Miles and more (Teil 2)

Am heutigen Tag öffne ich mal wieder unser Logbuch für euch LeserInnen unseres Blogs. Seit dem letzten Statistik-Beitrag sind nur eineinhalb Monate vergangen. Für uns fühlt es sich an, als wäre es eine lange Zeit. Wir haben seit Sines viel erlebt und so manche Meile auf dem Wasser zurückgelegt.

Logbuch

Inzwischen sind wir 178 Tage unterwegs und haben 718,7 Seemeilen mehr Kielwasser hinterlassen, also insgesamt 3058,7 Meilen (bzw. 5659 Kilometer). An den neu hinzugekommenen 60 Reisetagen waren wir an 12 Tagen wirklich unterwegs, den Rest der Zeit lagen wir mal wieder im Hafen oder – neu – für einige Tage vor Anker. Macht diesmal 20% der Tage, an denen wir auf See waren.

Unser Motorstundenzähler ist inzwischen bei 231 Motorstunden, also sind 21 Motorstunden mehr auf der Uhr. Wir haben von Sines bis Lanzarote ca. 65 Liter Diesel verbrannt – das ist ein sensationeller Dieselverbrauch von knapp 0,1 Liter Diesel pro zurückgelegter Seemeile bzw. von 4,8 Litern auf 100 km (damit sich die Autofahrer etwas darunter vorstellen können). Nur wiegt Sissi so viel, wie ein kleiner LKW, sie hat 12 Tonnen Gewicht. Wir sind allerdings der Meinung, dass das noch besser geht. Wir wollen den Anteil der Segelstunden noch weiter steigern.

Unsere Frischwasserproduktion läuft hervorragend. Wir haben seit dem 16. Oktober weitere 885 Liter Wasser produziert und verbraucht, damit sind wir bei einem Wasserverbrauch von 15 Litern pro Tag gelandet. Einen Teil davon trinken wir, der Rest geht für das Spülen von Geschirr, Händewaschen und das Reinigen von Sissi drauf. Wenn wir weiterhin so wirtschaften, können wir guten Gewissens über den Atlantik aufbrechen und werden auch kein Problem haben, genug Strom zu ernten, um hin und wieder eine Dusche auf dem großen Teich zu nehmen.

An den Duschen in Sines, Portimao, Lagos, Puerto Calero und Rubicon ist nichts auszusetzen. Sie waren sauber und haben prima funktioniert.

Größere Defekte hatten wir keine mehr, lediglich kleinere Problemchen. Uns ist mitten in der Nacht einer der Blöcke der Windfahnensteuerung abgerissen und hat sich in den Atlantik verabschiedet. Dabei folgte er einigen wichtigen Schrauben, die schon vorher verschwunden waren. Zum Glück gibt es Schraubenkleber, damit sind die neuen Schrauben jetzt gesichert.

Klimakiller Sissi-Crew

Unsere einigermaßen schöne CO2-Bilanz haben wir uns mit ca. 6000 Kilometern Flugreise nach Frankfurt und zurück leider vollkommen versaut.

Wir versprechen, dass es nicht wieder vorkommen wird. Dazu hat uns das Fliegen außerdem viel zu wenig Spaß gemacht.

Es gab keine weiteren außergewöhnlichen Vorkommnisse, die wir im Logbuch notiert haben. Wir hoffen, dass das auch weiterhin so bleibt. Mögen alle Segelcrews sicher unterwegs sein.


Der Anlass für den heutigen Beitrag ist mir wichtig. Jetzt sind wir in der perfekten Position, um den Atlantik zu überqueren. Schon bei der derzeitigen Wetterlage wäre es unproblematisch, sofort zu starten. In den kommenden zwei Wochen scheint das Wetter sehr stabil und der Passat stetig zu sein. Die Teilnehmer der ARC werden jedenfalls ihre Freude an diesem Wind haben. Bis Mitte Dezember werden wir jedoch noch auf den Kanaren bleiben, ein Zwischenstopp in Teneriffa ist noch geplant.

Dann sind es aber nur noch ca. 2700 Meilen bis in die Karibik. Oder drei Wochen Fahrt. Nach einem halben Jahr Übung, Training, Reparaturen und Sightseeing fühlt sich das gigantisch an. Was vor ein paar Wochen noch in weiter Ferne schien, liegt jetzt greifbar vor uns. Wir freuen uns. Wir sind gespannt.

