Atlantik bei Vollmond

Gegen Mittag sind wir in Oeiras gestartet, haben einen einigermaßen kitschigen Sonnenuntergang und den Klassiker „Reste von gestern“ genossen und fahren in Richtung Sines.

Zum Klassiker muss ich aber noch ein paar Worte schreiben. Jens ist bekanntermaßen unheilbar lasagnesüchtig. Ich kann manchmal ein wenig Abwechslung auf dem Teller gebrauchen. Deswegen überlege ich mir, wie ich andere Gerichte in Form einer Lasagne servieren kann. Hilft allerdings nicht viel.

Lasagne Portuguese – in Portugal zubereitet

Ich habe ein Blumenkohl-Kartoffelgratin zwischen Lasagne-Nudelplatten gepackt. Es war sehr lecker. Jens meinte hinterher, es würde wie Kleister im Magen liegen. Er hat halt zugeschlagen, als würde er eine echte Lasagne essen.

So viel zu den Resten von gestern. Wir sind bei schwachem Wind aus dem Hafen motort, konnten nach einer halben Stunde die Segel setzen und zwei Stunden später in Richtung unseres Ziels wenden. Hält sich der Wind an die Vorhersage, kommen wir morgen kurz nach Sonnenaufgang in Sines an. Es gibt dort leider keine Straßenbahn.

Atlantik bei Nacht im Vollmond

Während meiner Wache geschieht zunächst nicht viel. Der Wind nimmt ein wenig zu, wir werden schneller. Das ist in etwa so, wie es vorhergesagt war. Noch passt unser Plan zum Wetter. Mal sehen, wie viele Motorstunden am Ende noch dazu kommen. Die Windfahne hält uns sauber auf Kurs, auf unserem Track sieht man schön, wie das Cabo Espichel den Wind gedreht und damit unsere Kurslinie geändert hat. Leider ändert sie sich gerade zurück und wird damit ungünstiger.

Irgendwann sehe ich einen Frachter auf dem AIS, der uns schon eine Weile aufs Korn nimmt. Irgendwie will der Kapitän genau da hin, wo wir auch hinfahren. Aber das passt schon. Letztendlich fährt der Frachter 250 Meter vor uns durch. Keine Probleme.

Der Frachter

Insgesamt wieder eine angenehme, ruhige Überfahrt, obwohl wir einen Kurs hoch am Wind fahren. Das ist die Art von Kursen, die normalerweise reichlich anstrengend sind. Doch noch hält sich die Welle in Grenzen. Wir gleiten durch das dunkle Wasser.

Ich staune, wie weit draußen hier das Internet noch funktioniert. Das sind schon einige Meilen von Sissi bis zum nächsten Funkmast. Das beeindruckt mich – deswegen blogge ich auch live von der Überfahrt. Unsere Position ist derzeit 38°16’N 9°07’W. Es ist Mitternacht.

UPDATE:
Es ist jetzt gut 12 Stunden später. Mir fällt auf, dass ich gestern Nacht vergessen habe, den Screenshot vom Navigationscomputer in diesen Beitrag zu packen. So schön die Segelei in der Nacht ist, manchmal bin ich um die Zeit ein wenig unaufmerksam.

Mitternacht auf dem Weg nach Sines

Ich finde, man sieht auf dem Bild sehr schön, wie der Wind am Kap umgelenkt wird und wie dadurch unser Kurs beeinflusst wird. In Vor-Windfahne-Zeiten haben wir in diesen Situationen immer am Autopiloten nachgeregelt bzw. an den Segeln gezupft. Jetzt machen wir gar nichts mehr – ein echter Komfortgewinn.

Wir haben letztendlich um 9:57 Uhr die erste Leine mit dem Steg verbunden. Die GNR war um 10:13 Uhr da und hat Formulare ausgefüllt. Dann war ich von 10:28 Uhr bis 10:57 Uhr beim Hafenmeister, es wurden dieselben Daten in andere Formulare geschrieben. Anschließend habe ich noch einen Blick in die Duschen geworfen – ein wahrer Tempel. Die besten Duschen seit Belfast. Und das für nur 16,31€ pro Nacht. Wenn jetzt der Ort noch schön ist, könnte ich schwach werden. Doch die Windvorhersage für morgen ist ziemlich gut. Mal sehen, wie sich der Aufenthalt hier entwickelt.

