Glücklich angekommen in Bonaire

Etwas Entspannung war nötig, um mich wieder an die Tasten zu treiben und einen neuen Beitrag zu verfassen. Den zweiten Tag der Reise nach Bonaire war ich damit beschäftigt, Eike wieder zu den Lebenden zurück zu holen.

Geheimtipp: Elektrolyte für den Körper. Einmal pro Stunde bekommt der Patient ein Schnapsglas voll. Das geht dann so lange, bis der Patient wieder fit ist. Die Flasche reicht locker für zwei Tage.

Bei unserem Versuch, Aruba gemeinsam mit Barbara zu verlassen, habe ich ein Wundermittel gegen die Folgen der Seekrankheit kennengelernt. Dirk, Barbaras Hausarzt, hatte uns damals die sogenannte „WHO-Elektrolytlösung“ empfohlen, Soraida hatte es uns besorgt und im Hafen Barcadera für uns hinterlegt. Damit konnten wir Barbara innerhalb weniger Stunden wieder fit machen. Seit dem habe ich mehrere Flaschen davon an Bord. Es ist ein Wundermittel.

Eike hat innerhalb von 36 Stunden nicht einmal einen Liter Wasser getrunken, dafür aber jede Menge Flüssigkeit ausgeschwitzt. Nun ist er erwartungsgemäß erschöpft und antriebslos. Das muss nicht an der Seekrankheit liegen, ist aber eine Folge davon. Erst probiere ich es mit Elotrans. Das ist ein Pülverchen zum Anrühren und soll dem Körper die nötigen Mineralien bringen. Angerührt sieht die braune Flüssigkeit im Glas aus, als möchte man sie gar nicht trinken. Wie bei Barbara folgt auch bei Eike ein Schwall großer Übelkeit und das Zeug landet gleich wieder im Eimer. Also mache ich eine Flasche meines Zaubermittels auf. Ein Schnapsglas voll landet in Eike und bleibt auch drin. Das stimmt mich positiv. Außerdem bekommt er zwei Reisetabletten. Die bleiben glücklicherweise auch drin. Ab sofort bekommt er nach Packungsbeilage die Reisetabletten und jede Stunde einen „Schnaps“. Hinterher sagt er, dass schon der erste Shot wie ein heftiger Energieträger gewirkt hat. Trotz schweren Seegangs ist Eike gegen 17 Uhr wieder einigermaßen fit im Cockpit, isst die von mir zubereitete Schonkost und genießt weiterhin die stündlichen Shots, die er sich inzwischen selbst aus dem Kühlschrank holen kann. Der Sonnenuntergang auf See ist für ihn ein Erlebnis erster Güte. Ich bin glücklich, denn wenn ich Eike einmal auf See zu den Lebenden zurück holen kann, wird es mir immer wieder gelingen. Den nächsten Törn werden wir anders vorbereiten.

Bonaire. Bojenfeld. Blick auf die Samai.

Mit Sandra von der Samai wechsle ich am Abend ein paar Emails. Sie verrät mir, dass Michael uns an der Boje überraschen will. Ich bin überrascht, ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie so lange aufbleiben. Unsere Ankunft ist etwa für Mitternacht geplant. Ich versuche, die örtlichen Behörden auf Kanal 16 zu erreichen. Lediglich die Küstenwache meldet sich, ist aber an unserer Ankunft nicht interessiert. Dafür hat Michael das Gespräch mitgehört und ist informiert. Er kommt uns sichtlich mit viel Freude im Dinghi entgegen, führt uns zur freien Mooring und hilft beim Befestigen der Leinen. Dass ich ihm dafür ein eiskaltes Balashi Bier aus Aruba ins Dinghi reiche, ist doch selbstverständlich. Er freut sich, dass Eike wieder fit ist. Endlich ausschlafen. Vielen Dank für den tollen Empfang!

Irgendwie wirkt so ein Kreuzfahrer immer deplatziert.

Auch am zweiten Tag in Bonaire bin ich extrem müde. Wir erledigen die Behördengänge. Die Holländer sind gut organisiert, hier müssen wir nur zu einem einzigen Schalter um Schlange zu stehen. Dann sind die Formalitäten aber auch in zehn Minuten durch. Wieder zurück aufs Boot und ausruhen. Eike erfreut sich am klaren Wasser und springt vom Cockpitdach aus hinein. Das konnte er in Aruba nicht.

Schnelles, kostenloses WLAN. Frisch gewaschen.
Schnelles Internet verursacht viel Abluft.

