Das Wasser ist so unglaublich schön blau. Von hinten kommt Welle um Welle angerollt. Meter für Meter nähert sie sich immer weiter, sie wächst über den Geräteträger hinaus. Dann hebt sich das Heck, die Welle läuft unter Sissi durch und man sieht aus dem Cockpit in ein tiefes Tal. Bricht sich eine der Wellen im Sonnenlicht, erstrahlt diese Stelle in den schönsten, leuchtensten und sattesten Blautönen, umrahmt von den weißen Spritzern der Gischt. Das Schauspiel wiederholt sich mehrmals in der Minute, Stunde für Stunde, den ganzen Tag. In der Nacht ist das Wasser dunkelgrau. Scheint der Mond, bringt er ebenfalls die Gischt zum Glitzern. Ich kann mich an diesem Schauspiel nicht satt sehen. Das ist auch besser so, denn diesen Film zeigen sie Tag und Nacht im Bordkino, wenn man sich ins Cockpit setzt.
Ansonsten ist alles Routine. Wir haben mehrere fliegende Fische eingesammelt und wieder ins Wasser überstellt. Die Befestigungsschrauben der einen Stütze des Windgenerators haben sich gelöst und wollten wieder festgezogen werden. Außerdem wackelte die Befestigung der genannten Stütze am Standrohr des Windgenerators. Hatten wir den nicht erst ordentlich festgeschraubt…? Das war zwischen Guernsey und Roscoff, als uns der Windgenerator das erste Mal fast abgängig war. Und nun schon wieder? Wir sind von Roscoff bis hierher doch nur ein paar tausend Meilen gesegelt. Die Zeit vor der Biskaya-Überquerung ist so unendlich lange weg von unserem Jetzt.
Wir brauchen eine Schrauben-Kontroll-Checkliste. Wir können nicht jede Schraube an jedem Tag kontrollieren. Wir müssen aber sicher stellen, dass alle Schrauben regelmäßig kontrolliert werden. Sonst wird es immer wieder böse Überraschungen geben. Die von der Windfahne ziehe ich auch noch nach, dort klapperte es ein wenig. Und die Batterie im Maschinenraum wollte sich losreißen, sie hat einige ihrer Halteschrauben abgeschert. Ich ersetze die Schrauben durch mehr Schrauben. Ein weiterer Punkt für die Checkliste. Dafür hält sich das Rigg hervorragend. Die neuen Unterwanten müssen in den nächsten Tagen mal nachgespannt werden, das hat aber noch Zeit. Auch die neue Genua zieht uns prima in Richtung Westen.
Außerdem haben wir letzte Nacht die Borduhr wieder eine Stunde zurück gedreht, wir sind jetzt in der Zeitzone UTC-3 bzw. vier Stunden hinter Deutschland. Das heißt, dass unsere Position auf der Stalking-Seite immer um kurz nach 4 Uhr und um kurz nach 16 Uhr aktualisiert wird. Glücklicherweise bleiben wir vom Jetlag verschont.
Der Wind bläst so schön, das Wetter ist toll, wir machen gute Fahrt. Das Schaukeln ist jetzt sehr angenehm, die Geräusche im Schiff halten sich wieder in Grenzen. Ich setze mich eine weitere Stunde ins Cockpit und genieße das alles. Das blaue Wasser, die Gischt, die Sonne und den Wind. Ich hätte nie gedacht, dass es so schön sein würde, tagelang nur Wasser sehen zu können. Jeden Tag sieht der Atlantik anders aus, schon nach ein paar Stunden hat sich das Bild oft komplett geändert. Ich komme kaum dazu, meine Bücher zu lesen. Der beste und spannendste Thriller ist total langweilig, wenn ich ihn mit der Spannung der Grenzenlosigkeit und Weite des Ozeans vergleiche.
7. Etmal: 125 nm
Position um 12 Uhr: N15°52′ W36°56′
Noch 1326 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 746 Meilen hinter uns.
Hi Jörg, dein Blog macht süchtig. Süchtig nach Me(h)er. Mama und ich könne es kaum erwarten, bis der nächste Beitrag erscheint. Am Liebsten wäre ich mit dabei. Da ich selbst schon oft mit dir segeln war, kann ich deine Gedanken und Gefühle annähernd nachvollziehen.