Krrtsch. Quietsch. Knarz. Diese Geräusche kenne ich von meinem Wagen nicht. Immer wieder schleifen Teile der Karosserie über den Boden, am kleinsten Kieselstein bleiben wir hängen. Der Wagen hat eine solche Tour noch nie mit so viel Beladung absolviert. Die nicht asphaltierte Straße hinter dem Haustierfriedhof geht an die Belastungsgrenze.
Wieder einmal bin ich auf Inseltour, diesmal mit der Crew der Samai. Es handelt sich ausnahmslos um sehr große Menschen und es sind vier Mitfahrer, die sich in meinen für vier Personen zugelassenen Wagen hineingefaltet haben. Ich fange die Inseltour immer in San Nicolas an, wenn es noch nicht so heiß ist. So spaziert es sich leichter von einem Kunstwerk zum nächsten. Anschließend geht es nach Baby Beach und zum Haustierfriedhof.
Während ich versuche, möglichst ohne Bodenkontakt über die Sandpiste zwischen den riesigen Kakteen zu steuern, machen meine Mitfahrer Foto um Foto. Ich selbst werde am Abend feststellen müssen, dass ich über den ganzen Tag lediglich sechs Aufnahmen geschossen habe. Geschafft, wir sind wieder auf der asphaltierten Straße. Der Wagen rollt noch und es scheinen auch keine Flüssigkeiten auszulaufen. Eigentlich müsste ich mir mal anschauen, wie tief das Auto jetzt auf der Fahrbahn liegt. Ich verdränge den Gedanken.
Immer wieder gerne fahre ich zur Lourdes-Grotte. Sie erinnert mich daran, wie für mich in Aruba alles angefangen hat. Damals im März 2020, als Jens und ich von Bonaire kommend Aruba erreichten. Unser erster Ausflug führte uns nach San Nicolas und wir haben es doch tatsächlich geschafft, durch den Ort zu laufen, ohne auch nur ein einziges der Kunstwerke an den Hauswänden zu bemerken. Statt dessen fanden Jens und ich die Lourdes Grotte.
Nach der eingehenden Besichtigung der Grotte sind wir wieder auf der Straße. Ohne weiteren Bodenkontakt und nach kurzem Zwischenstopp an Desirees Haus mit den sechs Eseln im Garten gelangen wir zur Balashi Gold Mine Ruine bzw. Spanish Lagoon, der einzigen Mangrovenbucht in Aruba. Ich kann mich auch heute noch nicht an diesem Ausblick satt sehen. Nur wenige Touristen finden diesen Ort, denn er ist nicht auf allen Straßenkarten verzeichnet, die in die Mietwagen gelegt werden.
Der nächste natürliche Zwischenstopp wäre das Donkey Sanctuary. Von der Goldmine bis zu den Eseln fährt man keine zwei Minuten. Das überspringen wir, denn schließlich kommen Maila, Samuel, Sandra und Michael regelmäßig am Sonntagnachmittag mit mir mit. Wir fahren direkt zur Casibari Rock Formation. Hier kommen wir zum ersten Mal in Kontakt mit dem, was so ein Kreuzfahrtschiff um sich wirft: Jede Menge Menschen. Leider sind die Kreuzfahrtschiffe wieder unterwegs. Leider kommen sie auch wieder regelmäßig nach Aruba. Es sind nicht mehr zwei Kreuzfahrer pro Tag, sondern eher vier bis fünf in der Woche. Das macht es nicht besser. Ich mache die Inseltour am liebsten an Samstagen, weil dann die Amerikaner ihren Bettenwechseltag haben und vor allen Dingen die Straße vor dem Flughafen blockieren. Ein Kreuzfahrer kann einem diese Planung vollkommen zunichte machen. Andererseits kenne ich die Inseltouren der Profis fast so gut wie die Profis selbst.
Trotz eines gewissen Hüngerchens kutschiere ich meine Gruppe (Fremdenführer-Sprache) unverzüglich weiter nach Ayo Rock. Ich fühle mich von Reisebussen verfolgt, die ich noch gar nicht sehen kann. Wir spazieren den Rundweg, sehen keine anderen Touristen und Maila fürchtet sich etwas vor den Wespen, die an den Felsen ihre kleinen Nester bauen, sie ist in der Vergangenheit schon einmal gestochen worden.
Ein Blick auf die Uhr verheißt Gutes. Es ist etwa 13 Uhr. Das ist zu spät für die Busse, die die Natural Bridge und den Natural Pool am Vormittag anfahren. Es ist zu früh für die Busse, die die Runde anders herum machen. Also ist es unsere Zeit im Pool. Bei unserer Ankunft ist der Parkplatz leer, der Wagen schleift mit furchtbaren Geräuschen über den Boden aus versteinerten Korallen. Die See ist heute sehr rau.
