Wir hatten die Pest an Bord

Wieder einmal sind seit meinem letzten Beitrag einige Tage vergangen. Wenn so viel Zeit zwischen zwei Beiträgen vergeht, passiert hier entweder gar nichts oder es passiert so viel, dass mir die Zeit zum Schreiben fehlt. Am Mittwochabend ist mein Neffe Eike in Aruba eingetroffen. Am Nachmittag mache ich eine unangenehme Entdeckung. Beim Prüfen der Vorräte fällt mir auf, dass sich überall im Bereich des Lebensmittellagers Leben entwickelt hat. Kleine Käfer krabbeln auf sämtlichen Vorratsdosen.

Sämtliche Vorratsdosen müssen gespült werden.

Auf der Suche nach der Ursache finde ich eine verschlossene Tüte mit Mais für Popcorn. Darin krabbeln die meisten Käfer, also kann ich das Problem an der Quelle beseitigen. Es gibt in Aruba gefühlt mehrere hundert Unternehmen, die mit „Pest Control“ und dicken Insekten auf ihren Autos werben. An Bord bist du selbst der Kammerjäger.

Auspuff im Maschinenraum. In diesem Rohr werden die Auspuffgase mit dem Kühlwasser vermischt.

Im Zuge der Motorwartung ist mir aufgefallen, dass eine winzige Undichtigkeit am Wassersammler für einen ordentlichen Klumpen Rost gesorgt hat. Salzwasser ist unglaublich korrosiv. Um das Problem an den Hörnern zu packen, steht schon seit ein paar Tagen eine kleine Dose Rust Oleum an Bord, damit wird das Metall nach dem Entrosten gestrichen. Entrostet wird mit Oxalsäure, das funktioniert ziemlich gut. Doch vorher sind die Lebensmittel dran.

Super Tox von den Kapverden. Die Flasche hat erst zwei Einsätze hinter sich, in beiden Fällen war das Zeug sehr hilfreich.

Ich mache eine kleine Pause und beobachte Pamina, die scheinbar unkontrolliert durch das Hafenbecken treibt. Die Arbeiter im Hafen sind ziemlich aufgeregt. Ich erfahre von Paul, dass das Ruder nicht funktioniert. Später erzählt mir Sönke, dass während der langen Liegezeit im Hafen wohl das Aluminium am Ruderschaft korrodiert war. Durch intensives Hin- und Herbewegen konnte das Ruder wieder gängig gemacht und der neue Generator an Bord genommen werden. Die Familie ist glücklich, ist doch wieder ein Problempunkt auf der langen Liste erledigt.

Der neue Generator wurde auf die Pamina verladen.

Eike ist überglücklich, als er endlich ins Auto steigen kann. Er war fast 22 Stunden auf den Beinen, konnte im Flugzeug nicht schlafen und fällt deswegen schnell in seine frisch bezogene Koje.

Maila. Der kleine Samuel ist leider gestorben.

Für mich beginnt (mal wieder) eine Art Abschiedstournee. Der letzte Besuch im Tierheim. Die letzten Katzenklos reinigen. Das letzte Video von ausgesetzten Hunden herunterladen. Die letzten Kätzchen streicheln. Das letzte gemeinsame Frühstück im Tierheim. Ich habe Tränen in den Augen. Wie gerne würde ich mir eine Katze mitnehmen, doch es ist in diesen Zeiten schon ohne Haustiere schwer, von Land zu Land zu reisen.

Eike ist glücklich.

Eike hat seine helle Freude. Er spielt mit den Welpen, der streichelt die Kätzchen und weiß gar nicht, wo er überall seine Liebe verteilen soll. Auch zu den Eseln fahre ich ein letztes Mal. Es ist unwirklich. Gelingt es mir wirklich, Aruba endgültig zu verlassen? Nur der Autoverkauf geht nicht voran. Ich habe mich mit dem Käufer auf einen Preis und das Übergabedatum geeinigt, nur kommt er mit den Papieren nicht voran. Das nervt.

Eike und Shrimp

Im Donkey Sanctuary fühlt sich mein neues Crewmitglied ebenfalls wohl. Wir werden innerhalb weniger Minuten vier Kilo Karotten los. Egal, Hauptsache ist, dass es Spaß macht. Dass es nicht immer nur Spaß im Leben gibt, musste Eike auch schon erfahren. Unsere bordeigene Bäckerei hat einen Qualitätssprung gemacht, wie es nur mit einem gelernten Bäcker zu machen ist. Nur der Umgang mit dem Gasofen ist ihm noch fremd, das Brot hat deutliche Röstaromen entwickelt.

