Ankommen

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Wir sind nur noch ein paar Meilen von Cork entfernt und müssen uns für eine der Marinas entscheiden. Die Entscheidung ist schnell getroffen, wir entscheiden uns für Crosshaven. Dort gibt es in einem Flusslauf gleich drei Marinas, eine von ihnen wird schon Platz für uns haben. Crosshaven ist zwar am Ende der Welt, doch es gibt eine regelmäßige Busverbindung nach Cork. Gegen 14:50 Uhr sehe ich zum ersten Mal Land am Horizont.

Flaute, aber es ist Land in Sicht

Ich wecke Mário, der sich schon lange danach sehnt, etwas anderes als Wasser vor seine Augen zu bekommen. Richtig begeistert ist er nicht, aber das liegt wohl auch an der Müdigkeit. Dann sehen wir die Flossen von ein paar Haien im Wasser. Das weckt die Lebensgeister. Mário beschwert sich ein wenig, denn ich habe ihm Delfine versprochen. Gesehen haben wir außerdem unzählige Seevögel, Portugiesische Galeeren, ein paar Wale und wir haben sogar ein paar Tintenfische an Deck gefunden. Nur Delfine hatten wir noch nicht.

In der Flaute ist auch Gelegenheit für einen Ausflug in den Bugkorb

Zum Abendessen gibt es die Reste des gestrigen Hackbratens, dem ich mit einer Biersauce aus seiner Trockenheit helfe. Lecker. Während Mário das Geschirr spült, sehe ich einigen Vögeln zu, die offenbar Interesse am Wasser unter ihnen haben. Dann erkenne ich den Grund ihres Interesses, einige Delfine befinden sich auf der Jagd. Ich rufe Mário ins Cockpit und er kann einen weiteren Haken auf seiner Liste machen.

Delfine auf der Jagd

Es ist lustig. Immer wieder ziehen Delfine in mehr oder minder großer Entfernung an Sissi vorbei. Der Tisch scheint reichlich gedeckt zu sein. So dauert das Abspülen von ein paar Tellern eine gute Stunde, denn immer wieder wollen Fotos und Videos geschossen werden.

Dieser Delfin begleitet uns ein paar Minuten

Die Nacht wird kurz. Wir wollen gegen 4 Uhr morgens an der Ansteuerungstonne für die Einfahrt nach Cork sein. Also machen wir verkürzte Nachtwachen. Ich bleibe bis um 1 Uhr wach, dann darf ich mir noch drei Stunden Schlaf gönnen. Die gehen viel zu schnell vorbei. Gleich neben der Ansteuerungstonne liegt ein Frachter vor Anker. Nur der Sonnenaufgang lässt noch etwas auf sich warten.

Frachter vor Anker

Dank aller unserer Hilfsmittel (Seekarte, Radar, AIS) und der vor Ort befindlichen Leuchttürme und Tonnen gelingt die Einfahrt auch in der Dunkelheit problemlos. Und es wird von Minute zu Minute heller. Wieder einmal kann ich einen Sonnenaufgang sehen, das geschieht in meinem Leben nicht allzu oft. Es herrscht reger Schiffsverkehr, ein Frachter kommt uns mitsamt Lotsenboot entgegen, gleich darauf folgt der nächste Frachter – diesmal von hinten.

Frachter fährt bei Sonnenaufgang Richtung Cork

Wir biegen ab in den Owenboy River. Mário bringt die Fender raus und sucht die Festmacher, die er vor knapp 13 Tagen verstaut hat. Es findet sich alles wieder, Sissi ist rechtzeitig zum Anlegen bereit. Im Flusslauf selbst liegen recht viele Boote an Bojen. Wir haben gerade Hochwasser, trotzdem sollte man nicht auf der falschen Seite der Bojenfelder fahren. Irgendwo zwischen den Mooringbojen sind dann aber immer mal wieder grüne und rote Tonnen versteckt.

Crosshaven am Morgen

Wir finden einen freien Platz in der Royal Cork Yacht Club Marina. Sissi ist schnell vertäut. Um 6:30 Uhr ist die Reise nach 1280 Seemeilen beendet. Wir sind vollkommen kaputt und wollen erst einmal eine Runde schlafen. Doch vorher schnorren wir noch den Code für die elektrische Tür am Steg bei einem Frühaufsteher. Dann nehmen wir uns die Zeit für eine lange, heiße Dusche. So schläft es sich viel besser! Ich schätze, dass ich in den nächsten Tage nicht allzu viel schreiben werde. Bevor die Geschichte mit Cork weitergeht, habe ich noch einige Bilder aus Santa Maria nachzureichen. Mário bucht schon einmal seinen Heimflug, denn sein Urlaub ist übermorgen vorbei. Während ich diesen Beitrag schreibe, habe ich kalte Füße. Irland ist von der Temperatur her schon eine andere Hausnummer als die Azoren.

Gruta do Figueiral

Heute ist unser erster voller Tag auf Santa Maria. Wir haben eine größere Tour mit dem Auto geplant und wollen zu verschiedenen Orten wandern gehen. Da die Ausbeute an Fotos so groß ist, splitte ich diesen Tag in mehrere Blogs, dann kann ich mehr Bilder zeigen. Als erstes fahren wir zur Gruta do Figueiral.

