Am Sonntag geht es dann so richtig los. Ohne Zeitdruck und ohne Schleusentermine, dafür aber mit allerbestem Wetter fahren wir den Kanal entlang. Ich stelle meinen Vater gleich einmal ans Ruder, denn der Autopilot ist im Kanal quasi nutzlos. Die weiten Kurven zwingen einen ständig zum Nachjustieren des Kurses. Da ist es einfacher, wenn ein Steuermann am Rad steht. Dem Steuermann gefällt es.
Derweil finde ich die Zeit, am Ufer die kleinen Entchen zu fotografieren. Ich kümmere mich um die Küche, denn auf Sissi ist jeden Tag Captain’s Dinner oder Lunch, schließlich kümmert sich dieser selbst um die Zubereitung der Mahlzeiten. Vor uns gestartet ist schon ein Motorboot, das mit sechseinhalb Knoten eine gute Geschwindigkeit vorlegt. Zwei Segler sind auch noch vor uns, einer hinter uns. Wir haben alle dieselben Schleusen vor uns. Zwischenzeitlich überholt uns auch noch der nach uns gestartete Segler, denn wir tuckern gemütlich mit viereinhalb Knoten. Ich melde uns per Telefon bei der Schleuse an. Ich habe keine Ahnung, ob die anderen das auch gemacht haben.
Die Schleusenwärter im Kanal benutzen nur kleine Handfunkgeräte. Das funktioniert nur auf kurze Distanz. Zudem gibt es diesen Zettel von der Kanalverwaltung, der sagt, dass man sich telefonisch anmelden soll. Ich nutze gerne jede Hilfestellung und so klappt es dann auch mit der Moy Bridge. Derweil höre ich im Funk, wie die anderen Boote von Gairlochy Lock auf die Wartepositionen verteilt werden.
Nach eineinhalb Stunden Kanalfahrt kommen wir zum Gairlochy Lock, der Schleuse von Gairlochy. Hier geht es in das Loch Lochy. Diese Schleuse hat den größten Höhenunterschied im Kanal, deswegen wirft man seine Leinen nicht nach oben, sondern der Schleusenwärter wirft Leinen von oben nach unten. Das Motorboot liegt im Bassin vor der Schleuse, zwei der Segler haben an einem Pontoon festgemacht. Einer treibt vor der Schleuse im Becken herum. Am Funk habe ich schon mitbekommen, dass Boote von oben nach unten geschleust werden und dass wir deswegen alle warten müssen. Die schnellen und die langsamen Boote werden nämlich gemeinsam geschleust.
Da wir nicht mit den eigenen Leinen arbeiten, muss ich meinen Vater an die Bugleine stellen. Diese Schleuse kann ich als einzige nicht selbst hochfahren. Das ist aber kein Problem, wir liegen ganz hinten in der Schleusenkammer. Dort sind die Strömungen am geringsten, das Schleusen geht am einfachsten. Derweil höre ich im Funk, dass von oben die nächsten Boote kommen und Schlange stehen. Wir sind oben, die Tore öffnen sich und wir fahren auf den ersten großen See hinaus. Loch Lochy.
Jetzt liegen neun Meilen offener See vor uns, teilweise knapp 200 Meter tief. Leider herrscht absolute Windstille, deswegen muss der Wind aus dem Tank auch auf dem See für unseren Vortrieb sorgen. Ich hatte schon damit gerechnet, deswegen bin ich auch nicht enttäuscht. Hier kann der Autopilot seine Arbeit in Ruhe tun, denn es geht nur geradeaus.
Sonne und Windstille machen den Tag zu einem richtig warmen Tag. Aus dem Radio kommt ein hessischer Radiosender, dort spricht man von 27°C. Wir freuen uns über die 22°C des schottischen Spätsommers.
Schon früh am Nachmittag erreichen wir Laggan Lock, die Schleuse am anderen Ende von Loch Lochy. Ich melde uns über Funk an und die Schleusentore begrüßen uns offen zur Einfahrt. Gemeinsam mit einem Caley Cruiser werden wir nach oben geschleust. Dann drehe ich Sissi noch um und parke mit der Nase in den spärlichen Wind, anschließend ist der erste Kanalfahrtstag vorbei. Wir sind am Ziel des Tages angekommen, dem Eagle Barge Inn.
