Leben auf der Überholspur

Wir benehmen uns wie die Touristen. Gegen eine Spende in Höhe der üblichen Wochenmiete für ein Auto habe ich die Eselskarre für eine Woche gemietet. Damit machen Jens und ich die Insel unsicher. Für mich ist es inzwischen ein Heimspiel, ich könnte auch als Fremdenführer in Aruba arbeiten.

California Lighthouse

An der Nordspitze von Aruba steht das California Lighthouse. Für mich ist es eine Art Kulturschock, denn bei meinem letzten Besuch im April herrschte auf der Insel der komplette Shutdown, die Grenze war geschlossen und der Flughafen stillgelegt. Alle reden zwar darüber, dass es nicht genug Touristen auf der Insel gibt, für meine Begriffe reicht die Zahl jedoch locker aus.

Blick vom Leuchtturm in Richtung Oranjestad

Kurz genießen wir noch den wunderschönen Ausblick in der klaren Luft. Dann fahren wir weiter zur berühmten Altovista Chapel, einer kleinen katholischen Kapelle mitsamt Kreuzweg. Jens hat bei seinem Aufenthalt im März praktisch nichts von der Insel sehen können.

Altovista Chapel

Für diese Aufnahme musste ich mich ziemlich verrenken, damit keine anderen Touristen auf das Bild kommen. Den Verkaufsstand mit dem Nippes habe ich gerade noch so hinter der Kirche verstecken können. Während wir uns dem Inneren der Kirche nähern, werden wir von Nippes- und Kerzenverkäufern geradezu belagert.

Warum nur habe ich das Auto auf der anderen Seite der Kirche geparkt? Hätten die Verkäufer das Nummernschild des Autos gesehen, würden sie uns in Ruhe lassen. Mietwagen und Privatwagen kann man daran nämlich leicht unterscheiden.

Altovista Chapel von innen

Ganz in der Nähe der Kapelle liegt eine Art Zoo, Philips Animal Garden. Begonnen hat der Betrieb als Tierheim für Tiere aus Privathaltung, die ihren Besitzern zu viel Arbeit machten. Deswegen gibt es dort einen einsamen Affen, verschiedene Schlangen und sogar ein Krokodil. Ich habe diesen Zoo auch noch nicht gesehen. Er war bei meiner Mietwagentour im April geschlossen.

Shetlandpony?

Ein gelangweilter junger Mann kassiert fünf Dollar Eintritt pro Person, dafür bekommen wir noch eine kleine Tüte mit Karotten und Pellets zum Füttern in die Hand gedrückt. Nur die Tiere mit Beinen füttern, keine Vögel, keine Fische. Okay, das bekommen wir hin. Auch die Affen sollen wir nicht füttern. Haben die etwa keine Beine? Wir spazieren auf das Gelände. Am ersten Gehege steht ein Schild mit der Aufschrift „Shetlandṕony“. Die Bewohner nähern sich uns sofort und wir sehen in bekannte Gesichter. Das Pony links ist ein normal großes Pferd, über die Langohren rechts müssen wir nicht sprechen.

Mehrere Kaninchenställe

Wir finden mehrere Kaninchenställe vor, in denen ziemlich viele Kaninchen auf engem Raum leben. Sie sehen zwar munter und süß aus, ich frage mich trotzdem, ob es das Gehege nicht eine Größe größer gegeben hätte.

Schweine

Die Schweine wirken munter und fröhlich, auch hier wirkt das Gehege etwas klein. Auf dem einsamen Gelände des Zoos gibt es keine Mitarbeiter, mit denen man über die Tiere sprechen könnte. Das ist schade, wir machen das im Donkey Sanctuary etwas anders.

Strauße

Die großen Laufvögel schauen ins Kameraobjektiv. Auf dem Bild sieht es so aus, als hätten sie viel Platz und Auslauf, der Zaun steht jedoch so nah, dass man ihn auf dem Bild gar nicht sehen kann. Die beiden Vögel haben etwa 50 Quadratmeter Platz. Ich wiederhole mich.

