Stavoren

Liebe Leute. Diesen Beitrag verfasse ich an unserem Abfahrtstag (19.6.) und zwar mit ein wenig Wehmut. Einerseits haben wir gnadenlos verpennt. Wir wollten um 10 Uhr abfahren, inzwischen ist es kurz vor 12 Uhr. Auch noch eine schöne Uhrzeit, aber langsam wird es mit der Tide knapp. Wahrscheinlich kommen wir heute nur bis Den Oever, denn ab ca. 15 Uhr haben wir Gegenstrom in der Waddenzee.

Das Wetter motiviert wenig zur Abfahrt

Jens ist noch unter der Dusche, also versuche ich mich mal an ein paar Worten zu Stavoren. Zwei Jahre lang hatte Sissi hier ihren Hafen. Ich habe den damals ausgesucht, ohne vorher in Stavoren gewesen zu sein. Kriterien waren die Tankstelle im Ort, der Supermarkt, der Bahnhof und die Möglichkeit, ohne zu Schleusen auf das IJsselmeer rauszufahren. Das alles geschah in der Marina Stavoren Buitenhaven. Der Hafen hat alle Erwartungen erfüllt. Die Betreiberfirma könnte meines Erachtens nach ein wenig mehr auf die Kleinigkeiten achten – manchmal tropfen Wasserschläuche wochenlang oder Lampe am Steg sind ewig dunkel. Insgesamt war es aber gut.

Gemütlich ist aber anders. Jens und ich wohnen nun schon seit zwei Wochen auf der Sissi, die liegt an ihrem Platz und alle Nachbarboote sind leer. Die meisten Besitzer können eben nur am Wochenende mal rauskommen. Es ist wie in einer Ferienhaussiedlung in der absoluten Nebensaison. Gemütlicher ist der Hafen im Ort selbst, da hätte ich aber keinen Liegeplatz haben wollen (-> Schleuse).

Innerörtlicher Hafen in der Gracht

Auch hier liegen viele Ferienhausbewohner, zumeist auf großen Motorbooten. Diese bleiben oft wochenlang an Ort und Steller.

Stavoren hat neben dem Cafe Max noch zwei andere ordentliche Läden zu bieten – das Posthoorn und die Koebrug. Und die Fischbude am Bahnhof. Da gibt es den besten Kibbeling, den man in oder um Stavoren bekommen kann. Empfehlenswert.

Der Supermarkt ist zu Wasser und zu Land erreichbar.

Mitten in einem Neubaugebiet liegt der Supermarkt. Der hat auch im Winter geöffnet, was sehr nützlich war. Bei manchem Besuch im Winterlager war Stavoren so einsam, dass tagelang keines der Restaurants geöffnet war. Ohne die Segeltouristen wäre Stavoren komplett tot, so ist es nur saisonal tot.

Dafür konnte ich in der Zeit viele Kontakte zu den Einheimischen knüpfen. Gerade im Winter fällt das leicht, weil sich die wenigen Menschen in der einzigen offenen Kneipe treffen – zumeist das Cafe Max, manchmal auch das Posthoorn. Ihr wart immer alle sehr herzlich und freundlich.

Klappbrücke (aufgeklappt)

Und dann wären da noch die Klappbrücken über den Johann Friso Kanal. Oft, sehr oft habe ich auf einer der beiden Seiten gewartet und den Booten beim Ein- und Ausfahren in die Schleusenkammer zugesehen. Einmal habe ich einen Zug verpasst, weil die Brücke vor meiner Nase öffnete und dann erst einmal offen blieb – das Frachtschiff passte nur bei offener Brücke in die Schleusenkammer.

Sehr oft sind wir mit Sissi auch durch die Schleuse in den Ort gefahren, zumeist zur Tankstelle. Diese Klappbrücken sind jedenfalls ein zentraler Ort in Stavoren. Ich werde den Ort vermissen, bin aber froh, jetzt endlich hier weg zu kommen.

Jens ist von der Dusche zurück, der Regen wird weniger und die Uhrzeit schreitet immer mehr voran. Mit viel Wind können wir nicht rechnen, also planen wir erst einmal, aus dem IJsselmeer zu entkommen. Das ist doch schon viel für den ersten Tag.

Wir sind bereit.

Alle Arbeiten sind getan. Der Motor brummt wieder und verliert keinen Diesel mehr. Einige Kraftstoffleitungen waren marode, es war gar keine Undichtigkeit im Hochdruckbereich. Falls noch weitere Leitungen marode werden, hat uns der Mechaniker einen Meter Ersatz dagelassen.

Wind von heute, 15:00 Uhr MESZ

Leider herrscht auf der ganzen Nordsee Flaute. Wenn wir jetzt losfahren, brauchen wir 300 Liter Wind aus dem Tank und haben die Nordsee gerade einmal halb überquert. Die Situation ist nicht gut.

Morgen schaut es auch nicht besser aus.