Am Dienstag frage ich Michael, wo er sein Auto gemietet hat. Er schreibt mir, dass es ein Problem ist, derzeit ein Auto zu bekommen. Michael wird gegen Mittag vom Autovermieter abgeholt, ich darf mitfahren. Doch auch die persönliche Vorsprache im Büro bringt mir kein Auto. Michael will noch ein paar Football-Spiele herunterladen. Also fahren wir anschließend zur Internetwäscherei. Dort telefoniere ich die Autovermieter durch. Dann die Rollervermieter. Alles ist reserviert bzw. vermietet. Ich kann einen Roller für Samstag reservieren. Das wird Eike nicht gefallen, die Wartezeit ist recht lang. Seinem Bewegungsdrang sind an der Mooring gewisse Beschränkungen auferlegt. Dafür konnte ich meine zwei Jahre alte SIM-Karte aus Bonaire wieder aktivieren und etwas Internet zurück mit an Bord nehmen.

Die Sonne geht unter, der Kreuzfahrer fährt.

Ich bin inzwischen gut regeneriert und genieße es einfach, an Bord zu sein. Ich genieße es, dass ich nicht mehr in Aruba bin. Es fühlt sich einfach gut und richtig an. Dafür macht mir unser Stromverbrauch Sorgen. Ich weiß, dass unsere Energieversorgung Spitz auf Knopf genäht ist. Der Gefrierschrank bricht ihr das Genick. Der Motor wird ab und an aushelfen müssen. Wir werden das mit Bootsausflügen verbinden, damit der Diesel nicht einfach nur so verbrannt werden muss. An der vorgelagerten Insel Klein Bonaire gibt es verschiedene Bojen, an denen man tagsüber liegen darf. Die eigene Boje im Bojenfeld markiert man in dieser Zeit mit dem Dinghi, damit sie weiterhin als belegt gekennzeichnet ist. Ein Fender tut es allerdings auch.

Es ist einfach viel schöner, wenn kein hässlicher Metallhaufen an der Pier liegt. Das gelbe Dinghi links im Bild markiert eine belegte Boje. Unsere Nachbarn sind zu einem Tagesausflug weggefahren.

Nach dem Abendessen und nach Sonnenuntergang machen wir uns noch einmal auf den Weg in die Stadt. Wobei „Stadt“ eigentlich zu viel Stadt ist. Kralendijk ist ein verschlafenes Nest. In der Nähe der Uferpromenade haben die Restaurants noch geöffnet, ansonsten laufen wir an verschiedenen, schon geschlossenen Etablissements vorbei. Der Spaziergang tut gut. Nebenbei finden wir den Laden von Budget Marine, in dem ich noch eine Bestellung abholen muss.

Nachts in Kralendijk. Eikes Show-Act an der Straßenlaterne. Ein kleiner Kick macht einen großen Knick. Oder so ähnlich.

Zurück an Bord ist es auch bald Zeit für den Nachtschlaf. Die ersten beiden Tage haben wir gut überstanden. Am nächsten Morgen kommt von Michael eine gute Nachricht. Er hat in der örtlichen Presse gelesen, dass der zweite PCR-Test nach fünf Tagen hinfällig geworden ist. Das steht auch so auf den offiziellen Webseiten. Ich habe keine Ahnung, ob das auch für uns gilt, bin aber sofort bereit, das hierfür eingesparte Geld in ein gutes Restaurant zu tragen.

Ich hoffe, Eike erträgt die kommenden, ruhigen Tage, bis wir endlich Mobilität haben. Ich freue mich weiterhin, an einem Ort gelandet zu sein, der von Aruba verschieden ist.

Mit der Brechstange

Die letzten beiden Tage wären vom Wind her ideal gewesen, um nach Bonaire zu fahren. Nämlich ohne Wind. Auch der Wellengang wäre gering gewesen. Doch wir haben auf den negativen Test gewartet und fahren nun in den auffrischenden Wind hinein. Egal, ich wollte die Wettervorhersage ignorieren. Ich habe sogar in den letzten beiden Tagen keine Aktualisierung mehr heruntergeladen. Sissi ist schnell seeklar und schon um 10 Uhr morgens verlasssen wir den Hafen, in dem wir so lange waren. Wir winken Hafenmeister Paul uns seiner Frau zu, machen viel Lärm mit dem Nebelhorn. Die Stegnachbarn grüßen zurück.

Der brennende Müllberg. Quasi die Visitenkarte von Aruba.

