Bye bye Caledonian Canal

Wir schreiben den 4. September. Es ist mein letzter Abend im Kanal. Ich habe mich mit meinem Nachbarn auf ein Bier im Pub verabredet. Eigentlich waren wir schon gestern verabredet, doch er hat den Pub nicht gefunden. Deswegen wollen wir das heute nachholen. Anstatt dass wir uns zusammen auf den Weg machen, sehe ich ihn gegen halb Neun alleine loslaufen.

Enten und altes Brot

Ich stecke mir noch eine kleine Tüte mit altem Brot in die Tasche, denn auf dem Weg zur Schleuse sind eine ganze Menge Enten im Kanal. Die kommen auch sofort angeschwommen und freuen sich über die Brotkrumen. Dann gehe ich weiter zum Pub, doch mein Nachbar ist nicht angekommen. Er hat den Pub anscheinend wieder nicht gefunden. Am nächsten Morgen sagt er mir, dass er den Pub zwar gefunden habe, dass dieser aber geschlossen gewesen sei. Also hat er sehr lange gesucht. Um 22 Uhr hat die Wirtin die letzten Gäste verscheucht. Das war mir nur recht, denn ich wollte ja heute früh los. Daraus ist nichts geworden, die Brückenöffnung morgens um Neun habe ich verschlafen. Doch jetzt bin ich im Works-Lock, der vorletzten Schleuse. Neben mir ist Freyja.

Die Talfahrt beginnt.

Abwärts schleusen ist total entspannt. Ich führe die beiden Leinen aus einer Hand und unterhalte mich mit dem Schleusenwärter. Gleich kommt noch ein Zug, dann wird er das Tor aufmachen. Anschließend soll ich mir Zeit lassen. Er muss das Schleusentor wieder schließen und dann zu Fuß zur Seeschleuse laufen. Ich frage ihn, ob er Kilometergeld bekommt. Er lacht.

Tor und Brücke öffnen gleichzeitig.

Kaum ist der Zug durchgefahren, beginnt der Brückenwärter mit der Brückenöffnung. Das Schleusentor öffnet sich zeitgleich und langsam fahre ich los. Ich brauche den Motor eigentlich gar nicht, denn der Wind bläst von hinten und ich kann quasi zur Seeschleuse segeln.

Eisenbahnstrecke und Brückenwärterhäuschen

Hinter mir verlässt Freyja die Schleuse und ich kann sehen, wie das Tor langsam wieder in seine Ausgangsposition zurückgeschwenkt wird. Es ist gar nicht so leicht, so langsam zu fahren. Etwas Geschwindigkeit braucht das Boot, sonst lässt es sich nicht kontrollieren. Zu viel Geschwindigkeit würde bedeuten, dass ich vor dem Schleusenwärter an der Seeschleuse bin. Das Tor dort ist zwar geöffnet, doch ich schätze die Hilfe beim Festmachen.

Freyja überholt mich

Freyja kann nicht so langsam fahren. Es ist mir egal, ob sie mich überholen. Mit ist wichtig, dass der Schleusenwärter vor mir eintrifft. Wir werden ohnehin gemeinsam geschleust. In Holland wird das wieder eine große Umstellung, denn die Holländer haben keine Zeit. Sie fahren immer mit hoher Geschwindigkeit in den Schleusen ein und aus. Ich liebe Schottland.

Dienstgang

Ein paar Minuten später überholt mich der Schleusenwärter zu Fuß. Auch er beeilt sich nicht wirklich. Er wird nicht pro Schiff oder pro gelaufenem Kilometer bezahlt, sondern hat einen ganz normalen Stundenlohn. Der Wind frischt ein wenig auf. Freyja ist schon an der Schleuse angekommen und will auf die Steuerbordseite. Der Wind kommt von Steuerbord. Freyja macht den Kardinalfehler und bringt zuerst die Vorleine an Land.

Nie, nie, niemals die Vorleine zuerst festmachen

Jetzt bekomme ich noch einmal Schleusenkino vom feinsten geliefert. An der Vorleine hängend stellt sich das Schiff in der Schleuse quer. Der Skipper versucht mit Motorkraft zu korrigieren – das ist fruchtlos, weil der Bug ja festgemacht ist. Ich höre das Bugstrahlruder röhren. Das ist ebenfalls fruchtlos, weil der Bug immer noch festgemacht ist. Ein paar Zuschauer erbarmen sich und befreien das Boot, das dann mit Hilfe des Windes auf die Backbordseite getrieben wird. Warum nicht gleich so?

Wir sind unten, das Tor öffnet sich

Ich schwätze noch etwas mit dem Schleusenwärter. Wir haben kein Wort über den Zwischenfall mit Freyja verloren, doch es genügen Blicke. Es hat ihn genauso amüsiert wie mich. Zu deren Entschuldigung muss man sagen, dass in Inverness die Crew gewechselt hat. Sie haben keine 28 Schleusen hinter sich, es ist erst ihre zweite Schleuse. Freyja ist ein Vereinsschiff und wurde mit wechselnden Crews rund um Großbritannien gesegelt.

Wir sind frei, die Nordsee steht offen

Die Schleusentore sind offen, der Weg in die Nordsee ist frei. Meine Leinen werden mir an Bord geworfen. Ich bedanke und verabschiede mich. Es war sicher nicht mein letzter Besuch im Caledonian Canal. Ich kann dieses Erlebnis jedem Segler nur ans Herz legen. Für mich geht es heute nicht sehr weit, gleich um die Ecke ist die Inverness Marina. Dort werde ich die kommende Nacht verbringen.

Letzter Blick auf Clachnaharry Sea Lock, bye bye Caledonian Canal.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert