Inkompatibel

Ein schöner Tag. Auf der Suche nach einem neuen Platz für Sissi habe ich in der vergangenen Woche verschiedene Orte besucht. Es gibt den Aruba Nautical Club (ANC), einen privaten Yachtclub, der nur für Mitglieder zugänglich ist. Er wurde mir empfohlen, weil er schön und ruhig gelegen ist. Die Öffnungszeiten des Büros sind im Internet nicht auffindbar, die Öffnungszeiten des angegliederten Restaurants schon. Ich fahre also zu den inselüblichen Bürozeiten hin und stelle fest, dass ich den falschen Tag erwischt habe. Es ist Donnerstag und am Donnerstag schließt das Büro um 12 Uhr. An allen anderen Tagen hat es von 11 Uhr bis 19 Uhr geöffnet. Alles klar, den Sprit habe ich umsonst verbrannt. Ich fahre am Freitag wieder hin.

Am Freitag bin ich gegen 11:30 Uhr am Büro des ANC. Dort ist niemand zu sehen. Ich rufe die Telefonnummer an, die auf dem Schild mit den Öffnungszeiten steht. Im Restaurant klingelt das Telefon. Natürlich nimmt niemand ab, das Restaurant öffnet erst um 17 Uhr. Außer mir ist eine weitere Person vergeblich gekommen. Pech. Ich verlasse das Gelände. Ein paar Minuten später treffe ich (natürlich rein zufällig) Soraida auf der Straße, denn ich stelle das Auto auf ihrem Wendeplatz ab. Soraida möchte später am Tag zum Impfzentrum gehen und ihre zweite Impfung abholen. Etwas später rufe ich wieder beim ANC an. Das Büro ist nun geöffnet und ich kann vorbeikommen und mich informieren. Fein.

Der private Club hat eine Aufnahmegebühr, eine monatliche Gebühr und Gebühren für den Liegeplatz. Dafür gibt es im clubeigenen Restaurant einen Rabatt von 20%. Auf ein Jahr gerechnet würden mich die Mitgliedschaft und der Liegeplatz für Sissi im Monat etwa 400 US$ kosten. Für diesen Preis gibt es auch einen Liegeplatz in der Marina Varadero, allerdings ohne die Formalitäten der Mitgliedschaft und der Wartezeit, bis ich als Mitglied aufgenommen werde. Damit ist die Entscheidung klar. Der Liegeplatz in Oranjestad für 800 US$ wird aufgegeben und Sissi zieht nächste Woche nach Varadero um.

Impfzentrum in Santa Cruz

Soraida ruft mich an. Wenn ich sofort kommen würde, könnte ich im Impfzentrum die Impfung bekommen. Sie ist gerade in der Schlange und wartet auf ihre zweite Spritze. Leider habe ich weder meinen Reisepass noch meinen Impfpass dabei. Soraida teilt mir mit, dass ich lediglich irgendwie nachweisen muss, dass ich länger in Aruba bleibe. Ich gebe dem Auto die Sporen und komme fünf Minuten vor Büroschluss in Varadero an. Bürokraft Judith freut sich über meine Reservierung und über meine Kreditkarte. Für den folgenden Tag verspricht sie mir eine schriftliche Bestätigung der Reservierung. Toll! Schon beim letzten Besuch waren die Leute in Varadero sehr freundlich, sind sie diesmal auch. Allerdings trifft das auf fast alle Menschen in Aruba zu.

Am Samstag nehmen Jens und ich unsere Reisepässe, unsere Impfpässe und zur Sicherheit auch die ganzen Bootspapiere mit. Wir fahren zum offenen Impftermin und sind bestens ausgerüstet. Die Reservierungsbestätigung bringt uns am ersten Wachmann vorbei, der für das Aussortieren der Touristen zuständig ist. Der zweite Wachmann begleitet uns bis zum Tisch für die Registrierung. Es wird kurz diskutiert, dann ist klar, dass Jens und ich die Impfung bekommen können. Wir dürfen den Fragebogen ausfüllen. Super!

