Es ist kalt geworden auf Lanzarote, am Morgen sind es nur 18°C. Wir tragen Pullis. Zumindest ist der Regen durchgezogen, es ist trocken. Und es ist an der Zeit, mal wieder den Standort von Sissi zu verlegen. Wir sind früh aufgestanden und wollen um 10 Uhr abfahren. Unser nächstes Ziel heißt Teneriffa. Das sind von hier aus 130 Meilen zu fahren, die Windvorhersage ist gut. Wir erwarten 15 bis 20 Knoten Wind, damit erreichen wir optimale Geschwindigkeit. Die Wellen sollen nicht höher als zwei Meter sein, das bedeutet eine ruhige Fahrt.
Neues von DHL, dem langsamsten Paketdienst der Welt Ein Paket aus der Heimat hat uns bisher nicht erreichen können. Es ist seit dem 27. November unterwegs zu uns. Seit dem 2. Dezember vermeldet DHL, dass sich das Paket im Zielgebiet und „auf der Straße“ befindet. So viele Straßen gibt es nicht auf Lanzarote, aber unser Paket scheint sie alle befahren zu wollen. Das ist sehr schade, doch die Chapos werden es hoffentlich für uns abholen und in die Karibik segeln können.
Du bist zu lange an einem Ort gewesen, wenn du den Fremdenführer für Gäste aus Deutschland machen kannst. Du bist zu lange an einem Ort gewesen, wenn die Frau im Marinabüro einer Riesenmarina deinen Schiffsnamen kennt. Du bist zu lange an einem Ort gewesen, wenn du den Standort der Katzen kennst, wenn die unvermeidlichen Anhalter in die Karibik es bei deinem Schiff schon gar nicht mehr probieren, mitgenommen zu werden.
Per Anhalter über den Atlantik Gehört habe ich darüber schon viel, gesehen habe ich es erstmals in Lagos. Danach hier in Rubicon. Auf Teneriffa wird es sicher nicht anders sein. Junge Menschen mit mehr oder minder großen Rucksäcken laufen die Stege ab. Sie fragen bei allen Booten, die den Eindruck erwecken, dass sie in die Karibik fahren möchten, ob noch Hände gebraucht werden. „Hand gegen Koje“ möchten sie machen, also sich die Überfahrt über den Atlantik erarbeiten. Sicherlich ein verlockender Gedanke, bei der dreiwöchigen Überfahrt nicht nur zu zweit zu sein. Andererseits ein verstörender Gedanke, gemeinsam mit zwei Fremden drei Wochen lang im engen Segelboot aufeinander zu hocken. Wir nehmen niemanden mit, wir sind komplett.
Beinahe seeklar Seit gestern Nachmittag sind wir wieder einigermaßen seeklar. Heute sind wir schon um 7:30 Uhr aufgestanden, um die restlichen Vorbereitungen zu treffen. Wie immer müssen wir Sissi auf links drehen. Die Liegezeit im Hafen hinterlässt immer ihre Spuren. Es ist nur noch die Frage zu klären, ob wir den Parasailor ausgraben oder mit der neuen Genua segeln.
Wir haben eine leckere Mahlzeit für heute eingekauft, auch wenn ich befürchte, dass Jens sie wieder einmal mit Neptun teilen wird. Immerhin sind wir seit knapp einem Monat auf Lanzarote. Auf Teneriffa wollen wir nicht so lange bleiben. Der Starttermin für die Atlantiküberquerung ist beinahe erreicht.
Wortspiele mit dem Begriff „Rubikon“ drängen sich in meinem Hirn nach vorne. Letztendlich stimmt es in gewisser Weise auch. Wir sind an einem Punkt, an dem es sich nur noch schwer umkehren lässt. Mit jeder Meile, die wir weiter nach Westen segeln, wird es schwerer. Der Rubikon ist überschritten, Karibik, wir kommen!
Wir wünschen allen in der Heimat einen schönen 2. Advent. Macht etwas, was euch Spaß macht! Wir tun es. Wir segeln bei besten Bedingungen von Lanzarote nach Teneriffa. Adios für heute. Adios Lanzarote.
Ende gut, alles gut. Wir haben eine neue Genua gekauft und diese ist bei uns auf dem Schiff. Insofern hätte das alles schlechter enden können. Immerhin haben wir jede Menge Mehrwertsteuer eingespart. Allerdings frage ich mich, ob wir diese Genua überhaupt noch einmal mit in die EU nehmen dürfen. Vielleicht sollte ich nicht darüber schreiben?
Es fing alles damit an, dass wir unsere Genua während der Überfahrt zu den Kanaren zu spät gerefft haben und uns deswegen das Unterliek abgerissen ist. Es fing eigentlich schon beim Kauf von Sissi an, denn die Genua war nicht mehr richtig taufrisch. Der Segelmacher in Stavoren hat uns schon gesagt, dass sie nicht mehr lange halten wird. Deswegen war sowieso schon geplant, unterwegs eine neue Genua machen zu lassen. Blauäugig und unerfahren wie ich bin, wollte ich das auf den Kanaren erledigen. Dort sind viele Segelboote, wo Segelboote sind gibt es Segelmacher und Segelmacher machen Segel. Dachte ich. Und auf den Kanaren gibt es keine Mehrwertsteuer, also muss das Segel dort billiger sein. Dachte ich.