Richtig gutes Brot. Ebenfalls neu an Bord.

Ich war ja schon immer stolz auf unser selbstgebackenes Brot, das neue Brot setzt dem Ganzen die Krone auf. Bei der Pamina haben die Arbeiter inzwischen den Generator montiert. Sönke erzählt stolz, dass der neue Stromerzeuger drei Zylinder statt eines einzigen hat und 150 kg wiegt. Das sieht man dann auch überdeutlich, denn die Pamina hat im Hafen nun eine deutliche Schlagseite nach Steuerbord.

Die Kamera ist gerade. Das Boot ist schief.

Was schere ich mich um die Generatoren anderer Leute. Am Samstagabend sind wir mit Edward verabredet. Wir wollen die Lichtertour über die Insel machen. Gleich zu Anfang fährt er mit uns in ein Wohnviertel, dort haben die Anwohner alle gemeinsam eine riesige Weihnachts- und Neujahrsinstallation aufgebaut. Die kannte ich vorher noch gar nicht.

Jahresendkitsch

Weiter fahren wir zur Lourdes Grotte. Es herrscht großer Andrang, sogar ein Partybus hat einen Zwischenstopp eingelegt.

Lourdes Grotte
Edward und Eike an der Lourdes Grotte

Jetzt planen wir den Höhepunkt. Cas di Luz, das Haus des Lichts oder auch als das Weihnachtshaus bekannt. Von der Lourdes Grotte sind es nur ein paar hundert Meter. Dann stehen wir vor einem dunklen Haus. Ein Anwohner verrät uns, dass die Beleuchtung nur bis 22 Uhr brennt. Blöd, wir sind 10 Minuten zu spät.

In voller Pracht leuchtet es am Cas di Luz. Ich hoffe, wir finden in den nächsten Tagen die Zeit, um noch einmal wieder zu kommen.

Wir wollen die kleine Tour am bekanntesten Strand Arubas beenden, am Baby Beach. Vorher meint Eike, dass er wegen seiner Fahrstunden noch im Fred-Feuerstein-Auto für die Kamera posieren muss. Den Schnappschuss mache ich doch gerne.

Wilmaaaaaa!

Die Arbeit an Bord geht nie aus. Nie. Auch nicht für Eike. Während ich die Spannung im Rigg checke, darf Eike die Rostschutzfarbe streichen. Endlich habe ich wieder ein Crewmitglied für die Pinselarbeiten, die ich so wenig mag.

Frisch gestrichen.

Dass mein Neffe ein Künstler ist, habe ich am Brot gemerkt. Und es gab eine Überraschung im Maschinenraum, Eike hat sein Werk signiert. Wir werden uns noch ein wenig aneinander gewöhnen müssen. Es ist gut, dass das Bordleben langsam startet. Von den Krabbeltieren sieht man zum Glück nichts mehr, die Pest ist von Bord gegangen.

Willkommen an Bord

Verschleiß

Am Montag fahre ich gemeinsam mit der Samai zum Autovermieter. Wir sind fast pünktlich um 8:30 Uhr zum vereinbarten Zeitpunkt vor dem leeren Büro. Niemand ist zu sehen, auch unser reservierter Jeep ist nicht da. Ich rufe die angegebene Telefonnummer an und erhalte die Nachricht, dass der Jeep in wenigen Augenblicken bereit sein wird. Okay, wir sind in Aruba und es ist sehr früh. Doch wir wollen nach Conchi. Je früher wir am natürlichen Pool sind, desto weniger werden wir von der Sonne gebraten.

Dieses Bild habe ich bei meinem ersten Besuch in Conchi aufgenommen. Die See war rau und die Gischt toste immer wieder über die Felsen. Damals war der Nationalpark geschlossen und kein Park Ranger konnte uns vom Baden oder Klettern abhalten. Die Zeiten sind heute anders. Heute wird bei diesem Seegang das Baden einfach verboten, weil es zu gefährlich ist. Ich habe mich im vergangenen Jahr nicht unsicher gefühlt. Ich denke, dass der Vorbeugung von Schadensersatzklagen irgendwelcher US-Amerikaner geht. Normalerweise ist man in Aruba sehr entspannt in dieser Hinsicht.