Fragebogen. Nur in Papiamento erhältlich.

Eine Sporthalle ist zum Impfzentrum umfunktioniert worden. Musik spielt. Es ist ruhig aber geschäftig. Zwischen den Stuhlreihen fahren immer wieder die Impfwagen durch. Jens und ich sitzen noch keine fünf Minuten auf dem Stuhl, dann kommt schon der Wagen zu uns.

Jens ist frisch geimpft.

Die letzte offene Frage ist noch, ob es in den linken oder den rechten Arm gespritzt werden soll. Anschließend müssen wir noch 15 Minuten warten, dann können wir wieder gehen. So leicht geht das, so schnell geht das. Den zweiten Termin haben wir auch schon, den wird Jens allerdings leider nicht wahrnehmen können. Er muss sich für den zweiten Schuss einen Termin in Deutschland suchen. Zumindest der Impfstoff passt, in Aruba wird auch mit dem Biontech Impfstoff geimpft.

Mein erster Schuss

Zur Feier des Tages fahren wir noch zum Lionfish Snack und essen eine Portion Kibbeling. Lecker. Anschließend lassen wir uns zwei Stunden lang im natürlichen Pool herumtreiben.

Ein Problem habe ich allerdings mit der Impfung. Mein Smartphone (Android) kann keine Verbindung zu dem Chip aufnehmen, der mir nun gespritzt wurde. Haben die mir etwa einen Apple-Chip gegeben? Oder ist es gar so, dass die weltweite Chipknappheit dafür sorgt, dass in meinem Impfstoff gar kein Chip enthalten ist? Ich kann den Chip jedenfalls nicht mit WLAN, Bluetooth oder NFC erreichen. Auch das UKW-Radio im Auto kann ihn nicht empfangen. Oder er ist schlichtweg inkompatibel zu allem… Jedenfalls bin ich sehr froh, dass ich endlich geimpft bin.

Offiziell. Inklusive zweitem Impftermin.

Akzeptieren. Annehmen. Anpassen.

Jetzt bin ich also wieder auf Aruba und erwarte eine weitere Hurrikansaison. Das kann ich inzwischen akzeptieren. Die Alternativen sind überschaubar, ich könnte das Boot an Land stellen und nach Deutschland fliegen. Davon wird Sissi aber nicht besser. Also nehme ich die Herausforderung an und stelle mich der neuen Situation. Die neue Situation hat natürlich nicht nur Nachteile. Ich kann Soraida besuchen und sie mich, wir können gemeinsam etwas unternehmen und die junge Pflanze unserer Beziehung pflegen.

Bei Soraidas Nachbarn ist der Garten voller Ziegen

Einen wichtigen Punkt auf meiner Liste kann ich ziemlich schnell abhaken. Ich kaufe gerade einen Gebrauchtwagen. Der kostet etwa so viel wie ein Mietwagen für zehn Wochen und ist sehr nützlich, denn ich habe in diesem Jahr einen vollkommen anderen Mobilitätsbedarf als im vergangenen Jahr. Mit dem eigenen Auto kann ich Sissi auch in die andere Marina verlegen, die im Monat wesentlich günstiger ist. Die Marina in Varadero liegt auf der Rückseite des Flughafens und befindet sich praktisch am Ende der Welt, ich habe den Liegeplatz zum 1. Juni reserviert.

Esel?!

Was werde ich in den kommenden Monaten machen? Neben dem Austausch der elektrischen Bilgepumpe und der Reparatur des Achterstags habe ich mir weitere Arbeiten an Sissi vorgenommen. Insbesondere der Innenraum des Salons und dort speziell die Holzdecke haben unter dem vielen Salzwasser gelitten, das uns auf dem Rückweg aus Kuba hineingelaufen ist. Ich werde das komplett neu machen.

Leider geht es nicht mehr, dass ich bei den Eseln mitarbeite. Zwischen Desiree und mir herrscht seit dem vergangenen Herbst Eiszeit. Sonntags fahre ich trotzdem hin und mache mir mit Anneke, den Katzen und den Eseln einen schönen Nachmittag.