Ausklariert ist schnell. Dem Beamten bei der Immigration ist es egal, wie lange ich meinen Aufenthalt überzogen habe. Es ist genau wie beim letzten Mal. Den Zollbeamten erkenne ich wieder. Als wir in meinen Papieren nach dem letzten Einreisedokument suchen, fällt ihm die eigene Unterschrift auf. Er erinnert sich, dass ich mehrfach versucht habe, Aruba zu verlassen. Er wünscht mir Glück bei diesem Versuch, heißt mich aber auch willkommen, falls ich wieder zurück komme. Es geht auf den Atlantik. Sissi beginnt zu schaukeln. Wir sind noch in der Abdeckung von Aruba, bekommen also die Wellen noch gar nicht in ihrer ganzen Pracht mit. Eike freut sich an den Schiffsbewegungen. Er meint, dass es ihm gut geht und dass er nicht seekrank wird. Er isst ein Brot mit Frikadellen und Käse belegt, fett mit Butter bestrichen. Dazu gibt es eiskalte Cola. Ich bin gespannt.

Wir sind noch durch Renaissance Island vor den Wogen des Atlantik geschützt.

Wir erreichen Baby Beach, hier ist Aruba zu Ende. Die Wellen werden heftiger. Sissi beginnt zu tanzen. Innerhalb von Minuten umarmt Eike erstmals die Toilette und die schönen Frikadellen wandern zu den Fischen. Eike wandert in seine Koje. Nun bin ich erst einmal Einhandsegler.

Das nackte Elend.

Ich kenne es ja von Jens. Als er noch zur Seekrankheit neigte, kam es immer zur Eruption nach der ersten Mahlzeit. Dann hat er sich hingelegt und nach dem Aufstehen war alles vergessen. So hoffe ich es auch von Eike. Doch er ist wohl eher nach seiner Mutter geraten. Der wurde es schon auf dem Caledonian Canal mulmig. Ich fange an, halbstündige Ruhepausen einzulegen, erlaube mir auch das Wegnicken. Der Timer wird mich schon wecken. Wir sind sowieso sehr langsam unterwegs und es ist weit und breit niemand zu sehen. Als er um Mitternacht ins Cockpit kommt, hält sein Optimismus nur kurz. Er muss weiterschlafen, es ist noch nicht vorbei. Ich kann das zur Not die ganze Nacht durchhalten. Ich muss es die ganze Nacht durchhalten.

Die Seekrankheit hält sich auch noch am Morgen. Wir passieren gerade Curacao. Als amtierender Bordarzt beginne ich mit der medikamentösen Behandlung. Erfahrungen mit dem Thema konnte ich wahrlich genug sammeln. Ich versuche, ihn bis zum Abend wieder auf die Beine zu bringen. Ich möchte ein paar Stunden Schlaf am Stück. Ich bin müde. Als bordeigener Diätkoch werde ich ihm ein kleines Reis- und Gemüsegericht zu Mittag bereiten, vorausgesetzt die Medikamente schlagen an. Das Wasser muss ich als bordeigener Drill-Sergeant fast in ihn hineinbrüllen. Egal, wir fahren nach Bonaire. Dorthin kommen unsere Ersatzteile. Curacao ist keine Option.

Blick auf Curacao

Ich habe irgendwo einmal gelesen, das Schlimme an der Seekrankheit ist, dass es sich anfühlt als müsse man sterben. Dann merkt man, dass man nicht sterben muss. Für 24 Stunden Fahrt mit dem Wind kann man fast die doppelte Zeit gegen den Wind einplanen. Dabei tanzt das Boot in den Wellen einen klassischen Pogo.

Scheiden tut weh…

Wenn dieser Beitrag erscheint, hat es wirklich geklappt mit unserem Plan. Dann sind wir auf jeden Fall in internationalen Gewässern und nicht mehr in Aruba.


Ich habe keine Ahnung, warum mir das Verlassen dieses kleinen, staubigen mit Kakteen bewachsenen Felsens so viele Schmerzen bereitet. Die kleinen vorbereitenden Schritte sind alle getan. Es tut mir gut, nicht mehr zu den bekannten Plätzen zu gehen. Diese Woche waren wir nicht beim Music Bingo. Wir waren nicht im Donkey Sanctuary und im Animal Shelter waren wir auch nicht. Eigentlich haben wir uns nach dem Ende unserer Isolation weitestgehend weiter isoliert. Auf keinen Fall wollen wir uns einen weiteren positiven PCR-Test einfangen. Das trennt mich auch mental von den Menschen, die ich hier kennengelernt und lieb gewonnen habe. Das tut mir gut.