Frankfurt am Main

Das Heimweh war groß, der Durst war es auch. Außerdem jährte sich der Hochzeitstag meiner Eltern überraschenderweise zum fünfzigsten Male. Ich durfte in diesem Jahr schließlich meinen 49. Geburtstag feiern. Wir haben hin und her überlegt. Sollen wir in diesen Flieger steigen? Sollen wir so viel Lärm und Dreck produzieren? Wir haben uns für den Lärm, für den Dreck und für den Besuch in Frankfurt entschieden. Eine Woche musste reichen.

Ankunft
Der Flieger war überpünktlich und landete sanft auf der Südbahn, also der Landebahn, auf der man in Frankfurt den wenigsten Lärm abbekommt. Landungen auf der Südbahn verlärmen eher Offenbach, das ist aber nicht schlimm.

Nachdem wir unser Gepäck abgeholt hatten, machten wir uns auf den langen Weg zur S-Bahn. Die fuhr aufgrund von Bauarbeiten im Fernbahnhof ab, das ist ein ordentlicher Fußmarsch. Alsdann begrüßte uns die automatische Ansage, die S-Bahn wurde mit 10 Minuten Verspätung angekündigt. Das genügte uns, um im örtlichen Rewe erst mal frisches Bier und frischen Äppler zu holen. Lecker. Wir fühlten uns sofort wieder zu Hause. Wenn die S-Bahn spät ist und der Äppler frisch, dann ist man in Frankfurt.

Eine knappe Stunde später nach der Benutzung einer weiteren S-Bahn, die ebenfalls ihrem Fahrplan hinterher fuhr, erreichten wir gegen 23 Uhr das Haus unserer Eltern. Ich wollte an der Tür klingeln, doch das Gartentor war verschlossen. Also griff ich zum Telefon und rief an. Meine Mutter fragte, ob bei uns alles in Ordnung sei. Ich entgegnete, dass ein Notfall eingetreten ist und dass sie uns unbedingt die Haustür aufmachen muss – wir würden sonst erfrieren. Für uns war es etwas kalt in Deutschland. Unseren Vater überraschten wir beim Länderspiel Deutschland gegen wen eigentlich? Das Ergebnis wurde nachrangig.

Zwei Stunden später gingen wir dann endlich ins Bett, die Freude war auf allen Seiten riesengroß.

Herbststimmung am Mainufer

Ballermann am Main
Was macht der Deutsche, wenn er in den Urlaub fährt? Er macht einen drauf. Das ist bei Jens und mir nicht anders. Wir sind ja weitestgehend unangekündigt in Frankfurt gelandet, also konnten wir noch Freunde überraschen und einfach mal an den verschiedensten Orten in der Stadt überraschend auftauchen.

Ich wollte einfach nur kurz bei den ehemaligen Arbeitskollegen reinschneien und gemeinsam zum Mittagessen gehen. Der Plan hat nur teilweise funktioniert. Das mit dem Besuch und dem Mittagessen klappte problemlos, dafür wurde es mit dem Kurzbesuch nichts. Nach vier Stunden hatte ich etwa die Hälfte durch, dann wurde es mir zu viel. Die andere Hälfte der KollegInnen, die ich nicht besuchen konnte, möchte ich aus dem Blog grüßen, ich habe einfach nicht mehr geschafft.

Bescheuertes Selfie mit einigen ehemaligen Team-Kollegen

Ich habe euch gesagt, dass ich das Bild ins Blog bringen werde. Dass ich darauf so bescheuert aussehe, konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht ahnen.

Anstrengender als der Kollegenbesuch war der Rhein-Main-Stammtisch des Whiskyforums. Das ging dann von der Alkoholmenge schon mehr in Richtung Ballermann. Da die Stadtbusse streikbedingt nicht fuhren, habe ich einen schönen Spaziergang vom Konstablerwachemarkt nach Sachsenhausen gewonnen und konnte ein schönes Bild von der nächtlichen Skyline aufnehmen.

Frankfurter Skyline bei Nacht

Eine völlig überraschende Art, Frankfurt neu zu erleben, ist der Besuch als Kurzzeit-Tourist. In der einen Woche habe ich mitgenommen, was mitzunehmen war. Und eben auch das Whiskytasting. Von dieser Stelle aus geht mein Dank an Thomas, der mich eingeladen und den Mund darüber gehalten hat. Und an Gregor, der mir einen Glenturret nach dem anderen ins Glas gefüllt hat. Und an alle anderen, mit denen ich tolle Gespräche hatte. Wenn man sich lange nicht sieht, kommen schon einige Themen zusammen.

