Es stinkt mächtig

Ich sitze im Cockpit und sehe fern. Jens ist schon im Bett. Plötzlich kommt eine Nachricht von Rebecca auf mein Telefon. Sie sitzt im Flieger nach Ponta Delgada und wird um Mitternacht eintreffen. Für den folgenden Tag haben Jens und ich einen Landausflug nach Furnas geplant, dort gibt es einen See. Sie wartet auf die Pamina und möchte gerne mitkommen.

Morgenstimmung in Ponta Delgada

Am nächsten Morgen klopft es dann an unserer Sissi, Rebecca kommt an Bord. Wir haben noch etwas Zeit bis unser Bus fährt, also frühstücken wir erst einmal gemeinsam. Die Pamina habe ich zuletzt vor Weihnachten in Aruba gesehen. Seit dem sind wir getrennte Wege gesegelt. Rebecca hat den Hund Charly nach Hause gebracht, während Sönke mit einigen Freunden und der Tochter Lea die Atlantiküberquerung macht. Leider haben sie keinen Wind und müssen seit Bermuda mit dem Motor fahren. Irgendwann ist es Zeit und wir gehen zum Bus.

Farbenpracht an der Bushaltestelle

Nur wenige Busse fahren jeden Tag ganz in den Osten von Sao Miguel, dementsprechend ist es recht voll. Die Fernsicht ist fantastisch, wir können unterwegs immer wieder die 50 Meilen entfernte Insel Santa Marta sehen. Steile Hänge geht es hinauf und herunter, Sao Miguel zeigt sich im allerfeinsten Licht und prächtigem Grün. Zuletzt fährt der Bus in einen Talkessel herunter. Wir steigen aus.

Infokachel zum See, es gibt viele Fische

Die in Kacheln ausgeführte Infotafel versprüht portugiesische Folklore. Von hier aus geht ein Wanderweg rund um den See, den wir aus Zeitgründen leider nicht wandern können. Wir haben etwas mehr als zwei Stunden Zeit, dann fährt schon der letzte Bus zurück nach Ponta Delgada.

Lago das Furnas

Natürlich ist der See ein Touristenspot. Der Wanderweg geht hier entlang der Zufahrtsstraße und ein Mietwagen jagt den nächsten. Davon lassen wir uns nicht beirren, der See ist groß und weit. So voll kann es einfach nicht sein.

Malerisches Seeufer

Mehr und mehr steigt ein unangenehmer Geruch in unsere Nasen. Er erinnert an faule Eier, an Schwefel. Jens wiederum erinnert sich, über eine der Azoreninseln etwas gelesen zu haben. Vulkanisch sind sie alle, aber hier gibt es noch heiße Quellen. Richtig, wenn man genau hinsieht, sprudelt Gas in Blubberblasen aus dem Wasser.

Es brodelt und stinkt

Da haben wir uns aber ein schönes Auflugsziel ausgesucht. Nase zu und durch! Niemand von uns mag sich fotografieren lassen, also machen wir einen Kompromiss und fotografieren uns alle gemeinsam. Schließlich ist der Hintergrund zu schön. Ich überlege, wann es wohl möglich sein wird, Gerüche im Blog zu transportieren.

Wir mögen alle keine Fotos von uns!

An der Straße steht eine weitere Infotafel, die von 3€ Eintrittsgeld pro Person spricht. Wir laufen weiter am Seeufer entlang und kommen schlussendlich zu den heißen Quellen. Niemand möchte von uns Eintrittsgeld kassieren, wir haben nicht einmal ein Kassenhäuschen gesehen. Um so besser.

Wasserdampf steigt auf, die Quellen sind wirklich heiß
Blubbert heiß und schweflig!

Abgesehen vom allgegenwärtigen Geruch ist die ganze Angelegenheit sehr spannend. Das Wasser ist wirklich heiß, die Quellen sind abgesperrt, damit sich niemand verbrennt. Zusätzlich hat man noch mehrere Warnschilder aufgebaut.

Zu Risiken und Nebenwirkungen…

Zur örtlichen Folklore gehören hier nicht nur die Kacheln, ebenso gehört auch die Küche dazu. In den heißen Quellen kochen verschiedene Restaurants aus der Gegend über fünf bis sechs Stunden Schmorgerichte in dem heißen Wasser. Nachhaltiger kann man Gulasch sicher nicht herstellen.

