Der erste Spaziergang in Kuba

Am frühen Nachmittag bringt uns Norbert die schriftliche Bestätigung des negativen Covid-Tests. Die müssen wir jetzt gemeinsam mit den Visa in unsere Pässe legen und immer mitführen, wenn wir auf der Insel unterwegs sind. Damit ist es offiziell – wir dürfen die Marina verlassen und Kuba besuchen.

Schisserkatze

In der Mittagssonne mache ich mich gleich auf und unternehme den ersten Spaziergang. Ich sehe mir den Fähranleger an, von dem wir morgen nach Santiago fahren wollen. Die Fähre geht um 6:20 Uhr, ich bin gespannt, ob wir rechtzeitig aus dem Bett kommen. Jens bleibt an Bord, er hat keine Lust in der Mittagssonne herumzulaufen. Ihm reicht das Wissen, dass er herumlaufen dürfte. Der Fähranleger ist ohne Fähre kaum als solcher zu erkennen. Lediglich ein kleines Dach, das Schatten gibt, weist auf das öffentliche Verkehrsmittel hin.

Raffinnerie

Ich laufe weiter, suche die Bushaltestelle in die Stadt. Ich kann sie nicht finden. Statt dessen finde ich einen Ort, von dem aus die Raffinnerie gut zu sehen ist, die uns seit Tagen mit ihren Abgasen beglückt.

Vollbesetzte 125er Suzuki

Auf der Straße sind praktisch keine Autos unterwegs. Der wenige Individualverkehr wird mit kleinen Motorrädern durchgeführt. Ich sehe eine MZ ETZ 250, ein Motorrad aus der DDR, das ich seit Jahren nicht gesehen habe. Sie sieht wunderschön in Schuss aus und bevor ich die Kamera heben kann, ist sie schon durch. Dafür kann ich eine kleine Suzuki ablichten, die voll besetzt einen Hügel erklimmt.

Dreirad aus einer Schwalbe mit getuntem Motor

Völlig dem Klischee entsprechend gibt es auch hier in Punta Gorda, dem Ort in dem sich die Marina befindet, eine ganze Plattenbausiedlung. Oder so ähnlich. Sozialistische Einheitsarchitektur. Auf dem Dach eines jeden Gebäudes befindet sich ein Wassertank, der für den Wasserdruck sorgt. Wir wissen aus der Marina, dass das Wasser aus der Wasserleitung nur tröpfelt.

Einheitsarchitektur mit Lada

Während meines Spaziergangs überholt mich ein alter Lada. Auch er ist sehr gut in Schuss, wenn die Kubaner einen PKW oder ein Motorrad besitzen, halten sie ihre Fahrzeuge tipptopp in Ordnung.

Der Lada sieht noch super aus

Das LKW-Wrack ist sicherlich nicht zum Verrosten hier abgestellt, es sieht eher so aus, als solle der Wagen wieder aufgebaut werden. Ein Fahrzeug wirft man auf Kuba nicht einfach so auf den Schrott.

Die andere Schisserkatze

Zwei kleine Katzen haben Angst vor mir. Kaum hebe ich die Kamera an, verschwinden sie in ihren Verstecken.

Kein Schrott

Im kleinen Laden finde ich eine Flasche Rum aus Santiago de Cuba, die will für nur 7 US$ unbedingt mit an Bord, ich tue ihr den Gefallen. Rum ist ein wirklich günstiges Getränk auf Kuba. Der Rum schmeckt sogar ziemlich gut, Jens und ich haben ihn gleich getestet.

Völlig anderer Blickwinkel

Aus der Höhe sieht der Blick auf Sissi und die Fähre ganz anders aus als in der Marina. Ich habe Freude daran, andere Blickwinkel zu sehen und den neuen Ausblick zu genießen.

Der Wermutstropfen an der ganzen Geschichte: Kaum habe ich die Marina verlassen und das Gittertor hinter mir geschlossen, steht sofort ein Einheimischer vor mir und fragt mich, ob ich Geld wechseln möchte. Er würde mir einen Kurs von 1:1,30 bieten. Der offizielle Kurs für den Umtausch von konvertiblen Pesos zu Dollars ist 1:1. Schwarzmarkt eben, an Dollars kommen sie hier auf Kuba nicht unbedingt heran. Er bietet mir auch einen Taxiservice nach Santiago an, der billiger wäre als der offizielle Taxipreis. Außerdem hätte seine Mutter eine Waschmaschine und deswegen könne er mir Wäschereidienste anbieten. Darauf werden wir auf jeden Fall noch zurückkommen.

