Überfahrt nach Barbados Tag 14 – Salz

Der vierzehnte Seetag beginnt nicht anders, als der dreizehnte aufgehört hat. Wir beschließen, mal wieder eine Runde Skat zu spielen. Vorher macht Jens die Angel klar. Der Köder ist noch keine Minute im Wasser, da ruft Jens schon „Fisch!“ Ich kann es kaum glauben, die Spule mit der Angelschnur wickelt sich zügig ab. Jens springt zur Angel, beginnt zu kurbeln und stellt schnell fest, dass er einen ganzen Haufen Seetang oder Algen oder sowas gefangen hat Das Zeug schwimmt überall rund um Sissi herum. Wir probieren einen anderen Köder, der unter dem Seetang durch tauchen kann. Das tut er dann auch für zwei Minuten, dann schnurrt die Schnur wieder von der Spule. Ein echter Fisch, Jens kurbelt, kurbelt, kurbelt… Dann ist der Zug auf der Schnur weg, dann ist auch der Köder weg und der Fisch ist natürlich auch weg. Schade. Anschließend spielen wir Skat, angeln können wir morgen auch noch.

Nach dem Abendessen verschwinden Jakob und Jens recht schnell in ihren Kojen, obwohl wir heute Nacht wieder einmal eine längere Nacht haben. Wir stellen die Uhr noch einmal eine Stunde zurück und sind dann auf Barbados-Zeit. Das ist geographisch ziemlich grob geschätzt, doch irgendwann müssen wir die Uhren ja umstellen. So sitze ich alleine im Cockpit, bewache das Schiff und sinniere über das Segeln auf dem Ozean.

Was nervt eigentlich am meisten? Die Wellen? Die Einsamkeit? Das Gefühl der Gefangenschaft auf dem Boot? Das Geschaukel? Das Geknarze? Die täglichen Pflichten ? Der Rund-um-die-Uhr-Betrieb? Das rudimentäre Internet? Die Antwort fällt leicht. Das Salz. In den Atlantik haben sie so viel Salz hinein geschüttet, dass man ihn nicht als Nudelwasser benutzen kann. Man muss ihn mit Süßwasser verdünnen. Der Atlantik spritzt immer wieder über die Bordwand und damit beginnt das Problem. Salz.

Wir haben Salz auf den Cockpitbänken, Salz auf dem Cockpitfußboden, Salz am Ruder, Salz in der Gaskiste, Salz an der Backskiste, Salz am Cockpitdach, Salz auf den Solarzellen, Salz auf dem Deck, Salz an den Schoten. Überall ist Salz. Ein dünner, schmieriger Film, der sich auf dem ganzen Schiff befindet. Wir werden damit auch vollgespritzt. Salz ist im T-Shirt. Salz auf der Hose. Salz in den Haaren. Salz an den Händen. Wir haben Salz, Salz, Salz. Ich habe meine Trinkflasche schon an den Mund gesetzt und mich über den salzigen Geschmack gewundert. Salz im Trinkwassertank? Nein, es war Salz an meinen Lippen, Salz am Gewinde der Flasche und Salz in meinem Bart. Dieses Salz geht mir auf den Keks. Wir tragen es durch das ganze Boot. Salz auf dem Salonfußboden, Salz an allen Haltegriffen, Salz in der Pantry, Salz an der WC-Pumpe, Salz im Badetuch, Salz, Salz, Salz.

Dem Problem kann man nur mit Süßwasser Herr werden. Wir entsalzen das Cockpit, den Salon und uns selbst regelmäßig. Der Duschtag ist immer wieder ein Freudentag. Ich liebe es, nach einer Dusche in sauberen, trockenen Klamotten auf der entsalzenen Cockpitbank zu sitzen und mir das Toben des Atlantik anzusehen. Das gefällt mir meist für zwei oder drei Minuten, manchmal auchn nur für wenige Sekunden. Dann kracht eine Welle gegen die Bordwand, das Wasser spritzt und überall ist wieder Salz.