24 Stunden später

Am Mittwoch gibt es wenig Wind in unserer Richtung, wir wollen fast nach Norden, um bei Peterhead in Schottland zu landen.

So wird es am Donnerstag sein

Auch am Donnerstag ist auf der Nordsee nicht mit Wind zu rechnen. Es läuft da ziemlich weit im Norden eine Störung durch, an der Rückseite herrscht aber Flaute.

Könnte segelbarer Wind werden am Freitag

Erst am Freitag zeigt sich vor den Niederlanden einigermaßen segelbarer Wind. Wir werden es beobachten, schauen, prüfen, überlegen und irgendwann starten. Der Kühlschrank ist immer noch voll. Einer Wettervorhersage traue ich höchstens drei Tage weit.

Also: Wir sind bereit.

Abfahrtstag

Der von uns ausgewählte Abfahrtstag (Sonntag, 16. Juni) war schon fast erreicht. Dennoch lagen wir weiterhin am Kran. Der Wind ermöglichte es am Mittwoch und Donnerstag nicht, den Mast zu legen und das Problem zu beseitigen. Erst am Freitag kam es nicht mehr zu Böen um Windstärke 8, so dass der Mast dann leicht gelegt werden konnte. Natürlich war das eigentliche Problem dann innerhalb von 10 Minuten beseitigt. Im Winter haben wir versucht, ein neues Antennenkabel in den Mast zu ziehen. Das ist aber gründlich schief gelaufen. In der Hektik des Maststellens nach dem Winterlager haben wir den Rest des Antennenkabels im Mast vergessen. Das hatte zur Folge, dass wir das Spifall nur mit allergrößtem Kraftaufwand bewegen konnten.

Blockade des Spifalls gelöst

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag bekamen wir außerdem Besuch von Burti, Jörg und Dirk – liebe Freunde, mit denen wir in der Vergangenheit viel Zeit auf Segelbooten verbracht haben. Sie kamen, um uns an der Hafenausfahrt zu verabschieden.

Stellen des Masts

Der Mast stand wieder auf dem Deck, so konnten wir frohen Mutes in unsere Box zurück fahren und den Rest des Nachmittags ein wenig über alle Themen dieser Welt schwätzen. Für den nächsten Tag stand dann nur noch der Einkauf auf der Todo-Liste. In Stavoren ist der Supermarkt auf drei Seiten von Wasser umgeben, so kann man einfach das Segelboot vor dem Supermarkt parken.

Vor dem Coop

Auf dem Weg zum Coop liegt die Tankstelle, dort haben wir gleich den Diesel bis zur Oberkante des Tanks eingefüllt. Dann parkten wir vor dem Supermarkt und schalteten den AIS-Sender aus. Einfach mal so. Nach dem Tanken roch es im Schiff leicht nach Diesel. Sorgen machten wir uns keine.

Auf dem Weg zurück in die Marina wurde der Dieselgeruch immer penetranter. Das war dann auch der Moment, in dem wir begannen, uns Sorgen zu machen. Nachdem Landemanöver in der eigenen Box öffneten wir den Motorraum und sahen die Katastrophe. Aus einem der fünf Zylinder läuft Diesel.

Der Übeltäter

An der Stelle, wo die Einspritzdüse in den Motor geschraubt ist, läuft ziemlich viel Diesel aus, sogar wenn der Motor abgeschaltet ist. Wir mussten den Diesel-Haupthahn zudrehen, um den Fluss zu stoppen. Nach dem Abkühlen der Maschine wurde auch der Dieselgeruch weniger.

Ein Mechaniker ist natürlich am Samstagnachmittag nicht zu bekommen. Deswegen sitzen wir jetzt mindestens mal bis Montag fest. Um 7:30 Uhr öffnet die Werkstatt – ich werde pünktlich sein.

Das AIS haben wir inzwischen wieder eingeschaltet und den Frust haben wir auch verarbeitet. Am Samstag kam von unserer Crew dann noch Christoph dazu, Sissi war mit einem Mal richtig voll und das Cockpit fast zu eng. Für den Abend hatten wir einen Tisch im Cafe Max bestellt.

Cafe Max

Ich mag das Cafe Max. Der Gastraum ist urig. Das Essen dort ist lecker, die Menschen freundlich und das Bier schmeckt auch. Ich kann auch den Nichtrauchern einen Besuch der Rookkamer empfehlen, dort hängt an der Wand eine alte Karte von der Zuiderzee und zeigt, wie das IJsselmeer vor dem Deichbau aussah. So feierten wir, als wäre es wirklich der letzte Abend in Stavoren gewesen.

Am heutigen Sonntag begleiteten Jens und ich die ganze Gang auf den Parkplatz und winkten bei der Abfahrt. Das hätte eigentlich anders herum sein sollen. Da kommt schon etwas Wehmut auf.

Rückweg vom Cafe Max zur Sissi (Bild geklaut bei Burti)