Michael übernimmt den Jeep, der Vermieter dokumentiert die Vorschäden akribisch. Wir wollen losfahren, doch es fehlt ein Gurtschloss. Michael hat einen Wagen für fünf Personen bestellt. Es sind auch fünf Sicherheitsgurte im Auto, sie passen jedoch nur in vier Gurtschlösser. Ärgerlich. Nach nur einer guten halben Stunde Wartezeit bekommen wir einen neuen Wagen. Der hat fünf funktionierende Sicherheitsgurte und die Fahrt kann losgehen.

Jeep Nummer 1. Nur vier Sicherheitsgurte funktionieren. Ansonsten hat der Wagen prima Reifen und macht einen sehr guten Eindruck auf mich.

Auf dem Weg zum Nationalpark fällt uns auf, dass am Armaturenbrett die Warnleuchte für den Motor leuchtet. Wahrscheinlich hat jemand vergessen, nach der Inspektion auch die Bordelektronik zurückzusetzen. Wir sind in Aruba. Dass der Wagen fast schlimmer schaukelt, als ein Schiff im Seegang, ignorieren wir geflissentlich. Es ist keine Option, den Wagen wieder zurück zu bringen. Dann wären wir noch später am natürlichen Pool. Im Gelände wird der Wagen mehr schaukeln. Angekommen in Conchi müssen wir leider erfahren, dass der Pool heute geschlossen ist. Wir können nicht ins Wasser. Die Gischt spritzt über die Felsen, wie bei meinem ersten Besuch mit Edward. Schade. Nach einem angemessenen Aufenthalt geht es zurück und wir wollen die Höhlen besuchen.

Jeep Nummer 2 auf dem Parkplatz vor der Fontein Cave. Bis hierher und keinen Meter weiter. Die Maschine ist heiß gelaufen, weil nicht genug Kühlwasser in den Kühler gefüllt wurde. Oder weil der Kühler seinen Geist aufgegeben hat.

Unser Jeep macht uns mehr und mehr Probleme. Die Nadel des Kühlwasserthermometers ist auf „eiskalt“. Das kann nicht sein, schließlich sind wir gerade über die Offroad-Piste von Conchi aus zur Durchfahrtsstraße gefahren. Der Motor geht einmal aus und lässt sich nur mühsam wieder zur Zusammenarbeit bewegen. Die Geräuschkulisse ist gigantisch. Wenn wir die Fenster öffnen, riecht es nach verbranntem Gummi. Auch die Abgasfahne stinkt merkwürdig und sieht ungesund aus. Da es hier mitten im Nationalpark kein Telefonnetz gibt, dränge ich darauf, so schnell wie möglich zur ersten Höhle zu fahren. Dort ist ein Park Ranger mit einem Funkgerät.

Arubanische Klapperschlange. Eingerollt.

Der freundliche Ranger ruft über sein Funkgerät das Besucherzentrum. Von dort aus wird der Autovermieter angerufen. Das alles verläuft erstaunlich unkompliziert. Wir hatten im Tierheim einmal Besucher, deren Jeep vor dem Tierheim zusammengebrochen ist. Die mussten drei Stunden bleiben, bis der Vermieter für Ersatz gesorgt hat. Ich bin einigermaßen skeptisch, als der Ranger uns mitteilt, dass der Ersatzwagen voraussichtlich in weniger als einer Stunde vor Ort sein wird.

Bevor wir die Höhle besuchen, führt uns der Ranger erst einmal zu einem Strauch. Darunter befindet sich eine der ausgesprochen seltenen Aruba-Klapperschlangen. Sie ist auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Selbst nach so langer Zeit in Aruba kann ich noch etwas Neues entdecken. Es ist die erste Klapperschlange, die ich in Aruba sehen kann.

Zisterne neben der Fontein Cave. Hier leben viele kleine Fische. Die winzige Schildkröte, die umher schwimmt, entgeht meinen Augen.
Michael amüsiert sich bei seinem Fisch-Peeling. Maila ist eher skeptisch, sie wird ihre Füße nicht ins Wasser stecken.
Samuel lässt sich ein Fisch-Peeling zukommen.

