In der vergangenen Nacht lag ich noch um 3 Uhr morgens in meinem eigenen Schweiß gebadet. Auch danach war ich noch ein paar Mal wach. Immer wieder höre ich Moskitos, die um meine Ohrmuscheln Kunstflüge üben. Obwohl ich mich regelmäßig mit Mückenschutzmittel einsprühe, ist kein Entkommen möglich. Windstille ist ideal für Moskitos.
Um 6 Uhr stehe ich auf, es hat keinen Zweck mehr. Wenn bei knapp 30°C und einer Luftfeuchtigkeit von etwa 70% der Wind einschläft, fällt mir das Einschlafen schwer. Auch dass ich zum Schlafen ins Cockpit umgezogen bin, hat die Situation nur wenig verbessert. Ich kann nicht liegenbleiben, denn es ist Donnerstag. Kätzchen-Tag im Tierheim. Und ich muss mich weiterhin um die privaten Pflegekatzen kümmern. Das letzte Frühstück, heute kommen Gail und Paul aus Boston zurück. Nach dem Morgenkaffee schleppe ich mich in die schwimmende Wohnung.
Ein Segelboot ist das nicht mehr. Die Masten sind beide abgesägt worden. Auch der Motor funktioniert nicht mehr. Das Boot ist eine schwimmende Hülle aus Stahl und darauf wohnen drei süße Katzen und Sydney. Bevor man Sydney sehen kann, kann man zumeist das dumpfe Grollen hören, das er immer dann von sich gibt, wenn ihm eine Person zu nahe kommt. Zu nahe kommt man ihm normalerweise schon, wenn man das Boot betritt. Vom Gewicht her bringt er mehr auf die Waage, als die anderen drei Katzen zusammen.
Das komplette Gegenteil sind Bali und Elsa. Ich nenne sie immer Elsa, weil das ihr Name aus dem Tierheim war. Der neue Name ist aus einer Fernsehserie, die ich nie gesehen habe. Ich kann ihn mir nicht merken. Elsa ist schon einige Wochen an Bord, Bali noch nicht einmal zwei Wochen. Sie hat unter dem Hafenbüro in einer Abwasserröhre gewohnt, wurde von Gail in die Tierklinik zum Sterilisieren gebracht und anstatt sie wieder zurück an ihren alten Wohnort zu bringen, hat Gail sie auch noch in ihr schwimmendes Haus aufgenommen. Die beiden Mädels schnurren sofort, wenn man sie auf den Arm nimmt und streichelt. Das Genießen haben sie beide schon gelernt. Bali war anfangs sehr reserviert und ängstlich, inzwischen ist sie frech wie ihre Spielkameradin.
Mikey hat gute und schlechte Tage. Mal vermisst er seine Dosenöffner mehr, mal vermisst er sie weniger. An manchen Tagen muss ich ihn regelrecht zu seinem Spaziergang tragen, an anderen Tagen sprintet er mir davon, bevor ich die Leine an seinem Geschirr festmachen kann.
Nach der ersten Raubtierfütterung kommt die nächste. Ich setze mich ins Auto und fahre zum Tierheim. Richtig gut geht es mir nicht, ich fühle mich, als würde ich gleich einschlafen. Doch die Pflicht ruft. Ich bin erleichtert als ich feststelle, dass ich heute nicht alleine für die Katzen zuständig bin. Meine Partnerin war in der letzten Woche krank, jetzt ist sie wieder gesund. Wir brauchen für den ersten Käfig nur eine halbe Stunde. Dann entscheide ich, dass ich nach Hause fahren und noch etwas schlafen muss.
In der Nähe der Marina ist die Küste von Mangroven gesäumt. Es besteht für mich kein Zweifel daran, dass dort die vielen Moskitos ausgebrütet werden. Auch ausgebrütet sind ein paar Hühnereier im Donkey Sanctuary. Eine Henne scheucht und beschützt ihre Küken. Die können nur ein paar Tage alt sein. Ich bin gespannt, wie viele davon durchkommen. Eine gute Henne kann die meisten durchbringen, schlechte Hennen verlieren viele Küken.
