Überfahrt nach Barbados Tag 15 – Sissiwerke: Energie und Wasser

Nach 15 Tagen auf See möchte ich ein paar Zeile über unsere Energie- und Wasserversorgung schreiben. Eine Stadt wird ja nicht versorgt, also nennen wir unseren Energieversorger die „Sissiwerke“, einen Grundversorger mit horrenden Tarifen und schlechtem Service, der nicht einmal auf einem der Vergleichsportale auftaucht. Wir können leider nicht zu einem anderen Stromanbieter wechseln. Also ein paar Zeilen zur Energieproduktion und zum Verbrauch:

Vorneweg ein kleiner Vergleich. Der hinkt natürlich, das muss er auch, sonst wäre er kein Vergleich. Jeder kennt eine handelsübliche Haushaltsglühlampe mit 60 Watt. Würden wir diese auf der Sissi betreiben, hätte sie einen Stromverbrauch von 5 Ampere. Also würde sie in einer Stunde 5 Amperestunden (Ah) verbrauchen oder am Tag 120 Ah. Vor der Abfahrt habe ich im letzten Winter den Stromverbrauch der einzelnen Geräte auf der Sissi gemessen und bin für einen normalen Segeltag auf einen Verbrauch von 144 Ah gekommen.

In den ersten 14 Seetagen haben wir insgesamt 1946 Ah elektrische Energie erzeugt. Damit könnte die genannte Glühlampe immerhin 16 Tage leuchten. Allerdings haben wir im gleichen Zeitraum 2124 Ah Energie verbraucht, waren also nicht ganz energieautark unterwegs. Wir haben 540 Ah in den Batterien stecken, davon sind 50%, also 270 Ah nutzbar. Daraus wird die Differenz zwischen der erzeugten und der verbrauchten Energie beigesteuert.

Windenergie
Für unseren Windstrom ist ein 350 Watt Windgenerator installiert. Der liefert nach Datenblatt des Herstellers maximal 23 Ampere, könnte also theoretisch jeden Tag 552 Ah erzeugen. Macht er aber nicht, der Wind ist nie so stark. Man hat mir immer wieder einreden wollen, dass ein Windgenerator auf den Vorwindkursen, die wir immer segeln, nicht besonders viel nutzt. Ich kann nur sagen, dass der Windgenerator die wichtigste Säule der Sissi-Stromversorgung ist, denn er liefert normalerweise 24 Stunden am Tag Strom. Insgesamt haben wir aus Windstrom 920 Ah erzeugt. In den ersten fünf Tagen war der Wind so schwach, dass wir kaum segeln konnten. Dementsprechend hat der Windgenerator in den ersten fünf Tagen auch nur 165 Ah erzeugt. An normalen Tagen liefert er um die 80 bis 100 Ah am Tag.

Sonnenenergie
Unser Solarstrom kommt aus vier Paneelen mit insgesamt 400 WP (Watt Peak), einem theoretischen Wert der etwa einer Spitzenleistung von 33 Ampere entspricht. Diese Spitzenleistung wird natürlich nur im Labor des Herstellers unter optimalen Bedingungen erreicht. Nicht, wenn die Solarpaneele nicht optimal auf die Sonne ausgerichtet sind, mit einer Salzkruste überzogen und teilweise von Segel, Mast, Baum, Radar oder Wolken abgeschattet sind. Die Solarpaneele haben uns 832 Ah Strom geliefert. Man muss sich vor Augen halten, dass die Zeit für die Solarstromproduktion zwischen 9 Uhr und 15 Uhr ist. Davor und danach kommt nicht besonders viel. Wenn die Solaranlage mit 15 A lädt, sind wir sehr zufrieden.

Fossile Brennstoffe
Da wir in den ersten fünf Tagen nicht genug regenerative Energie erzeugen konnten, musste am fünften und sechsten Tag der Motor angeworfen werden. Wir haben ca. 5 Liter Dieselkraftstoff in 194 Ah elektrische Energie verwandelt.

Was haben wir mit der Energie gemacht? Wir betreiben das ganze Boot mit der Energie, also die Beleuchtung, Navigationscomputer und Instrumente, Radar, Kühlschrank, Wasserwerk und dazu noch vier Smartphones, ein Tablet, zwei Notebooks und das Satellitentelefon.

Top-Verbraucher
Kühlschrank (1008 Ah), elektronischer Kleintierzoo aus Smartphones und Laptops (336 Ah), Navigation (235 Ah), Watermaker (160 Ah). Die restlichen 207 Amperestunden teilen sich die Druckwasserpumpe, Schiffsbeleuchtung, Kaffeemühle und andere elektrische Geräte, wie etwa der Staubsauger, die nicht täglich zum Einsatz kommen.

