Es ist Sonntag, wir sitzen in Ponta Delgada auf dem Boot. Es ist nichts zu reparieren, eine Ausnahmesituation an Bord von Sissi. Jens hat in der Tourist-Information den aktuellen Busfahrplan für die Insel organisiert, der sich allerdings nicht von dem 10 Jahre alten Fahrplan unterscheidet, den man im Internet finden kann. Die meisten Ziele können wir heute nicht mehr erreichen, doch Mosteiros ist eine Option. Ganz im Westen der Insel gelegen, sieht es auf den Bildern von Google-Maps ganz schön aus. Also nehmen wir unsere Kameras und spazieren zur Bushaltestelle. Der Bus ist pünktlich. Nach einer knappen Stunde Fahrzeit sind wir am Ziel, eine Menschenmenge versperrt die Straße und der Busfahrer verkündet, dass die Fahrt hier zu Ende ist.
Mit Pauken und Trompeten zieht eine Prozession durch den Ort. Aufgrund der Sprachbarriere können wir erst nur herausfinden, dass es sich um keine Beerdigung handelt. Also können wir hemmungslos mit den Kameras filmen. Später recherchiere ich im Internet, dass der heutige Heilige der heilige Paulus ist.
Da die Kirchgänger offenbar gerade alle unterwegs sind, spricht nichts gegen einen kleinen Besuch in der Kirche. Am heutigen Sonntag sind die Türen jedenfalls nicht verschlossen, wie es unter der Woche in so vielen Kirchen der Fall ist.
In der Presse habe ich gelesen, dass die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland wieder einmal zugenommen hat. Ich bin schon vor langer, langer Zeit ausgetreten. Lange vor den Skandalen, die heute immer wieder Thema sind, habe ich mit dem Verein abgeschlossen. Die Pracht der katholischen Kirchen gefällt mir dennoch immer wieder, auch wenn für den Reichtum der Kirche die Untertanen mächtig haben bezahlen müssen.
Anschließend machen Jens und ich einen kleinen Spaziergang in dem verschlafenen Ort. Viel gibt es nicht zu sehen. Ein Bach fließt durch das Dorf. An der Seite findet sich die Blütenpracht, die überall auf den Azoren zu finden ist. Nach den vielen Monaten in Aruba sind das satte Grün und die vielen bunten Farben für mich immer noch eine Augenweide.
Anschließend gehen wir herunter zur Küste. Die markanten Felsen konnten wir schon aus dem Bus heraus sehen. Jetzt können wir sie auch fotografieren.
Ich fange an zu hinken. Seit meiner Kreuzband-OP vor mehr als 10 Jahren passiert das gelegentlich. Ich denke nach und komme zu dem Schluss, dass die Weihnachtsgrotte Schuld ist. Dort mussten wir bei sehr niedriger Deckenhöhe ziemlich in die Knie gehen. Nach solchen Aktionen passiert mir das ab und zu, es geht aber auch nach ein paar Tagen wieder weg.
Der Ort ist klein, wir kommen wieder an der Kirche heraus. Wie es sich gehört, ist gegenüber der Kirche ein Wirtshaus auf dem Kirchplatz. Dort suche ich mir einen Tisch und mache die Internetrecherche für den Heiligen des Tages. Derweil spaziert Jens noch eine weitere Runde, bis zur Abfahrtszeit des nächsten Busses dauert es noch über eine Stunde.
Ich genieße ein Bier und beobachte die Menschen um mich herum. Das Leben geht einen gemächlichen Gang, die Kellnerin hat auch keine Eile. Sie liefert lecker aussehende Teller an die anderen Tische. Ich bin hin- und hergerissen. Eigentlich bestelle ich mir keine Muscheln, doch die hier servierten Muscheln sehen lecker aus. Auch der Küchengeruch würde mich nicht von einer Bestellung abhalten. Wenn wir noch zwei Stunden länger bleiben, reicht die Zeit für eine Mahlzeit.
Auf der eigentlich stark von Touristen frequentierten Insel ist es selten, dass man nur Portugiesisch hören kann. Vielleicht sitzen hier noch ein paar Touristen aus Portugal, doch ansonsten bin ich der einzige Fremde. Jens kommt ein paar Minuten vor der Abfahrtszeit zurück, hat aber keine Lust auf ein Essen an diesem schönen Ort. Schade.
An der Bushaltestelle werden wir von zwei Deutschen angesprochen, die keine Masken dabei haben und wissen wollen, ob diese im Bus gebraucht werden. Wir können aushelfen. Die öffentlichen Busse und Taxis sind die letzten Orte, an denen noch Maskenpflicht herrscht. Die Busfahrer setzen diese auch durch. Zum Abendessen landen wir in einem gar nicht so guten Restaurant in Ponta Delgada. Ich trauere dem kleinen Restaurant auf dem Kirchplatz ein wenig hinterher.