Immobil

Immobil sind wir weiterhin. Nicht so sehr an Land, noch haben wir den Mietwagen. Sissi ist leider wieder eine Immobilie. Ich habe die Warterei satt und beginne mit der Arbeit. Nach Konsultation von Holger, einem Segler, den ich vor zwei Jahren in Aruba kennengelernt habe, bin ich bereit, selbst das Problem mit der Dieselversorgung in den Griff zu bekommen. Der Laden mit Bootszubehör hat alle notwendigen Teile für mich, ich muss sie nur einkaufen.

Neu: Eine kleine Pumpe, mit der man die Dieselleitung entlüften kann.

Die Erneuerung der Dieselleitung zwischen dem Tank und dem zweiten Filter verläuft einfacher, als ich es vorher dachte. Und es macht praktisch keine Sauerei, denn es ist kein Diesel mehr in den Schläuchen. Ich baue einen kleinen Ball in den Kreislauf ein. Damit lässt sich in Zukunft der Diesel aus dem Tank bis in die Einspritzpumpe befördern. Die beiden Dieselfilter habe ich zwar erst kürzlich erneuert, doch wenn ich schon einmal dabei bin, kann ich es auch noch einmal machen. Dann pumpe ich und pumpe und pumpe. Holger hat mir gesagt, welche Schrauben ich öffnen muss. Dann muss ich pumpen, bis dort Diesel austritt. Dann wieder verschließen, noch ein wenig pumpen und wieder öffnen. Oft soll dabei noch etwas Luft kommen. Nach und nach arbeite ich mich vor und bin bis zu den Einspritzdüsen gekommen. Auch dort kann ich Diesel sehen. Damit wird es Zeit, alles wieder gut zu verschließen und den Motor zu starten. Er startet nicht. Kurze Rücksprache mit Holger, dann mache ich noch ein paar Versuche, bevor ich entnervt das Werkzeug in die Ecke schmeiße und zu Fred gehe.

Fred Marine

Genauer gesagt gehe ich zu Axel, der bei Fred Marine arbeitet. Er wollte für mich nachfragen, ob ich kurzfristig außer der Reihe einen Mechaniker bekommen kann. Leider kann mir Axel nicht helfen, der Laden ist für mindestens die nächsten beiden Wochen ausgelastet. Also gehe ich zu Fred. Fred ist der Besitzer von ACT Marine, einer weiteren Firma, die hier in der Marina ansässig ist. Entgegen meiner Erwartungen kommt Fred nach wenigen Minuten zu Sissi und sieht nach dem Motor. Im Prinzip macht er erst einmal alles das, was ich auch schon getan habe. Er findet nirgendwo Luft im System, dafür aber überall Diesel. Nur kommt es nicht aus allen Einspritzdüsen heraus. Und der Druck scheint nicht zu reichen, um wenigstens einen oder zwei der Zylinder zur Zündung zu bewegen.

Es ist etwas Arbeit, bis zur Einspritzpumpe zu kommen.

Fred diagnostiziert eine defekte Einspritzpumpe. Holger ist der Meinung, dass die Einspritzpumpe nicht kaputt geht. Ich bin hin- und hergerissen. Eigentlich vertraue ich Holger, der meinen Motor während seiner Ausbildung bei Mercedes Benz kennengelernt hat. Andererseits ist Fred ein Profi mit gutem Leumund hier in der Marina und auch unkaputtbare Teile können kaputt gehen. Schweren Herzens erlaube ich Fred, die Einspritzpumpe zu demontieren. Ich habe praktisch keine Wahl.

Motor ist offen

Nach und nach demontiert Fred Motorenteile, bis er irgendwann die Einspritzpumpe in seinen Händen hält. Bevor wir eine neue Pumpe bestellen, wird er erst einmal prüfen, was kaputt ist und ob es reparierbar ist. Ansonsten weiß ich, dass diese Pumpe in Deutschland definitiv erhältlich ist. Eine Lieferung nach Guadeloupe würde auch keinerlei zollrechtliche Probleme verursachen. Insofern bin ich jetzt erst einmal vorsichtig optimistisch.

Sie ist draußen. Die Einspritzpumpe.

Mitte der kommenden Woche soll die Pumpe fertig sein. Ich bin gespannt. Ich gehe zur Hafenmeisterei und bezahle unseren Platz für eine weitere Woche. Dann schnappe ich mir Eike und unseren Mietwagen. Wir haben an Bord nichts mehr zu tun und wollen noch einmal den Dschungel sehen. Eine Kaskade wartet noch auf unseren Besuch.

