Sissi schüttelt ihr Hinterteil zweimal. Ich bin inzwischen daran gewöhnt, dass ich auf einer tanzenden Oberfläche schlafen kann, aber das ist mir zu viel. Einmal fliege ich gegen die rechte Wand, einmal gegen die linke Wand meiner Koje. Zu den blauen Flecken, die ich schon habe, kommen wieder neue hinzu. So kann ich nicht weiterschlafen, ich stehe auf. Genau zum richtigen Zeitpunkt. Gerade setze ich meine Kaffeetasse an den Mund, da ruft Jens “Oh, oh, oh!”
Mehrere Wale schwimmen neben Sissi. Sie tauchen auf, blasen aus und tauchen wieder unter. Sie bleiben richtig lange bei uns. Teilweise sehen wir helle Flecken im Wasser, das sind Wale, die mit dem Bauch nach oben schwimmen und sich die Sonne auf den Pelz brennen lassen. Eine oder zwei Tassen Kaffee später schnappe ich mir dann meine Kamera und klettere in den Bugkorb. Die Wale sind schon fast 20 Minuten bei uns. Vielleicht erwische ich einen mit der Kamera. Auf der Biskaya hatte ich auch schon Glück. Ein paar Minuten später lande ich einen Treffer. Besser als auf der Biskaya. Toll!
Sekunden später gelingt es mir ungewollt, Jakob mächtig einen Tiefschlag zu verpassen. Dabei will er nur seinen Job gut machen und das Kaffeegeschirr spülen. Nur kann er nicht sehen, dass ich noch Kaffee in der Kanne habe, als er mir die Tasse abnehmen möchte. Jeder, der schon einmal versucht hat, einen Pitbull von einem Steak zu trennen, kann sich vorstellen was es heißt, mich von meinem Kaffee zu trennen.
Noch in dem Moment, in dem die Worte meinen Mund verlassen, tut es mir leid. Ich treibe ihn in die Tränen, das war nicht gewollt. 16 Tage Überfahrt und flauer Wind zerren an den Nerven. An unser aller Nerven. Nur darf mir so etwas nicht passieren, das ist Gift für die Stimmung an Bord. Ich versuche, mich zu entschuldigen. Wir führen ein klärendes Gespräch und ich bin nun zuversichtlich, dass allenfalls ein paar schwer sichtbare Narben zurück bleiben.
Ich meine den Spruch jetzt wirklich ernst: Segeln ist hart und entbehrungsreich! Wenn drei Menschen für mehrere Wochen auf 12 Quadratmetern gemeinsam leben, praktisch ohne Privatsphäre und ohne die Möglichkeit, sich mal vor der Tür die Füße zu vertreten, ist es ein Ausnahmezustand für die Psyche.
Gestern Abend gab es noch ein letztes Mal Pizza. Jetzt haben wir nichts mehr im Kühlschrank, das uns verderben könnte. Keinen Käse mehr, keine Wurst, kein Fleisch und Fisch haben wir auch nicht mehr geangelt. Der Kühlschrank ist jetzt aus. Derzeit können wir sowieso nicht genug Strom ernten, um ihn seriös betreiben zu können. Es fehlt einfach der Wind. Sollte allerdings ein Fisch beißen, werden wir den Kühlschrank sofort wieder in Betrieb nehmen. Der Wind soll am Samstag wieder kommen, also übermorgen. So lange bleiben wir langsam. Den Motor machen wir aber nicht an, wir segeln das aus. Ich mache den Watermaker an und lasse ihn so viel Wasser produzieren, dass wir alle ausgiebig duschen können. Bei 28°C und knapp 80% Luftfeuchtigkeit ist das zwar ein kurzes, aber ein tolles Vergnügen.
Die Joint Venture ist vorgestern Nacht in Barbados angekommen. Sie hat zuerst in Bridgetown versucht einzuklarieren, hat von dort aber keine Antwort bekommen. Dann sind sie nach Port St. Charles gefahren und konnten dort die Einreiseformalitäten in einer Stunde erledigen. Damit ist für uns klar, dass wir ebenfalls in Port St. Charles einklarieren werden. Von der Grace erhalten wir über die Roede Orm die Nachricht, dass sie den Leuchtturm von Barbados sehen. Die Björkö will morgen ankommen. Wir sind mal wieder die langsamsten. Dafür sind wir aber bestens geduscht!
16. Etmal: 116 nm
Position um 12 Uhr: N14°28′ W54°23′
Noch 315 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 1839 Meilen hinter uns.