Das Salz schleppe ich irgendwann in meine Koje, mein Bettlaken ist voll Salz. Mein Kopfkissen ist voll Salz. Alles ist voll Salz. Wenn wir kochen, nehmen wir wahrscheinlich viel zu viel Salz. Wir haben ständig den Salzgeschmack auf den Lippen. Die letzte Chili-Konserve von der Metzgerei Haase war sehr lecker, salzmäßig schmeckte das Chili aber eher wie Krankenhaus-Schonkost. Das ist übel. So viel Salz. Kleine Wunden, die man sich im Bordalltag zufügt, heilen ziemlich schlecht. Wir wissen jetzt, wo der Spruch „Salz in die Wunden streuen“ herkommt. Vom Salz. Wenn mich etwas an der Segelei auf dem Ozean wirklich richtig nervt, ist es das Salz. Ich mag keine Salzbrezeln mehr.

In der Nacht ist die Problemschraube am Windpiloten mal wieder abgängig. Das Gewinde ist hinüber. Ich bestelle ein Ersatzteil in Deutschland. Hoffentlich kann Jörg es uns noch mitbringen, wenn er kommendes Wochenende zu Besuch kommt. Hoffentlich kann der Hersteller schnell genug liefern und hoffentlich klappt es mit dem Paketdienst innerhalb Deutschlands. Wir fahren erst einmal mit dem elektrischen Autopiloten weiter, Strom haben wir derzeit ohne Ende. Bei Tageslicht gelingt mir dann am nächsten Morgen doch noch eine (mutmaßlich letzte) provisorische Reparatur. Salz ist auch auf der Windfahne.

14. Etmal: 129 Salzmeilen
Gesalzen werden wir um um 12 Uhr hier: N14°10′ W50°19′
Noch 544 Salzmeilen bis nach Barbados, wir haben 1595 Salzmeilen hinter uns.

Salz

Überfahrt nach Barbados Tag 13 – Routine, Rekorde und Raserei

Unser 13. Seetag besteht aus Routine. Kaffee am Morgen. Frisches Brot, wobei uns langsam aber sicher das Mehl ausgeht. Wasser machen. Dann Schiffskontrolle, die Steuerbord-Oberwant schlackert ein wenig herum, obwohl sie an der Luvseite ist. Die schreit nach einem Schraubenschlüssel. Die Windfahne ist unauffällig, alle Schrauben sitzen fest. Erstmals. Ausruhen. Dann Skat spielen. Wir vergessen, während des Skats die Angel rauszuhängen. Jens angelt später und fängt nichts. Natürlich nicht! Wir hatten alle Bisse während des Skatspiels, aber nur, wenn die Angel draußen war. Duschen. Pasta Bolognese zum Abendessen. Ausruhen. Spülen. Jens und Jakob gehen ins Bett, meine Wache beginnt. Ich reffe das Segel ein Stück, weil mir ein Geräusch aus dem Rigg verdächtig vorkommt. Die Nacht ist ruhig, kein Squall, kein Regenschauer. Mitternachtskaffee mache ich noch für Jakob und Jens. Am nächsten Morgen fahren wir eine Halse, die Want wird nachgespannt. Noch eine Halse,
Erfolgskontrolle. Das Geräusch ist weg. Wir reffen wieder aus. Ende der Geschichte.

Aufgewühlt

Einen Rekord haben wir aufgestellt bei der Datenübertragung. Wir haben an unsere Schwester ein knapp 3 MB großes Bild gemailt. Ich habe den Upload gegen Mitternacht gestartet und als Jens um 4 Uhr die Wache übernommen hat, war das Bild schon versendet. Wenn die Datenleitung nur nicht so dürr wäre… was hätten wir ein tolles Internet-Leben. So ist die Seefahrt nur hart und entbehrungsreich.

Und die Raserei. Wir hatten in den vergangenen 24 Stunden das beste Etmal, das wir zwischen Sao Vicente und Barbados je gefahren sind. Das spült uns auch jede Menge Strom in die Batterien, den wir am Mittwoch/Donnerstag brauchen werden, denn dann soll der Wind abflauen. Hoffentlich nicht zu viel, ich will keine Wiederholung der ersten beiden Fahrtage. Ich will mehr Etmale wie heute! Das Bild des Tages habe ich gestern aus dem Bugkorb heraus aufgenommen. Dort kann man sich am besten an den Wellen erfreuen.

