kuhstück in Hackfleisch. Von diesem Vorgang gibt es keine Bilder, denn mit den Kuhfingern fasse ich die Kamera nicht an. Beim nächsten Mal lasse ich Jens ein Bild machen.

Bolognese

Ich schneide einen kleinen Hügel voll Zwiebeln und eine ordentliche Portion Knoblauch. Es kommt nicht genau auf die Menge an, es kommt nur darauf an, dass es eine große Menge ist – nach Gefühl, Erfahrung und dem eigenen Appetit.

Dann brate ich das Hackfleisch an, packe Zwiebeln und Knoblauch dazu und zuletzt eine große Packung passierter Tomaten. Ein paar Finger voll scharfer, getrockneter Chilis von den Kapverden sorgen für eine gesunde Schärfe, Salz, Pfeffer, Oregano und etwas Zucker für einen leckeren Geschmack. Das alles darf eine Weile auf kleiner Flamme vor sich hin köcheln.

Käse mit viel Geschmack

Die Zeit nutze ich, um einen großen Block Käse aus Frankreich zu reiben. Das kommt mir etwas wenig Käse vor, also grabe ich aus dem Kühlschrank noch einen zweiten Käseblock aus und reibe ihn ebenfalls. Jetzt scheinen die Mengenverhältnisse zwischen Bolognesesauce und geriebenem Käse zu stimmen. Also gehe ich weiter zum nächsten Schritt. Ich heize den Ofen an.

Lasagne vor dem Backen

Hackfleisch, Teigplatten und Käse werden jetzt von mir sorgsam in die Lasagneform geschichtet. Damit am Ende alles in die Form passt, muss ich immer mal wieder kräftig darauf drücken. Zu guter Letzt kann ich jedoch alle Zutaten in die Form pressen und muss diese nur noch in den vorgeheizten Ofen schieben.

Nun habe ich Zeit. Viel Zeit. Es dauert 20 Minuten, bis die Teigplatten durchgekocht sind. Ich kann mir also ein Video anschauen. Am besten sind Tiervideos, denn es gibt nichts, was entspannender ist als Tiervideos, wenn man auf eine Lasagne wartet, die von Minute zu Minute ihren Duft intensiver im Salon verteilt.

Dann ist das Essen fertig. Es gelingt mir diesmal, die Form aus dem Ofen zu nehmen, ohne mir dabei irgendwelche Brandverletzungen zuzufügen. Das ist selten. Ich freue mich. Der Lasagneduft im Salon wird unbeschreiblich stark.

Lasagne frisch aus dem Ofen

Jens kratzt mit der Gabel über den Salontisch und meckert mich an, weil ich mit der Kamera hantiere, anstatt die Pasta einfach auf den Tisch zu schleudern. Es geht ihm zu langsam. Er springt mir fast auf die Füße. Ich zerteile die frisch gebackene Speise in portionsgerechte Stücke. Denke ich. Jens denkt, ich möchte ihn auf Diät setzen. Die Stücke sind ihm viel zu klein.

Viel zu kleine Portion Lasagne

Er meckert immer noch, bis der Teller endlich vor ihm steht. Dann inhaliert er den Duft, schimpft über die Temperatur der Mahlzeit und beginnt mit der Nahrungsaufnahme. Das geht dann plötzlich sehr schnell. Jens hat seine erste Portion schon genossen, als ich meinen Teller noch nicht einmal zur Hälfte leer gegessen habe. Er nimmt sich noch eine Portion. Und noch eine Portion. Jens ist ein Pastafari!

Genuss pur. Lasagne wird langsam gegessen.

Nach dem Essen wird es dann noch Zeit für ein wenig abendliche Unterhaltung. Die Entscheidung für ein Konzert fällt uns leicht, die Kultur führt auf einem Segelboot leider immer wieder ein Nischendasein.

Der Lasagneklumpen in meinem Bauch will und will sich nicht auflösen, Jens spricht nach einer Stunde schon wieder von einem „Hüngerchen“. Wer soll nur das ganze schmutzige Geschirr noch abwaschen? Egal, zuerst kommt der Kulturgenuss.

