Wanderpumpe

Ich habe vor einigen Wochen schon einmal den alten Mann erwähnt, der mit seinem Ruderdinghi jeden Tag neben Sissi festmacht. Er hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass mir Ungemach am Bugkorb droht. Der Atlantik hat dort nämlich ziemlich am Edelstahl geknabbert und die tragende Struktur beinahe aufgegessen.

Der rostige Riss geht fast ganz herum. Nur oben ist noch nichts zu sehen, dafür unten aber noch viel mehr. Dort, wo der alte Mann immer mit seinem Dinghi vorbeikommt.

Inzwischen habe ich gelernt, dass der alte Mann Joe heißt. Er macht nicht nur einfache Gelegenheitsjobs, sondern besitzt ein Schweißgerät. Außerdem hat seine Arbeit einen guten Ruf. Der Bosch-Dienst hat auch einen guten Ruf. Manchmal frage ich mich, welche Arbeitsqualität hier in Guadeloupe von Firmen oder Menschen abgeliefert wird, die keinen guten Ruf haben. Joe jedenfalls hat mir versprochen, dass er sich um Sissi kümmern wird, wenn er die Zeit dafür findet. Er ist übrigens 74 Jahre alt, taub und spricht Französisch und Deutsch. Diese beiden Sprachen kann er von den Lippen lesen, Englisch nicht.

Stadtbus vor dem Kunsthaus

Manchmal möchte ich meiner Einspritzpumpe näher sein, außerdem möchte ich etwas Druck auf die Leute von Bosch machen. Dann setze ich mich in den Stadtbus und fahre dorthin. Seit ich die App des Anbieters installiert habe, kann ich auch unterwegs auf den Fahrplan zugreifen. Die Nutzung der Öffis macht viel mehr Spaß, wenn man nicht stundenlang auf den Bus warten muss bzw. wenn man die Wartezeit zum Beispiel in einem Baumarkt verbringen kann, anstatt an der Bushaltestelle.

Allerdings muss ich sagen, dass ich schon wieder viel zu lange an einem Ort bin. Die Busfahrerin wollte mir das tariflich vorgesehene einmalige Umsteigen nicht zugestehen, doch unter Verweis auf die Beförderungsbestimmungen, die im Bus aushängen, habe ich die Diskussion gewonnen. Macht mich einerseits stolz, andererseits traurig.

Antifouling streichen in Unterhosen

Um mich herum kommen und gehen die Boote. Bei deren Wartung, die in 99,9% der Fälle aus einem Anstrich des Unterwasserschiffs besteht, werde ich immer wieder Zeuge kurioser Vorfälle. Etwa dieser Nachbar, der sein Schiff in Unterhosen streicht.

Oder es sind nur die Namen der Boote um mich herum, die mich zum Schmunzeln bringen. Sissi ist ja schon grenzwertig, dazu muss man nur den Begriff „sissy“ mal aus dem Englischen übersetzen. Ich glaube, Eike hätte sich über die Transe gefreut.

Transe

Letztendlich ist es ja so – seit Eike nach Hause geflogen ist, habe ich an Bord wieder mehr Möglichkeiten. Das Cockpit braucht unbedingt Farbe, einen Pinsel und ganz viel Zuwendung. Die kann ich ihm jetzt zukommen lassen. Das ging nicht, als Eike noch hier war. Ich hätte ihn weder stundenlang im komplett verschlossenen Boot einsperren können, noch wäre ein stundenlanger Spaziergang die Lösung gewesen. Aber jetzt kann ich das machen, was hier jeder macht: Lärm und Dreck!

Beginn der Schleifarbeiten. Mal wieder.

Endlich fühle ich mich nicht mehr als Aussätziger, ich war der einzige in diesem Drecksloch, der keinen Dreck produziert. Allerdings muss ich sagen, dass es angenehmer ist, am Nachmittag mit Eike Schach zu spielen, als stundenlang mit Maske und Ohrenstöpseln die Farbe abzutragen. Es ist auch intellektuell fordernder. Allerdings sind solche Arbeiten auch sehr gut geeignet, die eigenen Gedanken zu ordnen. Und manchmal komme ich zu erstaunlichen Erkenntnissen.

