Auf zu neuen Ufern! Auf zur Isle of Man!

Ich bin mit dem Blog fast zwei Länder im Rückstand, deswegen kommt jetzt ein längerer Beitrag. Diesen Beitrag schreibe ich in Douglas, der Hauptstadt der Isle of Man, am Vorabend unserer Abreise von dort. Im Backofen backt noch ein neues Brot. So lange das nicht fertig ist, kann ich an diesem Beitrag schreiben.

Nach einem nur 24-stündigen Aufenthalt flüchteten wir quasi aus Belfast. Obwohl wir aus Frankfurt am Main kommen, hat uns die lediglich halb so große Stadt komplett umgehauen. So viele Menschen, so viele Autos, so viel Lärm und so viel Dreck in der Luft. Wenn man wochenlang nur reinste Seeluft und den Duft der Highlands atmen darf, ist das Gewusel und der Trubel einer Großstadt die wahre Hölle.

Also füllten wir ganz schnell die Bestände an frischen Waren im Kühlschrank auf, duschten noch einmal in der sehr, sehr guten Marinadusche und legten uns ein paar Stunden aufs Ohr. Gegen Mitternacht war es dann soweit, wir starteten den Motor und verließen die Marina. Bei der Ausfahrt aus der Marina kam uns im Hafen die Ben-My-Cree entgegen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass es eine Fähre von der Isle of Man war, es war lediglich ein Riesenpott, der auf uns zu kam und dann noch im Hafenbecken drehte.

Nach dem Verlassen des betonnten Kanals stellte sich alsbald ein ordentlicher Segelwind ein, so dass wir den Motor abschalten konnten. Das war für mich die Zeit, ein ausgiebiges Nickerchen zu nehmen, Jens hatte die erste Wache. Die Wellen waren sehr unangenehm und haben uns immer schräg von hinten geschoben, das bei vielleicht zwei Metern Wellenhöhe. So richtig kann ich das nicht abschätzen, es können auch drei oder vier Meter gewesen sein, ich will aber nicht prahlen.

Der Tidestrom half uns ein wenig bei der Geschwindigkeit, doch als ich Jens dann irgendwann am Morgen ablöste, waren wir nicht besonders weit voran gekommen. Das war nicht so gut, denn wir wollten die Nordspitze der Isle of Man noch erreichen, bevor der Strom kippt. Dort ist dann nämlich eine unangenehme und starke Gegenströmung.

Point of Ayre Lighthouse
Point of Ayre Lighthouse

Dann verließ uns auch noch der Wind. Trotz schneller, durch den Strom unterstützter Motorfahrt erreichten wir die Nordspitze etwa eine Stunde zu spät. Onkel Benz wühlte mit seinen 94 Pferdestärken das Wasser auf, dennoch fuhren wir kaum noch mehr als zwei bis drei Knoten über Grund. Die Gegenströmung hatte etwa drei bis vier Knoten und unangenehme Wellen und kreisförmige Ströme verlangten sogar von mir, den Autopiloten auszuschalten und das Schiff von Hand zu steuern. Jens hatte seinen Spaß dabei, in dieser Situation den Leuchtturm an der Nordspitze zu fotografieren.

Nach einer knappen Stunde war der Spuk zum Glück vorbei, Sissi fuhr wieder mit dem Autopiloten und auch der Gegenstrom war auf ein vernünftiges Maß geschrumpft. Nur noch ein bis eineinhalb Knoten strömten uns entgegen. Doch welcher Strom soll zwei Frankfurter auf dem Weg in den nächsten Pub aufhalten?

Noch ein Leuchtturm auf der Isle auf Man

Den nächsten Leuchtturm konnte ich damit selbst fotografieren. Nebenbei versuchten wir noch, ein mehr Informationen über den kommenden Hafen aus dem Internet zu saugen, als der Reeds Nautical Almanach zur Verfügung stellt.

Das Internet verweigerte aber die Mitarbeit. Das Datenvolumen, das wir in Peterhead gekauft haben, ist nur innerhalb des United Kingdom funktionsfähig. Die Isle of Man gehört aber nicht dazu, sie ist Besitz der Krone – wie zum Beispiel auch die Kanalinseln. Dafür meldeten die Handys, dass wir normale EU-Konditionen haben, also kostenloses Roaming. Wir reaktivierten eine alte Datenkarte aus Deutschland und siehe da, das Internet wollte wieder mit uns sprechen.