Ziegen

Warum? Warum muss man auf Aruba Ziegen in ein Gehege sperren? Ziegen kommen hier in freier Wildbahn prima zurecht, finden genug Nahrung und es kommt auch nicht zu Unfällen mit Autos. Warum? Weil die Ziegen nämlich im Gegensatz zu den Eseln einfach abhauen, wenn sie Angst haben. Der Esel bleibt im Zweifel mitten auf der Straße stehen. Als einzigen Grund kann ich mir vorstellen, dass die Ziegen aufgrund ihrer Niedlichkeit im Käfig sind.

Ziegen in freier Wildbahn, Aufnahme aus dem April

Ich möchte auch nicht alles schlecht machen an diesem Zoo. Das Dromedar ist aus privater Haltung und hätte sicher nicht überlebt, wenn es diesen Zoo nicht geben würde. Ein einsames Dromedar mit seinem Baby. Ich hätte gerne einen Mitarbeiter nach der Geschichte des Tiers gefragt.

Dromedar

Ein Dromedar füttern ist wie einen Esel füttern. Die können sogar auch den süßen Gesichtsausdruck machen. Das Baby hat natürlich den üblichen Niedlichkeitsfaktor. Alle Tierbabys sind süß, oder?

Baby Dromedar

Mit gemischten Gefühlen verlassen wir den Zoo. Oder das Tierheim. Ich glaube nicht, dass es mir einen weiteren Besuch wert ist. Und ich weiß nun, was ich den Besuchern im Donkey Sanctuary erzählen werde, wenn sie mich danach fragen. Bislang konnte ich immer nur sagen, dass ich noch nicht dort war.

Es sind auf Aruba immer nur wenige Minuten Autofahrt bis zur nächsten Sehenswürdigkeit. Eine seltene Felsformation, einzigartig auf Aruba, ist Ayo Rock.

Ayo Rock Formation

Jens ist begeistert, ich bin es auch. Bei meinem letzten Besuch, der vor der Regenzeit stattgefunden hat, war die ganze Landschaft sandig und rot. Jetzt ist die größtenteils grün. Wir klettern die Treppenstufen hoch bis zum Gipfel und genießen den Ausblick.

Klettern im Ayo Rock

Ganz in der Nähe, nur wenige Minuten Autofahrt entfernt ist die sogenannte Natural Bridge. Auch sie gilt als eines der ganz großen Touristenziele.

Natural Bridge

Bei bestem Fotolicht und zwischen zwei geführten Touren gelingt es uns, die Brücke ohne Menschen zu fotografieren. Es ist wirklich viel los auf der Insel. Jens findet es nicht zu eng.

Blick über die Ostküste

Herrlich ist der Blick über die Küste, die so schön ergrünt ist. Wir sind erschöpft, haben viel in kurzer Zeit gesehen. Wir entscheiden uns dafür, im Wasser zu entspannen. Nur wenige Minuten Autofahrt von der Natural Bridge ist ein Natural Pool. Davor warten haufenweise ATVs auf Kundschaft. Das ist neu.

Warten auf Kundschaft

Wir fahren bis zur Einstiegsleiter, sehen nur eine geführte Tour unten platschen. Das ist gut, die verschwinden in der Regel nach wenigen Minuten. Auch diese Tour macht keine Ausnahme. Noch während Jens die Leiter heruntersteigt macht sich die Gruppe bereit zum Aufbruch. Herrlich, wir haben alles für uns alleine.

Einstieg

Nur noch ein paar Meter sind es über scharfkantige Korallen bis wir im kühlen Wasser treiben. Die großen Wellen von außen verwandeln den Pool in einen Strömungskanal. Es ist herrlich entspannend.

Entspannung pur

Jens ist begeistert. Jetzt ist er angekommen auf Aruba. Wir stellen eine kleine Lautsprecherbox auf, die Akustik ist toll. Die gewölbten Wände werfen den Schall zurück, das dumpfe Grollen der Wellen verleiht der Musik einen ganz besonderen Reiz. Wir bedauern, keine gekühlten Getränke zur Hand zu haben. Hier sind wir nicht zum letzten Mal.

Entspannung im Pool

Seit ein paar Tagen schon spiele ich für Johnny, Jo und Stewart den Fremdenführer. Auf diese Weise komme ich mal wieder zu den schönsten Plätzen der Insel, denn die sind leider ausnahmslos nicht mit dem Bus erreichbar.