Bescheuertes Selfie mit Thomas beim Whiskystammtisch

Waldstadion
Eine weitere Veranstaltung, die etwas anstrengender wurde, war der Besuch des Fußballspiels unserer Eintracht im Waldstadion. Praktischerweise war in jener Woche ein Heimspiel gegen einen unterklassigen Verein aus Niedersachsen. Es war nicht ganz einfach, an die Eintrittskarten zu kommen, denn das Waldstadion ist bei fast jedem Gegner gut gefüllt.

Beim Stand von 0:0 war die Welt noch in Ordnung

Möglicherweise lag es daran, dass wir den Schal an Bord gelassen haben. Möglicherweise haben wir uns zu wenig auf das Spiel konzentriert. Möglicherweise haben wir zu wenig gelärmt, zu wenig gesungen und sind zu wenig gehüpft. Möglicherweise lag es auch gar nicht an uns, dass wir gleich zwei Gegentore kassiert haben. Naja. Auch wenn das Ergebnis suboptimal war, hatten wir doch eine gute Stimmung.

Bescheuertes Selfie mit Floh im Waldstadion

Der Besuch hat sich auch hier gelohnt, nach dem Spiel konnten wir noch viel schwätzen. Das nächste Spiel wird besser – garantiert!

Familie
Und dann wäre da noch der Familienbesuch. Ich habe die Chronologie des Frankfurt-Aufenthalts ein wenig gedreht, denn das Beste soll ja bekanntermaßen zum Schluss kommen. Neben unseren Eltern Annemie und Manfred gibt es da noch den Hund Siena und die Katzen Luna und Maja.

Siena

Siena ist vom Typ Labrador und schon 12 Jahre alt. Sie braucht deswegen ihren Schlaf. Ansonsten kuschelt sie immer gerne mit einer der Katzen.

Maja

Maja ist scheu wie ein Reh. Man kann diese Katze weder fangen noch streicheln. Das ist schade, denn sie sieht mit ihren großen Augen so süß aus. Was auch immer sie in ihrem früheren Leben von Menschen erfahren hat, hat diese Katze dermaßen geprägt, dass sie immer so scheu bleiben wird.

Luna

Luna ist frech! Auf diesem Foto fordert sie von mir die sofortige Lieferung frischen Katzenfutters. Ganz besonders gut hat mir gefallen, dass sie einige Nächte bei mir im Bett verbracht hat. Endlich wieder mal mit einer Katze zusammen schlafen und ihr beim Schnurren zuhören.

Feiern
Gefeiert haben wir mit jeder Menge Verwandtschaft. Ich bin ja nicht so der Typ, der Familienfeiern gerne besucht. Diesmal war es anders, diesmal wollten wir schließlich an der Feier teilnehmen. Es war schön, dem stundenlangen Geschwätz zuzuhören und dabei Spaß zu haben.

Sissitorte

Unsere Schwester Christine war ein klein wenig angefressen. Sie hat sich so viel Mühe gemacht, eine Sissitorte zu backen und uns ins Cockpit gesetzt. Auf ein Bild hat sie die Worte drucken lassen „Goldene Hochzeit – nicht ohne uns“. Natürlich konnte sie nicht wissen, wie wahr diese Worte sein würden.

Die Sissitorte kommt gut an

Viel mehr will ich nicht über die Familienfeier schreiben, schließlich war es eine Familienfeier. Schon die Veröffentlichung des Fotos von unserer Mutter mit der Sissitorte wird mir ein wenig Ärger bescheren.

Kulinarische Höhepunkte
Rippsche mit Kraut. Da gibt es fast nichts mehr dazu zu sagen, außer, dass wir unseren Eltern den Apfelwein schon recht schnell weggetrunken haben. Die haben einfach nicht genug bestellt. Warum eigentlich, wir kommen doch zu Besuch. Also gab es Wein aus Trauben, der auch lecker geschmeckt hat.

Rippsche mit Kraut

Ich werde nicht anfangen, meine Mahlzeiten zu fotografieren. Aber für dieses leckere Mahl mache ich eine Ausnahme.

Auf dem Preungesheimer Markt hatte ich nur Zeit für ein einziges Glas Bier, dann musste ich zur Familienfeier. Ich bekam aber ein leckeres Fässchen zum Mitnehmen, das ich höchstselbst nach Lanzarote geschleppt habe.

