Überfahrt nach Barbados Tag 7 – Wasser ist blau

Das Wasser ist so unglaublich schön blau. Von hinten kommt Welle um Welle angerollt. Meter für Meter nähert sie sich immer weiter, sie wächst über den Geräteträger hinaus. Dann hebt sich das Heck, die Welle läuft unter Sissi durch und man sieht aus dem Cockpit in ein tiefes Tal. Bricht sich eine der Wellen im Sonnenlicht, erstrahlt diese Stelle in den schönsten, leuchtensten und sattesten Blautönen, umrahmt von den weißen Spritzern der Gischt. Das Schauspiel wiederholt sich mehrmals in der Minute, Stunde für Stunde, den ganzen Tag. In der Nacht ist das Wasser dunkelgrau. Scheint der Mond, bringt er ebenfalls die Gischt zum Glitzern. Ich kann mich an diesem Schauspiel nicht satt sehen. Das ist auch besser so, denn diesen Film zeigen sie Tag und Nacht im Bordkino, wenn man sich ins Cockpit setzt.

Ansonsten ist alles Routine. Wir haben mehrere fliegende Fische eingesammelt und wieder ins Wasser überstellt. Die Befestigungsschrauben der einen Stütze des Windgenerators haben sich gelöst und wollten wieder festgezogen werden. Außerdem wackelte die Befestigung der genannten Stütze am Standrohr des Windgenerators. Hatten wir den nicht erst ordentlich festgeschraubt…? Das war zwischen Guernsey und Roscoff, als uns der Windgenerator das erste Mal fast abgängig war. Und nun schon wieder? Wir sind von Roscoff bis hierher doch nur ein paar tausend Meilen gesegelt. Die Zeit vor der Biskaya-Überquerung ist so unendlich lange weg von unserem Jetzt.

Wir brauchen eine Schrauben-Kontroll-Checkliste. Wir können nicht jede Schraube an jedem Tag kontrollieren. Wir müssen aber sicher stellen, dass alle Schrauben regelmäßig kontrolliert werden. Sonst wird es immer wieder böse Überraschungen geben. Die von der Windfahne ziehe ich auch noch nach, dort klapperte es ein wenig. Und die Batterie im Maschinenraum wollte sich losreißen, sie hat einige ihrer Halteschrauben abgeschert. Ich ersetze die Schrauben durch mehr Schrauben. Ein weiterer Punkt für die Checkliste. Dafür hält sich das Rigg hervorragend. Die neuen Unterwanten müssen in den nächsten Tagen mal nachgespannt werden, das hat aber noch Zeit. Auch die neue Genua zieht uns prima in Richtung Westen.

Außerdem haben wir letzte Nacht die Borduhr wieder eine Stunde zurück gedreht, wir sind jetzt in der Zeitzone UTC-3 bzw. vier Stunden hinter Deutschland. Das heißt, dass unsere Position auf der Stalking-Seite immer um kurz nach 4 Uhr und um kurz nach 16 Uhr aktualisiert wird. Glücklicherweise bleiben wir vom Jetlag verschont.

Der Wind bläst so schön, das Wetter ist toll, wir machen gute Fahrt. Das Schaukeln ist jetzt sehr angenehm, die Geräusche im Schiff halten sich wieder in Grenzen. Ich setze mich eine weitere Stunde ins Cockpit und genieße das alles. Das blaue Wasser, die Gischt, die Sonne und den Wind. Ich hätte nie gedacht, dass es so schön sein würde, tagelang nur Wasser sehen zu können. Jeden Tag sieht der Atlantik anders aus, schon nach ein paar Stunden hat sich das Bild oft komplett geändert. Ich komme kaum dazu, meine Bücher zu lesen. Der beste und spannendste Thriller ist total langweilig, wenn ich ihn mit der Spannung der Grenzenlosigkeit und Weite des Ozeans vergleiche.

7. Etmal: 125 nm
Position um 12 Uhr: N15°52′ W36°56′
Noch 1326 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 746 Meilen hinter uns.