Ist es ein Koch? Oder vergräbt er lediglich die Kochtöpfe? Wir wissen es nicht.

Die verschiedenen Restaurants haben jeweils eigene Bereiche, in denen sie ihre Speisen vergraben. Natürlich steht überall ein Schild mit der Telefonnummer.

Tony’s Kochstelle

Wir genießen noch ein paar kühle Getränke am Seeufer und beobachten eine Touristenfamilie und eine Entenfamilie.

Es ist ein Idyll und auf keinen Fall überlaufen hier

Jetzt ist es an der Zeit zu gehen. Noch ein paar letzte Fotos müssen wir aber machen, so jung kommen wir schließlich nicht mehr hierher. Keiner möchte hier weg, wir können uns nicht losreißen. Letztendlich gewinnt aber der Busfahrplan gegen unsere Wünsche.

Das Seeufer aus einer anderen Perspektive

Auf der Karte sah es nach einem steilen Anstieg aus. Normalerweise erwarte ich einen See am untersten Ende eines Kraters. Das ist hier nicht der Fall, der Ort Furnas liegt etliche Höhenmeter unterhalb des Sees.

Wanderkarte der Umgebung

Wir folgen dem gute markierten Wanderweg, der von hier nach Furnas auf einer asphaltierten Nebenstraße verläuft. Mein Knie zickt nicht herum, das gefällt mir gut. Auch dieser drei Kilometer lange Spaziergang ist noch ein schöner Teil unseres Ausflugs, rauscht doch ein Bach unterhalb unseres Weges durch wunderschöne Bäume und Blumen.

Hortensien müssen nicht nur in Horta wachsen. Sieht man auch hier an jeder Hecke.
Rote Baumstämme in grüner Umgebung

Wieder genieße ich das saftige Grün. Die roten Baumstämme sind faszinierend. Vögel zwitschern in den Bäumen und die Straße ist nur ganz in der Ferne zu hören. Das Rauschen des Wassers ist wesentlich lauter.

Es fehlt nur noch die Mühle, die am rauschenden Bach bekanntermaßen klappern soll.

Eine knappe halbe Stunde vor der Busabfahrtszeit sind wir in Furnas. Dort treten sich allerdings die Touristen gegenseitig fast schon tot. Es gibt einen botanischen Garten, der gerade geschlossen wurde. Einige Touristen stehen etwas verloren hinter den Gittertoren, bis sie von einem Parkwächter hinausgelassen werden. An der Kirche befindet sich die Bushaltestelle, gegenüber ist Tony’s Restaurant. Leider reicht die Zeit nicht mehr um herauszufinden, was Tony in den Löchern auf den Schwefeldämpfen schmort. Da die Windvorhersage bescheiden ist, können wir wahrscheinlich noch einmal herkommen. Dann aber mit dem frühen Bus um 7:10 Uhr, praktisch mitten in der Nacht. Dann ist genug Zeit, den ganzen Ort zu erkunden.

Kirche in Furnas

Der heilige Paul

Es ist Sonntag, wir sitzen in Ponta Delgada auf dem Boot. Es ist nichts zu reparieren, eine Ausnahmesituation an Bord von Sissi. Jens hat in der Tourist-Information den aktuellen Busfahrplan für die Insel organisiert, der sich allerdings nicht von dem 10 Jahre alten Fahrplan unterscheidet, den man im Internet finden kann. Die meisten Ziele können wir heute nicht mehr erreichen, doch Mosteiros ist eine Option. Ganz im Westen der Insel gelegen, sieht es auf den Bildern von Google-Maps ganz schön aus. Also nehmen wir unsere Kameras und spazieren zur Bushaltestelle. Der Bus ist pünktlich. Nach einer knappen Stunde Fahrzeit sind wir am Ziel, eine Menschenmenge versperrt die Straße und der Busfahrer verkündet, dass die Fahrt hier zu Ende ist.

Mit Pauken und Trompeten zieht eine Prozession durch den Ort. Aufgrund der Sprachbarriere können wir erst nur herausfinden, dass es sich um keine Beerdigung handelt. Also können wir hemmungslos mit den Kameras filmen. Später recherchiere ich im Internet, dass der heutige Heilige der heilige Paulus ist.