Blick vom Heck der Sissi nach Sines

Fahrt auf keinen Fall nach Peniche!

Der Hafen ist schrecklich. Es gibt dort ganz schlimmen Schwell von den Fischerbooten. So wurde es uns gesagt. Wir hatten es sowieso nicht vor, denn wir wollten ja nach Lissabon.

Abschied nach drei Wochen
Also liefen wir gegen 15:30 Uhr in Porto aus und konnten gegen 17:30 Uhr die Genua ausrollen. Der Wind hat sich einigermaßen an die Vorhersage gehalten, nur die Windstärke war suboptimal. Es war fast schon zu wenig Wind, doch Sissi fuhr in der weiten Atlantikdünung immerhin mit vier Knoten.

Sonnenuntergang

Auf dem Weg durch die kurze Abenddämmerung erfreuten wir uns an einem der kitschigsten Sonnenuntergänge des gesamten Segeltörns. Weniger erfreulich war, dass unter den langen Atlantikwellen immer wieder in regelmäßigen Abständen so „Drecksäcke“ sind, die das Schiff komplett herum drehen und die Genua schlagen lassen, dass Sissi von vorne bis hinten durchgeschüttelt wird. Man kann diese Wellen irgendwie gar nicht kommen sehen, sie passieren einfach. Da hilft auch die Windsteuerung nichts, wahrscheinlich könnte der elektrische Autopilot früher dagegen steuern, weil er die Drehung des Schiffs schneller mitbekommen. Es liegt zum großen Teil aber auch daran, dass der Wind so schwach war.

Nächtlicher Segelgenuss
In der Nacht wurde es besser, der Wind frischte auf und wir zogen teilweise mit fünfeinhalb Knoten das sprudelnde Kielwasser hinter uns her. Über uns war der perfekte Sternenhimmel. Es war absolut wolkenlos bei Neumond, einen so schönen Sternenhimmel sieht man nur selten. Ich habe in meiner Wache mal für ein paar Minuten die gesamte Beleuchtung ausgeschaltet, denn das Hecklicht überstrahlt doch so manchen Stern. Gigantisch.

Der folgende Fahrtag zog sich so dahin. Wir haben die Segelei genossen, es war auch am Tag eine angenehme, ruhige Fahrt. Der Wind blies uns aus dem Norden in die Genua und wir sahen Meile um Meile der Entfernung zum Ziel verschwinden. Das Etmal lag leider nur bei 93 Meilen, wir waren in den ersten Stunden einfach zu langsam.

Im Laufe des Nachmittags nahm das Schlagen der Genua allerdings wieder zu. Teilweise hatten wir nur noch sieben bis acht Knoten Wind. Damit steht die Genua kaum noch.

Unser Weg nach Peniche

Hauptantrieb schwächelt
Der Wind kam aber nach ein oder zwei Stunden wieder, wenn auch in nur geringer Stärke. Irgendwann waren wir wieder so nahe an der Küste, dass wir eine aktuelle Wettervorhersage herunterladen konnten. Der Wind sollte in ein paar Stunden endgültig einschlafen. Wir wollten den Rest der Strecke nach Lissabon nicht mit dem Motor zurücklegen.

Sissi in Peniche

So hielten wir in der Nacht dann Kurs auf Peniche und konnten bis fast vor die Hafeneinfahrt segeln. Innerhalb der nächsten beiden Stunden war der Wind dann auch völlig weg. Um 0:30 Uhr liefen wir in den Hafen ein, suchten die Marina in der Dunkelheit und sahen zunächst keine Parklücke am Gästesteg. Einige lagen schon im Päckchen, das wollten wir um diese Uhrzeit aber niemandem zumuten. Nur, wenn gar nichts frei ist.

Wir fanden aber einen freien Platz, machten fest und legten uns erst einmal aufs Ohr.

