Und Sissi bewegt sich doch noch. Wir haben es geschafft, uns von der Insel Islay zu lösen. Das war jedoch nicht leicht, wir hätten gut und gerne noch länger bleiben können. Islay gehört zu den schönsten Orten, wie wir bislang gesehen haben.
Zuerst haben wir den Liegeplatz für drei Nächte bezahlt, weil wir am vierten Tag mit Wind gerechnet haben. Dann bezahlten wir noch zwei Nächte, denn die Windvorhersage war mau. Dann kam noch eine Nacht dazu, der Hafenmeister, Ian Montgomery, begann zu lachen.
Er erzählte mir, dass er Freitags immer Besuch von einer Frau bekäme, die ihm frisch geräucherten Lachs bringt. Ob wir gegen Mittag noch da wären, wollte er wissen. Aufgrund der Tide wollten wir gegen Mittag abfahren, das passte also irgendwie. Ich meinte, er solle die Fischverkäuferin zu uns schicken, frischen Fisch lehnen wir nie ab.
Abschiedsgruß von Islay
Um die Mittagszeit, wir hatten schon die meisten Leinen verstaut und Sissi seeklar gemacht, kam Ian mit dem Auto an den Steg gefahren und trug ein kleines Päckchen in seinen Händen. Er drückte es mir in die Hand, lehnte eine Bezahlung ab und meinte, das sei ein Geschenk von ihm an uns. Lag es daran, dass wir ihn mit frischem, selbst gebackenem Schokoladenkuchen bestochen haben? Lag es daran, dass wir immer nett und freundlich zu ihm waren? Oder lag es daran, dass er sich darüber gefreut hat, dass wir endlich, endlich die Marina verlassen? Ich schiebe es mal auf den Schokoladenkuchen… So hatten wir plötzlich zwei große Portionen Räucherlachs, den wir sofort auf unser eigenes Brot warfen. Lecker! Geruchlich hat der Lachs auch sofort die Herrschaft über den Kühlschrank übernommen – das riecht deutlich besser, als wenn der französische Rohmilchcamembert regiert.
Bei allerschönstem Wetter, es regnete nämlich nicht, steuerten wir Sissi gen Süden. Der Wind hat sich an die Vorhersage gehalten und blies mit drei bis vier Windstärken aus Nordwest, die Genua war prall gefüllt und das schottische Lokalradio spielte Countrymusik. Die Schotten stehen auf Countrymusik.
Bald wurden wir vom Tidestrom erfasst, die GPS-Logge zeigte irgendwann Geschwindigkeiten von knapp 8 Knoten, drei davon gingen auf die Tide. Eine herrliche, angenehme Ruhe stellte sich ein. Wir waren beide froh, endlich wieder unterwegs zu sein. Islay ist eine wirklich klebrige Insel.
Nach etwa 60 gesegelten Seemeilen verließ uns der Wind bei der Einfahrt in die Bucht von Belfast. So kurbelten wir den Motor an und hielten Kurs auf den wichtigsten, größten und belebtesten Hafen Nordirlands. Wir schnupperten die uns umgebende Luft und statt nach Seetang, Algen, Meerwasser oder der Mälzerei von Port Ellen roch es nach Staub, Industrie und Straßenverkehr. Wir konnten in der Dunkelheit die Autobahn sehen, der Verkehr trat trotz unseres laufenden Motors akustisch in den Vordergrund.
Die spinnen, die Iren
Belfast hat einen riesigen Hafen mit einer Unzahl von Schiffsbewegungen jeden Tag. Ganz am Ende des Hafenbeckens, befindet sich die Marina. Mit dem Segelboot da hinein zu fahren ist etwa, als wäre man mit dem Fahrrad zu einer Autobahnraststätte unterwegs. Alle anderen Schiffe sind größer, schneller und viel, viel schwerer. Der Hafenlotse kam uns mit 25 kn entgegen und lotste einen Frachter ins Hafenbecken. Selbstverständlich überholte uns der Frachter an der engsten Stelle. Über Funk wurde ein Riesenbohei darum gemacht, letztendlich hätte aber die Titanic noch zwischen den Frachter und Sissi gepasst.
Am Ende waren wir morgens um zwei Uhr wohlbehalten in der Marina, mitten in einem Neubaugebiet – dem Titanic Quarter. Dort wurde vor über 100 Jahren die Titanic auf Kiel gelegt. Heute strömen die Touristen durch die ehemaligen Docks.
Müde und abgekämpft gönnten wir uns noch ein Anlegerbier und freuten uns darüber, das nächste Land besuchen zu können.