Leben auf der Überholspur (Teil 2)

Neben der Arbeit am Boot haben wir es uns nicht nehmen lassen, das Besichtigungsprogramm für Jens weiter zu führen. Ich könnte in Aruba als Fremdenführer arbeiten, so routiniert bin ich inzwischen. Wir fahren nach San Nicolas, damit Jens die Graffiti an den Wänden sehen kann.

Dieses Bild habe ich mit „Röntgenblick“ betitelt.

Schon im April während des Lockdowns bekam ich eine exklusive Führung durch die bunte Bilderwelt. Inzwischen habe ich viel mehr über die Kunstwerke gelernt. Das obige Bild, das ich mit „Röntgenblick“ betitelt habe, bietet viel mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Betrachtet man es durch einen Blau- oder einen Rotfilter, kommt entweder die Haut oder das Skelett durch. Hier ist eine Animation:

Weiter geht die Fahrt zu Baby Beach, einem meiner Meinung nach vollkommen überbewerteten Strand. Hier tummeln sich die Arubaner massenweise, wir steigen nicht einmal aus dem Auto aus. Weder Jens noch ich sind Typen, die am Strand herumlungern.

Friedhof der Kuscheltiere

Einen kurzen Halt legen wir am Haustierfriedhof ein. Im Süden der Insel befindet sich dieser gleich hinter Baby Beach. Damit sind wir auch durch das komplette Programm durchgekommen. Wir suchen nach dem Golfplatz, auf dem man die Esel Tiger und Woods gefunden hat. Die Beschilderung ist schlecht, wir finden den Golfplatz nicht. Statt dessen finden wir einen Flugplatz für Modellflieger, in dessen geschlossenem Empfangsgebäude sich ein paar Esel aufhalten. Drei Mütter mit ihren Kindern, die kaum älter als Tiger sind. Leider haben wir keine Karotten dabei.

Wilde Esel am Modellflugplatz

Ein paar Tage später mieten wir uns einen Jeep mit Allradantrieb. Damit können wir in den Nationalpark und insbesondere zum Natural Pool Conchi fahren. Über Stein und Stein fahren wir im Schritttempo zum Badespaß. Die See ist rau, also werden wir immer wieder von überkommenden Wellen geduscht. Jens ist von diesem magischen Ort ebenso begeistert wie ich. Leider ist es nicht mehr so ruhig wie im Mai, als keine Touristen auf der Insel und der Nationalpark geschlossen war.

Conchi im Mai

Genau wie im Mai ist diesmal Edward mit dabei, auch für seine Schwester Shelley haben wir noch Platz im Auto. Am Pool treffen wir uns außerdem noch mit Lucas und Marcin, die mit uns die Apartments im Donkey Sanctuary bewohnen. Im Gegensatz zu uns sind sie von der Pferdefarm aus an der Küste entlang gelaufen. Mit ihnen unterwegs ist noch Eric, der ebenfalls bei den Eseln mithilft und alle Park Ranger kennt. So kommen sie um das Eintrittsgeld herum.

Conchi im November

Im Gegensatz zu den Gruppen in geführten Touren haben wir genug Zeit. Wir lassen uns von der Strömung hin und her treiben, von den Wellen bespritzen und genießen die Zeit. Der Himmel ist wolkenverhangen, bestes Wetter um keinen Sonnenbrand zu bekommen. Jens schnorchelt. Jens filmt unter Wasser. Ich relaxe, unterhalte mich ein wenig mit Eric und dem Park Ranger, der gleichzeitig auch als Rettungsschwimmer arbeitet und das Gepäck der Badenden beaufsichtigt.

Marcin und Jens

Selbst wir können nicht unbegrenzt lange bleiben, denn unser Programm sieht noch den Besuch der Höhlen vor. Es gibt zwei davon im Park Arikok. Während man für den Pool definitiv den Allradantrieb braucht, kann man den Rest des Parks auch ohne sehen. Dementsprechend rechne ich dort eigentlich mit noch mehr Andrang als am Pool und bin überrascht, dass wir bei einer der beiden Höhlen sogar die einzigen Besucher sind.