Wir trugen unsere Genua also in Puerto Calero zum Segelmacher. Der sollte uns das Unterliek annähen und eine neue Genua machen. Ersteres konnte er anbieten. Danach war die Genua zumindest wieder verwendbar. Letzteres konnte und wollte er nicht.
„Hier auf den Kanaren bestellen alle Leute ihre Segel entweder in Deutschland oder in England. Die Segel sind dort schneller fertig und kosten weniger.“ So viel also zu meinem Plan. Also klemmte ich mich ans Telefon und fand einen Segelmacher in Deutschland, der uns schnell eine Genua nähen und nach Lanzarote schicken wollte. Da wir sowieso eine Woche in Frankfurt eingeplant hatten, war das mit der Wartezeit nicht so schlimm. Mit wurde genau erklärt, was wir alles ausmessen müssen, damit das neue Segel passt. Der Segelmacher in Puerto Calero hat uns noch beim Messen geholfen. So weit, so gut.
Dann ging ich schnell noch an den Computer, habe die Anzahlung nach Deutschland überwiesen und telefonisch geklärt, wie das mit der Lieferung sein soll. Die Lieferadresse habe ich mir aus dem Internet heraus gesucht (Marina Rubicon) und übermittelt. Wir haben inzwischen so viele Lieferungen bekommen, dass es schon zur Gewohnheit wird, der Lieferadresse den Schiffsnamen und meinen Namen voran zu stellen. So weit, so gut.
Montag, 25. November Während unseres Aufenthalts in Frankfurt ruft mich der Segelmacher an und teilt mir mit, dass die Genua versandfertig ist. Er will wissen, ob ich sie nicht lieber nach Frankfurt geliefert haben möchte, damit ich sie selbst mitnehmen kann. Das hätte ich sogar gemacht, wenn unser Rückflug nicht am nächsten Tag gewesen wäre. Das Segel wird also UPS anvertraut. Immerhin haben wir mit diesem Paketdienst noch keine schlechten Erfahrungen gemacht.
Dienstag, 26. November UPS sendet noch vor unserem Rückflug eine Email, dass unsere Genua am Donnerstag geliefert werden soll. Wow, dachte ich. Nur drei Tage von Deutschland bis Lanzarote. Da können sich andere Paketdienste einige Scheiben abschneiden.
Mittwoch, 27. November UPS sendet eine Email, dass unser Segel in Gran Canaria eingetroffen ist. Dann folgen im Dreistundentakt weitere Emails, übrigens alle auf Spanisch, die eine Exception für die Lieferung vermeldeten. Mit Hilfe von Leo können wir herausfinden, dass es darum geht, dass die Genua im Zoll festhängt und es nicht an UPS liegt, dass sie nicht weiter transportiert wird. Egal. Die Genua ist schon ganz in der Nähe.
Donnerstag, 28. November Der Tag der angekündigten Auslieferung. In meiner Mailbox sind schon wieder mehrere Mails von UPS, die weiterhin die Zollabfertigung vermelden. Liebe Leute in Deutschland, ihr wisst gar nicht, wie gut wir es mit der europäischen Zollunion haben. Die Genua bleibt im Zoll, ich komme kaum hinterher, die ganzen Mails von UPS zu löschen. Die haben da eine echte Spam-Maschine installiert.
Freitag, 29. November Es kommt eine Mail von UPS, die die Auslieferung des Pakets für Montag, den 2. Dezember ankündigt. Schön. Das reicht uns. So weit, so gut.
Montag, 2. Dezember Am frühen Nachmittag bekomme ich eine Mail von UPS, dass das Paket hätte ausgeliefert werden sollen, die Marina aber die Annahme verweigert hat. Wir finden heraus, dass es darum ging, dass 210€ Zollgebühren fällig gewesen wären und dass die Marina nicht „das Paket“, sondern „den Papierkram“ abgelehnt hat. UPS sendet eine Mail, dass das Paket nun auf dem Rückweg sei. UPS fragt an, ob die Ware vernichtet werden darf. Jens und ich drehen durch. Die Marina hat uns erklärt, dass bei der Adresse der Zusatz „yacht in transit“ fehlt. Wie bekommen wir diesen Zusatz auf die Adresse? Bei UPS meldet sich niemand mehr.