Kirchplatz in Mosteiros

Da die Kirchgänger offenbar gerade alle unterwegs sind, spricht nichts gegen einen kleinen Besuch in der Kirche. Am heutigen Sonntag sind die Türen jedenfalls nicht verschlossen, wie es unter der Woche in so vielen Kirchen der Fall ist.

Altar und leere Kirchenbänke

In der Presse habe ich gelesen, dass die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland wieder einmal zugenommen hat. Ich bin schon vor langer, langer Zeit ausgetreten. Lange vor den Skandalen, die heute immer wieder Thema sind, habe ich mit dem Verein abgeschlossen. Die Pracht der katholischen Kirchen gefällt mir dennoch immer wieder, auch wenn für den Reichtum der Kirche die Untertanen mächtig haben bezahlen müssen.

Seitenschiff mit Taufbecken

Anschließend machen Jens und ich einen kleinen Spaziergang in dem verschlafenen Ort. Viel gibt es nicht zu sehen. Ein Bach fließt durch das Dorf. An der Seite findet sich die Blütenpracht, die überall auf den Azoren zu finden ist. Nach den vielen Monaten in Aruba sind das satte Grün und die vielen bunten Farben für mich immer noch eine Augenweide.

Bachlauf

Anschließend gehen wir herunter zur Küste. Die markanten Felsen konnten wir schon aus dem Bus heraus sehen. Jetzt können wir sie auch fotografieren.

Markante Felsen vor Mosteiros

Ich fange an zu hinken. Seit meiner Kreuzband-OP vor mehr als 10 Jahren passiert das gelegentlich. Ich denke nach und komme zu dem Schluss, dass die Weihnachtsgrotte Schuld ist. Dort mussten wir bei sehr niedriger Deckenhöhe ziemlich in die Knie gehen. Nach solchen Aktionen passiert mir das ab und zu, es geht aber auch nach ein paar Tagen wieder weg.

Kirche von vorne

Der Ort ist klein, wir kommen wieder an der Kirche heraus. Wie es sich gehört, ist gegenüber der Kirche ein Wirtshaus auf dem Kirchplatz. Dort suche ich mir einen Tisch und mache die Internetrecherche für den Heiligen des Tages. Derweil spaziert Jens noch eine weitere Runde, bis zur Abfahrtszeit des nächsten Busses dauert es noch über eine Stunde.

Wirtshaus auf dem Kirchplatz

Ich genieße ein Bier und beobachte die Menschen um mich herum. Das Leben geht einen gemächlichen Gang, die Kellnerin hat auch keine Eile. Sie liefert lecker aussehende Teller an die anderen Tische. Ich bin hin- und hergerissen. Eigentlich bestelle ich mir keine Muscheln, doch die hier servierten Muscheln sehen lecker aus. Auch der Küchengeruch würde mich nicht von einer Bestellung abhalten. Wenn wir noch zwei Stunden länger bleiben, reicht die Zeit für eine Mahlzeit.

Sonntagnachmittag in Mosteiros

Auf der eigentlich stark von Touristen frequentierten Insel ist es selten, dass man nur Portugiesisch hören kann. Vielleicht sitzen hier noch ein paar Touristen aus Portugal, doch ansonsten bin ich der einzige Fremde. Jens kommt ein paar Minuten vor der Abfahrtszeit zurück, hat aber keine Lust auf ein Essen an diesem schönen Ort. Schade.

Mensch und Tier lassen es ruhig angehen

An der Bushaltestelle werden wir von zwei Deutschen angesprochen, die keine Masken dabei haben und wissen wollen, ob diese im Bus gebraucht werden. Wir können aushelfen. Die öffentlichen Busse und Taxis sind die letzten Orte, an denen noch Maskenpflicht herrscht. Die Busfahrer setzen diese auch durch. Zum Abendessen landen wir in einem gar nicht so guten Restaurant in Ponta Delgada. Ich trauere dem kleinen Restaurant auf dem Kirchplatz ein wenig hinterher.