Einfahrt zur Marina von Douglas

Zum Beispiel kamen wir auf diese Weise an die Information, dass wir nicht in die Marina einlaufen können. Jedenfalls nicht vor 21 Uhr. Wir mussten an den Wartepontoon fahren, an dem nach Angaben des Reeds bis zu 18 Boote Platz finden. Mit viel gutem Willen passen da drei Segelboote hintereinander dran. Da ein größeres englisches Boot schon am Pontoon lag und einige Fischer ihre kleinen Motorboote am anderen Ende festgemacht hatten, musste Jens Sissi in eine ca. 14 Meter lange Parklücke steuern. Zur Erinnerung: Sissi ist vom Anker bis zur Windfahnensteuerung etwa 13 Meter lang. Es klappte hervorragend, der Hafenmeister lobte Jens für das Anlegemanöver. Dann mussten Formulare ausgefüllt werden und wir durften noch gut sechs Stunden darauf warten, dass in der Einfahrt zur Marina genug Wasser ist.

Päckchenbildung am Wartepontoon

In der Zwischenzeit sammelten sich mehr und mehr Segelboote am Wartepontoon. Wenn es nicht hintereinander geht, legt man die Boote halt nebeneinander. Bei uns machte die Steel Pulse fest, ein schönes Segelboot aus Bangor, Nordirland. Es entspann sich ein lockeres Gespräch – wir waren uns sicher, mit den beiden nicht zum letzten Mal gesprochen zu haben.

Endlich ging dann um 21:15 Uhr die Brücke auf, wir konnten in den Hafen fahren. Dort machten wir am Pontoon fest und fielen nach der langen Nacht ziemlich schnell in unsere Betten.

Douglas Marina bei Nacht

Am nächsten Tag ging es dann los, die Insel zu erkunden. Dafür kauften wir uns eine Dreitageskarte für den ÖPNV. Für lediglich 34 Pfund kann man drei Tage lang alle, wirklich alle Öffis auf der Insel benutzen. Die Dampfeisenbahn, die elektrische Eisenbahn, die Bergbahn, die Pferdebahn und natürlich alle Busse. Das ist praktisch und rechnet sich schnell. Und die Öffis sind nicht nur ein Feigenblatt, mit den Bussen kommt man alle Viertelstunde praktisch überall auf der Insel hin. Leider war die Pferdebahn wegen Bauarbeiten außer Betrieb, ich bin noch nie mit einer 1-PS-Straßenbahn unterwegs gewesen.

In der Manx Electric Railway

Die im 19. Jahrhundert eröffnete elektrische Eisenbahn fährt noch mit alten Fahrzeugen aus der Gründerzeit und ist damit sehr gut anzusehen. Die alten Wagen mit ihren Holzaufbauten verwinden sich deutlich, wenn die Züge über die ausgeleierten Gleise schaukeln. Es knarzt und knackt im Gebälk, dafür trötet der Fahrer mit seiner Presslufthupe an jeder Kreuzung noch sein Liedchen dazu.

Wagen 32 in Fairy Cottage

Es gibt geschlossene und offene Triebwagen, die mitgeführten Anhänger waren allesamt offene Sommerwagen.

Laxey Station

Laxey ist so etwas wie eine „zentrale“ Umsteigestation. Hier kann man von der normalen Eisenbahn (rechts im Bild) auf die Bergbahn, die Snaefell Mountain Tramway, umsteigen (links im Bild) und auf den höchsten Berg der Insel fahren. Das haben wir natürlich gemacht.

Auf 2000 Fuß Höhe – die Bergstation

Kaum zu glauben, das sich bislang von der Isle of Man nur das Motorradrennen kannte. Ich habe ein paar Videos der Bahnen gemacht und noch einige Fotos auf Lager. Die Videos wollen noch geschnitten werden, dafür brauche ich einen oder zwei Seetage. und hinterher anständiges Internet für den Upload.

Jetzt kommt es erst einmal zu einem Download, das Brot muss aus dem Ofen. Danach gehen wir ins Bett, denn morgen müssen wir zeitig aufstehen. Wir brauche noch Vorräte aus dem Supermarkt, dann dürfen wir die Brückenöffnung nicht verpassen. Den Hafen können wir nämlich nur innerhalb des Zeitfensters von zwei Stunden vor Hochwasser bis zwei Stunden nach Hochwasser verlassen. Sonst sitzen wir bis zur nächsten Tide fest.

Leinen los!

Und Sissi bewegt sich doch noch. Wir haben es geschafft, uns von der Insel Islay zu lösen. Das war jedoch nicht leicht, wir hätten gut und gerne noch länger bleiben können. Islay gehört zu den schönsten Orten, wie wir bislang gesehen haben.

Zuerst haben wir den Liegeplatz für drei Nächte bezahlt, weil wir am vierten Tag mit Wind gerechnet haben. Dann bezahlten wir noch zwei Nächte, denn die Windvorhersage war mau. Dann kam noch eine Nacht dazu, der Hafenmeister, Ian Montgomery, begann zu lachen.

Er erzählte mir, dass er Freitags immer Besuch von einer Frau bekäme, die ihm frisch geräucherten Lachs bringt. Ob wir gegen Mittag noch da wären, wollte er wissen. Aufgrund der Tide wollten wir gegen Mittag abfahren, das passte also irgendwie. Ich meinte, er solle die Fischverkäuferin zu uns schicken, frischen Fisch lehnen wir nie ab.