Jo und Stewart steigen die Leiter hinab

Mein letzter Besuch am sogenannten „neuen natürlichen Pool“ ist schon eineinhalb Monate her, damals besuchte ich den Pool gemeinsam mit Shelly, Moses, Vanita, Brian und Johnny. Diesmal ist unsere Gruppe kleiner.

Der Einstieg erfolgt über eine fünf Meter lange Leiter. Das war damals der Grund, dass Moses nicht ins Wasser gehen konnte. Johnny ärgert sich etwas, dass er seine Schuhe am Auto zurückgelassen hat. Der Weg über die abgebrochenen Korallen ist schmerzhaft.

Johnny am Fuß der Leiter

Heute ist der Blick über die abgebrochene Kante auf den atlantischen Ozean grandios. Wind mit einer Stärke von sechs bis sieben Beaufort lässt den Ozean brodeln.

Starker Wind für starken Seegang

Nach wenigen Minuten erreichen wir den Einstieg ins Wasser und dann beginnt die sofortige Entspannung. Was diesen Pool ausmacht ist, dass man sogar um die Mittagszeit unbegrenzt lange im Wasser bleiben kann, ohne dass man Gefahr läuft, von der Sonne verbrannt zu werden.

Ich bin im Wasser (das Foto hat Stewart gemacht)

Für Johnny ist der Ort nicht neu, er weiß noch genau, von welcher Stelle aus man ins Wasser hüpfen kann. Nach einer ordentlichen Arschbombe überschüttet er uns mit Wasser. Bäh, ich mag Salzwasser nicht.

Stewart und Jo

Fast eine Stunde entspannen wir im Wasser, bevor die Mägen nach einer Füllung rufen. In dieser Zeit kommen mehrere geführte Inseltouren vorbei. Die Besucher trauen sich teilweise gar nicht, über die scharfkantigen Korallen bis zum Pool zu laufen. Manchem fehlt der Schneid, bis zum bestmöglichen Einstiegsfelsen zu gehen. Es ist weniger glitschig, als es aussieht. Die meisten dieser Gruppen verbringen leider nur ein paar Minuten am Pool. Es ist schade, wenn man es im Urlaub so eilig haben muss.

Musizieren am Pool

Künstlich ist der Hotelpool, künstlerisch unsere abendliche Darbietung an diesem Pool. Auch beim gemeinsamen abendlichen Musizieren können wir uns prima entspannen. Besonders Shelly glänzt mit ihrer wunderschönen Stimme, während ich versuche, nicht ganz so laut zu sein. Charly wiederum ist inzwischen sehr locker geworden mit seiner Gitarre. Noch vor wenigen Monaten weigerte er sich, in der Öffentlichkeit Gitarre zu spielen. Selbst ich gehörte zu dieser Öffentlichkeit. Inzwischen ist er ohne Lampenfieber unterwegs.

Ein schöner Tag

Johnny hat sich ein Auto gemietet, einen Jeep mit Allradantrieb. Damit fahren wir seit Montag über die Insel, ich darf den Fremdenführer spielen. Mit an Bord sind Jo und Stewart, die seit ein paar Tagen mit ihrem Segelboot Patronus vor Oranjestad ankern.

Für heute ist ein Badetag im natürlichen Pool Conchi angesagt. Dort war ich zuletzt vor ein paar Monaten zusammen mit Edward und Shelley. Ich kann mich noch an den Weg erinnern, den wir zusammen gefahren und gegangen sind, also dirigiere ich Johnny zu der Pferdefarm mit dem Parkplatz.

Von dort aus wandern wir gemütlich eine Dreiviertelstunde am Ufer entlang und genießen die Landschaften, die sich auf dieser Strecke dreimal grundlegend ändern. Es beginnt mit der Überquerung eines Gebirgszugs, die in einer steppenartigen Umgebung endet.

Autowrack in der Steppe

Nicht einmal einen halben Kilometer später laufen wir dann durch tiefen Sand. Mit Schuhen ist es unangenehm, ohne Schuhe unerträglich. Entweder läuft man auf dem Sand in seinen Schuhen oder barfuß im glühend heißen Sand.

Glühend heißer Sand

Freudig legen wir die letzten Meter nach dem Sandstrand mit Blick auf den Felsen „Klein Aruba“ zurück, denn gleich nach der nächsten Felszunge wartet auf uns die Belohnung. Ein Bad im natürlichen Pool. Die See ist rau, das verspricht großen Badespaß. Die Sonne glüht auch schon sehr, sehr heiß. Eine Abkühlung tut Not.

