Es ist mein erster Tag in Whitehills. Der Tag beginnt mit bedecktem Himmel und Regen. Die Regenschauer der vergangenen Nacht sind längst noch nicht alle abgeregnet. Trotzdem nehme ich meinen Morgenkaffee im Cockpit, schließlich möchte ich sehen, was um mich herum passiert.
Die Crew der Freyja macht sich bereit. Das ist schade, denn ich hätte mich gefreut, mit ihnen einen Abend im Pub zu verbringen. Sie loben den Pub auch, denn sie haben dort gestern zu Abend gegessen. „Ich hatte einen Haddock von der Größe eines Wals“ wurde das Essen gelobt. Ich denke nicht, dass sie hier Geschmack in den Haddock bekommen, der Fisch ist einfach viel zu neutral. Ich würde mir alles andere bestellen aber nie wieder den typischen Fish&Chips Fisch.
Die Freyja muss bis zum 15. September in Ipswich sein. Da kann man verstehen, dass sie um jeden Preis ein paar Meilen machen wollen. Die Crew kann heftigen Gegenwind der Stärke 7, krasse Wellen an der Landspitze und viel Regen erwarten. Jeder so wie er es braucht. Das Ablegemanöver selbst erstaunt mich. Die Freyja wird nicht im Hafen gedreht, sondern fährt rückwärts durch die Einfahrt hinaus. Dann wendet sie vor dem Hafen.
Mit Sissi könnte ich so nicht aus dem Hafen kommen. Dazu ist sie bei der Rückwärtsfahrt zu bockig. Kurze Zeit später kommt wieder ein Segelboot in den Hafen gefahren. Die Lycka aus Holland. Sie war gestern immer ein paar Stunden vor mir und ist zum Hafen von Macduff weitergefahren. Sie wollten nicht in Macduff bleiben, weil es dort keine Duschen, keine Toiletten und keinen Supermarkt gibt. Es ist ein Industriehafen mit viel Lärm, der nicht für Segler ausgelegt ist. Der gegenüber liegende Hafen von Banff wiederum sei wegen Bauarbeiten gesperrt.
Nach dem Regen kommt der Sonnenschein. Ich bin begeistert und mache einen Spaziergang zum Supermarkt. Von dort brauche ich ein paar Kleinigkeiten, außerdem will ich Bargeld abheben. Die Marinaduschen funktionieren hier nur mit Pfundmünzen. Für 1 Pfund kann man fünf Minuten duschen. Cash.
Frohen Mutes betrete ich den kleinen Supermarkt in Whitehills und finde auch alles, was mir für mein Abendessen noch fehlt. Außer dem Fisch, aber den will ich sowieso im Fachgeschäft erwerben. Ich frage an der Kasse, ob ich Bargeld abheben kann. Selbstverständlich, antwortet die freundliche Verkäuferin. Das Kartenterminal lehnt jedoch meine Kreditkarte ab. Meine Debitkarte akzeptiert es ebenfalls nicht. Das sei kein Problem, ich solle bei der Post nebenan Geld abheben. Die befindet sich ebenfalls im Supermarkt und ist exakt einen Meter links neben der Supermarktkasse. Das Kartenterminal ist wohl vom gleichen Hersteller, jedenfalls mag es meine deutschen Karten genauso wenig. Ich bin frustriert. Der nächste Geldautomat sei in Banff, erklärt mir die Verkäuferin. F*ck. Ein wenig Schottisch kann ich ja schon.
Der Busfahrplan ist besser, als ich erwartet hätte. Einmal pro Stunde gibt es eine Abfahrt nach Banff. Ich habe sogar Glück, der Bus kommt in fünf Minuten. Der Busfahrer fragt mich, ob ich eine Rückfahrkarte wünsche. Ich wünsche. Eine Rückfahrkarte kostet 5,70 Pfund, die Einzelfahrkarte kostet 3,40 Pfund. Auch hier kann man also mit der Rückfahrkarte Geld sparen, nicht nur bei der schottischen Eisenbahn. Den Bus kann ich mit der Kreditkarte bezahlen.
Der Bus ist ein nigelnagelneuer Doppelstockbus, mit mir sind es drei Fahrgäste. Ich brauche nur eine Minute, dann bekomme ich von einer Oma die Information zu einer Bankfiliale. Sie verspricht auch, mich auf die richtige Haltestelle aufmerksam zu machen. Das klappt hervorragend. Der Fahrplan verrät mir, dass ich eine gute Stunde Zeit habe. Zeit genug, auch einen kleinen Spaziergang durch den Ort zu machen.
Natürlich zieht es mich zum Wasser, zum Hafen von Banff. Ich will mir ansehen, was das für eine Sperrung ist und was da für Bauarbeiten stattfinden. Ich bin schließlich ein ganz klein wenig neugierig.
Die Einfahrt des Hafens sieht aus der Ferne vollkommen normal aus. Nur der Bagger auf der Betonmauer scheint für die Bauarbeiten vor Ort zu sein. Aus dem Hafenbecken ragen einige Masten auf. Vielleicht sind die Bauarbeiten gar nicht so wild. Vielleicht kann ich in den nächsten Tagen noch einen Ort weiterfahren, Banff ist definitiv lebhafter als Whitehills.
Hinten rechts im Bild sieht man, dass die Hafensperrung ernst gemeint ist. In der Einfahrt wurde ein Damm aufgeschüttet. In diesen Hafen kommt keiner rein und aus dem Hafen kommt keiner raus. Es sieht nicht so aus, als wenn sich das im kommenden Jahr ändern würde.
Immerhin hat diese Bucht zwei Häfen. Der Hafen von Macduff ist zugänglich und bietet genug Platz für ein paar Segelboote, wenn der Segler bereit ist, den Liegeplatz in einem Industriegebiet zu akzeptieren. Ich finde auf meinem Spaziergang nicht nur eine Bank, sondern ich stehe plötzlich vor einem Tesco.
Hier bekomme ich nicht nur das benötigte Bargeld, ich kann gleich noch meine Einkäufe erledigen. Dabei spare ich noch Geld gegenüber dem kleinen Laden in Whitehills. Schade, ich hätte mein Geld lieber dem Familienbetrieb gegeben. Das hätte ich natürlich trotzdem machen können, aber hier und jetzt habe ich Zeit für die Einkäufe. Die Ersparnis wiegt allerdings die Kosten der Busfahrkarte nicht auf.
Heute Abend gibt es Heilbutt. Den habe ich aus dem Fischladen, der gleich neben dem Hafen von Whitehills ist. Eine Seltenheit in Schottland bzw. in Großbritannien. Hier ist ein Fischladen, der den örtlich gefangenen Fisch auch verkauft. Eine Ausnahme, denn normalerweise fährt der Fisch zur Weiterverkarbeitung in Tiefkühl-Lastwagen in den Süden. Als Wechselgeld bekomme ich die zum Duschen notwendigen Pfundmünzen. Cash.