Vor ein paar Tagen sind wir nach Martinique rübergefahren. Jens und ich haben einen französischen Supermarkt dringend gebraucht. Und für Burti ist hier Endstation. Sie hatte nur vier Wochen Urlaub und muss wieder nach Hause fliegen. Jörg bringt sie mit dem Taxi nach Fort de France zum Flughafen.
Der Heimflug wird ein wenig chaotisch. Der Flieger von Barbados nach Frankfurt ist schon ein paar Monate gebucht. Es musste nur der Transport von Burti nach Barbados organisiert werden. Einfach in Martinique einsteigen, in Dominica umsteigen und nach Barbados fliegen. Dumm nur, dass der Flieger dann nach Guadeloupe flog. Diese Zeilen entstehen, während Burti hoffentlich in den Flieger nach Barbados einsteigt.
Wir liegen in einer recht unattraktiven Marina in Le Marin. Die Leute sind sehr nett, die Duschen viel zu warm und der Weg zur Dusche ist weit. Das Ambiente ist jedoch nicht so toll, aber der örtliche Carrefour Supermarkt bietet einen kostenlosten Shuttleservice bis zum Steg. Klasse! Wir haben wieder Camembert und Orangina!
Vor der Marina ist ein gigantisches Bojenfeld. Und die Marina ist riesig, sie hat neun Stege. Teilweise liegen die Boote hier aber auch schon sehr, sehr lange. Darüber werde ich zukünftig noch etwas schreiben.
Außerdem gibt es inmitten der Bojenfelder auch das eine oder andere Korallenriff. Die sind mit Bojen markiert, in der Nacht kann man aber durchaus Probleme mit der Navigation bekommen. Ich bin froh, dass wir die Anfahrt hier bei Tageslicht gemacht haben.
Jeder hat uns von der großen Party erzählt. Der Sicherheitsmann am Marinator. Der Wäschemann mit seinem Wäscheboot. Der Obstmann. Die Taxifahrer. Die Busfahrer. Der Barmann. Alle sprechen von der großen Friday Night Party in Gros Islet. Es steht in allen Reiseführern. Wir müssen da hin.
Vor der Marina warten wir kurz auf den Bus, als ein Taxifahrer vorbei kommt und uns ein Taxi empfiehlt. Es sei schwierig, mit dem Bus zur Party zu kommen, weil da jeder hinfahren würde. Der Bus kommt nach zwei Minuten und hat Platz für uns alle.
Wir spazieren von der Bushaltestelle aus die Partymeile entlang. Aus der Ferne erklingt Musik, die großen Lautsprecherboxen haben wir schon vor ein paar Tagen gesehen. Es riecht lecker nach Grill. Es ist etwa 20 Uhr.
Mir fällt sofort auf, dass ich mich mit meiner hellen Hautfarbe nicht mehr alleine fühlen muss in Gros Islet. Unter der Woche sieht man hier keine weißen Touristen, am Freitagabend ist alles voll davon. Das muss an den Reiseführern liegen.
Es ist schon schön gemacht. Überall am Straßenrand sind Stände mit Grill (Hühnchen, Leiterchen, Lobster, Spieße) oder Rumpunsch oder Nippes. Die Nippesbuden sind schwer frequentiert.
Auch ein Kunsthandwerker hat seinen Verkaufsstand aufgebaut. Hier ist der Andrang doch recht übersichtlich. Ob sich das in der Nacht noch ändern wird?
Zunächst ist das alles sehr übersichtlich. Der Andrang hält sich bis 22 Uhr noch ziemlich in Grenzen. Wir essen vom frisch Gegrillten zu Abend und lassen uns ein wenig durch die Straßen treiben.
Nicht nur die zweibeinigen Bewohner von Gros Islet freuen sich jeden Freitag auf die Party und das Geld, das ihnen in die Kasse gespült wird. Auch die vierbeinigen Bewohner scheinen ihre helle Freude an der Grillorgie zu haben.
Wir beschließen gegen 23 Uhr, dass wir wieder zurück zu Sissi wollen. Inzwischen ist es richtig voll geworden. Die Leute tanzen auf der Straße. Es herrscht Ballermann-Stimmung. Drogenverkäufer bahnen sich ihren Weg durch die Menge. Es wird sogar offen Kokain angeboten, das habe ich noch nie in dieser Form gesehen.
Ich habe ein paar kleine Videos angefertigt, um die Stimmung besser transportieren zu können.
Fazit: Noch einmal brauche ich sowas nicht. Es war eine sonderbare Erfahrung. Ich habe aber auch noch nie einen Pauschalurlaub in einem Ferienresort gemacht. So sieht das also aus, wenn die Leute aus dem Resort frei gelassen werden.
Anstatt mich Jens uns seinen Fahrkünsten anzuvertrauen, teste ich lieber den öffentlichen Busverkehr. Die Busse fahren für Preise zwischen 1,50$ (XCD) und 8$ zwischen allen wichtigen Städten der Insel hin und her. Es sind Kleinbusse, dafür gibt es davon unglaublich viele. Die Linie 1A von Castries nach Gros Islet fährt an der Marina vorbei und die Fahrzeuge kommen alle zwei Minuten, manchmal noch öfter. Es handelt sich wohl um die bestfrequentierte Buslinie der Insel.
In Castries steige ich um auf die Linie 2H nach Vieux Fort. Bei unserem Kurzbesuch mit dem Mietwagen hatte ich den Eindruck, dass ich diesen Ort unbedingt noch einmal in Ruhe ansehen möchte.
