Brandaktuell – Bericht aus der Bordküche

In Dublin haben wir uns bei einem Family Butcher ein Kilo Gulasch vakumieren lassen. In Wicklow geht Jens an die Zubereitung. Er bringt den Topf auf große Hitze, fügt das Öl zum Anbraten hinzu, öffnet die Vakuumverpackung und wirft das Fleisch in den Topf. Dann höre ich nur einen Ruf „Scheeeiiiiiiiße!!!!!“. In der Verpackung hat sich noch eine zweite Plastiktüte befunden, die der Metzger zum Abwiegen des Fleischs verwendet hat. Die schmeckt angebraten natürlich besonders lecker.

Zweiter Versuch – ohne leckeres Polyäthylen

Jens konnte unter Einsatz seines Lebens das gute Fleisch retten, musste den Topf ordentlich schrubben und nun riecht der zweite Versuch echt lecker. Ich freue mich auf das Gulasch. Ein kleines Gulasch-Quiz für die Wartezeit habe ich im Postillon gefunden.

Action

Fahrtensegler sind faules Pack. Sie liegen meist im Hafen herum und entspannen sich. Fahren sie dann doch einmal los, wollen sie möglichst wenig dabei arbeiten. Die entspannendsten Kurse sind Vorwindkurse bei moderater Welle. Da kommen die Segel am Morgen hoch und werden am übernächsten Tag an einem völlig anderen Ort wieder herunter genommen.

Sieben Wenden auf dem Weg nach Wicklow

Das Gegenteil sind Amwindkurse. Der Wind kracht von vorne auf das Boot, es muss sich in die Wellen stürzen und alle paar Minuten müssen die Segler arbeiten, weil der Kurs eine Wende will. Anstrengend.

Am Wind fahren ist anstrengend.

Nach nur sechs Stunden am Wind waren wir fertig und mussten uns in Wicklow aufs Ohr hauen. Wir sind das nicht (mehr) gewöhnt. Wir sind so schnell ins Bett gefallen, dass wir nicht einmal mehr großartig vom Anlegerbier wollten.

Nacht

Es ist Mitternacht. Wir sind auf dem Weg von Douglas nach Dublin. Jens hat mich vor ein paar Minuten geweckt, ich habe die zweite Wache. Der Wind bläst mit vier bis fünf Windstärken und Sissi läuft unter Vollzeug, es sind also beide Segel in voller Größe gesetzt. Wie so oft beim Segeln kommt der Wind aus der Richtung, in die wir fahren wollen, also müssen wir aufkreuzen. Das verlängert den Weg, ist aber um viele Größenordnungen besser als Motorfahrt.

Douglas haben wir gegen Mittag verlassen, damit sind wir schon zwölf Stunden unterwegs und haben etwa die Hälfte der Strecke hinter uns. Der Mond ist vor kurzem aufgegangen und taucht die irische See in sein blasses Licht. Das Tauwerk knarzt, hin und wieder flattern die Segel. Sonst höre ich nur das Zischen des Rumpfs durch das dunkle Wasser. Die Wellen sind sehr angenehm und Sissi schaukelt leicht. Alleine sind wir nicht, in der Ferne kann ich Lichter von Frachtschiffen und Fischerbooten sehen. Trotzdem sind wir am einsamsten Ort der Welt – 30 Meilen von Irland und 30 Meilen von der Isle of Man entfernt, zwar mitten in Europa, doch unser Kosmos ist auf die 12 Meter Schiffslänge von Sissi begrenzt.

Ich schalte das Radio ein. Wir sind zu weit von der Küste entfernt, um einen Sender empfangen zu können. Aus unserer Musikbibliothek wähle ich ein paar Platten von Udo Lindenberg aus, die mir die Nacht verkürzen sollen. Zwischendurch schaue ich immer wieder nach anderen Schiffen, der Segelstellung und dem Wind. Wir machen eine gute Fahrt von knapp sechs Knoten über Grund, dabei hilft der Tidestrom ein wenig mit. Trotz der frühen Stunde fühle ich mich frisch und ausgeruht, dabei habe ich kaum geschlafen.

Meine Gedanken schweifen wild in der Weltgeschichte herum. Wie wird die Fahrt über die Biskaya sein, wie wird die Überquerung des Atlantik? Was erwartet uns in den nächsten Tagen und Wochen? Kurz darauf lande ich wieder in der Gegenwart, das AIS vermeldet einen Fischer auf Kollisionskurs. Kurz überlege ich, ihn über Funk anzusprechen, dann ändert er wieder seinen Kurs. Seit Schottland haben wir keinen Fisch mehr gegessen, ich bekomme Lust auf Fisch. Um die Angel auszuwerfen, sind wir viel zu schnell. Bei unserer Geschwindigkeit beißt kein Fisch mehr an.

Udo Lindenberg singt über den Horizont, hinter dem es weiter geht. Dort wollen wir hin! Schon um drei Uhr zeigt sich die erste Morgendämmerung, kurze Zeit später schläft der Wind ein. Ich rolle die Genua ein, ziehe das Großsegel dicht und wir treiben nur noch in den Wellen. Der Wind hält sich ausnahmsweise an die Wettervorhersage, es regnet nicht und das Mondlicht ist noch über dem Meer zu erahnen. Ich koche eine Kanne Kaffee, warte auf den vorhergesagten Winddreher. In der Flaute herumdümpeln geht aufs Gemüt. Die Fallen schlagen, Sissi macht unangenehme Bewegungen, es fühlt sich einfach nicht gut an. Ich will der Versuchung widerstehen, wie auf einem Chartertörn den Motor anzuwerfen. Das können wir auf dem weiten Atlantik auch nicht.

Nach einer Dreiviertelstunde setzt der Wind wieder ein, diesmal aus einer günstigen Richtung. Wir können direkt auf Dublin zuhalten. Ich rolle die Genua wieder aus, wir gewinnen an Geschwindigkeit. Das Kielwasser gluckert wieder, der Rumpf zischt durch die Wellen. Wir sind auf Halbwindkurs, schneller kann man mit einem Segelboot nicht unterwegs sein. Auf dem Kartenplotter kann ich sehen, wie die Meilen zum Ziel zusammen schnurren. Wir fahren inzwischen mit über sieben Knoten auf Dublin zu.

Gegen halb Acht am Morgen wecke ich Jens, inzwischen bin ich müde und möchte auch ein paar Stunden schlafen. Jens freut sich über den Kaffee und dass ich ihm genug davon übrig gelassen habe. Zwei Möwen lieferten sich in unserem Cockpit einen kleinen Kampf und haben auf unsere Solarzellen geschissen und gekotzt. Das sieht ein wenig eklig aus, wir müssen es unbedingt wegmachen. Leichter Regen hat eingesetzt. Wir haben nur noch ein paar Meilen bis zur Einfahrt in die Dublin Bay vor uns.

Ich liebe diese Nachtfahrten, sie haben einen ganz besonderen Zauber. Besonders dann, wenn der Motor nicht läuft und das Wetter so schön ist. Es gibt keine schönere Art der Fortbewegung, als auf einem Segelboot bei Nacht.