Wenn wir irgendwo fest gemacht haben, dann ist das Boot richtig fest. Das ist nicht wörtlich gemeint, jedes Boot braucht am Steg eine gewisse Bewegungsfreiheit. Sonst ist das nicht gut für die Leinen, die Klampen und die Nerven der Besatzung. Ich meine den Umbau der mobilen, segelnden Sissi zu einer Ferienwohnung im Hafen und wieder zurück. Das ist zwar inzwischen alles Routine, es strengt jedoch an und deswegen machen wir das nur, wenn es sich lohnt oder wenn wir den alten Ort gründlich satt haben. Manche Orte entwickeln darüber hinaus gewisse Klebekräfte, die einen zusätzlich festhalten.
Oft liegen wir lange an einem Ort. Wenn es dann endlich weiter gehen soll, findet in unseren Köpfen und auch in der Realität ein Countdown statt, der mindestens mal so genau durchexerziert wird, wie beim Start einer Rakete in den Weltraum. Meistens jedenfalls.
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Einen Tag vor der geplanten Abfahrt prüfen wir das Wetter noch einmal. Eigentlich prüfen wir das Wetter ständig, vor der Abfahrt machen wir es aber noch viel öfter. Wir schauen, welche Vorräte noch ergänzt werden müssen und kaufen diese dann ein. Natürlich vergessen wir dabei immer wieder wichtige Dinge im Laden, das können wir irgendwie nicht verhindern. Selbst wenn wir den Einkauf gut planen und einen Einkaufszettel schreiben, vergessen wir den Zettel an Bord.
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So zwölf Stunden vor der geplanten Abfahrt räumen wir auf. Selbst wenn Sissi erst seit zehn Minuten am Steg liegt, verteilen sich Gegenstände durch das Schiff, die alle wieder an ihrem Platz geräumt werden wollen. Liegen wir länger, wird es immer schlimmer. Wir sind nicht die einzigen, denen es so geht, dieses Problem haben alle. Sollten wir noch ein Brot brauchen, backen wir noch ein Brot. Manchmal kochen wir Essen auf Vorrat, manchmal planen wir Mahlzeiten, die wir auf See zubereiten wollen. Das kommt darauf an, ob wir nur einen kurzen Törn von weniger als 24 Stunden Dauer oder einen längeren Schlag von mehreren Tagen vor haben.
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Zwei Stunden vor der geplanten Abfahrt fangen wir so langsam an, Sissi richtig seeklar zu machen. Wir bringen den Müll zum Müllcontainer. Oft duschen wir noch einmal. Geschirr wird noch weggespült und weggeräumt. Die Luken werden verschlossen, Wäsche eingesammelt und verräumt. Wir haben ein kritisches Seeventil, das muss geschlossen werden. Außerdem hängt da oft noch die Sonnenschutzplane über dem Baum, die will abgenommen, gefaltet und verstaut werden.
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Eine Stunde vor der geplanten Abfahrt sammeln wir das Stromkabel für den Landstrom ein und verstauen es. Wir fangen an, die Leinen, die Sissi am Steg festhalten, so umzubauen, dass wir sie vom Boot aus mitnehmen können. Wir verabschieden uns von den Nachbarn. Ggf. wird noch ein Reff ins Großsegel eingebunden. Regelmäßig prüfen wir den Motor (Motoröl, Kühlmittel, Keilriemen) vor der Abfahrt.
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Ein paar Minuten vor der Abfahrt starten wir den Motor. Der darf schon etwas brummen, bevor wir Leistung von ihm fordern.
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Wir machen die Leinen los. Eine, noch eine, noch eine und noch eine. Lediglich eine Leine hält uns zum Schluss. Oft müssen wir schon jetzt einen Gang einlegen, das Getriebe einkuppeln, denn mit einer Leine ist die Situation nicht mehr stabil.
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Ein letzter Rundumblick, sind andere Boote im Weg? Können wir aus der Box heraus fahren?
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Die letzte Leine ist los, wir bewegen uns.
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Jetzt werde die Fender und Leinen verstaut. Derweil brummt der Diesel und schiebt uns raus aufs Meer.
+300 Sekunden
Wenn alle Fender und alle Seile verstaut sind, kommt die Gewissensfrage: Reicht der Wind? Dann ziehen wir die Segel hoch. Reicht der Wind noch nicht aus, brummt der Motor erst einmal weiter. Wir bemühen uns immer, nur dann aus dem Hafen zu fahren, wenn wir auch brauchbaren Wind erwarten.
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Die Segel sind oben und der Motor wird gestoppt, das Schiff läuft auf dem elektrischen Autopiloten und die Windfahnensteuerung muss justiert werden. Ist das erledigt, schalten wir den elektrischen Autopiloten ab und fahren unter Windsteuerung.
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Schon fertig! So schnell und einfach geht das. Dann segeln wir und können das theoretisch unendlich lange tun. Wir können jede Entfernung zurücklegen, weil unser Treibstoff nie ausgeht. So fühlt sich echte Freiheit an. Wir machen einen Sprung von ein bis vier Tagen Dauer und haben einen neuen Stellplatz für unser Wohnmobil.
Beim Anlegen läuft alles in umgekehrter Reihenfolge, nur holen wir uns keinen frischen Müll aus dem Container. Den produzieren wir selbst. Der Countdown zum Anlegen ist wesentlich kürzer. Je schneller wir fertig sind, desto schneller haben wir das verdiente Anlegerbier in der Hand.
Dann sind wir wieder fest. Für ein paar Tage. Oder für ein paar Tage mehr.