Es handelt sich um ein umgebautes Frachtschiff. Hier werden Getränke ausgeschenkt. Außerdem gibt es einen Restaurantbereich, für den ich gerne reserviert hätte. Ich habe aber schon vor einigen Tagen eine Absage erhalten, weil sie komplett ausgebucht sind. Das ist schade aber nicht verwunderlich, schließlich handelt es sich um das einzige Restaurant weit und breit. Außerdem ist es die einzige Bar auf dem Kanal. So werden wir am Abend mit einem einfachen Bar-Meal vorlieb nehmen müssen, denn ich will heute nicht kochen. Doch noch ist es Nachmittag.
Für die morgige Weiterfahrt möchte ich von der freundlichen Schleusenwärterin noch ein paar Informationen einsammeln. Auf dem Weg zum Schleusenhäuschen beobachte ich das Hotelschiff Fingal of Caledonia bei der Einfahrt in die Schleuse. Sie lag schon in Neptune’s Staircase neben uns. Für die Vollprofis ist die Fahrt durch die Schleusen reine Routine. Für mich ist es eine Augenweide, wie entspannt das große Schiff von nur zwei Personen in der Schleuse festgemacht wird. Ich habe so viele Segelboote gesehen, die das so viel hektischer und schlechter machen, dabei aber eine viel größere Crew haben. Und dann wären da noch die Caley Cruisers. Ein geflügeltes Wort auf dem Kanal.
Sie sind allgegenwärtig und von allen gefürchtet – die Caley Cruisers. In Inverness liegt die Caley Marina, dort werden diese Motorboote vermietet. Sie können ohne Führerschein gefahren werden. Wer keinen Bootsführerschein hat, hat normalerweise auch keinen Funkschein. Deswegen sind die Cruisers auch nicht mit Funkgeräten ausgestattet. So können sie sich nicht bei den Schleusen oder Drehbrücken anmelden. Segler oder Berufsschiffer melden diese zumeist mit bei den Schleusen an. Wortlaut eines solchen Funkspruchs wäre in etwa: „Laggan Lock, hier ist Sissi. Wir kommen von unten und mit uns kommen noch zwei Cruisers“. In den Schleusen sind sie gefürchtet, weil sie ihre Boote nicht unter Kontrolle haben. Wer keinen Führerschein hat und vielleicht zum ersten Mal ein solches Boot fährt, der hat auch keine Ahnung. So tanzen sie in vielen Fällen in der Schleusenkammer und testen die Widerstandskraft ihrer fest montierten Fender. Auch am Vormittag sieht man auf den meisten Booten schon die Bierdosen und Weingläser in Gebrauch.
Für den nächsten Tag ist die Abfolge der Ereignisse klar. Am Vormittag wird die Schleusentreppe bei Fort Augustus bedient. Am Nachmittag wechseln die dortigen Schleusenwärter zu den beiden Schleusen zwischen uns und Fort Augustus. Damit können wir uns also ausschlafen. Theoretisch. Ich kann mich nicht ausschlafen, weil mein Vater ein Frühaufsteher ist. Aber das wusste ich vorher, damit kann ich leben. Wir machen noch einen Spaziergang in der ruhigen Umgebung.
Anschließend geht es ins Eagle Barge Inn. Ich bestelle mir eine traditionelle Rinderlasagne, die traditionell in Schottland mit Pommes Frites kommt. Im Land der deep fried Snickers muss wenigstens eine frittierte Komponente bei der Speise dabei sein. Ein Whisky aus einer nahen Destille rundet den Abend ab. Der Tomatin mundet hervorragend. An meinem Geburtstag muss ich weder Kochen nach Abspülen.
Danke für die tollen Bilder und überhaupt für die Berichte der gesamten Reise. Ich habe so richtig mit gelebt mit euren Auf und Ab´s! Ich bin schon traurig, wenn eure Segelreise zu Ende geht und ich nichts mehr von euch hören werde. sniff! Alles Liebe für Euch und Eure Zukunft. Eure treue Stalkerin Jutta aus Ebreichsdorf bei Wien.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag alles Gute und weiterhin gute Fahrt, die Eintracht hat super gespielt gestern, war doch ein schönes Geburtstagsgeschenk, viele Grüße an den Papa ⚽♀️
Lieber Jörg ich wünsche dir alles gute zum Geburtstag, genieße den herrlichen Tag mit deinem Vater.
Ich lese gerne deine Berichte, sie sind so lebendig geschrieben, man könnte denken selbst mit an Bord zu sein.
Hey, alter Seebär! Alles Gute zum Geburtstag! Lass es dir gut gehen und genieß den Canal zu dem wir uns nicht getraut haben.
Liebe Grüße von der Chapo
Ja, das Blog hängt ein paar Tage nach. Mein Vater ist schon wieder in Frankfurt und der Geburtstag war vor einer Woche. Trotzdem vielen herzlichen Dank für die Glückwünsche