Das Bild habe ich nur in die Reihe eingebaut, weil ich es habe. Wer in Frankreich für ungesundes Essen wirbt, muss wie bei uns bei der Zigarettenwerbung nicht allzu Kleingedrucktes darunter zu setzen. Für die Gesundheit wird hier dazu geraten, regelmäßig sportliche Aktivität zu machen. Einigen wir uns darauf, dass ich nicht zu diesem Laden gehe, dafür aber den Sport weglassen darf.

Die Menschen in Aruba (und vermutlich vielen anderen Ländern) werden schon ganz schön über den Tisch gezogen mit den Produkten, die bei ihnen in den Läden stehen. Manchmal ist es sicherlich gewollt, wie zum Beispiel bei den Autos. Die in Aruba verkauften Autos sind zumeist 3. Welt Autos, die sich auf dem Stand der Technik der 1980er Jahre befinden. Das hat auf jeden Fall für Menschen wie Edward große Vorteile, denn auf diese Weise kann man die Autos auch sehr leicht reparieren. Mein Toyota, der definitiv in diesem Jahrtausend gebaut wurde, hatte einen Vergaser, kein ABS, keine Airbags und kein ESP.

Sissi umgeparkt für die Schweißarbeiten.

Als mir jedoch die Schleifscheiben aus Aruba ausgegangen sind, musste ich einen Besuch bei Mr. Bricolage machen. Ein ganz gewöhnlicher Baumarkt mit ganz gewöhnlichen Baumarktprodukten, den ich mit einem Arm voller Schleifschreiben wieder verlasse. Als ich diese Scheiben dann benutze, stelle ich fest, dass diese vollkommen gewöhnlichen Scheiben etwa fünf- bis achtmal so viel Fläche säubern, als die Scheiben aus Aruba. Das betrifft nicht nur verschiedene Produkte von DoitCenter, es betrifft auch die Produkte von Kooyman und den chinesischen Baumärkten. Schleifscheiben hatte ich noch viele. Und mehr bezahlt habe ich in Aruba auch, hier sind bei höherer Qualität die Preise besser. Nein, ich habe nicht die Luxusscheiben für 11€ pro fünf Stück gekauft, sondern nur die normalen Schreiben für 2,99€ für den Fünferpack. Ich habe noch 120er Körnung aus Aruba, die werde ich wahrscheinlich gar nicht mehr benutzen. Die kaufe ich mir lieber neu, dann fällt mir die Arbeit leichter.

Joe bereitet seine Arbeiten vor.

Zwischenzeitlich war die Einspritzpumpe mal wieder an Bord. Fred ist inzwischen richtig fix darin geworden, sie ein- und wieder auszubauen. Bei ihrem letzten Besuch funktionierte die Pumpe eigentlich ganz manierlich, abgesehen davon, dass der Motor bei 1500 Umdrehungen im Leerlauf plötzlich bis an den Begrenzer gedreht hat. Nach Rücksprache mit Bosch hat Fred die Pumpe wieder mitgenommen. Nur eine Woche später kam sie dann wieder, es wurde tatsächlich daran gearbeitet. Jetzt dreht der Motor nicht mehr bei 1500 Umdrehungen bis zum Begrenzer hoch, sondern schon bei 900 Umdrehungen. Das ist kritisch, denn 900 Umdrehungen brauchen wir schon, wenn wir unterwegs mal Strom machen müssen.

Joe beim Schweißen

Fred telefoniert mit Electro Diesel Service und der Inhaber Mr. Michel erklärt sich bereit, nach Geschäftsschluss zu mir an Bord zu kommen und das Verhalten mit eigenen Augen zu sehen, mit eigenen Ohren zu hören. Holger freut sich für mich, denn er sagt, dass Mr. Michel nur den Motor anhören muss, um zu wissen, was mit der Pumpe ist. Dann sitzt er eine halbe Stunde lang vor meinem laufenden Motor und sein Gesicht spricht Rätsel. Zuletzt sieht es fast aus wie im Comic, wenn dem Protagonisten eine Idee kommt. Mr. Michel springt auf, sagt dass er eine Idee hat und verlässt das Boot. Fred kommt kaum hinterher. Gestern hat Fred die Pumpe wieder ausgebaut, heute ist sie wieder bei Bosch.

