Gustav

Ich habe ein geregeltes Leben. Arbeiten auf dem Boot, gelegentlich im Tierheim oder bei den Eseln. Jeden Mittwoch fahre ich nach Oranjestad in das Jazz Café, dann gibt es Music Bingo und ich treffe ein paar andere Leute als in der Marina. Letzten Mittwoch fand eine der seltenen Änderungen der Routine statt. Ich warte auf den Beginn der ersten Bingo-Runde, als mein Telefon klingelt und der Name Gustav angezeigt wird. Gustav war Teil einer dänischen Crew, die mit 16 Personen auf einem Boot zwischen Aruba, Curacao und Bonaire hin und her gesegelt sind, wenn sie nicht gerade in Covid-Quarantäne waren. Gustav ist in Curacao und möchte über Aruba in die USA fliegen. Er möchte bei mir an Bord schlafen. Das geht für mich in Ordnung, er muss allerdings mit der Bank im Cockpit vorlieb nehmen. Mein Gästezimmer ist unbewohnbar.

Gästezimmer

Das macht ihm nichts aus. Er freut sich auf das Wiedersehen und meint noch, dass er in der Marina suchen wird, ob er nicht ein gemütlicheres Bett bekommt. Das ist für mich vollkommen in Ordnung. Als ich nach dem Music Bingo zurück zu Sissi komme, treffe ich auf dem Parkplatz Gustav und er hat tatsächlich ein anderes Boot für die Übernachtung gefunden. Sehr schön. Es sieht bei mir schlimm genug aus, da kann ich eigentlich gar keinen Gast gebrauchen.

Stromverteilung entkernt

Meine Stromverteilung ist inzwischen entkernt. Die Kabel hängen geordnet und beschriftet von der Salondecke herunter bzw. etwas ungeordnet in den Ecken. Die meisten davon wollen in den kommenden Wochen ersetzt werden. Meine inzwischen eingebaute und voll funktionstüchtige neue automatische elektrische Bilgepumpe ist ein Komfortgewinn ohne Gleichen. Ich kann nach Herzenslust duschen und noch während des Duschvorgangs kann ich mich an dem Pumpengeräusch im Keller unter mir erfreuen.

Halbwegs geordnet aber durchweg beschriftet

Ich muss nur noch dem Kühlschrank eine dickere Stromleitung verpassen, die Zuleitungen in die Achterkoje ersetzen, die Deckenlampen im Salon anschließen und darf nicht vergessen, zuletzt alles wieder zu verkabeln, was für den Betrieb des Schiffes erforderlich ist. Bei der letzten größeren Stromaktion vor mehr als drei Jahren hatte ich tatsächlich vergessen, den Kühlschrank wieder anzuschließen.

Es gibt noch viel zu tun

Am Donnerstag bin ich wie immer im Tierheim und kümmere mich um die Katzen. Dort erreicht mich eine ziemlich frustrierte Nachricht von Gustav. Sie lassen ihn nicht in die USA einreisen, weil er das falsche Visum hat. Deswegen muss er in Aruba bleiben, wo sie ihn nicht wieder reinlassen wollen, wenn er kein Flugticket für den Rückflug vorweisen kann. Er kauft ein Ticket nach Curacao und fragt mich, ob er in dieser Nacht in meinem Cockpit schlafen darf. Darf er. Am Abend unterhalten wir uns, ich will mehr über seine Pläne wissen. Eigentlich will er in die USA, um dort in New York auf einem Großsegler zu arbeiten und Geld zu verdienen. Das kann er jetzt aber vergessen nach seinem Versuch, mit dem falschen Visum einzureisen. Nun sucht er eine günstige Möglichkeit, seine Zeit in Aruba zu verbringen und eine Passage nach Kolumbien oder Panama auf einem Segelboot zu erwischen.

Esel im Starkregen

In solchen Fällen denke ich immer „Esel“. Ich sehe nach, ob in einem der beiden Apartments Platz ist. Sie sind beide frei. Ich erkläre Gustav den Deal, dass er für 20 Stunden Arbeit in der Woche bei den Eseln ein Apartment und ein Auto bekommen kann. Diese Idee findet er total gut, ich schicke ihm Desriees Telefonnummer. Am Freitag fahre ich ihn ins Donkey Sanctuary. Er bekommt den Job, das Apartment und das Auto, jetzt ist er ein sehr glücklicher Mensch. Nun kann er sich weiter um ein neues Visum für die USA bemühen, eine Passage suchen und hat kein Problem mit drohender Obdachlosigkeit mehr.

Kamino in der großen Gruppe

Im Donkey Sanctuary gibt es auch gute Nachrichten. Kaminos Stumpf ist soweit in Ordnung, dass er in die große Gruppe gelassen wurde. Nun muss er mit den dicken Eseln um das Futter kämpfen. Zur Fütterungszeit stelle ich fest, dass es für ihn kein Problem ist, genug Heu zu bekommen. Er hat die Technik perfektioniert, seinen Körper auf dem vorderen Bein zu drehen und dann mit den hinteren Hufen zu kicken. Keiner mag neben ihm am Heu stehen. Das gefällt mir sehr gut.

Schlank und sehr schön – Kamino

Weitere Ausbrüche aus meiner Routine sind die teilweise schon sehr häufigen Besuche im Animal Shelter, um Videos von den Überwachungskameras zu sichern. Die Aufzeichnungen werden nach vier Tagen überschrieben, mehr passt nicht auf die Festplatte. Interessanterweise werden die Tiere vor allem an Tagen mit viel Regen ausgesetzt. Die fünf Tiere, die an einem Tag ausgesetzt wurden, habe ich schon einmal gezeigt. Jetzt ist es etwas kompakter. Zuerst werden drei Kätzchen gebracht. Dann kommt der erste Hund. Eine Stunde später informiert sich ein Mann über die Öffnungszeiten, fährt wieder davon und bindet eine halbe Stunde später einen Hund an den Baum. Auch das Pärchen im nächsten Schnipsel informiert sich über die Öffnungszeiten, dann werden eine hochschwangere Hündin und eine sehr junge Hündin aus dem Wagen gezerrt. Bei der Abfahrt des Wagens ist gut zu sehen, wie die werdende Mutter hinterher läuft und zu ihren Menschen möchte. Die beiden Hunde können wir durch Zufall retten, sie sind am nächsten Tag noch in der Nachbarschaft. Bei der Sichtung der Videos finde ich später dann den einzigen einigermaßen verantwortungsbewussten Tierhalter, der seine Welpen wieder mitnimmt. Ein wenig Slapstick, wie die Welpen immer wieder aus ihrer Box herauskommen wollen. Der letzte Hund wurde morgens um viertel vor Acht angebunden. Um acht Uhr öffnet das Tierheim.

In den meisten Fällen haben wir das Autokennzeichen. Diese Fälle werden zu einem tierlieben Polizist gebracht, der wiederum die Anzeige fertigt, welche zu einem Bußgeld führt. Der Polizist arbeitet übrigens bei der Hundestaffel. Nach der Sicherung der Videos fahre ich dann wieder zu Sissi und kümmere mich ums Strippen ziehen.