Ich komme an einer zentralen Bushaltestelle an. Zunächst freue ich mich, dass ich gleich den zentralen Busbahnhof gefunden habe. Da stehen über 100 Minibusse auf einem riesigen Parkplatz, eine Schlange Minibusse steht am Straßenrand und rollt Meter um Meter vor. Dann sehe ich, dass es sich nur um die Haltestelle der Linie 1A handelt
Die Linie 1B hat ihre Haltestelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ein paar Kreuzungen weiter finde ich Busse der Linien 3H und 4C. Nur die Haltestelle der 2H finde ich nicht. Ich frage einen Passanten. Der erklärt mir, dass ich durch die halbe Stadt laufen muss, um die Haltestelle der 2H zu finden.
Ich mache mich auf den Weg, der am Kreuzfahrtterminal vorbei führt. Unterwegs sehe ich eine Bushaltestelle nach der anderen. Immer steht eine mehr oder minder große Zahl von Minibussen abfahrbereit da und wartet auf Fahrgäste. Irgendwann wird mir klar, dass die ganze Innenstadt von Castries ein riesiger Busbahnhof ist mit tausenden von Minibussen, die über mehrere Dutzend Routen von hier aus auf die Insel ausschwärmen.
Mit der Linie 2H geht es dann bald los. Die Busse fahren wesentlich schneller als Jens. Und die Busfahrer kennen alle Schlaglöcher mit ihren Vornamen. So ist die Fahrt dann eher ein sanftes Gleiten unter ständigem Fahrtrichtungswechsel, wenn den Schlaglöchern ausgewichen wird. Der Busfahrer nimmt es auch mit der Fahrzeit sehr genau, er hat für für eine Airline gearbeitet und setzt jetzt alles daran, seine Fahrgäste mit Höchstgeschwindigkeit und maximalem Komfort zu befördern.
Zu allem läuft selbstverständlich Reggae-Musik im Radio.
Vieux Fort macht mir auf den zweiten Blick keinen Spaß mehr. Zu den Einheimischen finde ich praktisch keinen Kontakt. Im Prinzip gibt es nur zwei Sorten von Einheimischen. Die ganz, ganz armen Leute, die jeden Touristen um ein paar Dollar anschnorren. Und diejenigen, denen es ganz gut geht und die einen Job haben. Von denen werde ich ignoriert. Es ist sehr, sehr schwer, mal ins Gespräch zu kommen. Kann es sein, dass das von den vielen Kreuzfahrttouristen herrührt? Wenn ich mal ins Gespräch gekommen bin und mein Boot als Segelboot verortet ist, ist der Gesprächspartner plötzlich viel aufgeschlossener.
Bemerkenswert allerdings die Predigerin. Das haben wir auf Barbados schon gesehen und hier sehe ich es jetzt auch. Eine Frau, die mit Hilfe einer starken Lautsprecheranlage jedem über Gott erzählt. Dabei werden Maiskolben gegrillt.
Ich nehme den nächsten Bus in Richtung Souvriere. Der Linienweg geht über eine schöne Küstenstraße, das weiß ich schon von meiner Mietwagentour. Auch dieser Busfahrer gibt alles. Busse überholen andere Fahrzeuge. Busse werden nicht überholt.
In Souvriere fällt mir die Kirche auf, die sich so ganz von den anderen Kirchen auf der Insel unterscheidet. Die meisten haben die Anmutung einer Garage, auf die man ein Türmchen mit Glöckchen und Kreuz gestellt hat. Diese hier sieht massiver aus.
Sie ist außerdem eine der wenigen Kirchen, die außerhalb des Gottesdienstes geöffnet sind. Diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen, es ist die erste Kirche, die ich auf diesem Kontinent fotografiere.
Der Spaziergang führt mich weiter durch den Ort und ich staune nicht schlecht, als ich das Dienstschild des deutschen Honorarkonsuls sehe. Mitten in Souvriere. Und nicht über Google findbar, jedenfalls nicht auf die Schnelle. Das Nagelstudio findet man schon.
Die Busfahrt führt mich weiter durch viel Grün auf der Insel. St. Lucia ist wesentlich stärker bewaldet als Barbados. Das liegt natürlich auch daran, dass ein großer Teil des Bodens landwirtschaftlich überhaupt nicht genutzt werden kann.
Der Busfahrer gibt wieder alles. Die Fahrt ist rasant. Plötzlich legt er den Sicherheitsgurt an. Dann kommt ein Polizeiwagen am Straßenrand, das sieht wie eine Kontrolle aus. Dann legt er den Gurt wieder ab.
Kurz vor der Hauptstadt geht es dann über die Bananenplantage. Ich konnte aufgrund der rasanten Fahrt kein Bild der Plantage selbst anfertigen, aber einen Verkaufsstand habe ich erwischt. Es ist Nachmittag, die Kreuzfahrer sind alle weg und die meisten Stände sind verwaist.
Auf den letzten Metern vor Castries kommen wir dann noch an einer Schule vorbei, die gerade Schulschluss hat Die Kinder warten alle auf Busse. Unser Bus ist voll, muss also nicht anhalten. Die Kinder sind das Warten gewohnt.
Im Stau auf den letzten Metern fragt mich der Busfahrer, ob ich denn noch rechtzeitig zu meinem Schiff zurück kommen werde. Das bejahe ich und erkläre ihm, dass ich noch ein paar Meter bis zum Schiff fahren muss. Das Segelboot macht mich wieder interessant, plötzlich will er mein Herkunftsland wissen und wie das ist, über den Atlantik zu segeln. Die Menschen hier sind doch völlig normal, neugierig eben. Nur nicht an den Kreuzfahrern interessiert. Außer für einen schnellen Dollar.