Falls wir alte Handys, Computer oder sonstige Elektronik an Bord hätten bietet er mir einen guten Preis dafür an. Wir haben aber nur neue Handys, Computer und Elektronik an Bord. Merke: Wenn Du nach Kuba reist, nehme den ganzen Elektroschrott mit, der sonst in Deutschland in der Recyclingtonne landen würde. Das Zeug ist hier echt noch was wert.

Rum aus Santiago – gut und günstig

Während Jens und ich den Rum genießen kommt Norbert ans Boot. Leider können wir nicht über Weihnachten nach Havanna fahren, der Zug ist ausgebucht. Wir werden am 31.12. in den Zug nach Havanna steigen und bis zum 6. Januar dort bleiben, für diese Verbindung konnte Norbert uns noch eine Reservierung besorgen. Es gibt übrigens nur einen Zug. Der fährt alle vier Tage von Havanna nach Santiago und alle vier Tage von Santiago nach Havanna. Morgen werde ich zum Bahnhof gehen und mir den Zug anschauen, denn morgen ist eine Fahrt ab Santiago geplant. Ich bin gespannt.

Negativ ist positiv!

Heute früh werde ich um 8:30 Uhr durch den laute Rufe von Norbert geweckt. Jens ist schon wach und trinkt im Cockpit Kaffee, doch Norbert möchte den Käptn sprechen. Also wühle ich mich aus dem Moskitonetz und klettere ebenfalls ins Cockpit. Norbert hat noch kein Testergebnis für uns, sagt aber, dass er gleich telefonieren wird. Dass ich wegen solch einer Nichtigkeit geweckt werde, macht mich erst einmal unleidlich, doch mit ein paar Tassen Kaffee sieht die Welt schon anders aus.

Eine Stunde später kommt Norbert wieder und bringt uns die guten Nachrichten: Unsere Testergebnisse sind negativ. Das ist sehr positiv. Nach 93 Stunden Wartezeit und etwa 10 Tagen Isolation seit Aruba. Wir machen Flaggenparade und ziehen die Quarantäneflagge runter, den Kubaner rauf. Es fühlt sich gleich viel besser an, nicht mehr in Quarantäne zu sein. Der Spaziergang durch die Umgebung der Marina und die Fahrt nach Santiago müssen noch warten, denn wir brauchen noch das schriftliche Testergebnis. Wenn wir uns dann in Kuba bewegen, müssen wir neben unseren Reisepässen noch die Visa und das negative Testergebnis mit uns führen. Okay, so lange kann ich noch warten. Es geht voran.

Der Zoll, die Lebensmittelkontrolle und der Veterinär sind nicht gekommen. Damit haben wir keine Probleme. Wir brauchen beide keine Horde von Offiziellen, die unser Boot durchwühlen, alles auf Links drehen und Unordnung hinterlassen. Norbert erklärt uns das folgendermaßen: Wären wir aus Jamaika gekommen, hätte sich der Zoll garantiert für uns interessiert. Jamaika ist bekannt für Marihuana und Kuba hat in dieser Beziehung eine Null-Toleranz-Politik. Da wir aber aus Aruba kommen, sind wir für den Zoll nicht interessant.

Kleine Geschenke. Wir dürfen nicht sagen woher. Es gibt soooo viele Regeln hier.

Nun können wir für die kommenden Tage planen. Norbert hat am Bahnhof angerufen und herausgefunden, dass der Zug nach Havanna alle vier Tage fährt. Die nächste Abfahrt ist morgen, das ist Jens und mir aber zu früh. Also wird Norbert für uns eine Reservierung für den 23.12. machen, dann sind wir am Morgen des 24.12. in Havanna. Er kümmert sich auch für uns um eine private Unterkunft, damit wir nicht in ein teures Hotel müssen. Wir freuen uns. Außerdem tauscht Norbert für uns ein paar US$ in konvertible Pesos, dann müssen wir nicht in der Geldwechselstube in der Schlange stehen.

Konvertible Pesos. Sind 1:1 mit dem US$ eintauschbar und nur noch bis zum Jahresende in Gebrauch. Dann kommt eine Währungsreform.