Fontein Cave – vom Eingang nach Innen fotografiert

Die erste der beiden Höhlen ist die Fontein Cave. Eine langgestreckte Höhle, die am hinteren Ende immer flacher und dunkler wird. Sie ist schön, beeindruckt mich aber nicht besonders.

Fontein Cave – von innen zum Eingang fotografiert

Die Einheimischen bekommen im Nationalpark Rabatt auf den Eintrittspreis. So konnten Edward und Shelley für nur 5 Florin in den Park während Jens und ich jeweils 12 Dollar gezahlt haben, also den vierfachen Preis. Noch während ich das Wechselgeld entgegen nehme, sehe ich zufällig auf einem Bildschirm, wie man sich als Einheimischer ausweisen kann. Mit der Price Smart Mitgliedskarte (habe ich) oder der Arubus Chipkarte (habe ich auch). Ich hätte viel Geld sparen können.

Shelley und Edward

Auf dem Parkplatz der nächsten Höhle, der Quadirikiri Cave, sind wir zunächst alleine. Der Park Ranger vor dem Eingang weist uns darauf hin, dass innen sowohl künstliches Licht als auch Blitzlichtfotografie nicht erlaubt sind. Hier leben Fledermäuse.

Quadirikiri Cave

Schnell stellen wir fest, dass es in der Höhle an Licht nicht mangelt. An verschiedenen Stellen sind Löcher in der Decke. Anscheinend liegt die Höhle nur knapp unter der Erdoberfläche.

Innenbeleuchtung mit Tageslicht

Beiden Höhlen gemeinsam ist, dass sie über einen langen Zeitraum vom Ozean ausgespült worden sind. Damals war der Meeresspiegel noch wesentlich höher. Sie bestehen aus einer Korallenstruktur. Wir gehen von einem großen lichten Raum in den nächsten, der Weg führt uns immer tiefer ins Innere der Insel. Beeindruckend.

Jens, Edward und Shelley in der Quadirikiri Cave

Wir beenden den Besuch des Nationalparks, bringen Edward und Shelley nach Hause und geben den vollkommen übermotorisierten Jeep zurück. Anschließend sind wir ziemlich müde, so eine Besichtigungstour ist immer anstrengend.

Ausblick aus der Höhle

Die erste Woche in der Werft

Am Montagmorgen müssen wir früh aufstehen. Um 9 Uhr haben wir den Termin zum Slippen des Boots. Aus der Seekarte erklärt sich der Weg nach Varadero nicht, sie zeigt dort einfach eine nicht kartografierte Fläche, unter der sich große Steine verbergen sollen. Die anderen schaffen es auch nach Varadero, also probieren wir es und haben fast nie weniger als drei Meter Wassertiefe. Das beruhigt. Weniger beruhigend ist der starke Regen, der plötzlich einsetzt und uns beide komplett durchnässt.

Auf dem Weg nach Varadero

Ein sauberer Tonnenstrich empfängt uns an der direkten Zufahrt zur Marina. Die Angestellte, die uns am Funk betreut, gibt uns genaue Anweisungen wann und wo man in den betonnten Bereich einfährt und betont mehrfach, dass wir auf keinen Fall die Mitte verlassen sollen. Machen wir nicht. Wir bringen Sissi sicher bis zur Slipanlage.

Sissi ist bereit

Als der Regen aufhört erscheinen alsbald ein paar Werftarbeiter, die Sissi zunächst auf den Wagen bugsieren. Wenn es regnet, wird auf Aruba im Allgemeinen nicht gearbeitet, jedenfalls nicht, wenn der Arbeiter dabei nass werden könnte. Sie arbeiten routiniert und achten genau darauf, dass das Schiff gerade angehoben wird.

Sissi wird hochgehoben

Dann setzt sich die Fuhre langsam in Bewegung und mehr und mehr von der Unterseite wird sichtbar. Das Boot sieht besser aus, als man es nach neun Monaten im Hafen vermuten würde.

Wir slippen jeden

Ein großer Teil des Bewuchses kann schon durch den Hochdruckreiniger entfernt werden. Auch die alte Farbe wird zum Teil abgewaschen. Es sieht aus, als würde Sissi bluten.