Abschiedsgruß von Islay
Um die Mittagszeit, wir hatten schon die meisten Leinen verstaut und Sissi seeklar gemacht, kam Ian mit dem Auto an den Steg gefahren und trug ein kleines Päckchen in seinen Händen. Er drückte es mir in die Hand, lehnte eine Bezahlung ab und meinte, das sei ein Geschenk von ihm an uns. Lag es daran, dass wir ihn mit frischem, selbst gebackenem Schokoladenkuchen bestochen haben? Lag es daran, dass wir immer nett und freundlich zu ihm waren? Oder lag es daran, dass er sich darüber gefreut hat, dass wir endlich, endlich die Marina verlassen? Ich schiebe es mal auf den Schokoladenkuchen… So hatten wir plötzlich zwei große Portionen Räucherlachs, den wir sofort auf unser eigenes Brot warfen. Lecker! Geruchlich hat der Lachs auch sofort die Herrschaft über den Kühlschrank übernommen – das riecht deutlich besser, als wenn der französische Rohmilchcamembert regiert.

Wir verlassen Port Ellen

Bei allerschönstem Wetter, es regnete nämlich nicht, steuerten wir Sissi gen Süden. Der Wind hat sich an die Vorhersage gehalten und blies mit drei bis vier Windstärken aus Nordwest, die Genua war prall gefüllt und das schottische Lokalradio spielte Countrymusik. Die Schotten stehen auf Countrymusik.

Bald wurden wir vom Tidestrom erfasst, die GPS-Logge zeigte irgendwann Geschwindigkeiten von knapp 8 Knoten, drei davon gingen auf die Tide. Eine herrliche, angenehme Ruhe stellte sich ein. Wir waren beide froh, endlich wieder unterwegs zu sein. Islay ist eine wirklich klebrige Insel.

Nach etwa 60 gesegelten Seemeilen verließ uns der Wind bei der Einfahrt in die Bucht von Belfast. So kurbelten wir den Motor an und hielten Kurs auf den wichtigsten, größten und belebtesten Hafen Nordirlands. Wir schnupperten die uns umgebende Luft und statt nach Seetang, Algen, Meerwasser oder der Mälzerei von Port Ellen roch es nach Staub, Industrie und Straßenverkehr. Wir konnten in der Dunkelheit die Autobahn sehen, der Verkehr trat trotz unseres laufenden Motors akustisch in den Vordergrund.

Die spinnen, die Iren
Belfast hat einen riesigen Hafen mit einer Unzahl von Schiffsbewegungen jeden Tag. Ganz am Ende des Hafenbeckens, befindet sich die Marina. Mit dem Segelboot da hinein zu fahren ist etwa, als wäre man mit dem Fahrrad zu einer Autobahnraststätte unterwegs. Alle anderen Schiffe sind größer, schneller und viel, viel schwerer. Der Hafenlotse kam uns mit 25 kn entgegen und lotste einen Frachter ins Hafenbecken. Selbstverständlich überholte uns der Frachter an der engsten Stelle. Über Funk wurde ein Riesenbohei darum gemacht, letztendlich hätte aber die Titanic noch zwischen den Frachter und Sissi gepasst.

Am Ende waren wir morgens um zwei Uhr wohlbehalten in der Marina, mitten in einem Neubaugebiet – dem Titanic Quarter. Dort wurde vor über 100 Jahren die Titanic auf Kiel gelegt. Heute strömen die Touristen durch die ehemaligen Docks.

Sissi im Titanic Quarter – Belfast Marina

Müde und abgekämpft gönnten wir uns noch ein Anlegerbier und freuten uns darüber, das nächste Land besuchen zu können.

Islay klebt. Aber richtig.

Irgendwie kommen wir hier nicht weg. Die Insel Islay hat einen enormen Klebeeffekt. Es fühlt sich an, als müsste man jeden Tag noch einen Tag länger bleiben. Heute haben wir uns aufgrund des weiterhin fehlenden Windes für einen Spaziergang zum Leuchtturm entschieden. Das Wetter war fantastisch, der komische gelbe Stern am Himmel war zu sehen.

Leithammel mit Untergebenen

Morgen fahren wir bestimmt ab. Der Wind kommt in der richtigen Stärke aus der richtigen Richtung. Da können wir ganz bestimmt nicht bleiben.

Die Wiederkäuer mit ihrem Leithammel kauten recht entspannt vor unseren Kameras herum, auch sonst konnten wir viel Natur sehen. Die ganze Insel ist voll Natur und ich würde am liebsten in jede Ecke laufen.

Hier klebt man jedenfalls nicht nur im Pub fest, sondern an der ganzen Insel. Wow! Ist mir bei den vorherigen Besuchen mit Charterbooten nie so aufgefallen. Damals hatten wir nie genug Zeit.