Dienstag, 3. Dezember Wir versuchen, UPS auf Gran Canaria zu erreichen. Aussichtslos. Bei UPS in Spanien spricht man kein Englisch. Wir sprechen kein Spanisch. UPS in Deutschland können wir von hier aus nicht anrufen, weil die 0180er Nummer nicht aus dem Ausland anrufbar ist. Wir versuchen, die Adressänderung über den Segelmacher zu erreichen. Ich rufe Marcos an, meinen ehemaligen Chef, der Spanisch als Muttersprache kann. Er erklärt sich bereit, mit UPS in Spanien zu telefonieren. Außerdem kann er mit UPS in Deutschland telefonieren. Jutta von der Chapo ruft ihren Sohn an. Der spricht ebenfalls fließend Spanisch. Ihm gelingt es, den Paketfahrer Alberto zu erreichen. Der hat das Paket noch in seinem Auto liegen. Jens überredet den Chef von der Marina, das Paket doch anzunehmen. Zum Glück hat Alberto die schwere Kiste noch nicht wieder aus dem Auto ausgeladen. Alberto will am folgenden Tag noch einmal vorbei kommen.
Mittwoch, 4. Dezember Wir warten gespannt auf Alberto. Ich campiere mit einer Brotzeit in der Nähe des Marinabüros im Schatten. Jens wartet am Boot, falls Alberto das Paket direkt an den Steg fährt. Derweil darf er das Deck weiter streichen. Am frühen Nachmittag ist es dann so weit. Der Lieferwagen kommt.
Alberto liefert das Segel im Marinabüro ab und kassiert die 210€ Zollgebühren. 30 Sekunden später bekomme ich von der Marina eine Rechnung über 270€. Die schlagen einen Haufen Gebühren für die Annahme des Pakets drauf. Egal. Scheißegal.
Alberto bringt uns das Segel dann noch an den Steg und bekommt von Jens ein freundliches Trinkgeld in die Hand gedrückt. Vielleicht wird er noch ein Segel für einen anderen Segler transportieren. Auf jeden Fall macht er keinen unglücklichen Eindruck auf mich, als er die Marina wieder verlässt.
Nun liegt sie da, unsere neue Genua. Wir würden sie gerne hochziehen, doch das ist mit den Windböen derzeit gerade nicht möglich. Das Paket haben wir ausgepackt, die Genua in der Vorschiffskoje verstaut und darauf ein Bier getrunken.
Einerseits hat der Spaß eine Menge Zoll- und Marinagebühren gekostet, andererseits haben wir durch die Lieferung nach Lanzarote eine Menge Mehrwertsteuer gespart. Das ist das Gute daran. Hätten wir das Segel nach Frankfurt liefern lassen, wäre das nicht der Fall gewesen.
Ob wir die neue Genua allerdings wieder nach Deutschland einführen dürfen, weiß ich nicht. Vielleicht müssen wir sie dann noch versteuern. Ich hebe sicherheitshalber mal die Rechnung mit den Gebühren auf. Es geht westwärts, da gilt das deutsche Zoll- und Steuerrecht nicht.
Danke an alle, die uns geholfen haben oder helfen wollten, das Tuch aus dem Zoll zu bekommen. Danke an Alberto, David, Jutta, Marcos, Stefan und Frau N. von der Segelmacherei. Alles ist gut.
Lanzarote liegt in der Passatzone, was dazu führt, dass auf der Insel ganzjährig frische Winde aus Nord bis Nordost wehen. Lanzarote besitzt ein ganzjährig mildes und niederschlagsarmes arides Klima, da die Passatwinde an der relativ flachen Insel meist nicht abregnen. (Quelle: Wikipedia)
Wir sind gerade zwei Stege weit gelaufen und haben unsere T-Shirts wechseln müssen, weil sie durch geregnet sind. Dabei hatten wir schon geduscht. Es regnet auf Lanzarote nur, wenn man am Nachmittag das Deck des Schiffs mit frischer neuer Antirutschfarbe gestrichen hat.
Es regnet dann, wenn man bei Freunden auf einem anderen Schiff zum Abendessen eingeladen ist. Es regnet, wenn man vergessen hat, eine der Dachluken zu schließen. Es regnet, wenn die Schuhe auf dem Steg stehen.
Mit 112 Millimetern Niederschlag pro Jahr ist Lanzarote die trockenste der Kanarischen Inseln. 85 Prozent der Niederschläge fallen von Januar bis März. Die relative Luftfeuchtigkeit beträgt im Mittel 70 Prozent. Im gebirgigen Norden können mit bis zu 300 Millimetern pro Jahr deutlich mehr Niederschläge fallen als im Süden. (Quelle: Wikipedia)
Es regnet in Playa Blanca. Weiter südlich kann man sich auf Lanzarote nicht befinden. Wikipedia ist Mist. Ich habe keine Ahnung, wie wir das Innere von Sissi in den nächsten Tagen wieder trocken bekommen sollen. Natürlich dreht der Wind und natürlich regnet es durch den offenen Niedergang direkt in den Salon.
Unser Großfall schlägt gerade gegen den Mast, der Wind hat gedreht. Keiner von uns ist motiviert, nach dem Wechsel der T-Shirts noch einmal an Deck zu gehen, um den Lärm zu beenden. Es regnet.
Auch am folgenden Morgen peitschen Regenschauer durch die Marina. Der Regen bringt Sand mit, der sich geschmeidig in jeder Ritze an Deck breit macht. Toll.