Ich möchte erst einmal vermelden, dass ich heute um 12:20 Uhr Ortszeit am Wartepontoon im Außenhafen von Douglas (Isle of Man) festgemacht habe. Um 13:30 Uhr haben sie die Brücke in den inneren Hafen für mich außerplanmäßig geöffnet. Jetzt ist Sissi sicher festgemacht. Einen ausführlicheren Beitrag schreibe ich morgen. Ich gehe mich erst einmal ausschlafen.
Und ich möchte diesem Ruf Folge leisten. Die Wettervorhersage verspricht zwei bis drei Tage guten Wind, der bis zur Isle of Man reichen soll. Ich hätte gerne noch ein paar Tage in Cork verbracht, aber nach dem guten Wind kommt erst einmal der falsche Wind oder gar kein Wind. Die Reise ist ja eher eine Kurzstrecke, es sind bis Douglas nur 250 Meilen. Also muss ich gar nicht viel einkaufen, Sissi ist schnell verproviantiert. Ich zahle die Marina und bitte die Leute vom Yachtclub um Hilfe, denn ich will noch zur Tankstelle. Da das Wasser schon abläuft, herrscht im Owenboy River eine gewisse Strömung. Die Mädels und Jungs vom Yachtclub kennen ihren Hafen, Sissi ist schnell betankt und die Reise kann losgehen.
Der Motor tuckert im Leerlauf, der Autopilot hält Kurs. Ich nutze den ruhigen Flusslauf, um die Fender und Leinen einzusammeln und zu verstauen. Normalerweise macht das meine Crew. Der Yachtclub liegt hinter mir, ich fahre an der nächsten Marina vorbei. Dabei drückt mir der Kaffee ordentlich auf die Blase. Der Flusslauf ist frei, keine feindlichen Boote in Sicht. Also springe ich schnell runter auf die Toilette. Dann höre ich einen Schrei und es rumpelt. Quasi mit offenem Hosenlatz stürme ich nach oben und sehe das Malheur. Sissi hat ihren Anker an einer ordnungsgemäß in der Marina festgemachten Segeljacht im Heckkorb eingefädelt. Scheiße.
Wahrscheinlich verläuft der Strömung nicht 100% mit dem Fahrwasser, sondern strömt auch durch die Marina. Der Autopilot konnte da bei der geringen Drehzahl den Kurs nicht halten. Normalerweise hätte meine Crew das Ruder bedient, wenn ich die Toilette bediene. Das fängt ja gut an mit dem Einhandtörn. Kräftige Rückwärtsgas befreit Sissi, ich drehe um und lege an einem freien Landeplatz an. Derweil fängt ein anderer Marinalieger mein Opfer wieder ein. Ich verstehe zunächst gar nicht, wieso sich das Boot plötzlich in den Strom gedreht hat. Dann wird es mir klar: Die kleine Berührung hat den Steg zerrissen, der war wohl schon ein wenig morsch. Ausgerechnet an der Stelle, an der die Klampe des anderen Segelboots war.
Der Hafenmeister kommt. Nicht, weil der Steg kaputt ist oder weil ich das Boot gerammt habe, sondern weil ich auf dem Parkplatz eines Fischerboots festgemacht habe. Ich erkläre ihm die Situation. Er klettert an Bord meines Opfers und kann keinen Schaden feststellen. Zum Steg meint er nur, dass ich das nicht gewesen bin. Er wusste wahrscheinlich auch, dass das Holz seine besten Tage schon hinter sich hat. Nach wenigen Minuten kann ich die Fahrt fortsetzen.
Raus aus der Bucht, Segel rauf und Motor aus. Der Wind ist gut, ich kann meinen Wunschkurs anlegen. Das Wetter ist irisch. Den ganzen Tag sehe ich die Sonne nicht, dafür regnet es in verschiedenen Stärken. In der Dunkelheit muss ich später ein paar beweglichen Leuchttürmen ausweichen, die Fischerboote sind heller als die meisten Leuchttürme. Jetzt würde ich normalweise meine Crew wecken und ein paar Stunden schlafen. Das geht natürlich Einhand nicht. Den ganzen Abend schon lege ich mich immer mal eine halbe Stunde hin und stelle mir den Wecker, wenn ich nicht gerade um Leuchttürme herumsegle. Morgens um fünf bin ich müde aber glücklich, denn die irische Südküste liegt hinter mir. Ich kann den Kurs nach Norden ändern.
Drei Stunden lang kämpfe ich mich nun durch heftige Wellen vor Rosslare. Ich habe den Kurs zu früh geändert, bin zu dicht an die Küste gekommen und darf das jetzt ausbaden. Außerdem war ich drei Stunden zu früh da. Ich wollte mit auflaufender Tide diesen Bereich befahren, hier sind die Strömungen am größten. So kommt mir die Strömung entgegen, der Wind von hinten bringt hohe Wellen und das alles macht keine Freude.
Gegen Mittag beruhigt sich die Situation wieder. Jetzt treibt mich die Strömung, auch die Wellen sind angenehmer geworden. Es reicht sogar für einen Blog mit Bild. Es sind jetzt weniger als 120 Meilen bis Douglas. Morgen Nachmittag muss ich zum Hochwasser (+/- 2 Stunden) ankommen, damit der Hafen geöffnet hat. Hochwasser ist etwa um 15 Uhr. Wenn ich zwischen 13 und 15 Uhr ankomme, kann ich gleich hinein fahren und muss nicht warten. Das schaffen wir, Sissi und ich und der Windpilot!