Den einen oder anderen Diättag werden wir in Zukunft wohl machen. Ich empfehle dir auch gelegentliche Diät. So lebt es sich angenehmer und entspannter. Und nach dem Konzert gehst du am besten gleich ins Bett und daddelst nicht mehr auf dem Smartphone herum. Sonst war die ganze Diät sinnlos.

Internet-Entwicklungsland Deutschland

Ich möchte jetzt nicht über fehlende Mobilfunkmasten, die Internetanbindung auf dem platten Land oder die teuren Tarife im internationalen Vergleich lamentieren. Ich möchte über die Infrastruktur schreiben, die die Bundesregierung uns Deutschen im Ausland zur Verfügung stellt – Elefand.

Elefant. Hat nichts mit Elefand zu tun. Ist verdammt schlau.

Die Bundesregierung weiß nicht, wo sich die Deutschen im Ausland so herumtreiben. Woher soll sie das auch wissen? Wir lenken Sissi schließlich dort hin, wo uns der Wind hintreibt. Es sollen sich auch über 100000 Deutsche im Ausland befinden, manche sind nur für einen Wochenendtrip nach Wuhan gefahren, andere verbringen Monate und Jahre in fernen Ländern.

Um Unterstützung von der deutschen Botschaft zu bekommen bzw. nach Deutschland heimgeholt zu werden, kann man sich in die sogenannte Elefand-Liste eintragen. Dabei steht Elefand nicht für das Tier, sondern ist ein Akronym für „Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland“. In der Presse habe ich davon gelesen und dachte gestern, dass es nicht schaden kann, wenn wir uns dort registrieren. Also los.

Ich klappe das Notebook auf und beginne mit der Arbeit, rufe die URL auf. Die Webseite antwortet mir mehrfach mit Fehler 503. Das bedeutet, dass der Server quietscht und überlastet ist. Ich probiere es ein paar Mal dann darf ich die Startseite sehen und muss mich zunächst einmal registrieren.

Elefand Startseite

Schon nach vier oder fünf Versuchen habe ich mich registriert, danach bekomme ich eine Email mit einem Aktivierungslink. So weit, so gut. Der Aktivierungslink funktioniert sofort. Ich will weiter arbeiten.

Ich muss nur drei oder vier Mal die Login-Daten eingeben, da erscheint vor meinen Augen ein Formular, das sich hinter einem gewöhnlichen Immigrationsformular eines Karibikstaates nicht verstecken muss. Deutschland gehört definitiv zu den führenden Ländern in Sachen Formularentwicklung. Ich kann sogar sehen, dass es die erste Seite von fünf Seiten ist. Toll, ich fülle gerne Formulare aus.

Passnummern, Ausstellungs- und Ablaufdaten unserer Reisepässe habe ich im Kopf. Das ist kein Problem, die musste ich in den letzten Monaten so oft in Formulare eintragen, da bleiben sie irgendwann hängen. Kurz stellt mich die Frage auf die Probe, welche diplomatische Vertretung denn für uns zuständig ist auf Aruba. Natürlich – Amsterdam. Ist doch logisch. Unsere Adresse im Ausland (eigenes Segelboot, Renaissance Marina, Oranjestad) kann ich schnell googeln. Die leeren Felder im Formular füllen sich nach und nach und es dauert nur eine knappe halbe Stunde, bis ich fertig bin. Dann drücke ich den Knopf „Senden“. Dann erhalte ich wieder einen Fehler 503.

Übliche Elefand Fehlermeldung

Ich drücke die Taste „Zurück“ in meinem Browser und probiere es noch zwei- oder dreimal mit der Übermittlung der Daten. Schließlich möchte ich mit den Eingaben nicht wieder von vorne anfangen müssen. Der blöde Server merkt jedoch, dass ich es mehrfach mit der Zurück-Taste probiert habe. Er weigert sich nun, die Daten anzunehmen. Statt dessen erscheint wieder das leere Formular. Das kotzt mich an. Ich hole mir ein Bier aus dem Kühlschrank.

Wenn die Infrastruktur der Bundesregierung es nicht hergibt, dass sich 100000 Deutsche dort registrieren, dann sollen sie mir dem dem Scheiß gestohlen bleiben. Wieviele Leute können auf Amazon gleichzeitig ihre Hamster bestellen? Oder Netflix gucken? Wir wollen ja gar nicht nach Hause geflogen werden, wir wollen selbst fahren. Es ist mit Elefand wahrscheinlich so wie mit den meisten Hafen-WLANs. In der Nacht funktioniert es besser. Ich werde es noch einmal probieren, wenn es Nacht ist auf der Welt.