Swa beaufsichtigt die Esel

Brauche ich noch mehr tierische Nähe, kann ich auch im Tierheim mithelfen – bei den Katzen oder bei den Hunden. Ich würde zu den Katzen gehen.

Wenn ich an der Bilgepumpe arbeite, werde ich auch gleich Vorkehrungen treffen, dass ein Wassereinbruch wie bei unserem letzten Versuch der Atlantiküberquerung nicht mehr vorkommen kann. Der Schwanenhals am oberen Ende des Schlauchs muss so verlegt werden, dass er immer über der Wasserlinie ist.

So können nur Katzen entspannen

Nicht zuletzt ist da noch die gemeinsame Zeit mit Soraida. Ich denke nicht, dass es mir in den kommenden Monaten langweilig wird. Ich glaube, die Zeit wird sehr sehr schön.

Kurz nachdem ich die Ziegen auf dem Nachbargrundstück fotografiert habe, sind sie zügig aber ohne besondere Eile weggegangen. Die Hunde der Nachbarn haben die Ziegen entdeckt und mit ihrer Arbeit begonnen. Auch die Hunde haben keine Besondere Eile, zu den Ziegen zu kommen. Vieles geht langsamer in der Karibik.

Abmarsch, die Hunde kommen

Außerdem habe ich vor, eine neue Sprache zu lernen – Papiamento. Eigentlich wäre Holländisch nützlicher, damit kann man auch in Holland etwas anfangen, doch die Umgangssprache in Aruba ist nun einmal Papiamento. Das macht sich später bestimmt gut in Bewerbungsschreiben, wenn ich mit einer Sprache aufwarten kann, von der der Personaler nicht einmal weiß, dass es sie gibt.

Wenn Sissi so weit ist, dass ich eine Testfahrt unternehmen kann, werde ich eine kleine Tour nach Bonaire machen. Oder nach Curacao. Dann bekomme ich bei der Wiedereinreise nach Aruba einen weiteren Stempel in den Pass. Irgendwann bin ich der Deutsche mit den meisten Aruba-Einreisestempeln. Im Moment hat Jens die Nase vorn, da er Aruba einmal mehr verlassen hat als ich. Eine Testfahrt in ein anderes Land mache ich aber nicht, bevor ich geimpft bin. Wenn ich illegal im Land bin, hole mich mir den Schuss. Danach werde ich wieder reisen.

Der letzte Sonnenuntergang auf dem Atlantik vor unserer dritten Rückkehr nach Aruba.

Jens wird Aruba am 26. Mai verlassen und im kommenden Jahr für die Atlantiküberquerung zurückkehren.

Abbruch!

Wir sind umgekehrt. Wir fahren wieder nach Aruba zurück. In ca. 14 Stunden werden wir eintreffen. Damit ist er aus, der Traum von den Azoren. Das Leben auf dem Boot hat erst einmal ein Ende gefunden. Die Hurrikansaison startet bald und bei Sissi ist ein gewisser Reparaturbedarf entstanden.

Nach der rauen Nacht ist uns aufgefallen, dass die Steuerbordreling irgendwie komisch aussieht. Jens hat den Schaden am Achterstag dann bei näherer Betrachtung gefunden. Damit können wir nicht weitersegeln. Wir laufen Gefahr, den Mast zu verlieren. Der Motor brummt. Bis die Reparatur durchgeführt ist, wird es zu spät für einen neuen Versuch sein. Unsere Frustration könnte kaum größer sein. Daran ändert auch das leckere Gulasch nichts, das hier auf dem Herd köchelt.

Ich werde in den nächsten Tagen wohl nicht sehr viel schreiben. Es muss viel geplant werden. Es muss viel geklärt werden. Das ist nicht das Ende des Törns. Zu Ende ist der Törn erst, wenn Sissi wieder auf dem Ijsselmeer schwimmt.

Riggschaden