Die nächsten Touristengruppen kommen, wir verlassen den ruhigen Ort. Zurück am Parkplatz sind wir zunächst erstaunt, es steht ein zweiter Jeep unserer Autovermietung neben unserem. Es handelt sich aber nicht um unseren Ersatzwagen. Erstaunt erfahren wir von unserem Ranger, dass der Ersatzwagen schon an der Einfahrt beim Besucherzentrum ist. In der vergangenen halben Stunde hat sich die Klapperschlange bewegt. Sie hat sich aus der prallen Sonne in den Schatten des Baums geschlängelt.

Mit ca. bis zu 90 cm Länge ist die Aruba-Klapperschlange die kleinste Klapperschlange der Welt. Bei der Entstehung dieses Bildes kann ich die Schlange klappern hören. Ich ziehe mich sofort wieder zurück. Nur kein Unfall mit einer Schlange…

„Unser“ Ranger führt uns dann noch durch die Höhle. Obwohl ich nun schon mehr als ein halbes Dutzend Mal in dieser Höhle war, konnte ich wieder einmal etwas Neues sehen. Noch nie hat mich ein Führer auf die Wandmalereien von vor vielen hundert Jahren aufmerksam gemacht. Diesmal schon.

Wandmalereien aus einer Zeit, bevor Aruba von den Spaniern entdeckt wurde. Der Ranger meint, einige der Motive würden gerne für Tattoos verwendet. Sie symbolisieren Stärke.

Wir verlassen die Höhle und Jeep Nummer 3 steht auf dem Parkplatz. Bis jetzt ist unser Jeepverbrauch etwa bei einem Jeep pro Stunde. Dieses Exemplar ist schmutzig, der Tank ist nicht voll und er hat nur vier Sicherheitsgurte. Dafür läuft der Motor und die Zahl der leuchtenden Warnleuchten ist signifikant geringer. Lediglich der Reifendrucksensor an einem der vier Räder alarmiert. Unser Jeeplieferant erklärt, dass der Reifendrucksensor kaputt ist. Damit können wir leben.

Spiel von Licht und Schatten in der Quadirikiri Cave

Wir besuchen die zweite Höhle Quadirikiri Cave. Der Wagen fährt gut. Hoffentlich hält er länger durch als sein Vorgänger. Die beiden Höhlen haben einen komplett unterschiedlichen Charakter, auch wenn sie beide vor langer Zeit durch den Atlantik aus dem Fels gewaschen wurden. Hier gibt es keine alten Felszeichnungen zu sehen, statt dessen ein wunderschönes Spiel von Licht und Schatten. Die Höhle ist dicht unter der Erdoberfläche.

Aussichtsplattform vor der Quadirikiri Cave. Michael und ich gönnen uns ein kaltes Gerstengetränk.

Auf dem Rückweg zum Besucherzentrum stoppen wir noch einmal an der Boca Prins. Ein schöner Strand, doch heute lädt der Wellengang nicht zum Baden ein. Der weiße Sand der berühmten Dünen leuchtet in der Sonne. Alles ist sauber und rein.

Boca Prins. Heute ist kein Badewetter.

Immer wieder tosen die Wellen in die enge Bucht. Wenn ich jetzt noch einmal die Bilder von vor eineinhalb Jahren mit denen von heute vergleiche, denke ich mir, dass der Ranger am Pool vielleicht nicht ganz unrecht hatte. Ich wäre trotzdem gerne Baden gegangen.

Die Wellen tosen in die Prinzenbucht

Wir verlassen den Nationalpark, der Jeep hält durch. Ich schlage vor, den Strand von Daimari zu besuchen. Nur wenige Touristen finden den Weg dorthin, denn man kann mit dem Auto nicht direkt an den Strand fahren. Wenn man es bis zum Parkplatz schafft, muss man noch eine Viertelstunde laufen. Wer kein Allradfahrzeug hat, läuft je nach Mut mindestens eine halbe Stunde. Den Weg dorthin habe ich noch gut in Erinnerung. Bei meinem ersten Besuch in Conchi ist Edwards Wagen dort steckengeblieben.

Die Wellen am einsamen Strand von Daimari. Natürlich ist heute auch hier kein Badewetter.

Im Prinzip liegen zwischen der Boca Prins (im Nationalpark) und dem Strand von Daimari nur wenige Kilometer. Sie liegen beide an der Ostküste von Aruba und sind den ständigen Wellen des Atlantik ausgesetzt. Daimari gerade so außerhalb des Nationalparks. Deswegen kümmern sich keine Park Ranger um den Strand. Die Boca Prins würde genauso aussehen, wenn im Park wäre der Müll täglich eingesammelt würde.