Wenn es hier wirklich hart auf hart kommt, laufe ich mit meinem Papierkram zur freundlichen Honorarkonsulin und mache das da vor Ort.

Rippche mit Kraut

Gestern Abend gab es bei uns Rippche mit Kraut zum Essen. Das hatten wir zuletzt, als wir unsere Eltern anlässlich ihrer goldenen Hochzeit im November besucht haben. Eine Dose Sauerkraut lagerte schon eine Weile in unseren Schapps, beim Metzger in Oranjestad haben wir wunderschöne Rippchen gefunden. Damit war das Abendessen gesetzt.

Rippche mit Kraut

Die Welt um uns herum dreht aufgrund der Corona-Krise hohl. Die meisten Länder haben ihre Grenzen geschlossen. Wir trauen uns derzeit nicht, Aruba zu verlassen, denn die Gefahr ist groß, dass man uns im nächsten Land nicht hinein lässt. Was tun?


Jens: Es ging mir in der letzten Zeit nicht besonders gut. Irgendetwas hat mir psychisch Probleme bereitet, aber ich konnte nicht so richtig deuten, was es war. Als wir von Martinique nach Bonaire gefahren sind, saß ich während meiner Wache grübelnd im Cockpit. Da viel es mir wie Schuppen von den Augen. Es ist die Einsamkeit auf dieser langen Reise. Wir haben unterwegs viele nette Menschen kennengelernt und neue Freunde gewonnen. Diese Freundschaften sind jedoch meist nur von kurzer Dauer, denn entweder begeben wir uns auf die Weiterfahrt, oder eben die anderen. Am Ende sind wir unter uns. Ich vermisse es, unter anderen Menschen zu sein und meine Freunde zu sehen. Diese Erkenntnis musste ich selbst erst verdauen und saß dort eine Weile mit Tränen in den Augen. Nachdem Jörg aufgestanden war erzählte ich ihm, was mir so schwer auf dem Seele lag. Er hatte dafür vollstes Verständnis und mir fiel an diesem Tag ein großer Stein vom Herzen. Ich bin trotz allem froh das ich mich auf diese Reise begeben habe. Unsere Erlebnisse und das Abenteuer waren es wert.


Ich habe mir das alles noch ein paar Tage schön geredet. Ich hatte immer die Hoffnung, Jens noch einmal umstimmen zu können, konnte aber auch sehen, wie groß seine Erleichterung ist, dass wir zurück fahren werden.

Wir haben beschlossen, zum richtigen Zeitpunkt, also etwa Anfang Mai, den Atlantik von West nach Ost zu überqueren, einen Zwischenstopp auf den Azoren einzulegen und dann den Sommer in Schottland zu verbringen. Hier in der Karibik wollten wir mindestens noch Jamaika und Kuba besuchen, vielleicht auch noch einen Kurztrip nach Haiti machen. Die Ankunft in Frankfurt planten wir für den September.


Dann kam Corona, die Sperrung des Panamakanals für Sportboote, Grenzschließungen an den meisten Landesgrenzen und damit Schließungen der meisten Inseln für uns. Die Unmöglichkeit, weiter nach Westen reisen zu können, macht mir die ganze Geschichte sehr viel leichter. Es fühlt sich für mich nicht besser an, wenn ich alle paar Tage neue Nachrichten über die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit der Kanaldurchfahrt lesen darf. Das ändert sich täglich.

Wir warten jetzt auf Aruba, bis wir die Situation besser einschätzen können. Da wir schon die Vorräte für den Pazifik eingekauft haben, könnten wir notfalls auch nonstop über den Atlantik fahren. Das wäre aber unschön, denn dabei sieht man nichts von der Welt.

Jeden Tag gibt es Neuigkeiten, neue Entwicklungen und damit auch neue Pläne für uns. Die übriggebliebene Zeit unseres Törns werden wir nutzen, um noch so viel wie möglich zu sehen.

Daheim in Frankfurt gibt es dann wieder Rippche mit Kraut.