Kaum zu glauben. Wir sind wirklich die einzigen Besucher. Für fast eine halbe Stunde haben wir den Pool komplett für uns. Selbst die beiden Mitglieder einer geführten Tour, die der Fremdenführer über die Steine klettern lässt, verschwinden nach gefühlt 30 Sekunden Badezeit. Die Strömung ist heute gigantisch. Krasse Wellen hämmern von Außen an die Felsen, der tiefe Bass des Echos in der Kammer wummert im Bauch und in den Ohren.
Ich liebe diese Inseltouren. Alleine fahre ich doch nicht in den Natural Pool. Da fehlt mir echt die Motivation. Ich fahre alleine auch nicht nach Casibari oder Ayo Rock. Ich fahre alleine nur selten nach San Nicolas und wenn, dann um ein Restaurant zu besuchen. Die Naturdenkmäler besucht man als normaler Tourist schließlich nur einmal und dann nie wieder. Ich war inzwischen mit vielen Gruppen hier und kann mich immer wieder mal erfreuen.
Wir nehmen uns wie immer Zeit. Ich mag meine Gruppe nicht hetzen, sie sollen schließlich die Insel in ihrem Tempo erleben. Gehetzte Touristengruppen gibt es genug, eine solche erscheint gerade in einem großen Bus von Fofoti-Tours. Alle Teilnehmer haben Bordkarten um den Hals gehängt, der Bus ist mit „Best of Aruba Bus 1“ beschriftet. Jetzt kommt die Samai-Crew freiwillig zurück zum Auto und wir verlassen den schönen Ort.
Mir ist klar, dass wir uns nun in einer Wettbewerbs-Situation mit den Bussen befinden. Mein Magen knurrt ein wenig, die Nahrungsaufnahme wird uns zurück werfen. Andererseits sind die großen Gruppen schwerfällig und langsam. Da wir heute Samstag haben, ist der Lionfish-Imbiss geöffnet. Es schmeckt wie immer gut.
Am Morgen haben wir unsere Rundfahrt im Süden der Insel begonnen, nun arbeiten wir uns immer weiter in den Norden vor. Auf dem Weg zur Altovista-Chapel bete ich fast, dass wir von den Kreuzfahrern verschont bleiben. Die kleine Kapelle ist der letzte mögliche Konfliktpunkt, den wir mit den Bussen haben können.
Eine gewisse Müdigkeit macht sich bei uns breit. Wir sind nun schon seit fast sechs Stunden unterwegs. Ein wesentlicher Punkt fehlt uns aber noch, das California Lighthouse an der Nordspitze von Aruba. Gleich hinter einem der Tourbusse erreichen wir den Parkplatz. Meine Gruppe ist beinahe enttäuscht, so viele Menschen auf einem Fleck. Ich kann sie beruhigen, denn ich weiß genau, dass kein einziger Kreuzfahrer es auf den Leuchtturm schaffen wird. Ich war schon einmal oben, spare mir das Eintrittsgeld und bleibe unten. Dabei beobachte ich das Treiben rund um die Busse.
Im Abstand von etwa 10 oder 15 Minuten kommt einer dieser Busse angefahren. Die Tür öffnet sich und mehrere Dutzend einigermaßen Gehbehinderter rollen sich die Treppenstufen herunter. Ein Schiff von Carnival Cruises bringt garantiert adipöse Amerikaner nach Aruba. Je nach Möglichkeiten schaffen es diese Kreuzfahrer dann noch zum Getränkestand oder nur für ein Foto auf den Parkplatz. Mindestens ein Dutzend Menschen der Gewichtsklasse 150kg oder mehr. Im Leuchtturm ist kein Aufzug.
Wir sind erschöpft von der langen Tour, seit sechseinhalb Stunden sind wir unterwegs. Nach einem kleinen Abstecher in die Hotelzone mit den ganz großen Hotels, den Einkaufspalästen und den teuren Restaurants, in denen sich nur US-Amerikaner wohlfühlen können, fahren wir auf dem schnellsten Weg zurück zu unseren Booten. Ich bin selbst nicht mehr ganz da, denn ich vergesse sogar den sonst obligatorischen Zwischenstopp bei den Instagram-Bäumen. Michael und ich lassen den Abend mit ein paar Bier auf der Samai ausklingen.
Update zu Gustav: Ich freue mich für ihn, denn er hat ein Boot gefunden, das ihn in der kommenden Woche zu den San Blas Inseln mitnimmt.