Zu diesem Beitrag hat mich Micha inspiriert. Es gibt nämlich überall nette und freundliche Menschen, man findet aber auch überall egoistische Ar***löcher.
Pock pock pock. Ich liege in meinem Bett und schlafe noch. Ich träume von leckerem Essen oder schönen Frauen oder was auch immer. Pock pock pock pock pock. Langsam verfliegen die Träume. Ich kehre dem Reich der Schlafenden den Rücken. Hat es da nicht irgendwo geklopft? Ich drehe mich um und versuche, noch ein paar Minuten zu schlafen. Bumm bumm bumm bumm bumm bumm. Es klopft definitiv jemand an meiner Bordwand.
Ich vernehme eine Stimme, als würde jemand rufen. Okay, vielleicht ist es der Hafenmeister. Vielleicht gibt es ein Problem mit Sissi. Ich krabbele aus dem Bett und erklimme die Treppe ins Cockpit. Meine Brille liegt noch irgendwo im Salon, wo ich sie gestern Abend hingelegt habe. Ich schaue aus dem Cockpitfenster und sehe niemanden. Was habe ich denn da geträumt? Ja, ich gebe zu, gestern Abend ist es etwas später geworden. Mário war an Bord, der mit mir nach Europa segeln möchte. Wir haben das eine oder andere Gerstenkaltgetränk zu uns genommen. Normalerweise vertrage ich das ja und höre am nächsten Morgen keine Stimmen. Klopfen höre ich normalerweise auch nicht.
Jetzt höre ich die Stimme wieder. Ganz hinten steht ein Mann auf dem Fingersteg. Also direkt neben meiner Schlafkoje. Dann hat er wohl auch dort geklopft. Er brabbelt irgendwas auf Englisch mit starkem französischen Akzent. Ich verstehe ihn nicht, aber das ist ohne Morgenkaffee kein Wunder. Ich hoffe, dass es wichtig ist. Ich gehe wieder nach unten und setze meine Brille auf. Dann gehe ich wieder rauf und sage bonjour.
Der Mann fragt mich, ob er mich geweckt hat. Ich antworte freundlich mit ja. Genau so freundlich, wie ich ohne Kaffee antworten kann. Wer mich kennt, kennt auch das Niveau meiner Freundlichkeit. Das hat jedoch noch nicht genügt, um den Mann zu vertreiben. Komisch. Normalerweise laufen die Leute dann entsetzt davon. Doch der Mann scheint ein wichtiges Anliegen zu haben. Er fragt, ob er meinen Stromstecker für sechs Stunden aus der Steckdose ziehen kann.
In den meisten Marinas sind Steckdosen Mangelware. Es gibt nicht für jeden Liegeplatz eine Steckdose. Eine Ausnahme ist die Renaissance-Marina in Aruba, da gibt es wirklich für jeden Liegeplatz eine Steckdose. Manche Segler greifen da zu kreativen Lösungen, wie zum Beispiel zu den Adaptern, die aus einer Steckdose zwei oder drei machen. Wenn sich dann alle beim Stromverbrauch ein wenig beschränken, ist das meiner Meinung nach eine sehr schöne Lösung. Ich habe einen solchen Adapter nicht, sondern ich habe Adapter für alle Steckdosenformate. Sissi ist gerade unten links eingesteckt, das ist die normale 1-Phasen-230V-Steckdose. Die beiden roten Steckdosen haben 3 Phasen. Auch dafür kann man sich Adapter bauen. Als wir Sissi hier festgemacht habe, war die Steckdose unten links jedoch frei. Also haben wir das Boot eingesteckt.
Sissi funktioniert sehr gut, wenn der Landstromstecker nicht in der Steckdose ist. Das ist zum Beispiel auf den Ozeanpassagen oder vor Anker der Fall. Das einzige, was dann nicht funktioniert, ist der elektrische Wasserkocher. Den brauche ich zum Überleben, besonders heute nach diesem rüden Wecken am frühen Morgen um 9 Uhr. Mit dem Gasherd wird das Wasser auch heiß, es dauert aber länger. Außerdem muss ich das Gas bezahlen, der Strom ist im Marinapreis mit drin. Aus Erfahrung weiß ich, dass es nicht bei sechs Stunden bleiben wird, wenn mein Stecker einmal herausgezogen ist. Es wird wahrscheinlich eher zu einer feindlichen Übernahme der Steckdose kommen. Außerdem bin ich nicht hilfsbereit, wenn mich morgens jemand wegen einer solchen Lappalie weckt. Mein Französisch läuft seit Guadeloupe wieder wie geschmiert. Ich frage ihn, ob er einen Adapter hat. Er hat keinen. Damit kann er mir gestohlen bleiben. Jetzt brauche ich nur zwei bis drei Dutzend Worte, um den Mann zu verscheuchen. Worte, die ein ein Stachel ins Fleisch bohren. Worte, die man nicht im Schulunterricht lernt. Später am Tag sehe ich, dass es sich bei seinem Boot um einen fetten Katamaran handelt. Ich liebe diese Menschen.
Ich hätte ihm sagen können, dass die Samai ihren Strom gar nicht braucht. Die sind nämlich mit dem Auto unterwegs auf der Jagd nach dem Azorengimpel. Habe ich aber nicht. Ich koche mir meinen Kaffee, setze mich ins Cockpit und sinniere über die „Gemeinschaft“ der Segler. In den Augen der meisten Katamaran-Leute ist Sissi nur ein Stück Plastikmüll, das im Ozean treibt. Und ich bin wohl so etwas wie der Obdachlose vor dem Kaufhaus. Ich kann mir nicht einmal ein anständiges Schiff leisten. Der Kaffee wirkt. Ich mache mich auf den Weg zum Supermarkt, Sissi muss für die anstehende Ozeanpassage bevorratet werden.
Disclaimer: Nicht jeder Katamaran-Treiber ist unfreundlich. Nicht jeder Segler auf einem Einrumpfboot ist freundlich. Wie ich eingangs schon geschrieben habe, es gibt überall nette Menschen und es gibt die anderen. Aber ich erkenne einen Trend, wenn ich ihn sehe.
Leider hat es mit Fanny als Crewmitglied nicht geklappt. Sie hat sich dafür entschieden, mit dem Flugzeug nach Hause zu fliegen. Ihr Schwager ist plötzlich ins Krankenhaus gekommen und sie möchte ihrer Schwester mit den Kindern helfen.