Jede Menge Müll und anderes Treibgut. Grüße vom Plastikmüll in den Ozeanen dieser Erde.

Jeep Nummer 3 hält schon mehr als eine Stunde durch. Vielleicht sind aller guten Dinge ja wirklich drei. Nichts hält uns auf unserem Weg in Richtung der Goldmine auf. Nur eine Ziege am Straßenrand, die gerade zwei kleine Zicklein säugt, lässt uns auf dieser Fahrt innehalten.

Getarnte Ziege im Kakteenwald

An der Goldmine beginnt dann eine weitere Fahrstunde für Samuel. Er hat in den vergangenen Tagen schon öfter mit dem Wagen von Edward üben dürfen. Zuerst fremdelt er ein wenig mit dem Automatikgetriebe, der andere Wagen hat Handschaltung. Dann fährt er uns gar nicht einmal so unsicher bis zu einer anderen, wunderschönen Bucht. Sie besticht durch ihre Brandung. Die Natur spielt für uns einen wunderschönen Film ab.

Wir halten inne, schauen wieder und wieder den Wellen zu, die sich an der Steilküste brechen. Die See ist rau. Am kommenden Wochenende soll es ruhiger sein, dann will die Samai Aruba verlassen. Samuel möchte weiterfahren. Kein Problem, auf diesem Weg gibt es kaum Verkehr. Am Abend bin ich auf der Samai zum Grillen eingeladen. Der Jeep hält durch. Als wir im Hafen ankommen frage ich Samuel, ob er noch eine Runde mit meinem Wagen drehen will. Was mag er wohl geantwortet haben…?

Inseltour

Krrtsch. Quietsch. Knarz. Diese Geräusche kenne ich von meinem Wagen nicht. Immer wieder schleifen Teile der Karosserie über den Boden, am kleinsten Kieselstein bleiben wir hängen. Der Wagen hat eine solche Tour noch nie mit so viel Beladung absolviert. Die nicht asphaltierte Straße hinter dem Haustierfriedhof geht an die Belastungsgrenze.

Friedhof der Kuscheltiere (Archiv, Foto von Jens)

Wieder einmal bin ich auf Inseltour, diesmal mit der Crew der Samai. Es handelt sich ausnahmslos um sehr große Menschen und es sind vier Mitfahrer, die sich in meinen für vier Personen zugelassenen Wagen hineingefaltet haben. Ich fange die Inseltour immer in San Nicolas an, wenn es noch nicht so heiß ist. So spaziert es sich leichter von einem Kunstwerk zum nächsten. Anschließend geht es nach Baby Beach und zum Haustierfriedhof.

Iguana in San Nicolas als Stellvertreter für mehrere Dutzend Kunstwerke (Archiv)

Während ich versuche, möglichst ohne Bodenkontakt über die Sandpiste zwischen den riesigen Kakteen zu steuern, machen meine Mitfahrer Foto um Foto. Ich selbst werde am Abend feststellen müssen, dass ich über den ganzen Tag lediglich sechs Aufnahmen geschossen habe. Geschafft, wir sind wieder auf der asphaltierten Straße. Der Wagen rollt noch und es scheinen auch keine Flüssigkeiten auszulaufen. Eigentlich müsste ich mir mal anschauen, wie tief das Auto jetzt auf der Fahrbahn liegt. Ich verdränge den Gedanken.

Lourdes-Grotte. Eine von knapp 300 Lourdes-Grotten weltweit.

Immer wieder gerne fahre ich zur Lourdes-Grotte. Sie erinnert mich daran, wie für mich in Aruba alles angefangen hat. Damals im März 2020, als Jens und ich von Bonaire kommend Aruba erreichten. Unser erster Ausflug führte uns nach San Nicolas und wir haben es doch tatsächlich geschafft, durch den Ort zu laufen, ohne auch nur ein einziges der Kunstwerke an den Hauswänden zu bemerken. Statt dessen fanden Jens und ich die Lourdes Grotte.

Die Krippe ist fast fertig aufgebaut. Ochs und Esel sind schon da. Man muss aufpassen, dass Desiree den Esel nicht einfängt. Das Jesuskind kommt natürlich erst nächsten Monat zur Welt.