Als ich letzten Sonntag bei den Eseln eintreffe, begrüßt mich Gustav mit den Worten, dass es Stromausfall gibt. Ein Stromausfall ist ja gar nicht so selten in Aruba, zunächst denke ich nicht weiter darüber nach. Dann fange ich doch an zu denken. Mein Telefon zeigt mir nämlich, dass es auf dem Parkplatz WiFi gibt. Dann muss es dort doch Strom geben. Eigentlich brauchen wir den Strom nicht, außer für das Kreditkarten-Lesegerät. Die Gefriertruhe ist schon vor ein paar Wochen zusammengebrochen.
Der Kreditkartenleser ist natürlich das wichtigste Gerät, denn damit kommen die fetten Spenden und die kleinen Einnahmen aus dem Verkauf der Futterpellets auf das Konto. Einen Tag nur mit Barzahlung arbeiten wäre wahrscheinlich ein großer Verlust. Auf dem Parkplatz ist WiFi und der Sicherungskasten im Futtercontainer ist absolut in Ordnung. Hier ist keine Sicherung herausgeflogen. Annekes Mann Dirk erscheint, er ist so etwas wie der Elektro-Hausmeister im Donkey Sanctuary. Wir prüfen noch die Vorsicherung am Zählerkasten, vielleicht ist nur eine der drei Phasen durchgebrannt. Nein, die Sicherungen sind alle in Ordnung. Dirk und ich gehen das Kabel entlang, dass wider Erwarten nicht vom Parkplatz zum Besucherzentrum führt, sondern einen Umweg über die Ställe macht. Ich wäre da nie drauf gekommen, doch die Sicherung im dortigen Sicherungskasten spricht eine deutliche Sprache. Schon können wir wieder Kreditkarten belasten. Das Kabel vom Parkplatz über die Ställe zum Besucherzentrum zu verlegen ist in etwa so kreativ wie der Stromkreis zu meinem Autopiloten gewesen ist.
Ich liege in meinem Bett und dämmere ein wenig vor mich hin. An Schlafen ist nicht zu denken, doch ich kann etwas entspannen. Mit zwei Ventilatoren schaffe ich mir einen Luftzug und etwas Erleichterung.
Mein Anker rumpelt. Das ist ein Geräusch, das durch das ganze Boot geht. Es ist nicht zu überhören und kommt einer Türglocke sicher am nächsten. Ich schiebe mich aus dem Bett und an den Ventilatoren vorbei. Vor meinem Boot stehen der Skipper des Katamarans und seine Tochter. Als ihnen klar wird, dass ich geschlafen habe, kündigen sie einen weiteren Besuch für einen späteren Zeitpunkt an.
Ein paar Stunden später rumpelt mein Anker wieder. Ich sitze gerade am Computer und schreibe für mein Blog. Da steht er wieder vor meinem Boot, unter dem Arm ein 12er-Pack Bier. Ich bekomme meinen USB-Stick zurück, auf den ich verschiedene Seekarten gespielt habe. Navigationszeug, das unter Langfahrern herumgereicht wird. Das meiste habe ich in Portugal von einem Amerikaner bekommen.
Das Bier drückt er mir mit den Worten in die Hand, dass er dafür sein Portemonnaie geöffnet hätte. Sieh an, ein neuer Leser. Ich habe die Worte vor ein paar Wochen in Zusammenhang mit seiner Person verwendet. Er gibt vor, mit mir über mein Blog sprechen zu wollen. Ein Dialog möchte sich jedoch nicht entwickeln. Wenn ich meinen Standpunkt zu dem einen oder anderen Vorwurf äußern will, fährt er mir über den Mund und setzt seine Tirade fort. Dann ist das halt so. Dann reden wir nicht miteinander. Er verlangt, dass ich den Blog nachträglich zensiere. Letztendlich halte ich meinen Mund. Einen Freund fürs Leben habe ich mir sowieso nicht gemacht, ob ich meinen Standpunkt äußere oder nicht.
Doch das Leben ist viel zu schön, um sich aufzuregen. Ich freue mich darüber, dass ich heute eine Einladung zum Abendessen habe. Hoffentlich bin ich nicht zu müde. Jetzt gehe ich erst einmal zu Gail und Paul rüber, ich habe gerade gesehen, dass sie wieder nach Hause gekommen sind. Der Wind hat auch wieder ein wenig aufgefrischt.