Bier aus dem Dorfbräuhaus

Abschied
Nach nur einer Woche kam dann der Punkt, der immer auf einer Urlaubsreise kommt. Nach einer Woche hieß es Abschied nehmen.

Wir haben versucht, diesen Abschied so kurz und schmerzlos zu machen, wie es irgendwie geht. Es geht nicht kurz und es geht nicht schmerzlos.

Mit vielen Umarmungen, guten Wünschen und Tränen haben wir uns von unseren Eltern und ihrem Zoo getrennt, sind zur S-Bahn gelaufen und bekamen von der Deutschen Bahn noch einmal 10 Minuten Extrazeit geschenkt, 10 Minuten S-Bahn-Verspätung und 10 Minuten gemeinsames Warten mit unserem Vater und Siena. Es ist ja nur ein Abschied auf Zeit, wir werden wieder kommen und in unser Elternhaus einfallen. Das nächste Mal sagen wir aber vorher Bescheid.

Flieger nach Lanzarote

Frankfurt verabschiedet uns mit trübem Novemberwetter. Die Wolkendecke über Europa war während unseres Flugs immer komplett geschlossen. Erst südlich von Spanien gab es erste Löcher und beim Landeanflug auf Lanzarote schien die Sonne.

Landeanflug, auf dem Bild ist Sissi zu sehen.

Etwas schmunzeln mussten wir, als der Flugkapitän allen Passagieren einen schönen Urlaub gewünscht hat. Unser Urlaub war vorbei.

Zum Schluss jetzt noch einmal Luna bei ihrer drittliebsten Beschäftigung (nach Schlafen und Fressen). Luna googelt. Sie macht es gerne, mal schnell, mal langsam. Aber immer mit Schwung.

Rückgabetag

Wir müssen das Speed-Dinghi wieder in seinen Heimathafen zurückbringen. Davor wollen wir aber noch eine kleine Runde über die Insel drehen und an der Westküste einige Stellen anschauen, die wir bislang noch nicht gesehen haben.

Im Nationalpark mussten wir für den ersten Fotostopp anhalten – zwei Gründe: Einmal war ein schönes Motiv zu sehen mit Gärten inmitten von Steinmauern, Versuche des Menschen, die Insel kultivierbar zu machen.

Gärten am Rande des Nationalparks

Zum Anderen spukt mir ein Spruch durch den Kopf, der sich auf dieser Insel inmitten der Lavabrocken immer mehr verfestigt hat. Wir mussten die Hauptstraße verlassen, um die Gärten zu fotografieren. Da ist sonst außer der Lava nicht viel. Der Spruch wurde früher immer mal wieder in Eisenbahn-Newsgroups gebracht, wenn Pufferküsser mit ihren Autos und hoher Geschwindigkeit den Zügen auf irgendwelchen Pisten nachgefahren sind. „Company cars and rental cars may go anywhere.“ Dieser Spruch ist auf seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen.

Company cars and rental cars may go anywhere. Stimmt.

Wir befreien den Wagen wieder aus der Lava und setzen unsere kleine Tour fort. Nach der Querung des Nationalparks Timanfaya landen wir dann wieder inmitten weißer Häuser, die unterhalb von braunen Bergen stehen. Eine Ortschaft lädt uns zu einem kleinen Fotostopp ein – La Santa. Immerhin ist bald Weihnachten. Weihnachten werden wir wohl inmitten des Atlantik verbringen.

La Santa – gut einen Monat vor Weihnachten

Weiter geht es, wir müssen uns beeilen, eine Tankstelle erreichen, bevor wir den ganzen Sprit verbraucht haben. Wir haben aber immer noch die Zeit, einen fantastischen Himmel zu fotografieren.

Himmel über Lanzarote

Zuletzt geben wir den Wagen zurück. Der Vermieter will sich gar nicht anschauen, ob der Wagen in ordentlichem Zustand ist. Wir werden gefragt, ob der Tank noch zu einem Viertel gefüllt ist. Warum haben wir Ochsen eigentlich voll getankt? Anschließend gehen wir zur Bushaltestelle und warten auf den Bus, der uns in die Marina zurück bringt. Während wir auf den Bus warten, ergibt sich dann noch einmal eine wunderschöne Lichtsituation unter den Wolken. Heute war der Himmel traumhaft schön.

Wolkenformation