Fertig geschweißt!

Samstagabend annoncierte mit Joe, dass er sich Sonntag um meinen Bugkorb kümmern wird. Ich möge das Schiff etwas zurück ziehen, damit er vom Steg aus schweißen kann. Er kommt dann auch am Sonntag mit seinem Dinghi angerudert, bereitet in aller Ruhe seine Arbeiten vor und schweißt mir den Stahl. Dabei sorgt er sich vorbildlich darum, dass keine Schäden am GFK entstehen. Schön. Das Ganze kostet mich 45€ für eineinhalb Stunden Arbeit.

Joe fährt nach getaner Arbeit wieder nach Hause

Über unsere Schicksalsgemeinschaft hier habe ich schon das eine oder andere Wort verloren. Jedes Boot liegt aus einem bestimmten Grund hier. Und manche Boote finden keinen Platz. Ich jedenfalls frage mich jedes Mal, wenn ich vom Einkaufen zurück komme, was ich neben Sissi finden werde. Teilweise gehen die Segler behutsam mit meinem Eigentum um, teilweise könnte ich ihnen einfach ins Gesicht schlagen. Da finde ich einen Mann, der ein Segelboot ohne funktionierenden Motor an Sissi heran zieht. Er führt das Seil aus den Händen, ohne es über die Klampe zu legen, die sich ihm vor seinen Füßen anbieten würde, stünde er denn auf denselben. Statt dessen sitzt er auf meinem Cockpitdach, die Füße gegen die Relingstützen gestemmt, die ich erst kürzlich unter großem Aufwand abgedichtet habe, und zerrt an dem Seil. Ich muss noch einmal Schimpfwörter und Flüche auf Französisch rekapitulieren, ich habe ihn in Englisch angeschissen.

Diesmal liegen zwei Nachbarn im Päckchen.

Doch es ist ja so, dass es sich manchmal sehr schön entwickelt. Am Abend des Tages, der mir die beiden Päckchenlieger gebracht hat, werde ich auf das mittlere Boot zu Rotwein und Abendessen eingeladen. Es wird ein sehr schöner Abend. Auch die Fremdsprache in meinem Gehirn ist mehr und mehr ausgetauscht. Jetzt fallen mir nicht mehr zuerst die englischen Vokabeln ein, sondern ich lande meist bei den richtigen Worten. Der Anteil an Kauderwelsch, den ich von mir gebe, ist definitiv gesunken. Es kann allerdings passieren, dass ich urplötzlich die Sprache wechsle, ohne es zu merken. Das ist aber nicht mehr so schlimm wie vor 20 Jahren, inzwischen verstehen die Franzosen Englisch.

Fortschritte. Jetzt kommt die 120er Körnung dran.

Ich hatte ja zuerst die Befürchtung, dass die Einspritzpumpe da ist, bevor ich mit den Drecksarbeiten fertig bin. Dann hätte ich nicht wegen der Pumpe, sondern wegen der Arbeiten hier liegen bleiben müssen. Doch die Schleifarbeiten sind fast erledigt, ich hätte mir nicht den rechten Ellenbogen mit einer 6-Stunden-Schicht ruinieren müssen. Mit den französischen Scheiben geht es zumal wesentlich schneller, sie sind nicht nur haltbarer sondern einfach nur besser. Es sieht aber nicht so aus, als seien die Schleifarbeiten der kritische Pfad. Ich will hier weg.

Ach ja, wie immer ist es so, dass ich wenig schreibe, wenn ich viel arbeite. Jetzt schließe ich, weil ich in den Baumarkt muss. Ich brauche noch neue Schleifscheiben und Ohrenstöpsel. Die Busfahrkarten hole ich mir nicht mehr beim Busfahrer, sondern mache es wie die Einheimischen per Handy. Das hat zwei große Vorteile: Erstens entscheidet der Bus über die Gültigkeit meines Tickets und nicht der Busfahrer, zweitens bekomme ich für 10€ Aufladen 12€ Guthaben, also kostet die Einzelfahrt dann nur noch 1€.