Kaum zu glauben, was es in Aruba zu kaufen gibt.

Mein Schnelltest an Bord lässt endlich die böse Linie vermissen. Also entscheiden wir, am folgenden Tag zu testen. Zum Glück habe ich uns für zwei Tage einen richtigen Mietwagen besorgt. Eike darf ihn einmal fahren, er ist begeistert. Ein Auto, das nicht quietscht und das nicht klappert. Ansonsten ist mir das bei dem Mietwagen zu gefährlich. Wenn wir den kaputt machen, kostet es richtig viel Geld. Wir bringen die Wäsche noch einmal in die Wäscherei und fangen (mal wieder) mit der Verproviantierung für eine Woche Bonaire an.

Auf dem Weg zum Testcenter noch schnell den Müll wegbringen

Wir stehen recht früh am Morgen auf, schließlich wollen wir den Test so schnell wie möglich hinter uns bringen. Nach dem Kaffee steigen wir ins Auto und fahren weitestgehend schweigend zum Testcenter. Das Radio spielt nicht, nur die Klimaanlage rauscht. Es hängt so viel an diesem Test. Das Ergebnis muss einfach negativ werden. Morgen ist Eike einen vollen Monat in Aruba. Soraida hat mir den Tipp mit diesem Testcenter gegeben. Hier kostet ein PCR-Test nur 75 US$. Das spart mir zusammen 120 Dollar für zwei Tests ein. Wir warten eine Viertelstunde. Die Anmeldung ist schnell erledigt, die Belastung der Kreditkarte ebenso. Ich erzähle den Damen die Geschichte von meinem Test in der vergangenen Woche. Entweder habe ich ihnen Leid getan oder sie arbeiten immer so schlampig, jedenfalls war das der unprofessionellste und schnellste Mund-/Nasenabstrich, den ich je erleben durfte. Danke!!! Das gibt bestimmt ein positives Ergebnis.

Anschließend kaufen wir noch die frischen Lebensmittel für die Fahrt ein. Die dürfen auch in Bonaire noch ein paar Tage halten. Wir wollen in den ersten Tagen nicht so viel unter Menschen gehen, fünf Tage nach unserer Ankunft ist ein weiterer PCR-Test fällig.

Am Flughafen. Ich habe den Mietwagen zurückgegeben und warte nun darauf, dass es Zeit ist, zur Bushaltestelle zu gehen. Es fühlt sich an, als würde ich wirklich die Insel verlassen können.

Ein paar Stunden später fahre ich wieder rüber zum Flughafen und werde den Wagen zurückbringen. Dieses Auto hat sich voll gelohnt. Für nur zwei Tage gemietet, zum Test und zu den großen Supermärkten konnten wir fahren. Auch die Wäsche haben wir waschen lassen. So lange bleiben wir noch an Bord und vertreiben uns die Zeit. Ich kann nicht zu früh zur Autovermietung fahren.

Im Bus zurück zur Marina

Der Bus zurück zur Marina fährt nur fünf Mal am Tag. Als ich einsteige, fragt mich der Busfahrer, ob ich wirklich mit diesem Bus fahren will. Nur wenige Fahrgäste sind unterwegs. Nach meiner Rückkehr wird Sissi gereinigt. Der Wassertank wird gefüllt. Das Testergebnis wurde uns für 20 Uhr versprochen. Etwas nervös sind wir schon.

Für das heutige Abendessen und die Überfahrt habe ich Frikadellen vorgesehen. Ein herzhafter Snack, der sich mit den Fingern essen lässt. Heute schwitzen wir auf dem Boot bei absoluter Windstille. Morgen, wenn wir die Windstille brauchen würden, wird es wieder etwas rauer werden. Gegen 21 Uhr trifft das Testergebnis ein. Wir sind beide negativ. Ich setze mich an den Computer und fülle die Formulare aus. Nach wenigen Minuten trifft die Bestätigung aus Bonaire ein, dass wir kommen dürfen.

So leer soll der Platz von Sissi bald sein.

Vor etwa einem Jahr, als wir Kuba quasi fluchtartig verlassen haben, habe ich mich kein Bisschen um die Wettervorhersage gekümmert. Wir sind einfach losgefahren und waren bereit, unterwegs jedes Wetter zu erdulden. So ähnlich geht es mir heute auch. Diesen Beitrag schreibe ich mit Tränen in den Augen. Adieu Aruba, Scheiden tut weh.

Bonaire, wir kommen!!!