Marisqueira Jacob

Die grüne Tristesse

Eines Abends, in einer Pizzeria in Horta, trafen wir einen Mann, der mit seiner Tochter den Urlaub auf den Azoren verbrachte. Er fand die Inseln furchtbar langweilig. Man könne dort ja gar nichts unternehmen. Es sei alles nur grün. Läuft man über einen Hügel sieht man wieder nur Grün. Geht man ein paar Ecken weiter, ist immer noch alles grün. Außerdem steht hinter jeder Ecke eine Kuh. Man sieht überall nichts außer Kühen. Er stellt sich seinen Urlaub offenbar anders vor. Partyinseln sind die Azoren jedenfalls nicht. Zumindest so, wie ich sie kennengelernt habe.

Die grüne Hölle

Ich habe das ganze Grün bisher nur aus dem Auto oder dem Bus betrachte, und war noch gar nicht so richtig mittendrin. Das wollte ich nun ändern und brach zu einer Wanderung in den Naturpark in der Nähe von Serreta auf. Wir sind dort ein paar Tage zuvor mit dem Bus durchgefahren und ich wusste sofort, dass ich dort nochmal hin muss.

Fingerhut. Einfach nur öde.

Es ist 7:30 Uhr als mein Wecker klingelt. Der Bus fährt zwar erst um 9:00 Uhr, aber ich muss Jörg vorher noch mit einer Kanne Kaffee bestechen, damit er mich dem Dinghi an Land fährt. Würde ich alleine fahren, sitzt Jörg den ganzen Tag auf dem Boot fest. Das ist der Nachteil vom Ankern. Nach einer Dreiviertelstunde Busfahrt bin ich in Angra und habe dort genug Zeit, mich in ein Café zu setzen und zu frühstücken, bis mich der nächste Bus nach Serreta fährt.

total langweilige Pfade

Nach meinem Frühstück stelle ich mich an die Haltestelle und warte. Ich warte und warte, doch der Bus kommt nicht. Eine Frau, die auch wartet, steht irgendwann auf und verschwindet. Dieser Bus fährt wohl nicht. Zu Fuß mache ich mich also auf den Weg. Ich will erst mal aus der Stadt raus und dann mein Glück per Anhalter versuchen. Es dauert keine 15 Minuten bis ein Wagen anhält und mich mitnimmt. Der Mann meint, ich sei ja wahnsinnig, zu Fuß zu gehen. Serreta liegt ja am anderen Ende der Insel. Er springt in die Rolle des Fremdenführers und erklärt mir in jeden Ort den wir durchfahren, wo man baden kann und welches Restaurant das beste ist.

Ein Baum. Gibt’s überall auf der Welt. Gähn.

An der Straße, unterhalb des Wanderparkplatzes, steige ich aus, bedanke mich für die Mitfahrgelegenheit und laufe los. Der Parkplatz ist Startpunkt für drei verschiedene Routen. 7 km, 10 km, und 22 km. Ich entscheide mich für die 10 km. Die Route geht durch Wälder nach unten an die Küste und endet im Mata de Serreta, dem Park, den ich aus dem Bus gesehen hatte.

Alles andere als aufregend. Wo geht’s denn hier zur nächsten Bar?

Viel mehr habe ich von dieser Wanderung eigentlich gar nicht zu berichten. Ich bin mit einigen Stopps für Fotos und einer Mittagspause etwa 4 Stunden durch die wirklich wunderschöne Landschaft gelaufen. In der ganzen Zeit bin ich keinem einzigen Menschen begegnet und habe keine Autos oder die Geräusche von irgendwelchen Maschinen gehört. Nur das Zwitschern von Vögeln und das Rauschen des Windes in den Baumkronen.

Eine Steilküste. Laaaaaaaangweilig.

Den Rückweg nach Praia bin ich dann auch wieder per Anhalter gefahren. Es wäre zwar noch ein Bus gefahren, aber Jörg hatte angekündigt, dass er was zu Essen vorbereitet. Und mein Magen hat nach der Wanderung ziemlich laut geknurrt. Es gab leckeres Thunfischsteak. Ich beende diesen Blog noch mit ein paar Fotos von dieser langweiligen Landschaft.

Bäh, Regen! Kein Wunder das hier alles so schrecklich grün ist.
Es ist wahr. Grün hinter jeder Ecke. Entsetzlich.
Auf die nächsten Bilder sind sehr grün. Du musst wirklich nicht weiter scrollen.
Im nächsten Urlaub flieg ich zum Ballermann. Da passiert wenigstens was.
Kühe im Regen.