Nach der eingehenden Besichtigung der Grotte sind wir wieder auf der Straße. Ohne weiteren Bodenkontakt und nach kurzem Zwischenstopp an Desirees Haus mit den sechs Eseln im Garten gelangen wir zur Balashi Gold Mine Ruine bzw. Spanish Lagoon, der einzigen Mangrovenbucht in Aruba. Ich kann mich auch heute noch nicht an diesem Ausblick satt sehen. Nur wenige Touristen finden diesen Ort, denn er ist nicht auf allen Straßenkarten verzeichnet, die in die Mietwagen gelegt werden.

Blick von der Goldmine über die Mangroven. Hier steht das Salzwasser im Landesinneren (Archiv)

Der nächste natürliche Zwischenstopp wäre das Donkey Sanctuary. Von der Goldmine bis zu den Eseln fährt man keine zwei Minuten. Das überspringen wir, denn schließlich kommen Maila, Samuel, Sandra und Michael regelmäßig am Sonntagnachmittag mit mir mit. Wir fahren direkt zur Casibari Rock Formation. Hier kommen wir zum ersten Mal in Kontakt mit dem, was so ein Kreuzfahrtschiff um sich wirft: Jede Menge Menschen. Leider sind die Kreuzfahrtschiffe wieder unterwegs. Leider kommen sie auch wieder regelmäßig nach Aruba. Es sind nicht mehr zwei Kreuzfahrer pro Tag, sondern eher vier bis fünf in der Woche. Das macht es nicht besser. Ich mache die Inseltour am liebsten an Samstagen, weil dann die Amerikaner ihren Bettenwechseltag haben und vor allen Dingen die Straße vor dem Flughafen blockieren. Ein Kreuzfahrer kann einem diese Planung vollkommen zunichte machen. Andererseits kenne ich die Inseltouren der Profis fast so gut wie die Profis selbst.

Blick von Casibari aus auf die Kreuzfahrtschiffe in Oranjestad (Archiv)

Trotz eines gewissen Hüngerchens kutschiere ich meine Gruppe (Fremdenführer-Sprache) unverzüglich weiter nach Ayo Rock. Ich fühle mich von Reisebussen verfolgt, die ich noch gar nicht sehen kann. Wir spazieren den Rundweg, sehen keine anderen Touristen und Maila fürchtet sich etwas vor den Wespen, die an den Felsen ihre kleinen Nester bauen, sie ist in der Vergangenheit schon einmal gestochen worden.

Das beste Bild, das ich je von diesen Tierchen schießen konnte. Die Nester sind alle so winzig und kleben überall an den Felsen. Dass eine von diesen Wespen irgendwann irgendjemanden gestochen hätte, habe ich noch nicht erlebt. Es sind friedfertige Tiere.

Ein Blick auf die Uhr verheißt Gutes. Es ist etwa 13 Uhr. Das ist zu spät für die Busse, die die Natural Bridge und den Natural Pool am Vormittag anfahren. Es ist zu früh für die Busse, die die Runde anders herum machen. Also ist es unsere Zeit im Pool. Bei unserer Ankunft ist der Parkplatz leer, der Wagen schleift mit furchtbaren Geräuschen über den Boden aus versteinerten Korallen. Die See ist heute sehr rau.

Raue See und Hochwasser sind Garanten für das ultimative Strömungserlebnis im Pool.

Kaum zu glauben. Wir sind wirklich die einzigen Besucher. Für fast eine halbe Stunde haben wir den Pool komplett für uns. Selbst die beiden Mitglieder einer geführten Tour, die der Fremdenführer über die Steine klettern lässt, verschwinden nach gefühlt 30 Sekunden Badezeit. Die Strömung ist heute gigantisch. Krasse Wellen hämmern von Außen an die Felsen, der tiefe Bass des Echos in der Kammer wummert im Bauch und in den Ohren.

Viel Spaß in der Strömung. Ich glaube, Michael sieht begeistert wieder eine Welle heran rauschen.

Ich liebe diese Inseltouren. Alleine fahre ich doch nicht in den Natural Pool. Da fehlt mir echt die Motivation. Ich fahre alleine auch nicht nach Casibari oder Ayo Rock. Ich fahre alleine nur selten nach San Nicolas und wenn, dann um ein Restaurant zu besuchen. Die Naturdenkmäler besucht man als normaler Tourist schließlich nur einmal und dann nie wieder. Ich war inzwischen mit vielen Gruppen hier und kann mich immer wieder mal erfreuen.