Reinigung mit Hochdruck

Während Sissi an ihren zukünftigen Parkplatz geschoben wird, sehe ich mit Freude, wer unsere Nachbarn sind – Jo und Stewart von der Patronus. Wir unterhalten uns kurz, sie sind schon seit zwei Wochen hier und warten darauf, dass ihr Anstrich fertig wird. Da beide über 70 Jahre alt sind, machen sie die Arbeit nicht selbst, sondern lassen sie durch die Werft erledigen. Das dauert.

Regenzeit

Es regnet wieder einmal stark, wir warten noch auf das Auto, das uns zum Donkey Sanctuary bringen soll. Dort wohnen wir während der Arbeiten. Mir wird klar, dass wir vollkommen abhängig vom Wetter sind. Wenn es während der Malerarbeiten regnet, landet die Farbe wieder da, wo wir sie nicht haben wollen.

Nach der Ankunft im Donkey Sanctuary teilt Desiree uns mit, dass wir uns das Apartment und das Auto mit Lucas und Marcin teilen müssen. Sie kommen aus Schweden und Polen, sind etwas älter als 20 und arbeiten als Volunteers an verschiedenen Orten der Insel. Ein Programm der EU hat sie nach Aruba gebracht, das europäische Solidaritätskorps. Es gehört zu Erasmus und war mir vollkommen unbekannt.

In den nächsten Tagen fahren wir Marcin und Lucas immer zu ihrem Einsatzort, bevor wir selbst zum Boot fahren. Auf diese Weise haben wir den ganzen Tag das Auto zur Verfügung, es würde sonst nur herumstehen.

Abschleifen des alten Anstrichs

Das Schleifen ist eine Drecksarbeit. Das alte Antifouling ist eine ganz weiche Farbe, die einerseits unglaublich viel giftigen Staub erzeugt, andererseits nach wenigen Minuten die Schleifblätter verklebt. Über den immensen Verbrauch an Schleifscheiben habe ich schon geschrieben.

Nach drei Tagen ist Sissi glatt geschliffen

Wir hatten das Glück, in drei Tagen mit dieser Drecksarbeit fertig zu werden. Nach mehreren Gesprächen mit Stewart entscheiden wir uns dafür, das neue Antifouling ein paar Zentimeter höher zu streichen und aus dem Wasser ragen zu lassen. An dieser Stelle wird es am nötigsten Gebraucht, denn der stärkste Bewuchs ist immer an der Wasserlinie.

Barrier Coat

Dienstag bis Donnerstag waren wir mit dem Schleifen beschäftigt, am Freitag konnten wir dann den ersten Anstrich malen. Der Streifen, der später aus dem Wasser schauen soll, bekommt einen Barrier Coat, eine Schutzschicht. Den Wagen benutzen wir dabei als mobile Arbeitsplattform. Später wird uns das von der Marina untersagt. Ich komme mir sehr arubanisch vor. Am Steuer sitzend und Jens immer mal wieder einen Meter weiter rollend. So sind wir am Freitag sehr früh fertig und können zu unseren Eseln gehen. Wir nehmen uns das Wochenende frei für touristische Zwecke.

Ein Lebenszeichen von uns…

Wir sind mit Sissi wieder in der Marina in Oranjestad und kommen langsam zur Ruhe. Gerade eben bemerkte ich, wie lange es her ist, dass ich einen Beitrag verfasst habe. Deswegen möchte ich ein kleines Lebenszeichen senden, in den vergangenen Wochen hatten wir viel Arbeit und haben trotzdem noch Zeit für Sightseeing und Entspannung im Wasser gefunden. Außerdem ist meine letzte Schicht im Donkey Sanctuary gelaufen. Wir sind beinahe abfahrbereit.

Sweety auf dem Dach

Sissi war zwei Jahre lang fast ununterbrochen im Wasser. Den letzten Anstrich hat sie im Winter 2018/2019 bekommen. Ich hatte schlimmste Befürchtungen, wie es um den Zustand des Anstrichs bestellt war. In St. Lucia habe ich einen Taucher engagiert, der von unten den Bewuchs abgekratzt hat. Dann hat Sissi aber fast neun Monate im Hafen gelegen.