Cascade aux Ecrevisses

Die Kaskade ist gut besucht und wenig spektakulär. Auch von Wanderung kann man auf dem 500 Meter langen, rollstuhlgerechten Weg nicht sprechen. Dennoch ist es schön anzusehen. Für den nächsten Besuch will Eike Badesachen mitnehmen.

Ruhiger Flusslauf unterhalb der Kaskade

Wir sehen uns auch noch die restliche Gegend an. Unterhalb der Kaskade gibt es einen schönen Grill- und Picknick-Platz, an dem ein Wanderweg flussabwärts beginnt. Den laufen wir ein paar Schritte, Eikes Füße finden doch noch den Weg ins Wasser. So kann man nicht nur die Füße, man kann auch den Kopf entspannen. Den ganzen Tag in der Werft sitzen, den Menschen bei ihren lärmenden Tätigkeiten zuhören und den Gestank der im Hafenbecken verwesenden Algen zu riechen ist unangenehm. Zuerst hielt ich den Gestank für unseren Fäkalientank und dachte an Verstopfung. Dann dachte ich daran, dass hier sehr viele Menschen den Hafen benutzen, der wenig Wasseraustausch hat. Doch dann hat sich mein Gehirn an diesen Geruch erinnert, ich kenne ihn aus Aruba. Er tritt dort jährlich auf, wenn bestimmte Algen blühen und dann verwesen. Wir sind froh über jede Tour, die uns aus dieser Umgebung heraus bringt.

Doch noch die Füße im Wasser

Chamito

Heute erreicht mich nach dem Frühstück eine Nachricht von Anneke. Chamito ist heute Nacht gestorben. Damit ist er nur knapp vier Monate alt geworden. Gestern ist er noch durch sein Gehege gesprungen und hat sich seines Lebens gefreut. Heute früh wurde er dann gefunden.

Chamito im Alter von vier Tagen

Ich wünsche dem Donkey Sanctuary und allen Helfern dort, dass es in nächster Zeit möglich sein wird, ein paar Esel von Bonaire nach Aruba zu schaffen und gesunde Babys zu zeugen.

Sklavenmarkt

Heute machen wir einen Ausflug auf die große Insel. Hier sind die Berge nicht so hoch, das Grün der Pflanzen ist nicht so intensiv und wir merken, dass es hier nicht so viel regnet, wie auf der Nachbarinsel.

Kilometerlanger Strand ganz im Osten von Grande Terre

Zunächst führt uns der Weg schnurstracks nach Osten. Wir wollen zum östlichsten Punkt. Ich habe keine Ahnung, warum es in der Natur des Menschen liegt, solche Punkte zu besuchen, wir machen es aber den anderen nach, folgen am Ende einem kilometerlangen Strand und stehen dann auf dem Parkplatz an der Ostspitze.

Gipfelkreuz am östlichsten Punkt

Wir schauen nach Osten und ich bemerke Eike gegenüber, dass es von hier bis Afrika kein Land mehr gibt. Lediglich die vorgelagerte Insel „La Désirade“ ist schemenhaft erkennbar.

La Desirade, im Osten vorgelagerte Insel, die ebenfalls zu Guadeloupe gehört.

Wie überall auf den karibischen Inseln gibt es eine Wetterseite und die Seite mit den Badestränden. Hier jedenfalls wäre Baden lebensgefährlich, die Wellen brechen sich, wir genießen das Schauspiel.

Keine Einladung zum Baden

Alsbald wird es uns zu warm, wir genießen die Klimaanlage im Auto und fahren die Küstenstraße entlang nach Norden. Küstenstraße ist zu viel versprochen. Nur wenige Ausblicke auf das Wasser sind uns vergönnt. Diese Ecke von Guadeloupe zeichnet sich durch unzählige Zuckerrohrplantagen aus, touristisch ist nicht viel los. Aber die kleinen Hafenstädte haben ihren eigenen Charme. Wenn das Wetter etwas kühler wäre, könnte man sich auch in die Bretagne versetzt fühlen – mit mehr Palmen halt.

La porte de l’enfer. Das Tor zur Hölle. Sieht von hier aus harmlos aus.