Wenn wir unsere Papiere in der Hand haben, kommt heute Nachmittag erst einmal ein Spaziergang in der Umgebung der Marina an die Reihe. Auch in einem einigermaßen unfreien Land kann man das Gefühl von Freiheit erleben.

Quarantäne Tag 4 – 72 Stunden plus X

Am vierten Tag in Kuba sind wir immer noch in Quarantäne. Uns ist die frische Nahrung ausgegangen, wir haben mit 48 bis 72 Stunden Wartezeit gerechnet, bis die Testergebnisse da sind. Heute früh fängt es ganz ordentlich an. Ich bin noch im Bett als Jorge zu Sissi kommt und mit Jens spricht. Er würde in einer halben Stunde mit dem Anruf rechnen, der das Testergebnis übermittelt. Aus der halben Stunde wird zunächst eine ganze Stunde, dann werden es zwei Stunden und dann drei. Die Uhr läuft weiter, das Testergebnis lässt auf sich warten.

Emilia läuft ein

Wir schneiden ein Video zu unserem Quarantänesong, Bildmaterial haben wir genug. Auch sonst ist die einzige Abwechslung, entweder die vorbeifahrenden Frachtschiffe abzulichten, Aufnahmen von den Fähren zu machen (ist langweilig, wir haben jetzt wohl alle Bilder, die man von der Marina aus machen kann) oder die Pelikane bei der Jagd zu beobachten. Hier ist die Herausforderung, den Pelikan beim Eintauchen zu erwischen. Das ist mir auf Kuba noch nicht gelungen, die einzige derartige Aufnahme bisher ist mir auf Bonaire gelungen.

Der Pelikan fliegt

Jorge hat uns gefragt, ob wir auf Sissi irgendwas haben, mit dem er seine Enkel beglücken kann. Norbert hat gefragt, ob wir von den guten FFP2-Masken ein paar für seine Frau uns seine Tochter abgeben können. Können wir, ich gebe ihm eine Packung mit fünf Stück. Der dritte Hafenmeister hat bislang noch nicht gebettelt.

Lotsenbootrennen

Jens backt wieder ein Brot. Das erste Brot war schnell gegessen, wir haben Norbert auch ein Stück abgegeben. Bei den hiesigen Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit lässt es sich nur wenige Tage aufheben. Gutes Brot ist rar in Kuba, die Leute bekommen es wohl gegen Lebensmittelmarken und können es nicht einfach so im Laden kaufen. So habe ich Jorge jedenfalls verstanden.

Ocean Legacy läuft aus

Ein weiterer Marinaangestellter hat gefragt, ob wir vielleicht ein altes Handy an Bord haben, das wir nicht mehr brauchen. Klar haben wir so ein altes Tastenhandy für Notfälle noch an Bord, das habe ich ihm bisher aber nicht verraten. Man muss nicht gleich das ganze Pulver an den ersten Tagen verschießen. Ich werde ihm das Nokia gerne geben, aber nicht sofort. Jens hat ein altes Schweizer Taschenmesser für die Enkel ausgegraben.

Diego läuft ein

Wir spielen drei Partien Schach, von denen ich alle drei verliere. Ich mache dumme Fehler. Das liegt sicherlich nicht an der Brillianz von Jens‘ Spiel, sondern auch daran, dass ich langsam die Nase voll von der Langeweile habe. Wenn das Internet nicht so teuer wäre, könnten wir Netflix schauen. Schnell genug ist es. Um ehrlich zu sein: Wir haben hier die schnellste Internetverbindung, die wir in der Karibik je hatten.

Jens hält Ausguck nach einem Schiff

Youtube sperrt unser Quarantänevideo natürlich, schließlich ist es eine offenkundige Copyright-Verletzung. Also lade ich den Song auf den eigenen Webspace hoch, dort hat Google keine Möglichkeiten…. Viel Spaß!

Wenn wir morgen kein Testergebnis bekommen, werde ich langsam aber sicher unleidlich. Ich bin nicht nach Kuba gefahren, um ewig in der Marina herumzusitzen. Das Ambiente ist zwar schön, es hat sich inzwischen jedoch ein wenig abgenutzt. Wenn man die Zeit der Überfahrt hinzu rechnet, sind wir seit neun Tagen in Quarantäne.

Marinito kommt in die Marina