Portugiesische Bürokratie
Nach dem Ausschlafen nahm ich mir den dicken Ordner, in dem sich die gesamten Unterlagen zum Schiff befinden, und ging zum Hafenmeisterbüro. Am Sonntag war dieses laut Aufschrift jedoch nur bis 10 Uhr geöffnet. Wer sich am Sonntag anmelden möchte, darf einen kleinen Spaziergang von eineinhalb Kilometern (einfacher Weg) machen.

Sonntagsspaziergang

Da ich schon einmal auf dem Weg war und die Anmeldeprozedur hinter mich bringen wollte, spazierte ich los. Hinterher habe ich mich ein wenig geärgert, nicht das Fahrrad genommen zu haben. Es lief beim Sicherheitsdienst erfreulich unbürokratisch und schnell, das hat mich erfreut. Unser Liegeplatz sei kein Problem, wir könnten da liegen bleiben. Die Marinagebühren könnte ich am folgenden Tag beim Hafenmeister bezahlen.

Ich bekam den Schlüssel für Toilette und Dusche. Leider gibt es in Peniche kein Hafen-WLAN (dazu später mehr) und die elektrische Tür am Eingang zur Marina ist defekt. Man muss fest dagegen drücken, dann bewegt sie sich ein kleines Stück und man kann um die Ecke greifen und den Knopf für den elektrischen Öffner drücken. Der Sicherheitsdienst-Mann am Eingang des Fischhafens beendete seine ausführlichen Hinweise danach mit den Worten „welcome to Peniche“.

An Bord der Sissi fand ich Jens noch schlafend und habe uns erst einmal einen schönen Morgenkaffee gemacht.

Im Laufe des Nachmittags haben wir uns von den umliegenden Restaurants Wifi-Codes besorgt und probierten diese an Bord aus. Irgendwie musste eine Verbindung zum Internet hergestellt werden. Wir waren so schrecklich offline.

Welcome to Peniche
Dann hämmerte es plötzlich an die Bordwand. Ein Mann mit einer Kassierer-Umhängetasche stand auf dem Steg und erklärte uns, dass wir an einem privaten Steg liegen. Hä?

Wir hätten am Steg des Yachtclubs und nicht am Steg der Marina festgemacht. Jetzt sollen wir zahlen. Da ich uns schon in der Marina angemeldet hatte, wollte ich nicht Gefahr laufen, doppelt zahlen zu müssen. Also bot ich an, dass wir den Platz verlassen und uns aus dem Yachtclub in die Marina verlegen.

Es entspann sich eine skurrile Diskussion und letztendlich haben wir uns nicht bewegt, zwei Nächte im Yachtclub bezahlt (ist der gleiche Preis) und warten nun, was da noch passieren wird. Den Hafenmeister haben wir nie in seinem Büro gesehen. Welcome to Peniche.

Wir liegen hier übrigens angenehm ruhig.

Segeln ist langweilig

Mal wieder bin ich derjenige, der die erste Wache in der Nacht hat. Jens schläft unten und ich versuche, so lange wie möglich durchzuhalten, bevor ich ihn wecke. Wecken werde ich ihn frühestens um 2:30 Uhr, so habe ich es ihm versprochen.

Der AIS-Bildschirm ist leer, den letzten Fischer habe ich vor einer Stunde gesehen. Ich fühle mich echt versucht, in einer solchen Stunde vor dem Fernseher sitzen zu bleiben und mir einen Film nach dem anderen reinzuziehen. Das wäre aber nicht gut. Ich gucke also immer mal wieder raus in die Umgebung.

Dabei fällt mir beim spielen mit dem Handy auf, dass dieses einen Nacht-Foto-Modus hat. Den probiere ich einmal aus:

Nacht auf der Nordsee

Das Foto ist kurz nach Mondaufgang um 1:30 Uhr in der Nacht entstanden, auch hier im Norden eine dunkle Stunde. Ich bin verblüfft. Am Horizont sieht man die Lichter von einigen Bohrinseln. Die Belichtung hat mehrere Sekunden gedauert, anscheinend legt das Handy mehrere Bilder übereinander und macht daraus dann ein recht gutes Ergebnis. Das könnte meine „gute“ Digitalkamera nicht leisten. Wow.