Aufgrund der rauen See lohnt sich dieses Bild von der Natural Bridge. Ich habe wesentlich schlechtere Aufnahmen im Archiv.

Wir nehmen uns wie immer Zeit. Ich mag meine Gruppe nicht hetzen, sie sollen schließlich die Insel in ihrem Tempo erleben. Gehetzte Touristengruppen gibt es genug, eine solche erscheint gerade in einem großen Bus von Fofoti-Tours. Alle Teilnehmer haben Bordkarten um den Hals gehängt, der Bus ist mit „Best of Aruba Bus 1“ beschriftet. Jetzt kommt die Samai-Crew freiwillig zurück zum Auto und wir verlassen den schönen Ort.

Samuel, Maila, Sandra und Michael auf der Natural Bridge. Das Überqueren der Brücke ist verboten. Ich erinnere mich noch gut an den Spruch „darum kümmern wir uns doch sonst auch nicht“. Ob sie über die Brücke gelaufen sind oder nicht, darüber decke ich den Mantel des Schweigens.

Mir ist klar, dass wir uns nun in einer Wettbewerbs-Situation mit den Bussen befinden. Mein Magen knurrt ein wenig, die Nahrungsaufnahme wird uns zurück werfen. Andererseits sind die großen Gruppen schwerfällig und langsam. Da wir heute Samstag haben, ist der Lionfish-Imbiss geöffnet. Es schmeckt wie immer gut.

Lionfish Kibbeling (Archiv)

Am Morgen haben wir unsere Rundfahrt im Süden der Insel begonnen, nun arbeiten wir uns immer weiter in den Norden vor. Auf dem Weg zur Altovista-Chapel bete ich fast, dass wir von den Kreuzfahrern verschont bleiben. Die kleine Kapelle ist der letzte mögliche Konfliktpunkt, den wir mit den Bussen haben können.

Andächtig im Inneren des sakralen Gebäudes

Eine gewisse Müdigkeit macht sich bei uns breit. Wir sind nun schon seit fast sechs Stunden unterwegs. Ein wesentlicher Punkt fehlt uns aber noch, das California Lighthouse an der Nordspitze von Aruba. Gleich hinter einem der Tourbusse erreichen wir den Parkplatz. Meine Gruppe ist beinahe enttäuscht, so viele Menschen auf einem Fleck. Ich kann sie beruhigen, denn ich weiß genau, dass kein einziger Kreuzfahrer es auf den Leuchtturm schaffen wird. Ich war schon einmal oben, spare mir das Eintrittsgeld und bleibe unten. Dabei beobachte ich das Treiben rund um die Busse.

Bus 4 und Bus 1 der „Best of Aruba“ Rundfahrt. Die Crew der Samai ist gerade auf der Aussichtsplattform.

Im Abstand von etwa 10 oder 15 Minuten kommt einer dieser Busse angefahren. Die Tür öffnet sich und mehrere Dutzend einigermaßen Gehbehinderter rollen sich die Treppenstufen herunter. Ein Schiff von Carnival Cruises bringt garantiert adipöse Amerikaner nach Aruba. Je nach Möglichkeiten schaffen es diese Kreuzfahrer dann noch zum Getränkestand oder nur für ein Foto auf den Parkplatz. Mindestens ein Dutzend Menschen der Gewichtsklasse 150kg oder mehr. Im Leuchtturm ist kein Aufzug.

Wir sind erschöpft von der langen Tour, seit sechseinhalb Stunden sind wir unterwegs. Nach einem kleinen Abstecher in die Hotelzone mit den ganz großen Hotels, den Einkaufspalästen und den teuren Restaurants, in denen sich nur US-Amerikaner wohlfühlen können, fahren wir auf dem schnellsten Weg zurück zu unseren Booten. Ich bin selbst nicht mehr ganz da, denn ich vergesse sogar den sonst obligatorischen Zwischenstopp bei den Instagram-Bäumen. Michael und ich lassen den Abend mit ein paar Bier auf der Samai ausklingen.

Instagram Baum an Eagle Beach (Archiv)

Update zu Gustav: Ich freue mich für ihn, denn er hat ein Boot gefunden, das ihn in der kommenden Woche zu den San Blas Inseln mitnimmt.