50 Meter vor dem Eingang zum natürlichen Pool baut sich plötzlich ein Park Ranger vor uns auf. Wir hätten am Haupteingang keine Eintrittkarte gekauft und müssten deswegen zurück laufen. Ärgerlich. Und doch logisch. Mein letzter Besuch war im Mai. Damals war der Nationalpark noch geschlossen, also konnte uns auch keiner eine Eintrittskarte verkaufen. Die Park Ranger waren zu Hause. Heute arbeiten sie.

Auf dem Rückweg zum Auto sind wir 15 Minuten schneller. Wir wollen endlich ins Wasser. Wir kaufen Eintrittskarten und essen Sandwiches, bevor Johnny den Jeep auf die offizielle Straße nach Conchi lenkt.

Johnny lenkt

Die Strecke, die wir nun zu Conchi zurücklegen müssen, ist als Piste für Allradfahrzeuge ausgewiesen. Es liegen einige dicke Brocken herum, die meiste Zeit ist sie aber gut zu fahren. Je mehr Bodenfreiheit das Auto hat, desto besser ist es. Johnny hat den Ehrgeiz, es auf jeden Fall bis zum Parkplatz zu schaffen. Wir sind genug gewandert für heute.

Gegenverkehr – ein Kleinbus mit Allradantrieb

Insgesamt ist im Park nicht viel los. Zwischendurch kommt uns ein Kleinbus entgegen, der mit Allradantrieb die Besucher vom Besucherzentrum zum Pool bringt. Bei der Begegnung sehen wir, dass die beiden Passagiere ordentlich durchgeschüttelt werden. Johnny fährt lieber langsam. Das ist schonend für Menschen und Material, meine Bandscheiben danken es ihm.

Ziel in Sicht

Nach einer schier endlos langen Fahrt durch Staub und über Steine kommt endlich der natürliche Pool in Sicht. Wir freuen uns alle auf die Erfrischung.

Die raue See tut was sie kann, immer wieder brechen sich die Wellen an den Felsen, die den Pool bilden. Das Wasser spritzt im hohen Bogen über uns Badende.

Welle bricht am Felsen

Wir lernen ein junges amerikanisches Paar kennen. Beide haben gerade die Universität abgeschlossen und machen eine Woche Urlaub auf Aruba. Es entwickelt sich ein langes Gespräch, als wir erwähnen, dass wir seit Wochen bzw. Monaten mit unseren Segelbooten auf Aruba festsitzen. (Das geschieht eigentlich immer, wenn man im Gespräch mit Nichtseglern das Boot erwähnt.)

Als eine große Gruppe Touristen mit unzähligen Strandbuggys auftaucht entscheiden wir, gemeinsam nach San Nicolas zu fahren und den Street-Art Spaziergang zu machen.

Street Art in San Nicolas

Rechtzeitig vor Sonnenuntergang schaffen wir noch die farbenfrohe Runde. Wir beenden den Abend mit ein paar Bier und kleinen Snacks. Auf dem Weg zurück nach Oranjestad sind wir alle vier glücklich über den gelungenen Tag. Auch die Wanderung entlang der Küste wurde von allen als wunderschön gelobt.

Covid-19 Roller

Regelmäßig steht dieser Motorroller vor dem Parlamentsgebäude. Ich nehme ihn heute als Symbolbild, da die Bierflaschen und das Kakaogetränk inzwischen zu oft zu sehen waren.

Entsetzt stelle ich gerade fest, dass ich seit sechs Tagen keinen Blog mehr veröffentlicht habe. Das liegt natürlich daran, dass ich im Augenblick viel unterwegs bin. Vor sechs Tagen waren wir bei 279 aktiven Covid-19 Fällen. Gestern Nachmittag waren wir bei 679 Fällen. Während ich diese Zeilen schreibe, ist die 700er Marke wohl längst geknackt. Die ersten fünf Kranken wurden ins Krankenhaus eingeliefert. So sieht es im Augenblick aus.

Nicht nur deswegen genießen wir die Zeit, die wir uns so schön wie möglich gestalten.

Update: Wir sind heute bei 776 Fällen gelandet. Der nächste Tote ist zu beklagen.