Ohne Ziel und ohne Navigationssystem, dafür aber mit einer IGN-Papierkarte und offenen Augen stechen mir auf einem Schild die Worte „Porte de l’enfer“ in die Augen. Das Tor zur Hölle. Das müssen wir sehen. Ich erkläre es Eike und er ist sofort teuflisch begeistert. Am Parkplatz des Höllentors finden wir eine kleine Bar, die an einer Bucht steht. Die Bucht selbst ist unspektakulär und ruhig. Aber man könnte hier baden, einer der wenigen Orte an der Ostküste. Nach kurzem Aufenthalt fahren wir weiter, das Auto klettert auf einen Berg und wir sehen den Eingang zur Unterwelt noch einmal von oben. Spannend.

Aus der ruhigen Bucht kommend mutet der Atlantik durchaus wie die Hölle an.

Ebenfalls auf den Straßenschildern werden wir auf den Sklavenmarkt hingewiesen. Im Westen von Grande Terre befindet sich der kleine Ort Petit Canal. Dort ist der Hafen, in welchem damals die Sklaven eingeschifft worden sind. Heute liegen dort kleine Fischerboote.

Hafen von Petit Canal. Heute für Fischerboote.

In einem Zelt am Parkplatz sitzen zwei Fremdenführer und warten auf Kundschaft. Leider können sie die Führung nicht auf Englisch anbieten. Ich habe keine Lust, Französisch zu übersetzen, deswegen machen wir die Tour lieber auf eigene Faust, starten mit dem Denkmal für den unbekannten Sklaven und der ewigen Flamme.

Denkmal für den unbekannten Sklaven
Gedenktafel

Die Franzosen haben bei der Kolonisierung der Insel Guadeloupe die vorher Einheimischen auf die Nachbarinsel Dominica verschleppt. Für die Arbeit in den Plantagen wiederum dann Menschen aus Afrika in die Karibik, die die harte Arbeit im Durchschnitt nur sieben Jahre überlebten (Quelle: Wikipedia).

Hinter den Bäumen ist das ehemalige Sklavengefängnis.

Neben dem Sklavenmarkt am Hafen ist nur wenige hundert Meter entfernt das ehemalige Gefängnis. Ein überdimensionaler Baum hat die Ruine übernommen. Wenn ich mich nicht irre, handelt es sich um einen Bantambaum.

Eingang zum Gefängnis
Das Gitter ist in etwa 2,50 Metern Höhe.
Der Baum ist mächtiger als die Steine

Es sind leider keine Informationstafeln vorhanden, die uns sagen würden, wie viele Menschen in den kleinen Zellen untergebracht waren oder warum die Sklaven eingesperrt wurden. Unruhige Zeiten gab es in der Geschichte jedenfalls genug. Vielleicht hätten wir doch die geführte Tour machen sollen.

Blick in umgekehrter Richtung, in Richtung Freiheit.

Am 27. April 1848 wurde die Sklaverei in den französischen Kolonien für immer abgeschafft. Die ehemaligen Sklaven mochten nicht mehr auf den Plantagen arbeiten, so dass bis 1889 etwa 42000 Inder für diese Arbeit angeworben werden mussten. Wir steigen in unseren Wagen und fahren wieder zurück zu Sissi, die Tour hat sich länger als erwartet hingezogen. Im Wagen diskutieren wir noch über die Geschichte des Sklavenhandels in die Karibik.

Schon in den letzten Tagen ist mir eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen aufgefallen, die am frühen Abend immer wieder mit ihren Fahrrädern durch das Werftgelände fahren und die Schiffe genau inspizieren. Ich spreche sie an und erzähle ihnen von dem gestohlenen Fahrrad. Sie wissen erst einmal gar nichts. Ich lobe eine Belohnung für die Wiederbeschaffung aus. Einer der Jugendlichen meint, er würde den Dieb kennen. Ich erkläre, dass sie sich die Belohnung verdienen können, wenn das Rad wieder zu mir zurück kommt. Bei einem Neupreis von 1500€ kann ich es ja einmal versuchen. Eine halbe Stunde später verstaut Eike das Rad unter Deck, ich zähle die Geldscheine vor. Zwar bin ich mir sicher, direkt beim Dieb gekauft zu haben, doch der Preis war gut. Dafür verstirbt in der folgenden Nacht eine weitere Batterie. Nun besteht akuter Handlungsbedarf. Zum Glück sind die Batterien hier günstiger als in Aruba. Eine Batterie, die ich dort für ca. 850 US$ erwerben könnte, kostet hier „nur“ 430€.

Nun ist nur noch eine Batterie übrig geblieben.