Blauwasser

Überfahrt nach Barbados Tag 6 – Segeln wie im Prospekt

Wir haben nicht besonders viel Wind, aber wir haben jetzt so eine Art Wind. Er hat gerade mal auf 15 bis 18 kn zugelegt, aber das genügt für eine Verbesserung des Reisekomforts um mehrere Zehnerpotenzen. Das Segel hat so viel Druck, dass es bei keiner Schiffsbewegung mehr schlägt. Außerdem sind die Schiffsbewegungen insgesamt wesentlich angenehmer. Und es kehrt Ruhe ein. Durch die geringeren Schiffsbewegungen knarzt die Inneneinrichtung nicht mehr so viel und das Geschirr im Schank klirrt auch nicht mehr.

Auch heute beißt während unserer Skatrunde ein Fisch an, auch heute verlieren wir ihn. Diesmal durften wir den Köder aber behalten. Immerhin nähern wir uns einem erfolgreichen Fang. Unser Kühlschrank ist sowieso fast leer, da drin würde sich ein Thunfisch sehr gut machen.

Einen guten Teil des Nachmittags sitzen wir einfach nur im Cockpit herum und schauen heraus. Die ruhige Fahrt ist ein sanftes Gleiten durch die Wellen. Es schaukelt fast gar nicht mehr. Unten im Salon fühlt es sich an, als wäre Sissi fest vertäut am Steg. Man hört nichts, außer dem Zischen und Gluckern des Wassers. Eine Delfinschule oder ein kleiner Wal wären der perfekte Rahmen für dieses Bild aus einem Segelbootprospekt gewesen, hatten aber gerade andere Pläne. Wir genießen die Zeit und die Ruhe, die sich bis zum Horizont ausbreitet.

Am Abend starten wir den Motor für eine Stunde. Wenn man seinen Strom normalerweise aus Windkraft und Sonnenenergie bezieht, sind fünf Segeltage mit mäßigem bis geringem Wind und teilweise stark bedecktem Himmel der absolute Killer für die Stromversorgung. Nach einer Stunde vermeldet der Batteriemonitor, dass wieder 70 Ah mehr in den Akkus stecken. Endlich ist wieder Ruhe.

Meine Wache wird dann alles andere als ruhig. Plötzlich schieben über 30 kn Wind Sissi von hinten an. Ich denke zuerst an einen Squall, aber da ist nichts. Das Radar zeigt nichts an. Aber von einer Minute auf die andere hat sich der Wind von einem schönen, gutmütigen Schiebewind zu einem garstigen, böigen und unfreundlichen Wind geändert. Ich muss das Segel reffen, dabei sind nur 15 kn dauerhafter Wind. Die Böen gehen aber bis knapp 30 kn rauf.

In der Nacht werde ich von den Wellen immer wieder im Bett herumgeschleudert. Trotzdem schlafe ich ziemlich gut, der Körper gewöhnt sich an alles. Am Morgen danach finde ich Jens und Jakob im Cockpit, wie sie debil auf die Logge starren und dabei grinsen. Jens hat wieder ausgerefft und der Wind schiebt Sissi mit 6,5 bis 7,5 kn voran. Es fehlt nur noch, dass sie beide auf die Instrumente sabbern. Die Welle ist zwar stärker als gestern, aber die Geschwindigkeit macht den Komfortverlust mehr als wett. Es ist schön hier.

6. Etmal: 120 nm
Position um 12 Uhr: N15°49′ W34°49′
Noch 1449 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 621 Meilen hinter uns.

Bescheuertes Selfie im Cockpit

Überfahrt nach Barbados Tag 5 – Hart und entbehrungsreich!

Ein Skatspiel ist an Bord, ein Schachspiel und das Minderheitenquartett des Postillon. Damit lässt sich etwas anfangen. Außerdem haben wir noch die Angel, mit der wir immer noch keinen Fisch gefangen haben. Also Angel raus und das Kartenspiel klar machen. Ich verkünde, dass man am fünften Tag ruhen soll, wie es schon in der Bibel steht. Wir wollen Skat spielen. Ich glaube, die letzte Runde Skat habe ich im vergangenen Jahrtausend gespielt. Jens noch gar nicht, Jakob genauso oft. Die Angelschnur geht mit einem Köder ins Wasser, einem Köder, der garantiert funktionieren soll.