13. Etmal: 131 nm
Position um 12 Uhr: N14°10′ W48°09′
Noch 669 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 1466 Meilen hinter uns.

Blaue Welle

Überfahrt nach Barbados Tag 12 – Rauschefahrt und Dosenfutter

Nach dem Abendessen haben wir genug. Wir haben genug von den Wellen, die immer wieder quer zum Schiff laufen. Wir haben genug vom Schlagen des Segels. Wir haben genug vom Scheppern in den Schränken. Wir fahren eine Halse in der Hoffnung, dass wir nun einen brauchbaren Kurs Richtung Barbados anlegen können und eine angenehmere Fahrt machen. Und die machen wir. Bei konstantem Wind zwischen 22 und 24 Knoten fahren wir ab sofort mit knapp 6 kn einen Kurs, der uns über kurz oder lang an der Küste von Barbados stranden lassen wird. Da ist keinerlei Panik angesagt, die Strandung wird erst in einigen Tagen stattfinden. Wind und Wellen kommen exakt von hinten, Sissi gleitet über die Wellenberge und durch die Täler, es ist eine wahre Freude.

Da wir nur noch ein paar Süßkartoffeln (unbedingt bevorraten, halten sich ewig!), ein paar frische Zwiebeln und Knoblauch haben, ernähren wir uns inzwischen aus Dosen. Das schafft natürlich ein Problem, ein Müllproblem. Während der Biomüll bei der Zubereitung frischer Speisen in die große, blaue Biotonne geworfen wird, können wir das mit den Dosen nicht machen. Die Dosen direkt in unsere Oskar-Tonne zu werfen ist aber auch nicht gut, denn die Tonne ist dann nach zwei oder drei Mahlzeiten voll. Unsere Lösung des Problems ist eine improvisierte Dosenpresse, die aus unserer Rohrzange besteht. Damit machen wir die Dosen so platt, als wären sie ein Blatt Papier, bevor wir sie in die Tonne werfen.

In der Nacht habe ich wie immer die erste Wache. In meiner Wache kommt der Herr Atlantik zweimal zu Besuch ins Cockpit. Was ein Glück, dass wir die untere Hälfte des Steckschotts fast nie rausnahmen. Es ist zwar unbequem, immer darüber zu klettern, hält aber den Salon trocken. Außerdem kommt in meiner Wache der Herr Regenschauer ebenfalls zweimal zu Besuch. Der Wind steigt an auf 25 bis 30 Knoten, ich muss der Windfahne ein paar Mal helfen und dann ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Keine Squalls! Einfach nur ein paar Schauer. Die Schauer sind angenehm erfrischend, wenn man gegen Mitternacht noch 27°C Außentemperatur hat. So schön kann es auf dem Atlantik sein.

Ich habe ausprobiert, was ich in Büchern der frühen Weltumsegler gelesen habe, nämlich in einem Squall zu duschen. Das macht aber keinen Spaß, mehr Spaß macht es unter unserer Borddusche. Der pfeifende Wind, die Massage durch die Regentropfen und dazu muss man ständig den Kurs zum Wind im Auge behalten, das ist kein Duschvergnügen. Das ist Langfahrer-Romantik vergangener Tage.

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, Sissi befindet sich auf der Zielgeraden nach Barbados. Deswegen eröffne ich hiermit ein kleines Ratespiel. Wann werden wir ankommen? Schreibt es in die Kommentare zu diesem Beitrag. Datum und Uhrzeit sind gefragt. Der Gewinner bekommt ein tolles Foto zugesendet, das nicht im Blog war und das den Atlantik in seiner ganzen Schönheit zeigt. Wer schon einmal kommentiert hat, dessen Kommentar wird automatisch veröffentlicht. Die anderen Kommentare kann ich erst freigeben, wenn wir wieder normales Internet haben.

Wo haben wir eigentlich Fender und Festmacher verstaut?

12. Etmal: 124 nm
Position um 12 Uhr: N14°21′ W45°56′
Noch 798 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 1335 Meilen hinter uns.

Dosenpresse