Wasserproduktion
Aus den 160 Ah Elektrizität, die unser Watermaker verbraucht hat, konnten wir 480 Liter allerfeinstes Trinkwasser herstellen. Wir halten den Wassertank immer schön voll, damit wir dann duschen können, wenn es uns danach verlangt. Ansonsten trinken wir das Zeug literweise, machen unseren Kaffee und unsere Nahrung damit und spülen das Geschirr. Unser Wasserverbrauch hält sich dennoch sehr im Rahmen, denn pro Nase und Tag verbrauchen wir lediglich ca. 11,5 Liter Wasser.

Was machen wir also, wenn wir in den kommenden Tagen ein Loch bei der Windstromversorgung haben? Wir stellen den Kühlschrank ab, geduscht wird trotzdem. Heute Abend werden die letzten Lebensmittel verbraucht, die eine Kühlung benötigen. Dann brauchen wir ihn nur noch, wenn wir kalte Getränke haben möchten. Cola schmeckt kalt wie warm nicht, also ist es egal, ob der Kühlschrank läuft. Nur am letzten Tag muss er wieder eingeschaltet werden, denn wir brauchen selbstverständlich ein kaltes Anlegerbier. Die Sissiwerke werden schon dafür sorgen. Das Buch, das Jens auf dem Foto liest, verbraucht übrigens 0 Ah.

15. Etmal: 128 nm
Position um 12 Uhr: N14°09′ W52°28′
Noch 419 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 1723 Meilen hinter uns.

Jens liest, der Windpilot steuert

Überfahrt nach Barbados Tag 14 – Salz

Der vierzehnte Seetag beginnt nicht anders, als der dreizehnte aufgehört hat. Wir beschließen, mal wieder eine Runde Skat zu spielen. Vorher macht Jens die Angel klar. Der Köder ist noch keine Minute im Wasser, da ruft Jens schon „Fisch!“ Ich kann es kaum glauben, die Spule mit der Angelschnur wickelt sich zügig ab. Jens springt zur Angel, beginnt zu kurbeln und stellt schnell fest, dass er einen ganzen Haufen Seetang oder Algen oder sowas gefangen hat Das Zeug schwimmt überall rund um Sissi herum. Wir probieren einen anderen Köder, der unter dem Seetang durch tauchen kann. Das tut er dann auch für zwei Minuten, dann schnurrt die Schnur wieder von der Spule. Ein echter Fisch, Jens kurbelt, kurbelt, kurbelt… Dann ist der Zug auf der Schnur weg, dann ist auch der Köder weg und der Fisch ist natürlich auch weg. Schade. Anschließend spielen wir Skat, angeln können wir morgen auch noch.

Nach dem Abendessen verschwinden Jakob und Jens recht schnell in ihren Kojen, obwohl wir heute Nacht wieder einmal eine längere Nacht haben. Wir stellen die Uhr noch einmal eine Stunde zurück und sind dann auf Barbados-Zeit. Das ist geographisch ziemlich grob geschätzt, doch irgendwann müssen wir die Uhren ja umstellen. So sitze ich alleine im Cockpit, bewache das Schiff und sinniere über das Segeln auf dem Ozean.

Was nervt eigentlich am meisten? Die Wellen? Die Einsamkeit? Das Gefühl der Gefangenschaft auf dem Boot? Das Geschaukel? Das Geknarze? Die täglichen Pflichten ? Der Rund-um-die-Uhr-Betrieb? Das rudimentäre Internet? Die Antwort fällt leicht. Das Salz. In den Atlantik haben sie so viel Salz hinein geschüttet, dass man ihn nicht als Nudelwasser benutzen kann. Man muss ihn mit Süßwasser verdünnen. Der Atlantik spritzt immer wieder über die Bordwand und damit beginnt das Problem. Salz.

Wir haben Salz auf den Cockpitbänken, Salz auf dem Cockpitfußboden, Salz am Ruder, Salz in der Gaskiste, Salz an der Backskiste, Salz am Cockpitdach, Salz auf den Solarzellen, Salz auf dem Deck, Salz an den Schoten. Überall ist Salz. Ein dünner, schmieriger Film, der sich auf dem ganzen Schiff befindet. Wir werden damit auch vollgespritzt. Salz ist im T-Shirt. Salz auf der Hose. Salz in den Haaren. Salz an den Händen. Wir haben Salz, Salz, Salz. Ich habe meine Trinkflasche schon an den Mund gesetzt und mich über den salzigen Geschmack gewundert. Salz im Trinkwassertank? Nein, es war Salz an meinen Lippen, Salz am Gewinde der Flasche und Salz in meinem Bart. Dieses Salz geht mir auf den Keks. Wir tragen es durch das ganze Boot. Salz auf dem Salonfußboden, Salz an allen Haltegriffen, Salz in der Pantry, Salz an der WC-Pumpe, Salz im Badetuch, Salz, Salz, Salz.