Sissi wird geslippt

Anstelle eines Krans benutzen sie auf Aruba eine große Slipanlage. Die größten Yachten und Katamarane werden hier auf diese Weise aus dem Wasser gezogen. Mit viel Routine bewegen die Arbeiter Sissi an Land. Die Farbe des Unterwasseranstrichs ist übrigens rot.

Aus der Nähe betrachtet

Aus der Nähe betrachtet ist es gar nicht so schlimm wie befürchtet. Lediglich der Propeller sieht ziemlich bewachsen aus. Damit erklärt sich mir auch das merkwürdige Verhalten von Sissi unter Motor. Die Drehzahl wird nicht mehr richtig in Geschwindigkeit umgesetzt.

Verbrauchte Schleifscheiben

Zwei Wochen Zeit in der Werft haben wir veranschlagt, um das Unterwasserschiff zu streichen. In der ersten Woche sollten alle vorbereitenden Tätigkeiten geschehen, wie zum Beispiel das Abschleifen des alten Anstrichs. Die weiche Farbe verklebt eine Schleifscheibe nach der anderen. Mehr als einen Quadratmeter kann man mit einer Scheibe nicht abschleifen. Dann muss wieder eine neue her. Die beiden der Werft am nächsten gelegenen Baumärkte hatten nach kurzer Zeit keine Schleifscheiben mehr im Angebot, ich musste über die halbe Insel fahren, um noch Nachschub zu organisieren.

Die Frage der Fragen: Wird es regnen?

Es ist Regenzeit in Aruba. Es stellt sich immer wieder die Frage, ob wir mit dem Streichen beginnen können. Wird es regnen oder nicht? Die Zugrichtung der Wolken ist immer gleich, wir schauen auf den Hooiberg und die Wolken. Wir hatten jedoch ein Riesenglück. Immer wenn wir gestrichen haben, regnete es nicht. Der Regen kam dann in der Nacht, als die Farbe so trocken war, dass ihr das Wasser nichts mehr anhaben kann. Kein Vergleich zum Streichen des Decks auf Lanzarote, wo uns Starkregen einen großen Teil der Farbe gleich wieder in den Atlantik gespült hat.

Irgendwann ist alles geschliffen und kann gestrichen werden

Nach dem Abschleifen kommt das Anstreichen. Die Farbe ist ausreichend giftig, so dass man sich gerne gegen die Spritzer schützt. Die Arbeit macht einen Riesenspaß bei 32°C im Schatten. Ich schreibe das mit der Temperatur nur hin, damit ihr in Deutschland nicht vergesst, dass es hier eigentlich keine Jahreszeiten gibt. Nur die mit und die ohne Regen. Die Temperaturen ändern sich kaum. Das hat aber auch einen immensen Vorteil. Über 24°C trocknet die Farbe in einer Stunde schon so weit, dass man sie anfassen kann. Über Nacht ist sie komplett getrocknet. So können wir innerhalb von zwei Tagen zwei Anstriche auf den Rumpf bringen.

Der Propeller ist wieder fast wie neu

Montags sind wir aus dem Wasser gegangen und am Freitag in der Folgewoche wieder ins Wasser. Sissi sieht toll aus. Die Schraube ist wie neu und auf der Rückfahrt von der Werft in die Marina konnte ich erfreut feststellen, dass nun Drehzahl und Geschwindigkeit wieder zueinander passen. Da ich endlich wieder die Bilder von meinem Telefon auslesen kann, habe ich einen immensen Rückstand beim Bloggen. Das hole ich in Kürze nach. Ich möchte noch über die weiteren Touristenspots schreiben, die Jens und ich noch besucht haben.

Socks

Die letzte Schicht bei den Eseln ist beendet. So lange ich noch auf der Insel bin, werde ich hin und wieder dorthin fahren, möglichst viele der anderen Volunteers noch einmal treffen und mich verabschieden. Da ich wochenlang Vollzeit gearbeitet habe, kenne ich praktisch alle. Es ist unmöglich, sich von ihnen allen zu verabschieden. Heute Nachmittag wollen wir zu Anneke fahren. Von ihr habe ich am meisten über die Esel gelernt. Mit ihr hatte ich immer angenehme Schichten. Und für die Katzen haben wir auch noch Leckereien. Adieu.