Dann beginne ich mit der Erläuterung der Regeln. Mit den Werten der Farben, mit dem Reizen, Ausspielen der Karten etc. Es dauert eine Weile, bis ich mich wieder daran erinnere, welche Bedeutung die Buben beim Reizen haben. Und dass man einen Null spielen kann. Und welchen Wert ein Null, ein Null-Ouvert oder sowas haben. An alle Werte kann ich mich nicht mehr erinnern, aber wir sind ja unter uns und üben noch. Normalerweise stehen diese Werte alle auf einer der Karten im Skatspiel. Nur in unserem Bordkartenspiel fehlen sie. Segeln ist hart und entbehrungsreich.

Es macht Spaß. Viel Spaß. Jakob und Jens kapieren die Regeln einigermaßen schnell. Nur gelegentlich wird Trumpf nicht bedient, aber das sind Randerscheinungen. Wir spielen eine Runde aus, dann fällt uns plötzlich auf, dass die Angelschnur komplett rausgerauscht ist. Ein fetter Fisch ist am Haken. Wir machen uns klar für das Thunfischsteak am Abend, Jens kurbelt Meter um Meter zurück auf die Rolle. Das Zählwerk zeigt noch 50 Meter Schnur an, als sich die Kurbel plötzlich ganz leicht drehen lässt. Der Fisch ist weg, der Angelhaken auch. Segeln ist hart und entbehrungsreich.

Anschließend gönnen wir uns eine schöne Dusche. Jeder muss, da gibt es keine Ausnahme. Entweder duschen alle oder keiner. Sonst können wir eine gleichmäßige Geruchsbelästigung der anderen nicht mehr garantieren. Die Dusche ist leider nur kalt, sie hat Atlantiktemperatur (etwa 25°C). Segeln ist hart und entbehrungsreich.

Dann essen wir die Pizza, leider ohne Oregano und ohne frischen Thunfisch. Der Oregano ist uns ausgegangen, den Thunfisch hatten wir nie. Außerdem hatten wir nur zwei Bleche Pizza, drei hätten wir auch wegessen können. Dafür hat der Teig dann aber nicht mehr gereicht. Segeln ist hart und entbehrungsreich.

In der Nacht kommt endlich etwas Wind auf. Die Bootsgeschwindigkeit nimmt zu. Die Bootsgeräusche nehmen ab. Es ist wieder Spannung im Schiff, auch die Rollbewegungen werden angenehmer bzw. verschwinden. Bis ich mir während meiner Wache ein Glas Cola eingießen möchte und dabei die normalen Vorsichtsmaßnahmen ein wenig missachte. In diesem Augenblick erwischt uns mal wieder eine fiese Welle, bringt Sissi ins Rollen, mich ins Taumeln und die Cola auf den Fußboden. Toll, ich darf mitten in der Nacht noch den Fußboden wischen. Segeln ist hart und entbehrungsreich.

Wir stehen per Email in Kontakt mit der Joint Venture II, die eineinhalb Tage vor uns abgefahren ist. Die leiden auch unter dem schwachen Wind. Und wir stehen in Kontakt mit der Björkö, die zwei Tage nach uns abgefahren ist und nicht über Wind klagen kann. In der Nacht werden wir von der Chriscat aus Frankreich in nur zwei Meilen Abstand überholt, leider können wir keine Funkverbindung herstellen. Mehrere Rufe gehen ins Nichts, wahrscheinlich haben die ihr Funkgerät ausgeschaltet, um Strom zu sparen. Schade. Bei denen ist es wohl noch härter und entbehrungsreicher.

Am folgenden Morgen erfreuen wir uns daran, dass in den letzten 24 Stunden nichts kaputt gegangen ist und außer der Angelschnur nichts zerrissen wurde. Wir öffnen eine frische Dose Leberwurst aus Frankfurt und schmieren uns den Inhalt auf das selbst gebackene, frische Brot. Kleine Gewürzgurken hätten super zu dem Brot gepasst, haben wir aber nicht. Bzw. wir finden sie gerade nicht in der Vorratslast. Segeln ist hart und entbehrungsreich.

5. Etmal: 103 nm
Position um 12 Uhr: N15°42′ W32°47′
Noch 1565 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 501 Meilen hinter uns. Den Point-of-no-return haben wir auch hinter uns. Wir können mit unserem Diesel nicht mehr nach Mindelo zurück fahren. Ab sofort müssen wir vorwärts.

Pizza