Weg zur Grotte

Diese „Grotte“ ist komplett von Menschen gemacht, eigentlich ist es eine ehemalige Mine. Es wurden Kalksteine abgebaut. Doch auf den Tafeln am Wanderweg läuft sie als Grotte, auch die Touristenkarte hat sie als Grotte verzeichnet. Vielleicht möchte man auf Santa Maria auch eine Grotte haben.

Außenansicht der Grotte

Von innen jedenfalls ist die Grotte nicht besonders spektakulär. Deutlich sieht man, dass zwischen den Gesteinsschichten lediglich der Kalkstein abgebaut worden ist.

Innenansicht
Ein wenig im Dunklen herumlaufen macht trotzdem Spaß
Spiel von Licht und Schatten

Was Mário an der Grotte fasziniert, ist nicht die Höhle, sondern die Außenseite der Höhle. Hier finden sich tausende fossile Muscheln im Gestein. Mario ist nicht nur begeistert von den Gesteinsformationen, die man in dieser Form auf seiner Insel Sao Miguel nicht findet, sondern insbesondere von den Fossilien. Die sind zu einer Zeit entstanden, als sich die Insel aus dem Atlantik gehoben hat.

Fossile Muscheln im Dutzend

Hand aufs Herz. Ich hätte diese Fossilien gar nicht bemerkt, wenn sie mir nicht gezeigt worden wären. Ein Dröhnen tönt durch die Grotte. Zunächst denke ich an Motorräder, doch es gibt hier weit und breit keine Straße. Auf dem Wanderweg wird man auch mit einem kleinen Zweitakter keine Freude haben.

Zwei Arbeiter kümmern sich um die Pflege des Wanderwegs

Mit großen Rasentrimmern halten zwei Arbeiter das Gras auf dem Wanderweg niedrig. Mário erklärt mir, dass das nötig ist, sonst würde sich die Natur innerhalb kürzester Zeit die Wege zurück holen. Gerade im Winter, wenn es viel regnet, wächst das Gras wie Unkraut. So viele Wanderer gibt es hier nicht, dass sie den Weg alleine frei trampeln würden. Spannend.

Küstenlinie vor der Grotte

Wir haben noch einiges vor, deswegen spazieren wir wieder gemütlich zurück zum Auto. Mário pflückt bei jeder Gelegenheit wieder Brombeeren. Ich nutze die Gelegenheit, verschiedene Pflanzen mit ihrer Blütenpracht aufzunehmen.

Zurück am Auto machen wir erst einmal ein zweites Frühstück. Anschließend geht es weiter in die Wüste. Das jedoch ist Thema des nächsten Blogs.

Der wird jedoch erst in ein paar Tagen erscheinen können, denn wir sind gerade mitten auf dem Atlantik. Wir sind auf dem Weg nach Europa und wissen noch nicht so recht, wo wir ankommen werden. Die Windvorhersage ist einigermaßen instabil. Mögliche Ziele sind Cork in Irland, Brest in Frankreich oder notfalls A Coruna in Spanien…

Erste Inseltour auf Santa Maria

Am Morgen nach der Überfahrt trennen sich erst einmal die Wege von Mário und mir. Er trifft sich mit seinem Vater, den er zu seiner Arbeitsstelle fahren muss. Dann können wir das Auto haben. Ich wiederum gehe zum Hafenmeister und kümmere mich um den Check-In. Das geht erfreulich schnell und unbürokratisch, zum Abschluss bekomme ich eine Karte der Insel ausgehändigt.

Santa Maria

Los geht es! Ohne größere Vorbereitung der Tour suchen wir uns vielversprechende Orte heraus. Als erstes zieht es uns zum Monumente Natural Pedreira Do Camo, Figural E Prainha. Das ist gar nicht weit weg von der Marina. Die Insel ist so klein, dass eigentlich kein Ort besonders weit weg ist.

Pannoramblick

Im Unterschied zu den anderen Azoreninseln ist diese hier nicht überall so satt grün. Ein willkommener neuer Anblick. Auch die hiesigen Kühe sehen anders aus. Im Gegensatz zu den Schwarz-weißen Milchkühen auf den bisher besuchten Inseln sind diese hier braun. Mário meint, dass es sich um Kühe für die Schlachtung handelt.

Fleischkuh. Lecker auf der Wiese.

Auffällig ist, dass diesen Kühen die Hörner nicht entfernt worden sind. Auf den anderen Inseln kann man Kühe und Bullen darüber unterscheiden, die Hörner werden entweder weggeätzt oder abgeschnitten – beides keine schöne Prozedur für die Tiere.

Steinbruch

An einem Steinbruch können wir sehen, wie sich die verschiedenen Schichten der Insel übereinander türmen. Mário ist begeistert, er interessiert sich sehr für die verschiedenen Sedimente und die Entstehungsgeschichte der Insel. Im Gegensatz zu den anderen Inseln ist Santa Maria keine Lavainsel, sondern das Land wurde durch die vulkanischen Aktivitäten über die Jahrmillionen nach oben gedrückt. Der Steinbruch sieht zunächst verlassen aus, nach der Mittagspause beginnen jedoch die Aktivitäten.