Der Atlantik ist geschafft. Nach unserer frühen Ankunft in Crosshaven bei Cork nehmen Mário und ich erst einmal eine warme Dusche. Dann legen wir uns wieder hin und holen versäumten Nachtschlaf nach. Mit zwei Kannen Kaffee intus schlafe ich eher schlecht als recht.
Am frühen Nachmittag kümmert sich Mário um seinen Heimflug. Wir haben Mittwoch, am Samstag muss er wieder zur Arbeit erscheinen. Für ihn ist es nur ein kurzer Ausflug nach Irland geworden.
Eigentlich wollte ich im Marina-Restaurant zu Abend essen, doch im Royal Cork Yacht Club finden gerade Segelwettbewerbe statt. Die Speisekarte ist eingedampft auf ein einziges Gericht – Chicken Curry. Das ist nicht das, was ich mir für Mários und meinen letzten gemeinsamen Abend vorgestellt habe. Deswegen fahren wir in die Stadt. Immerhin sind die Busverbindungen sehr gut, der Bus fährt alle 15 Minuten und braucht eine gute halbe Stunde bis ins Zentrum.
Auf der Suche nach einem ordentlichen Restaurant kommen wir auch an der einen oder anderen touristisch wertvollen Stelle vorbei. Insofern hat sich die Fahrt schon gelohnt. Am River Lee schaut sogar mal die Sonne zwischen den Wolken durch.
Irgendwie kommt mir das Wetter ziemlich irisch vor. Kaum hat sich die Sonne gezeigt, ist sie auch schon wieder verschwunden. Es fallen ein paar Regentropfen, doch die fallen nicht lange. Es reicht nicht einmal, um die Straße nass zu machen.
Nicht nur nach Crosshaven sondern überall in Cork fahren die Stadtbusse in dichtem Takt. Die Einzelfahrt für 2,20€ berechtigt zu einer Fahrt mit beliebiger Länge. Damit ist auch schon das Ende der günstigen Angebote erreicht. Von Portugal her verwöhnt schauen wir auf die Speisekarten der Restaurants. Die Preise sind nicht nur gesalzen, die sind auch gut gepfeffert. Mário bekommt Angst um sein Portemonnaie. Da ich es mir aber in den Kopf gesetzt habe, einen Hummer verspeisen zu wollen, beißt Mário in den sauren Apfel. Viele Alternativen hat er sowieso nicht. Er kann sich ja schlecht mit einem Döner zu mir ins Fischrestaurant setzen.
Nachdem ich in der Karibik immer Langusten als Hummer serviert bekommen habe, freue ich mich über den ersten richtigen Hummer seit drei Jahren. Mário ist erstaunt über das feine Fleisch und bereut den Besuch dieses Restaurants nicht mehr. Fast nicht mehr. Wir schlagen richtig zu und gönnen uns zusätzlich noch eine Vorspeise und eine Nachspeise. Dazu kommen die Getränke und schwupps haben wir eine Rechnung von 120€ produziert. Oder, wie Mário sagt, wir haben ein Fünftel seines monatlichen Gehalts verfressen. Am nächsten Morgen um 5:30 Uhr fährt sein Bus zum Flughafen.
Ich lasse den Tag vor sich hingleiten. Immer noch bin ich reichlich müde. Sissi liegt gut am Steg, der ausgezeichnet geschützt ist. Im Owenboy River gibt es keinerlei Schwell, außer von den vorbeifahrenden Motorbooten. Die wiederum fahren in großer Zahl, denn es gibt viel zu tun.
Von den jüngsten Clubmitgliedern bis zu den Erwachsenen sind alle mit den Regatten beschäftigt. Entweder werden Boote an den Startplatz geschleppt, oder sie werden wieder zurück geschleppt. Oder sie werden einfach zur Ziellinie gesegelt, wobei sich das bei dem sehr schwachen Wind oft als Geduldsspiel erweist.
Am Abend findet dann immer eine Party im Clubhaus statt. Ich bin ja nun schon ein paar Tage hier, die Intensität der Partys hat immer mehr zugenommen. Am Donnerstagabend war Preisverleihung mit anschließender Party bis um 1 Uhr in der Nacht. Am Freitagabend war Grillabend mit Party. So richtig gut einschlafen konnte ich nicht, denn selbst um 2:30 Uhr in der Nacht hörte ich immer noch eine Horde betrunkener Iren zum Klang irischer Weisen grölen. Am Samstagabend war dann endlich Ruhe. Man kann den Clubmitgliedern jedenfalls nicht vorwerfen, dass sie ihre Segelwoche zu wenig ernst genommen haben. Die leeren Fässer sprechen Bände.
Am Sonntag beginne ich meine Weiterreise vorzubereiten. Ich wasche meine Wäsche und ziehe die Betten ab. Dabei finde ich einen blinden Passagier aus Guadeloupe. Nein, diese Schabe ist definitiv nicht aus Guadeloupe, sie ist an Bord groß geworden. Ich verteile an den üblichen Stellen wieder das Anti-Kakerlaken-Kampfmittel.