Dem Problem kann man nur mit Süßwasser Herr werden. Wir entsalzen das Cockpit, den Salon und uns selbst regelmäßig. Der Duschtag ist immer wieder ein Freudentag. Ich liebe es, nach einer Dusche in sauberen, trockenen Klamotten auf der entsalzenen Cockpitbank zu sitzen und mir das Toben des Atlantik anzusehen. Das gefällt mir meist für zwei oder drei Minuten, manchmal auchn nur für wenige Sekunden. Dann kracht eine Welle gegen die Bordwand, das Wasser spritzt und überall ist wieder Salz.

Das Salz schleppe ich irgendwann in meine Koje, mein Bettlaken ist voll Salz. Mein Kopfkissen ist voll Salz. Alles ist voll Salz. Wenn wir kochen, nehmen wir wahrscheinlich viel zu viel Salz. Wir haben ständig den Salzgeschmack auf den Lippen. Die letzte Chili-Konserve von der Metzgerei Haase war sehr lecker, salzmäßig schmeckte das Chili aber eher wie Krankenhaus-Schonkost. Das ist übel. So viel Salz. Kleine Wunden, die man sich im Bordalltag zufügt, heilen ziemlich schlecht. Wir wissen jetzt, wo der Spruch „Salz in die Wunden streuen“ herkommt. Vom Salz. Wenn mich etwas an der Segelei auf dem Ozean wirklich richtig nervt, ist es das Salz. Ich mag keine Salzbrezeln mehr.

In der Nacht ist die Problemschraube am Windpiloten mal wieder abgängig. Das Gewinde ist hinüber. Ich bestelle ein Ersatzteil in Deutschland. Hoffentlich kann Jörg es uns noch mitbringen, wenn er kommendes Wochenende zu Besuch kommt. Hoffentlich kann der Hersteller schnell genug liefern und hoffentlich klappt es mit dem Paketdienst innerhalb Deutschlands. Wir fahren erst einmal mit dem elektrischen Autopiloten weiter, Strom haben wir derzeit ohne Ende. Bei Tageslicht gelingt mir dann am nächsten Morgen doch noch eine (mutmaßlich letzte) provisorische Reparatur. Salz ist auch auf der Windfahne.

14. Etmal: 129 Salzmeilen
Gesalzen werden wir um um 12 Uhr hier: N14°10′ W50°19′
Noch 544 Salzmeilen bis nach Barbados, wir haben 1595 Salzmeilen hinter uns.

Salz

Überfahrt nach Barbados Tag 13 – Routine, Rekorde und Raserei

Unser 13. Seetag besteht aus Routine. Kaffee am Morgen. Frisches Brot, wobei uns langsam aber sicher das Mehl ausgeht. Wasser machen. Dann Schiffskontrolle, die Steuerbord-Oberwant schlackert ein wenig herum, obwohl sie an der Luvseite ist. Die schreit nach einem Schraubenschlüssel. Die Windfahne ist unauffällig, alle Schrauben sitzen fest. Erstmals. Ausruhen. Dann Skat spielen. Wir vergessen, während des Skats die Angel rauszuhängen. Jens angelt später und fängt nichts. Natürlich nicht! Wir hatten alle Bisse während des Skatspiels, aber nur, wenn die Angel draußen war. Duschen. Pasta Bolognese zum Abendessen. Ausruhen. Spülen. Jens und Jakob gehen ins Bett, meine Wache beginnt. Ich reffe das Segel ein Stück, weil mir ein Geräusch aus dem Rigg verdächtig vorkommt. Die Nacht ist ruhig, kein Squall, kein Regenschauer. Mitternachtskaffee mache ich noch für Jakob und Jens. Am nächsten Morgen fahren wir eine Halse, die Want wird nachgespannt. Noch eine Halse,
Erfolgskontrolle. Das Geräusch ist weg. Wir reffen wieder aus. Ende der Geschichte.

Aufgewühlt

Einen Rekord haben wir aufgestellt bei der Datenübertragung. Wir haben an unsere Schwester ein knapp 3 MB großes Bild gemailt. Ich habe den Upload gegen Mitternacht gestartet und als Jens um 4 Uhr die Wache übernommen hat, war das Bild schon versendet. Wenn die Datenleitung nur nicht so dürr wäre… was hätten wir ein tolles Internet-Leben. So ist die Seefahrt nur hart und entbehrungsreich.

Und die Raserei. Wir hatten in den vergangenen 24 Stunden das beste Etmal, das wir zwischen Sao Vicente und Barbados je gefahren sind. Das spült uns auch jede Menge Strom in die Batterien, den wir am Mittwoch/Donnerstag brauchen werden, denn dann soll der Wind abflauen. Hoffentlich nicht zu viel, ich will keine Wiederholung der ersten beiden Fahrtage. Ich will mehr Etmale wie heute! Das Bild des Tages habe ich gestern aus dem Bugkorb heraus aufgenommen. Dort kann man sich am besten an den Wellen erfreuen.

13. Etmal: 131 nm
Position um 12 Uhr: N14°10′ W48°09′
Noch 669 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 1466 Meilen hinter uns.

Blaue Welle