Maschinerie. Hier werden die Steine zerkleinert.

Wir folgen dem schmalen Weg bis ans Ende und erhaschen einen schönen Blick über die Marina. Eine schöne Gelegenheit, dem Blog einmal die neue Crew der Sissi vorzustellen:

Crew der Sissi, Sissi liegt im Hintergrund.

Der Rückweg aus der Sackgasse beginnt langsam, denn am Wegesrand stehen jede Menge Brombeeren. Die will Mário sofort einsammeln und vernaschen. Er betrachtet es als einen Wettbewerb zwischen ihm und den Vögeln, wer die meisten leckeren süßen Brombeeren bekommt. Ich probiere ein paar, die meisten sind nicht süß sondern noch sauer.

Unser „Mietwagen“ zwischen den Brombeeren
Ob rot ob schwarz, sauer sind sie alle.

Wir könnten jetzt zu einer Wanderung aufbrechen, sind aber nicht so richtig vorbereitet. Außer etwas Wasser haben wir nichts dabei. Wir entscheiden uns dafür, unsere Inseltour mit dem Auto fortzusetzen. Mário war zuletzt als Kind auf Santa Maria, ich noch nie. Insofern ist es eine gute Gelegenheit, ein Gefühl für diesen Ort zu bekommen. Nach wenigen Minuten schon kommen wir an der üblichen Ankerbucht an.

Baia da Praia Formosa

Es ist wohl dem leeren Hafen geschuldet, dass hier keine Boote ankern. Ein Dinghi kann man nicht anlanden, man muss bis zum Hafen fahren. Das wäre für unser Dinghi schon die maximal mögliche Strecke, doch wir haben ja einen schönen Liegeplatz bekommen. Das Dinghi ist gut verpackt unter Deck. Weiter geht es über Berg und Tal bis an die südöstliche Spitze von Santa Maria. Dort steht ein schöner Leuchtturm. Außerdem haben es sich Menschen auf der Wiese bequem gemacht, denn hier kann man regelmäßig Wale vorbei schwimmen sehen.

Ponta do Castelo

Ich entdecke einen Wasserfall auf der Straßenkarte. Natürlich müssen wir einen Abstecher machen. Die Straße ist eng und steil. Ich frage Mário, warum er vor den uneinsichtigen Kurven nicht hupt. Ihm ist das Hupen zuwider, anscheinend ist er kein richtiger Portugiese. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Wasserfall passieren wir einen kleinen Ententeich. Die sehr lecker aussehenden Vögel machen viel Lärm und lassen sich durch uns kaum aus der Ruhe bringen. Dann stehen wir vor der Kaskade. Wir können sehen, dass es in den letzten Tage nicht viel geregnet hat. Es fällt nur wenig Wasser den Felsen herunter. Trotzdem ist es beeindruckend.

Den gesamten Eindruck solcher Naturspektakel können Fotos niemals richtig wiedergeben.

Nach ein paar Minuten gehen wir zurück zum Wagen. Mário touchiert auf unserem Weg zurück zur Hauptstraße mit dem Außenspiegel eine Mauer. Es stellt sich als winziger Kratzer heraus, doch Mário meint, dass sein Vater diesen Kratzer finden wird. Mir fällt er nicht auf.

Sao Laurenco

Je weiter wir in den Nordosten der Insel vordringen, desto mehr nähert sich die Vegetation den übrigen Azoreninseln an. Es wird grüner, wir finden andere Pflanzen. Oberhalb des Dorfes sehen wir die Terrassen für den Weinanbau. Die Hänge sind noch steiler, als ich es von der Mosel her kenne.

Esel. Angelockt mit Gras von der anderen Straßenseite.
Futterneid gibt es natürlich auch bei den hiesigen Eseln.

Schon zu Beginn unserer Tour habe ich Mário instruiert, dass er sofort anhalten soll, wenn wir Esel sehen. Ich bin gerade mit der Straßenkarte beschäftigt, als er plötzlich die Esel sieht, die auf einer Weide recht weit entfernt von der Straße stehen. Natürlich haben wir keine Karotten dabei. Aber es ist leicht, sie mit saftigem Gras von der anderen Straßenseite anzulocken. Alle Esel ticken gleich. Diese hier sind sogar sehr freundlich, sie lassen sich zwischen ihren langen Ohren kraulen.

Nach ersten Berührungsängsten streichelt Mário die freundlichen Tiere.

Es ist Zeit, zurück zum Hafen zu fahren. Mário muss seinen Vater von der Arbeit abholen. Zwischendurch stoppen wir noch an einem Supermarkt und besorgen das Abendessen. Die Hähnchenschenkel sehen etwas größer aus als normal und kommen in Wirklichkeit vom Truthahn. Nach angemessener Grillzeit erweisen sie sich als sehr lecker. Ein schöner Ausklang eines wunderbaren Tages.

„Hähnchenschenkel“ mit Reis und Lauchgemüse